Montag, 9. Dezember 2013

„Wie eine Spinne“ - das Netzwerk des Dr. Höttl, die CIA und die FPÖ-Gründung

Langversion des Artikels "Wie eine Spinne" - erschienen in profil, Nr. 49/2013, S. 42-46.

Neue Details zu einem Schurkenstück des Kalten Krieges: 1948 heuerte der US-Geheimdienst in Österreich Ex-Nazis und einen ungarischer Kriegsverbrecher an. Deren Spionageemission scheiterte kläglich. Dafür trieben sie aktiv die Gründung der Vorgängerorganisation der heutigen FPÖ voran.

Jochen Rindt, Thomas Prinzhorn, Andre Heller und der Ex-Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek haben etwas gemeinsam: Sie besuchten ein Privatgymnasium in Bad Aussee, das 1964 in den Konkurs schlitterte. Der glücklose Besitzer erhielt 1995 für seinen „Mut zum Risiko“ und „als Historiker und Verfasser zahlreicher zeitgeschichtlicher Publikationen“ von Landeshauptmann Josef Krainer das Goldene Verdienstkreuz des Landes Steiermark: Dr. Wilhelm Höttl, ehemals SS-Obersturmbannführer, „Spionage- und Abwehrchef für den Südosten“ und rechte Hand des Naziverbrechers Ernst Kaltenbrunner. Während letzterer 1946 nach Verurteilung beim Nürnberger Prozesses gehenkt wurde, machte Höttl eine erstaunliche zweite Karriere: Als honoriger „Historiker“ und Schulgründer und insgeheim als Spion verschiedener Geheimdienste. Denn der Ex-Nazi galt als Spezialist für Ungarn und den Balkanraum – ausgezeichnete Referenzen im Kalten Krieg, wo nicht umsonst die Maxime galt: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. So entließ die US-Armee Höttl im Dezember 1947 und verweigerte dessen Auslieferung an eines der österreichischen Volksgerichte, die damals gegen NS-Täter vorgingen.


Ernst Kaltenbrunner (Quelle: Wikimedia Commons)


Schon 1948/49 führte Höttl im Auftrag des US-Militärgeheimdienstes Counterintelligence Corps (CIC) ein großangelegtes Spionageunternehmen durch – gemeinsam mit den umtriebigen Ex-Nazis Karl Kowarik und Erich Kernmayer sowie einem ungarischen SS-Mann. profil-Recherchen in freigegebenen US-Akten und im Wiener Staatsarchiv zeigen: Höttl und sein Anhang nutzten die US-Ressourcen, um gleichzeitig ein eigenes „nationales Projekt“ voranzutreiben – die politische Reintegration der österreichischen Nazis und den Aufbau des Verbandes der Unabhängigen (VdU), der Vorgängerorganisation der heutigen FPÖ.

Begonnen hatte alles am 10. Juli 1948 – nachdem sich zuvor zwischen den Supermächten extreme Spannungen aufgebaut hatten: Im Februar hatten die Kommunisten in Prag die Macht übernommen, Stalin, Ende Juni begann die Berlin-Blockade. In Österreich wiederum gab es Befürchtungen, die KPÖ könnte in der sowjetisch besetzten Zone einen Putsch vorbereiten. In dieser Situation installierte Höttl für das CIC Field Office im oberösterreichischen Gmunden zwei Agenten-Netzwerke.

Zunächst einmal sollten unter dem Codenamen „Montgomery“ jenseits des „Eisernen Vorhangs“, in Ungarn, Informationen beschafft werden – betreffend militärische und kommunistische Aktivitäten sowie wirtschaftlich-industrielle Entwicklungen. Verantwortlicher Operationschef war der ehemalige SS-Hauptsturmführer Karoly Ney. Noch 1944 hatte der Budapester Anwalt Jagd auf „Juden, Defätisten und Saboteure“ gemacht. Zwei Jahre später verurteilte ihn ein US-Tribunal zum Tode – während drei Mitangeklagte gehenkt wurden, begnadigte man Ney rasch. Seine angeblichen Kontakte zu Marschall Franco und zum Vatikan sollen ihn empfohlen haben. Rund um Ney bildeten mehrere Dutzend Agenten, vor allem ungarische Kriegsveteranen und Emigranten, die „AMA“. Letztendlich sollte daraus eine „aktive Oppositionsgruppe“ werden.

