tag:blogger.com,1999:blog-53031137336460888582024-03-12T22:12:34.641-07:00Geheimes ÖsterreichNeues zu den Themen Terrorismus/Nachrichtendienste/Sicherheitspolitik in Österreich, vor allem aus zeitgeschichtlicher PerspektiveThomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comBlogger87125tag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-8488997685842761452016-11-25T03:10:00.003-08:002017-04-29T06:13:03.870-07:00Vom „Vierten Reich“ zum „Eurasismus“<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nach
1945 wurde die Europaidee auch von neofaschistischen Denkern verfolgt. Ihr Werk
beeinflusst noch heute die Verbindungen zwischen Rechten und russischen
Kreisen. Eine besondere Rolle spielte ein österreichischer Ex-Nazi.<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Costa del Sol
gilt gemeinhin als Urlauberparadies. Praktisch unbekannt ist dagegen ein
dunkles Kapitel Zeitgeschichte, das dem südspanischen Küstenstreifen den
Beinamen „Costa del Nazi“ eingebracht hat: Nach der Niederlage des 3. Reichs
hatten sich zahllose NS-Verbrecher hierher geflüchtet. Das faschistische Regime
von General Franco nahm sie mit offenen Armen auf und gewährte Schutz vor
Auslieferung. Anfang der 1950er Jahre gab es in Spanien schon eine regelrechte
Kolonie von 16.000 NS-Exilanten. Viele von ihnen – darunter der belgische
NS-Kollaborateur Leon Degrelle, der berüchtigte Wiener SS-Offizier Otto
Skorzeny oder der an der Niederschlagung des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944
beteiligte Otto Ernst Remer verbrachten einen ruhigen Lebensabend.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Einige hochbetagte
Pensionäre sind noch übrig – so etwa in Benalmadena, wohin es vor einigen
Jahren auch den österreichischen Holocaustleugner Gerd Honsik hin verschlagen
hat: 97 Jahre alt dürfte der gebürtige Grazer Theodor Soucek mittlerweile sein.
Sein letztes Statement stammt von 2011. Aber wäre er mittlerweile verstorben,
hätte dies in einschlägigen Kreisen Wellen geschlagen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Europa
als „Viertes Reich“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In der breiten
Öffentlichkeit ist Soucek schon lange schon in Vergessenheit geraten. Er hatte
den 2. Weltkrieg als Offizier mitgemacht – nach 1945 baute er ein
weitverzweigtes Fluchthilfenetz auf – für in alliierten Internierungslagern
einsitzende NS-Täter. 1947 wurde Souceks Organisation schließlich zerschlagen.
Er und einige Mitverschwörer wurden dafür zum Tode verurteilt, aber 1952 von
Bundespräsident Adolf Schärf begnadigt. In den darauffolgenden Jahren
verschrieb sich Soucek gemeinsam mit anderen Neofaschisten einem Projekt, das
unterschwellig bis heute nachwirkt: Der Schaffung eines vereinigten Europas als
„viertes Reich“. Diese Idee wurde praktisch parallel zu den Bestrebungen verfolgt,
die mit den Römischen Verträgen (1957) die Entwicklung zur heutigen
Europäischen Union anstießen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Während des 2.
