Samstag, 25. Januar 2014

Österreich – ein „Ausbildungsland“ für Terroristen?

Siehe dazu auch: 
Petra Stuiber, Jugoslawiens doppeltes Agentenspiel, in: Der Standard, 24. 1. 2014, 
http://derstandard.at/1389858135524/Doppeltes-Agenten-Spiel-unter-Nachbarn

Auch Österreich musste sich den Vorwurf, eine Basis für Terroristen zu sein, gefallen lassen: Am 20. Juni 1972 waren 19 Mann der „Kroatischen Revolutionären Bruderschaft“, einer Abzweigung der Ustascha, von der südlichen Steiermark aus nach Jugoslawien vorgedrungen. Dort wollten sie einen Aufstand gegen das kommunistische Regime entfesseln. Der Vorstoß scheiterte. In der Folge beschuldigte die Regierung in Belgrad Österreich, nichts gegen die Tätigkeit der Gruppe von seinem Territorium aus unternommen zu haben bzw. ein „Ausbildungsland“ für Terroristen zu sein.

Das war übertrieben. Allerdings zeigte sich der Sicherheitsapparat mit der neuen Bedrohung durch den Terrorismus Anfang der 1970er Jahre noch überfordert. Bei der kroatischen Gruppe dagegen war bereits eine erstaunliche internationale Vernetzung gegeben: Die Aktion wurde in Australien geplant, in mehreren europäischen Ländern vorbereitet und schließlich über Österreich gestartet.

Die jugoslawische Seite wiederum betrieb gegenüber Österreich ein doppeltes Spiel: Bereits am 16. September 1972 begann eine Bombenserie, die Kärnten bis 1979 in Atem hielt. Die Durchführung wurde von der slowenischen Geheimpolizei (SDV) logistisch unterstützt – den schwersten und letzten Anschlag in Völkermarkt (1979) beging überhaupt ein Kommando des SDV. Ziel war offenbar, den Minderheitenkonflikt in Kärnten anzuheizen. Ein Bericht einer Untersuchungskommission dazu steht bevor. Gleichzeitig führte die UDBA (jugoslawischer Staatssicherheitsdienst) eine Mordkampagne gegen Dissidenten im Ausland. Nach 1945 war zwischen radikalen Exil-Kroaten und der UDBA ein regelrechter Untergrundkrieg entbrannt. Alleine in Deutschland wurden zwischen 1970 und 1989 22 Morde begangen. Süddeutschland und Österreich, wo angeblich 1972 und 1975 eine Entführung und ein Mord stattgefunden haben, galten als Rückzugsgebiet für Regimegegner.

Im Anschluss einige Auszüge aus Dokumenten (Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik bzw. Stiftung Bruno Kreisky Archiv) zu der Kontroverse von 1972:

1. Jugoslawisches Aide Memoire (Non Paper) an Österreich, 18. August 1972
„Es steht fest, dass die Terroristen-Diversantengruppe nach Österreich kam und dort ihre Basis bildete und von hier aus die Aktion vorbereitete, dass sie eine teilweise Rekrutierung machte, eine entsprechende Ausbildung durchführte und aus österreichischem Staatsgebiet in das Gebiet der SFRJ [Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien] eindrang, um Terrorakte durchzuführen und einen Bürgerkrieg hervorzurufen. […] Die Regierung der SFRJ erwartet von der Regierung der Republik Österreich, dass sie sämtliche Maßnahmen unverzüglich treffen wird, um zu verhindern, dass zukünftig das österreichische Staatsgebiet für jegliche Formen feindlicher Tätigkeit gegen Jugoslawien insbesondere für die Terror- und Diversantenausbildung von Terroristengruppen und ihre Infiltrierung aus dem österreichischem Gebiet in Jugoslawien, verwendet wird.“

2. Tagebucheintrag von Minister Staribacher, 22. August 1972:
„Der Ministerratssitzung spielt das Aide memoire der Jugoslawen über die Infiltration der 19 Terroristen das ausschließliche Gesprächsthema. Kreisky hat seinen Urlaubsort in Kärnten den jugoslawischen Botschafter empfangen, der ihm dieses Aide Memoire gegeben hat und Häuser hat es mitgebracht. Der eigentlich dafür zuständige Außenminister Kirchschläger hat überhaupt noch kein Material besessen. Ich kann wieder feststellen, wie Kirchschläger souverän ein solches Problem angeht. Wir beschließen, daß wir diese Terrortätigkeit im Rahmen der österr. Gesetze mit allen Mitteln bekämpfen werden und sie verabscheuen und die dafür zuständigen Minister jetzt das Aide memoire studieren werden.“