Ihr Hauptquartier hatte die „AMA“ einem Gebäude des CIC in Lambach, 25 km von Gmunden entfernt. Ausbildungsmaßnahmen wurden rund um eine Hütte des Alpenvereins bei Grünau durchgeführt. Die abgelegene Gegend im Toten Gebirge eignete sich hervorragend für das Training im Partisanenkampf. Um die Aktivitäten zu finanzieren, stellte der CIC monatlich 60.000 Schilling bereit. Als „Pressechef“ bei der „AMA“ fungierte Höttls enger Vertrauter Erich Kernmayer – dieser hatte die Aufgabe, sobald die gelieferten Informationen aufzubereiten. Für diese Aufgabe empfahl Kernmayer seine Vergangenheit: „Bis 1934 war Kernmayr glühender Kommunist, von da an begeisterter Anhänger Hitlers“, heißt es in seiner Stapo-Akte. Das illegale NSDAP-Mitglied stieg nach dem Anschluss zum Gaupresseamtsleiter in Wien auf und diente danach in der Waffen SS-Division „Das Reich“.

Parallel zu „Montgomery“ lief noch ein zweites Unternehmen –„Mount Vernon“: Ziel war hier, eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufzubauen, „die im Ernstfall als antibolschewistsche Untergrundbewegung funktionieren soll.“ Diese Aufgabe übernahm Karl Kowarik, der 1934 Führer der gesamten Hitlerjugend Österreichs gewesen war. 1939 der SS beigetreten, wurde Kowarik Stadtrat in Wien und Mitglied des Deutschen Reichstag. Auch er diente anschließend in der Waffen SS. Nun in amerikanischen Diensten richtete er sein Hauptquartier in einer Villa in Orth bei Gmunden ein. Das CIC stellte monatlich 40.000 Schilling zur Verfügung. Funk- und Sabotageausbildung sollen in Bayern stattgefunden haben. Alleine unter den acht „Quellen“ von „Mount Vernon“ befanden sich zwei frühere SS-Geheimdienstoffiziere und ein SS-Untersturmführer. Um seine Berichte per Bahn durch die sowjetische Zone zu schleusen, versteckte eine der „Quellen“ diese kurzerhand im Wassertank der Herrentoilette.

Höttl, Deckname „Willi“, war der „control chief“ beider Netzwerke. Zunächst hielt er sich im Hintergrund – aber alle Fäden liefen bei ihm zusammen, wie aus einem Dokument hervorgeht: „Er allein und persönlich empfängt alle Gelder und verteilt sie auf die einzelnen Gruppen und Personen.“ Während Kernmayer, Kowarik und Ney sich an die Arbeit machten, konzipierte Höttl noch für die US-Armee den Plan, nach Schweizer Vorbild eine „Alpenfestung“ zu errichten, „die über den ganzen Krieg gehalten werden soll, womöglich in Verbindung mit Oberitalien und der Schweiz“. Die Wiederwahl von US-Präsident Harry S. Trumans am 2. November 1948 machte solchen Überlegungen einen Strich durch die Rechnung: Höttls Schweizer Verbindungsmann, ein Generalstabsoberst, brach die Unterredungen kurzfristig ab: Ein Krieg sei in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, „da weder Truman noch die Russen militärisch vorgehen würden“. Höttl dagegen hatte fix mit einem Sieg der republikanischen Hardliner gerechnet und befürchtete nun eine Beschwichtigungspolitik, die den Ausbruch des „doch unvermeidlichen Krieges“ hinauszögern würde.