Weltkriegs hatten auf deutscher Seite Zehntausende europäische Freiwillige
gegen den „Bolschewismus“ gekämpft. Einer der ersten Versuche, dieses Potential
neu zu organisieren, fand am 12. Mai 1951 statt: Im schwedischen Malmö trafen
sich 60 Delegierte rechtsextremer Bewegungen aus ganz Westeuropa. Der Kongress
führte zu Bildung der Europäischen Sozialbewegung (ESB), mit nationalen Sektionen
in der BRD, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande, Belgien, Frankreich und
Österreich. Die verschiedenen Organisationen waren sich einig, dieses Europa
anti-parlamentarisch, autoritär und völkisch orientiert sein würde – als dritte
Kraft zwischen den Machtblöcken USA und UdSSR. Es blieb jedoch bei einem Erfolg
auf symbolischer Ebene, weil die ESB wegen ihrer „moderaten“ Haltung bald den
Rückhalt der eigenen Basis verlor und auf wackeligen finanziellen Beinen stand.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Theodor
Soucek: „Wir rufen Europa!“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nun kam Soucek ins
Spiel: Anfang 1957 gründete er die Sozialorganische Ordnungsbewegung Europas
(SORBE) – wobei unter „sozialorganisch“ die „biologische art- und
schicksalsmäßige Verkettung“ des Individuums mit Familie und Volk zu verstehen
war. Das dazugehörige Programm verpackte Soucek 1956 in seinem schwülstigen
Buch „Wir rufen Europa. Vereinigung des Abendlandes auf Sozial-Organischer
Grundlage“. Darin hielt er fest, dass das „bolschewistische Russland“ vom
Ausgang des 2. Weltkriegs ungleich mehr profitiert habe, „als alle übrige
Welt“. Darüber hinaus habe der Osten „sein Konzept und seinen
Kristallisationspunkt“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Westen dagegen
besitze nichts dergleichen: „Im Osten besitzt das Denken und Handeln der
Führenden und Geführten zielstrebige Richtung. Im Westen nicht“. Im
europäischen Raum habe sich bislang weder das „System Moskaus“ noch die
„Bereitwilligkeit zum Anschluss an den Dollar“ durchgesetzt. Und zwar, so
Soucek, weil der Instinkt „hellwach“ dafür sein, „ob man für die eigene oder
eine vermeintliche Freiheit arbeiten, kämpfen, opfern, bluten und sterben
soll“. Eben deshalb gebe es „kein besseres Losungswort als den Ruf: Für die
Freiheit Europas!“ Konkret stellte sich Soucek eine „Europaregierung“ mit Sitz
in Genf vor, in deren Souveränitätsbereiche Innenpolitik und Rechtsgestaltung,
Wirtschaft, Finanzen und Währung, Sicherheit und Wehrkraft, Außenpolitik sowie
Erziehung und Forschung fallen sollten. An der Spitze sollte ein auf fünf Jahre
gewählter und für diese Zeit unabsetzbarer „Präsident von Europa“ stehen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Europakongress“
in Salzburg</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am 7. und 8.
Dezember 1957 lud die SORBE im Salzburger Hotel Pitter zum „Europakongress“ –
„ca. 1.000 Personen“ waren gekommen, darunter Erwin Vollenweider, der 1951 die
Volkspartei der Schweiz gegründet hatte, und der französische Neofaschist und
Holocaust-Leugner Henri Rocques. Als man Mitte November 1958 eine
Nachfolgeveranstaltung abhalten wollte, handelte das Innenministerium. Über die
Intention der rechten Europa-Ideologen war man sich im Klaren: Es handle sich
um „fanatische Nationalisten und Antidemokraten“, „die unter dem Deckmantel
eines geeinten Europas ein neues Großdeutschland anstreben“, hieß es 1960.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">SORBE wurde
aufgelöst, aber der Verfassungsgerichtshof gab einer dagegen eingelegten
Beschwerde statt. Der Verein sollte aber nicht mehr zur alten Stärke
zurückfinden. Nachdem sich Soucek ab 1962 wegen hoher Schulden ins Ausland
abgesetzt hatte, wurde SORBE zwei Jahre später endgültig aufgelöst. Soucek ließ
sich schließlich an der Costa del Sol nieder, wo es still um ihn wurde. Einem
bei einem schwedischen Verlag erschienenen Memoirenband von 2001 stellte er
bezeichnenderweise die Forderung nach Abschaffung des Verbotsgesetzes voran.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Jean