3. Vortrag Innenminister Rösch an Ministerrat, 11. September 1972 :
  • "Die von jugoslawischer Seite im Aide-memoire und auch bei unmittelbaren Kontakten gegebenen Daten brachten den Sicherheitsbehörden kaum wesentliche Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Trotz mehrfacher Angebote von österreichischer Seite kam bisher eine fruchtbare Zusammenarbeit zur Aufklärung der Terroristentätigkeit zwischen jugoslawischen und österreichischen Sicherheitsorganen nicht zustande.“
  • „Der Vorwurf Jugoslawiens, Österreich dulde auf seinem Gebiet die Vorbereitung von Terrorakten gegen Jugoslawien, muss mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden.
    Die österreichischen Sicherheitsbehörden verfolgen und beobachten die politische Tätigkeit der Emigranten aus Jugoslawien überaus sorgfältig und haben - wie die Erfahrungen der Vergangenheit beweisen - stets rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen getroffen, wenn öffentliche Interessen verletzt oder gesetzliche Vorschriften übertreten wurden.“
  • „Die Sprachbarriere stellt die Sicherheitsbehörden manchmal vor unlösbare Aufgaben.“
  • Neun Mitglieder der Gruppe wohnten in Österreich (Salzburg): „Die in Rede stehenden Personen lebten in Salzburg völlig unauffällig, gingen einer Beschäftigung nach und besuchten Veranstaltungen, die im Rahmen des Konsulates und der katholischen Kirche für die Gastarbeiterbewegung abgehalten wurden.“
  • "Diese Personen verkehrten im katholischen Seelsorgezentrum in Salzburg. […] Außerdem standen sie mit dem kroatischen Exilgeistlichen Pater Viljem Ceclija, einem ehemaligen Vertrauten des Dr. Ante Pavelic und Leiter der kroatischen Caritas in Salzburg, in Verbindung. Bisher liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Pater Cecelja wusste, dass es sich bei ihnen um Terroristen handelte“.“
  • Waffen, Munition und Sprengstoff der Gruppe stammten aus dem Ausland. Lebensmittel wurden in Hallein gekauft. Zwischen Schwanberg und St. Lorenzen in der Südsteiermark wurden vier Lagerstellen angelegt. Das nördlichste diente als Sammelpunkt, ab Mitte Juni 1972 hielten sich dort mehrere Personen acht Tage lang auf.
4. Österreichisches Aide Memoire an Jugoslawien, 13. Jänner 1973:
Österreich bekräftigte seine Entschlossenheit zur „bedingungslosen Unterbindung jeder Art von Terrorismus, von wo immer er komme und gegen wen er immer gerichtet sei“. Man sei entschlossen, „unter Ausnutzung aller gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel alle Aktivitäten hintenanzuhalten, die von österreichischem Territorium aus auf eine gewaltsame Änderung der Rechts- oder Gesellschaftsordnung eines anderen Staates zielen.“

5. Jugoslawisches Aide Memoire an Österreich, 14. Februar 1973:
Die Entschlossenheit Österreichs, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, wird „besonders geschätzt“. Die österreichische Bundesregierung habe ihr Interesse an „gutnachbarlichen und freundschaftlichen Verhältnissen“ mit Jugoslawien zum Ausdruck gebracht „und ihre Bereitschaft zu einer allseitigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bekundet“.

Im diesbezügl. Vortrag des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten an den Ministerrat vom 20. 2. 1973 wurde von den Ausführungen des jugoslawischen Botschafter bei der Überreichung des Aide Memoires berichtet: „Die Begegnung von hohen Funktionären der beiden Innenministerien und die Vorbereitung einer künftigen Zusammenarbeit sei ebenfalls ein sehr positives Element, das die Durchführung prohibitiver Maßnahmen erleichtern wird.“

6. Bereits am 10. April 1973 fand bei der Abteilung 17 des BMI eine Besprechung mit dem von den jugoslawischen Sicherheitsbehörden namhaft gemachten Verbindungsbeamten „in Angelegenheiten der gemeinsamen Bekämpfung terroristischer Umtriebe in Österreich und Jugoslawien statt.“