Daraufhin mengte sich Höttl stärker in die Arbeit seiner beiden Netzwerke ein – das war auch notwendig geworden, denn es kriselte heftig. Vor allem Ney hatte sich in den Augen der Auftraggeber diskreditiert: Die Ausbildung in Grünau habe zum größten Teil aus Schulungen, „vornehmlich ideologischer Art“ gegen den Marxismus bestanden. Und nachdem die Agenten dort gemeinsam die Schulbank drückten, wurden sie auch untereinander bekannt – was gegen die Grundregeln des Spionagegeschäfts verstieß. Vor allem aber soll die Truppe rasch vom gegnerischen Geheimdienst unterwandert worden sein. Ney, kritisiert ein Bericht scharf, habe einen Feldwebel der ungarischen Grenztruppen angeworben: „Der Mann hat nicht nur das Hauptquartier in Lambach erkundet; es ist ihm auch der größere Teil der Agenten durch das Grünauer Lager bekannt geworden.“ Der Spion soll darüber hinaus Aufschluss über die in Ungarn platzierten Agenten erhalten haben. Diese konnten dadurch identifiziert und ausgeschaltet werden. Ney, bei dem sich „immer deutlicher ein ausgesprochener Führer- und Unfehlbarkeitskomplex“ zeigte, wurde zudem ein allzu lockerer Umgang mit den Finanzmitteln der Gruppe vorgeworfen. Und schließlich war das CIC mit der Ausbeute unzufrieden: Es sei zu wenig Material geliefert und gleichzeitig ein finanzielles Minus angehäuft worden.

Nach dem Ausscheiden Neys wurde das Lager in Grünau Mitte November 1948 aufgelöst. Die Geheimdienstaktivitäten in Ungarn wurden von Kernmayer übernommen, dem man auch Kowarik unterstellte. Der neue Chef arbeitete daran, die bisherige Erkundungstätigkeit von „Mount Vernon“, die sich auf militärische Belange und KPÖ-Aktionen beschränkt hatte, „auf die gesamte Innenpolitik und auf die Wirtschaft auszudehnen“. Kernmayer hatte weitfliegende Pläne: Ihm schwebte die Einrichtung einer „antikommunistischen Propagandastelle“ in Österreich vor, die vor allem „Zersetzungspropaganda“ unter den Kommunisten und unter den russischen Truppen betreiben sollte. Eine eigene Agentur sollte zu diesem Zweck „Material gegen den Bolschewismus“ zuliefern. Doch konnte er mit dem Vorschlag „nicht durchdringen“. Bald kam es zu internen Spannungen und das CIC bekrittelte die Qualität der Informationen.

Umso energischer widmeten sich Höttl und seine Gehilfen ihrer eigentlichen Herzensangelegenheit: Der Wiedereinbindung und Rehabilitierung österreichischer Nazis. Diese fühlten sich nämlich von der jungen Republik ungerecht behandelt: Im Zuge der „Entnazifizierung“ wurden NS-Funktionäre, Angehörige von SS und Gestapo für einige Jahre in Internierungslagern festgehalten – so auch Kernmayer und Kowarik, die in Glasenbach einsaßen. Dort sollen sie eine Geheimorganisation mit dem bedrohlichen Namen „Spinne“ gegründet haben. Diese verfolgte angeblich zwei Hauptziele: „Wiedergutmachung an den ehemaligen Nazis für erlittene Strafen“ und längerfristig ein zweiter Anschluss an ein wiedervereinigtes Deutschland.

Bitter waren die Ex-Nazis auch über ihre politische Schlechterstellung: Rund 540.000 Personen, die zwischen 1933 und 1945 Mitglied der NSDAP oder eines ihrer Verbände waren, hatten das Wahlrecht verloren. Schon 1948 verabschiedete der Nationalrat eine Amnestie für die „Minderbelasteten“, die damit wieder stimmberechtigt waren. Um dieses beträchtliche Wählerpotenzial entbrannte in der Folge ein regelrechter Wettstreit zwischen den Großparteien SPÖ und ÖVP – vor allem als im März 1949 rund um Viktor Reimann und Alois Kraus der Verband der Unabhängigen (VdU) als politische Vertretung der Ex-Nazis zusammenfand. Der Kampf gegen die angebliche Entrechtung und Schlechterstellung[1] der „Ehemaligen“ war eines Haupanliegen wie Kraus Anfang Juni 1949 bei einer VdU-Versammlung hervorstrich: „Ein Viertel oder ein Drittel der Bevölkerung ist in äußerste Not gestoßen und zu verlässlichen Feinden des Staatswesens gemacht worden. In keinem Staat der Welt hat eine so grausame Verfolgung der Mitläufer des NS-Regimes stattgefunden, wie in Österreich.“