Thiriart und „Junges Europa“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Souceks Platz
innerhalb der Europa-Faschisten hatte damals der Belgier Jean Thiriart
eingenommen. Dieser hatte auf deutscher Seite als Fallschirmspringer gekämpft
und wurde dafür nach 1945 für drei Jahre inhaftiert. 1961 baute Thirart die
Sammelbewegung „Jeune Europe“ (Junges Europa, JE) mit Ableger in 13 Ländern
auf. Den dafür nötigen ideologischen Kitt lieferte Thiriart 1964 mit „Europa:
ein Weltreich von 400 Millionen Menschen“. Nur dieses „vierte Reich“ würde die
Hegemonie der Supermächte herausfordern können („gegen Bolschewismus und
Amerikanismus“).<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In Österreich war
seit 1959 die „Legion Europa“ Teil von JE. „1. Legionsführer“ (Vereinsobmann)
und Gründer war Alfred („Fred“) Borth, über viele Jahrzehnte eine schillernde
Figur der rechten Szene. Gemäß Punkt b) der Satzungen bezweckte die Legion
Europa: „die Zusammenfassung aller europäisch denkenden Menschen zu einer
gemeinsamen Willensbildung und zur Einflussnahme auf das wirtschaftliche und
kulturelle Leben Europas. Er [der Verein] wird darüber hinaus für eine
europäische Wehrbereitschaft und eine sportliche Ertüchtigung seiner Menschen –
insbesondere der Jugend – eintreten.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Innerhalb von JE
traten bald Risse zutage: 1963 endete eine Konferenz im Streit, der sich rund
um die Haltung zum Südtirolkonflikt entzündet hatte: Während die
deutschsprachigen Delegierten die Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen
forderten, sprachen sich Thiriart und die italienischen Vertreter dagegen aus,
weil dies der Einigkeit Europas schaden würde. Stattdessen traten sie für eine
Verhandlungslösung zwischen Italien und Österreich ein. Dies führte dazu, dass
zahlreiche Gruppen JE verließen. Borth ging auf Konfrontationskurs zu Thiriart,
informierte aber gleichzeitig die italienischen Dienste und die Staatspolizei über
die österreichische Südtirolszene.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Er
ist am gleichen Tag zurückgeschickt worden“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Konflikt
zwischen Thiriart und seinen früheren Verbündeten trat zutage, als er 1966 zu
einer Pressekonferenz nach Wien kommen wollte, um die deutsche Übersetzung seines
Buchs "Das Vierte Reich: Europa" vorzustellen. Doch der Termin im
Hotel de France musste abgesagt werden, weil es eine Bombendrohung gab. In
einem eilig ausgesandten „Communiqué“ äußerte Thiriart einen Verdacht:<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Vor drei Jahren
hatte ich mehrere Österreicher aus meiner Organisation entfernt, die erst in
den Südtirol-Terror verwickelt waren und später mit neo-nationalsozialistischen
Kreisen Verbindung aufnahmen. Wahrscheinlich wollen diese sich heute rächen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Thiriarts
Aufenthalt in Österreich wurde jedenfalls auf höchster Regierungsebene
besprochen. Innenminister Franz Hetzenauer (ÖVP) informierte: „Wir haben die
Grenzorgane angewiesen gehabt, dem Mann die Einreise zu verwehren. Im Andrang
an der Grenze ist es ihm aber doch gelungen, einzureisen und er ist dann aber
doch nach Wien gekommen und wir haben ihn ausgeforscht. Eine Verweigerung der
Aufenthaltsgenehmigung ist im Zuge. Er ist am gleichen Tag zurückgeschickt
worden.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Gedankenaustausch
mit den „Eurasiern“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Später fiel
Thiriart mit Beifallsbekundungen für den sowjetischen KGB, für die
palästinische PLFP und für linke Terrorgruppen wie die belgischen Cellules
Communistes Combattantes (CCC) auf. Genauso knüpfte er Kontakte zum
maoistischen China, zum Regime von Muammar al-Gaddafi und zu anderen Staaten
der „Dritten Welt“. Kurz vor seinem Tod hielt sich Thiriart 1992 zweimal in
Moskau auf und traf sich dort mit Angehörigen der neuen Kommunistischen Partei
der Russischen Föderation. Man überlegte eine strategische Achse beim Kampf
gegen die „Amerikanisierung“ Europas. Einer von Thiriarts Gesprächspartner war
der „Nationalbolschewist“ Aleksandar Dugin, heute eine der einflussreichsten
großrussischen Ideologen. Dugin träumt von einer von Moskau angeführten
„Eurasischen Union“ – als Gegenmodell zu „westlichem Nihilismus“ und
US-amerikanischer Hegemonie. Die von Soucek und Thiriat so gelegte Saat ist
innerhalb der letzten Jahre mehr und mehr aufgegangen, wenn auch unter anderen
geopolitischen Vorzeichen. EU-kritische Parteien in ganz Europa haben längst
enge Kontakte zu den „Eurasieren“ in Moskau geknüpft. So etwa die FPÖ, deren
Obmann Heinz-Christian Strache sich 2014 mit Dugin getroffen hat.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ränkespiele
der Geheimdienste<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Wenn heute rechte
Kleingruppen wie die „Identitären“ Dugins „Eurasismus“ und Vordenker wie
Thiriart wohlwollend reflektieren, wird ein Aspekt ausgeklammert: Es gibt
mittlerweile genügend Belege dafür, dass sich die Europa-Faschisten im Kalten
Krieg von westlichen Geheimdiensten einspannen ließ. So waren zahlreiche
Verbündete Thiriarts innerhalb des italienischen Neofaschismus Kader des
antikommunistischen „Gladio“-Netzwerks, das in den 1970er Jahren Italien mit
Bombenanschlägen destabilisierte. Dasselbe gilt übrigens für Borths „Legion
Europa“: 1990 erzählte der pensionierte Staatspolizist Leo Frank dem „Kurier“:<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Es gab bis 1970 in
Westeuropa eine antikommunistische Organisation, die sich ‚Legion Europa‘
nannte. Der österreichische ‚Legionsführer‘ was Fred Borth. Bei unseren
damaligen Nachforschungen haben wir oft Hinweise auf einen internationalen
Nachrichtendienst bekommen, der mit dieser ‚Legion‘ gegen die Kommunisten
arbeitet und in Österreich einen Ableger hat.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Borth entgegnete
damals auf Nachfrage: „Unsere Diktion deckte sich zwar mit ‚Gladio‘ – es gab
auch eine Verbindung nach Italien – aber wir hatten keinerlei Geheimdienstverbindungen
und waren militärisch nie aktiv.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Erwiesen ist
zumindest, dass Borth Hunderte Spitzelberichte geliefert hatte – und das gleich
an mehrere Geheimdienste. Auf diese Weise war auch die österreichische
Staatspolizei gut im Bilde: Laut einem Protokoll von 1963 meinte der Leiter des
Wiener Büros, Oswald Peterlunger, einsilbig: „Es bestehe ein Kreis von
Nationalen, der sich über ganz Europa erstrecke und deren Mitglieder zugeben,
Sprengstoffanschläge zu verüben.“ Diese Machenschaften sind noch kaum erforscht
– aber der rechte „Traum“ eines anti-liberalen Europa ist wahrscheinlich noch
nie so wirkungsmächtig wie heute.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">HINWEIS:
Gekürzte Version ist am 20. November 2016 in „Die Presse am Sonntag“
erschienen.</span></b></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-58774852705875689042016-09-19T03:50:00.001-07:002016-09-19T03:50:16.502-07:00„Eigenständige, offensive und umfangreiche Spionagetätigkeit“ – Was die Stasi über Österreichs Dienste wusste<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Viele
Klischees verbinden sich mit der 2. Republik – gleich ob „Insel der Seligen“,
„Kulturnation“ oder „Begegnungsort“. Hinter so viel Harmlosigkeit tun sich fast
zwingend Abgründe auf. Das betrifft gerade sensible Bereiche, die in Österreich
traditionell verschwiegener gehandhabt werden, als anderswo. Das Thema
Nachrichtendienste ist wohl das beste Beispiel hierfür. Und weil es hier
offiziell so wenig zu erfahren gibt, muss man Alternativen suchen – in diesem
Fall in den Aktenbeständen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, auch als
„Stasi“ bekannt.<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><br /></span></b></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEikxFmipHta4UBEaVmzck94NcjiA-EbUzXsbXEJhyphenhyphenFkIqLv5ZFkZbcjXSsWp9TmnzNgTwry1JHuADZk0ucx9o8iaruEr7JKqrvDxgkyrsrEQWT7NNRp7PHMUKGXjOy5U-Yrzf_H6JU1SeY/s1600/Bstu.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="249" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEikxFmipHta4UBEaVmzck94NcjiA-EbUzXsbXEJhyphenhyphenFkIqLv5ZFkZbcjXSsWp9TmnzNgTwry1JHuADZk0ucx9o8iaruEr7JKqrvDxgkyrsrEQWT7NNRp7PHMUKGXjOy5U-Yrzf_H6JU1SeY/s640/Bstu.JPG" width="640" /></a></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die beiden