Höttl und seine Netzwerke hatten eine wichtige Rolle im Hintergrund gespielt. In einem Bericht der Organisation Gehlen, Vorläufer des heutigen Bundesnachrichtendiensts, vom Dezember 1948 wird vermerkt: „Als sein politisches Ziel bezeichnet Höttl die Herstellung eines tragbaren Verhältnisses zwischen der Regierung und der nationalen Opposition sowie zwischen Österreich und dem ‚deutschen Raum’. Man müsse die ehemaligen Nationalsozialisten, sofern sie aufbauwillig sind, aus der sozialen Misere herausführen und sie wieder an den österreichischen Staat heranlassen.“ Schon im Oktober 1948 wurde gemeldet, dass Kernmayer „in ständiger Beziehung zu dem Leiter des Salzburger Instituts für Wirtschaftsforschung, Dr. Kraus steht und in dessen ‚Berichte und Informationen‘ auch Material veröffentlicht, dass er entweder direkt von den Emigranten gesammelt hat oder nur durch Verbindungen zu den amerikanischen Nachrichtendienst-Stellen (CIC Salzburg und Gmunden) bekommen haben kann.“

Am 9. Jänner 1949 traf sich Höttl mit Kraus in Gmunden. Man einigte sich darauf, die VdU-Parteigründung durch den „Österreich-Apparat (Kowarik-Kernmayer)“ zu unterstützen – so etwa durch „Flüsterpropaganda“. Oder indem der VdU-Parteizeitung „Neue Front“ Belastungsmaterial gegen ÖVP-Funktionäre in Oberösterreich zugespielt wurde. Kraus erhielt jedenfalls das Versprechen, dass Höttls Spionagetruppe dem VdU „zur Verfügung stehen würde“ – was dann passierte, malt ein Dokument von 1953 bildhaft aus: „Die Organisation Dr. Höttl streckte dann wie eine Spinne ihre Fühler über ganz Österreich aus, um alle ehemaligen führenden Nazis für den VdU zu erfassen.“ Es sei „sogleich“ Verbindung zu früheren Angehörigen des SS-Sicherheitsdiensts und SS-Funktionären aufgenommen worden, „um von ihnen Nachrichtenmaterial zu erhalten“. Ein Vertrauter Kernmayers, der frühere Gauinspektor in Oberdonau Stefan Schachermeyer klapperte Industrielle ab, „die er im Auftrag des VdU zu Geldspenden veranlasste“.

Der so vorangetriebene Aufbau der VdU löste vor allem bei ÖVP Sorgen vor einer Spaltung des bürgerlichen Lager aus: Am 28. Mai 1949 setzte sich deshalb in Oberweis eine ÖVP-Delegation unter Führung des späteren Bundeskanzlers Julius Raab mit elf „Ehemaligen“ – darunter Höttl, ein früherer Adjutant Kaltenbrunners und der spätere Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz – zusammen. Man diskutierte unter anderem die Abschlaffung des Verbotsgesetzes, die Wiedereinführung des passiven Wahlrechts für Ex-Nazis und die Aufstellung eines „nationalen“ Bundespräsidentschaftskandidaten. Eine Einigung kam nicht zustande. Während die Oberweiser Konferenz große Wellen schlug, traf sich Kernmayer diskret auch mit SPÖ-Vertretern. Bei den anschließenden Nationalratswahlen am 9. Oktober 1949 gewann der VdU aus dem Stand 11,7 Prozent der Stimmen. Allerdings führten Verluste bei darauffolgenden Wahlen und interne Machtkämpfe dazu, dass die Partei in der 1955 gegründeten FPÖ aufging.

Höttls Spionagekomplex, der die Bildung dieses „dritten Lagers“ mit ermöglicht hatte, bestand zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Die Amerikaner hatten schon am 1. September 1949 die Reißleine gezogen. Beim CIC war es zu einer „allgemeinen Neuorientierung“ gekommen. Neun Beamte, die mit Höttl eng zusammengearbeitet hatten, wurden abgelöst. Das traf neben dem Leiter des Field Office Gmunden, Douglas Morrison, auch dessen Vorgesetzten in Linz, Thomas Lucid. Letzterer fiel wegen „düsterer Geldgeschichten“ überhaupt in Ungnade und musste den Dienst quittieren. Höttl soll von den „neuen Männern“ des CIC-Linz „nicht einmal empfangen“ worden sein.

CIC-Operationschef in Salzburg, Major James Milano meldete an seine Vorgesetzten, warum man „Mount Vernon“ und „Montgomery“ fallen gelassen hatte: Höttl sei zunehmend eine Belastung geworden. Der Agent, so Milano, sei „gefürchtet“ – einer Verurteilung als Kriegsverbrecher sei Höttl nur deshalb entkommen sei, weil er sich in Nürnberg als Zeuge für die Anklage zur Verfügung stellte. Das Treffen von Oberweis, von dem Höttl seine US-Partner vorab nicht informierte, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Entgegen anderslautender Warnungen hatte er die Spionagearbeit mit der lokalen Politik vermischt und die eigentliche Aufgabe vernachlässigt. So seien die gelieferten Berichte seit einem halben Jahr „extrem schlecht“ gewesen und die monatliche Kosten von 2.600 Dollar nicht wert. Höttl akzeptierte das zähneknirschend. In einem persönlichen Schreiben versicherte er Milano, dass seine Einstellung zur USA nicht geändert habe und er die Anstrengungen zur Mobilisierung gegen den „bolschewistischen Weltfeind“ fortsetze.

Daraus wurde aber nichts – die erst kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegründete CIA hatte ab 1949 die Arbeit des CIC übernommen und wusste mit Höttl nichts mehr anzufangen. Laut dem US-Autor John Richardson, dessen Vater bei der CIA in Wien stationiert war, wurde Höttl 1953 bewusst „verbrannt“. Man spielte Medien Informationen zu, wonach Höttl mit einem sowjetischen Spionagering in Verbindung stand. Gerüchte, wonach dieser tatsächlich mit dem KGB im Bund gewesen sei, rissen in der Folge nicht ab. 1963 identifizierte ihn ein hochrangiger Überläufer als solchen. Wie sooft vermischten sich bei Höttl Wahrheit und Legende, bis diese am Ende nicht zu unterscheiden waren.

Zu dieser Verklärung trug er selbst am meisten bei – nachdem die Spionagekarriere so unrühmlich zu Ende war, hatte sich Höttl an die Vermarktung seiner Lebensgeschichte gemacht: Er schrieb mehrere eigennützige Bücher über seine Agententätigkeit im Dritten Reich und stand bis zu seinem Lebensende als „Zeitzeuge“ zur Verfügung.

Seine NS-Vergangenheit holte Höttl immer wieder ein: Aus seiner staatspolizeilichen Akte geht hervor, dass 1961 Ungarn um die Auslieferung Höttls ansuchte. Hauptvorwurf: Er habe den Putsch der faschistischen „Pfeilkreuzler“ 1944 mit vorbereitet „und sei für die Verschleppung und den Tod von zehntausenden ungarischen Staatsbürgern sowie für die Ausraubung Ungarns verantwortlich“. Aufgrund rechtlicher Bestimmung sah sich die Bundesregierung „keinesfalls“ in der Lage, Höttl auszuliefern. Allerdings räumte man Ungarn ein, Informationen für ein entsprechendes Verfahren in Österreich zu übermitteln. Dazu kam es aber nicht. Der als „belastet“ eingestufte Höttl war schon 1951 vom Bundespräsidenten begnadigt worden. Er habe „die Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Bewegung niemals missbraucht“ und sei zur Republik Österreich „positiv eingestellt“, hatte sich Höttl damals gerechtfertigt.