Nachrichtendienste des Bundesheers – das Heeresnachrichtenamt (HNaA) und das
Abwehramt (AbwA) – sowie das im Innenministerium angesiedelte Bundesamt für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sind eine „black box“. So ist
etwa das HNaA im Amtskalender nicht zu finden – ebenso wenig wie Telefonnummern
und E-Mail-Adressen. „Um die 700 bis 750“ Agenten sollen dem Dienst angehören.
Parlamentarische Anfragen zum Budget werden routiniert abgeschmettert – mit dem
Hinweis darauf, „dass detaillierte Informationen über nachrichtendienstliche
Tätigkeiten zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung wegen ihrer
besonderen Sensibilität und Klassifizierung aus Gründen der
Amtsverschwiegenheit im Interesse der umfassenden Landesverteidigung (Art. 20
Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz) nicht geeignet sind, im Rahmen einer
parlamentarischen Anfragebeantwortung öffentlich erörtert zu werden“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Der einzige
offizielle öffentliche Auftritt des HNaA findet auf der Homepage des
Verteidigungsministeriums statt: Ein paar Informationsbrocken zur Historie,
Funktion und Kontrolle. Letztere wird von einem ständigen Unterausschuss des
Landesverteidigungsausschusses wahrgenommen. Obwohl dessen Mitglieder auf
strengste Verschwiegenheit vereidigt sind, gibt es für sie wenig zu erfahren.
Denn die Auskunftspflicht besteht nicht, wenn nationale Interessen gefährdet
sind. Jedenfalls kritisiert der grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz, der
dem Gremium als Obmannstellvertreter angehört, in regelmäßigen Abständen diese Intransparenz
– so etwa als die 2013 von dem Whistleblower Edward Snowden losgetretene Affäre
rund um die globale Überwachung durch die National Security Agency (NSA) auch
in Österreich Wellen schlug.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Ins Gerede kam konkret
die lang vermutete, aber offiziell nie eingeräumte Zusammenarbeit des für
strategische Auslandsaufklärung zuständigen HNaA mit „befreundeten Diensten“.
Dazu gab es vom damaligen Verteidigungsminister Gerald Klug nur das
Eingeständnis, dass man „fallweise und im Rahmen strenger Gesetze“ mit der NSA
kooperiere: „Dabei geht es in erster Linie um jene Regionen, in denen
österreichische Soldaten gemeinsam mit Kameradinnen und Kameraden aus anderen
Staaten im Auslandseinsatz sind.“ Eine Bespitzelung der Bevölkerung durch das
HNaA fände nicht statt: „Wir schöpfen nicht massenhaft Daten ab, wir hängen
nicht an Glasfaserknotenpunkten und wir bezahlen auch keine Internet-oder
Telefonanbieter, um an deren Daten zu kommen.“ Konkreter wurde es nicht.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die besondere
Brisanz ergibt sich dadurch, dass diese diskreten Allianzen gegen das in der
Bundesverfassung verankerte Neutralitätsgesetz verstoßen. Außerdem ist laut
§319 des Strafgesetzbuchs die Unterstützung eines fremden militärischen
Nachrichtendiensts strafbar. Ein Gutachten des Justizministeriums von 1993
offerierte freilich eine Hintertür: „Ein bloß gelegentlicher Austausch von
Nachrichten erfüllt die Qualifikation eines Nachrichtendienstes nicht.“
Rechtlich gehe alles in Ordnung, „jedenfalls soweit der Informationsaustausch
der Beschaffung von Nachrichten dient.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Geheimer
Verbündeter im Kalten Krieg<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Ungeachtet der
Bedeutung der 1955 beschlossenen „Neutralität“ für die österreichische
Außenpolitik war die Realität im Kalten Krieg eine andere: Angesichts der als
Bedrohung wahrgenommenen Ambitionen der Sowjetunion war Österreich schon vor
der Wiedererlangung der Souveränität ein „geheimer Verbündeter“ der Westmächte.
1958 wurde auf der Königswarte bei Hainburg in unmittelbarer Nähe des Eisernen
Vorhangs eine Abhörstation eingerichtet. Die technischen Einrichtungen wurden
von der US-Armee auf den Heeresflughafen Hörsching bei Linz eingeflogen und
dann ins östliche Niederösterreich weitertransportiert. Man sorgte auch für die
technische Ausbildung des Personals. Denn betrieben wurde die Station von der
Gruppe für das Nachrichtenwesen, dem 1956 gegründeten Vorläufer des HNaA (die
Umbenennung erfolgte 1972 – 1985 wurde das AbwA abgespalten und ist seitdem für
den Eigenschutz des Bundesheeres sowie Spionageabwehr verantwortlich).<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Neben der
Königswarte wurden infolge weitere, kleinere Stationen in Neulengbach und
Großharras (Niederösterreich), Gols (Burgenland), Pirka bei Graz und Stockham
bei Wels eingerichtet. Diese waren Teile einer Peilkette, die sich von Norwegen
über Deutschland bis nach Italien zog. Allerdings soll das HNaA mit den
abgefangenen Daten selbst nicht viel anfangen haben. Die Aufzeichnungen wurden
zur Auswertung in eine US-Station nahe Frankfurt am Main transportiert,
mitunter sogar mit Linienmaschinen der Austrian Airlines. Innerhalb der letzten Jahre soll die
Königswarte mit Ausgaben von bis zu 150 Millionen Euro für neue Aufgaben
aufgerüstet worden sein. Zur Luftraumüberwachung dienen bis heute Radaranlagen
auf dem Kolomannsberg (Salzburg), dem Steinmandl (Niederösterreich) und der
Koralpe (Kärnten) unter der Sammelbezeichnung „Goldhaube“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die Tätigkeit von
HNaA- und AbwA wurde erst 2001 mit der Beschlussfassung des Militärbefugnisgesetzes
auf eine legistische Basis gestellt: Seitdem ist es den Diensten erlaubt,
Lausch- und Videoangriffe durchführen und verdeckt ermitteln.