1952 wurde die eingangs erwähnte Schule gegründet. Diese hatte nie einen guten Ruf: Es hieß, Höttl habe braune Kameraden als Lehrer versorgt. Er selbst räumte ein, dass viele der Schüler, die bei ihm die Matura schafften, anderswo chancenlos gewesen wären. 1963 wurde ihm deshalb die Berechtigung, die Reifeprüfung abzunehmen, entzogen. Für Andre Heller war es schlicht ein „Nazi-Reservat“, in das man ihn gesteckt hatte. Als er in den 1950er Jahren zum ersten Mal das Klassenzimmer in Bad Aussee betrat, sagte Höttl zu den Mitschülern: „Das ist der Heller, setzt euch nicht neben ihn, der hat böses Blut.“

Höttl, aufgrund undurchsichtiger Immobiliengeschäfte schon Mitte der 1960er Jahre bankrott, verbrachte dennoch einen beschaulichen Lebensabend. 1997 veröffentlichte er sein letztes Buch „Einsatz für das Reich“ und verstarb schließlich zwei Jahre später im Alter von 84 Jahren.

Höttls Helfer und was aus ihnen wurde
1950 stellte Kernmayer eine „Gnadenbitte“ an den Bundespräsidenten: „Schon früher“ habe er bewiesen, dass er „die Gewaltmethoden des NS-Regimes ablehne und positiv zur unabhängigen Republik Österreich eingestellt“ sei. Aus der Begnadigung wurde jedoch nichts: Da Kernmayer „jede Glaubwürdigkeit fehlt“, wie das Justizministerium bescheinigte. In der Folge verlegte Kernmayr seine publizistischen und politischen Anstrengungen zunehmend nach Deutschland: Er gab mehrere Zeitungen der äußersten Rechten heraus, darunter ab 1955 das Verbandsblatt der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS“ (HIAG). Auch bei mehreren rechtsextremen Parteien war Kernmayer aktiv. Einige seiner literarischen Werke, die er unter dem Pseudonym Erich Kern herausgab, bilden bis heute einen Bezugspunkt für Rechtsextremisten. Er verstarb 1991 in Kammer am Attersee.

Erich Kowarik blieb zeitlebens eine Zentralfigur der österreichischen Rechten: Als Mitbegründer des VdU und von 1957 bis 1960 als Generalsekretär der FPÖ. 1975 wollte er eine „Österreichisch-Rhodesische-Gesellschaft“ gründen, was Innenminister Otto Rösch untersagte. Zusätzlich engagierte sich Kowarik als Mitglied der „World Anti-Communist League“ (WACL), ehe er 1987 verstarb. Sein Sohn Helmut saß als Abgeordneter der FPÖ lange Zeit im Wiener Gemeinderat – Dietbert Kowarik führt diese Tradition seit 2006 fort.

Karoly Ney: Nachdem er 1948 beim CIC in Ungnade gefallen war, setzte sich Ney nach Deutschland ab. Dort betrieb er unter einem Decknamen eine Firma, die Kunstharze für die Baustoffindustrie entwickelte. Ney sollte 1972 wieder nach Österreich zurückkehren und siedelte sich in Wolfsthal, in unmittelbarer Näher zur Abhörstation Königswarte des Bundesheeres, an – er starb 1989, nur einen Monat vor dem Fall der Berliner Mauer.




[1] Das Nationalsozialistengesetz von 1947 stufte die „Sühnefolgen“ ab: Beschränkung der bürgerlichen Rechte, Ausschluss von bestimmten Berufen, Sühneabgaben in unterschiedlicher Höhe, Kürzungen der Bezüge, Einweisung in Anhaltelager.