Gebietskörperschaften und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts müssen
dem Dienst Auskünfte erteilen. Von Telekomanbietern erhalten HNaA und AbwA
bislang lediglich Name, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten
Anschlusses.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">„Ständige
Partnerschaft“ mit der NSA<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die lang
zurückreichenden Abhängigkeiten blieben nach 1989 weiter bestehen – auch weil
Österreich nach wie vor ein nachrichtendienstlich interessanter Raum ist:
Zentrale geografische Lage, Sitz zahlreicher internationaler Organisationen und
vor allem laxe Gesetzgebung gegen Spionage. Diese wird praktisch nur unter
Strafe gestellt, wenn österreichische Interessen betroffen sind – praktisch ein
Freibrief für alle möglichen Aktivitäten.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Aufsehen erregten
zuletzt Meldungen über vier Überwachungsstationen in Wien: Ein angeblicher
NSA-Horchposten in einer Penzinger Villa sowie über seltsame Dachaufbauten auf
der britischen und US-amerikanischen Botschaft und dem IZD-Tower gegenüber der
UNO-City. In den von Snowden geleakten Geheimdokumenten wird Österreich
jedenfalls als Third-Party-Signals Intelligence (SIGNIT)-Partner bezeichnet,
die der NSA bei ihrer Fernmelde- und elektronischen Aufklärung assistieren. Der
US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, der die Snowden-Unterlagen für den
„Guardian“ aufbereitete, hielt dazu fest: „Es gibt eine Partnerschaft zwischen
der NSA und Österreich, und zwar nicht nur gelegentlich, sondern ständig.“
Festgelegt wurde dies in streng geheimen Verträgen, deren genauer Inhalt bis
heute Anlass für Spekulationen bietet.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">„Die
österreichischen Nachrichtendienste aus Sicht des MfS“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Es gibt noch
anderweitig Möglichkeiten „nachzubohren“. Über einen Umweg lassen sich
interessante Details über die Vorgeschichte bis 1989 erfahren – und zwar über
die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU), die das
Material Privatpersonen, Institutionen und der Öffentlichkeit zur Verfügung
stellt. Ein Antrag des Autors zum Thema „Die österreichischen
Nachrichtendienste aus Sicht des MfS“ förderte insgesamt 862 Seiten zutage. Mit
Sicherheit gab es noch viel mehr. Aber die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA),
die Auslandsaufklärung des MfS, hatte ihre Abwicklung bis 1990 selbst betreiben
dürfen und viele Dokumente vernichtet. Auch wenn der DDR-Geheimdienst alles
andere als ein objektiver Beobachter war, offerieren die vorhandenen Unterlagen
einen alternativen Blick auf diesen ansonsten kaum durchdringbaren Komplex.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Am 1. Oktober 1969
präsentierte die für Spionageabwehr zuständige MfS-Hauptabteilung II eine
„erste Zusammenfassung von Erkenntnissen über den österreichischen
Geheimdienst“. Dieser sei nach 1945 von „Nachrichtenspezialisten aus der Zeit
des 2. Weltkrieges“ aufgebaut worden. Nach dem Abzug der Besatzungsmächte 1955
sei die „traditionelle Abhängigkeit dieses Landes von den imperialistischen
Großmächten Europas“ nicht nur bestehen geblieben, „sondern wurde noch durch
die Bindung an die USA erweitert und verstärkt“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Der österreichische
Geheimdienst – worunter das MfS damals die Gruppe für das Nachrichtenwesen und
die Abteilung I (Staatspolizei – 2002 im BVT aufgegangen) subsummierte – würde
nunmehr „in wachsenden Maße“ Stellvertreterfunktionen in der Spionage gegen den
Ostblock erfüllen: Militärspionage vor allem gegen die Tschechoslowakei (CSSR)
und Ungarn sowie verstärkte Abwehrmaßnahmen gegen Einrichtungen und
diplomatische Vertretungen der Oststaaten. Dafür gebe es entsprechende
„finanzielle und technisch-materielle Stützungsmaßnahmen des US-Geheimdienstes
für den österreichischen Geheimdienst“. Mit stark ideologischer Schlagseite
strich das MfS überhaupt drei Hauptfunktionen der Dienste hervor:<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">„1. Spionage gegen
die sozialistischen Staaten, vor allem gegen die CSSR, VR [Volksrepublik]
Ungarn und die DDR in Koordinierung mit dem US-Geheimdienst und westdeutschen
Geheimdienst. 2. Abwehr der Tätigkeit ausländischer Aufklärungsorgane auf dem
Territorium Österreichs. 3. Überwachung und Niederhaltung der fortschrittlichen
Kräfte in Österreich, vor allem der KPÖ, den Gewerkschaften und anderen
Organisationen der Arbeiterklasse oder linksgerichteter Studenten.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Österreich nehme
aufgrund seiner geografischen Lage als Nachbarland der CSSR, Ungarns und
Jugoslawiens einen wichtigen Platz in der Konzeption der NATO ein: </span><span style="font-family: "Times New Roman", serif;">„Deshalb streben
vor allem die imperialistischen Hauptmächte seit langem danach, ihren Einfluss
auf den österreichischen Geheimdienst zu sichern und ständig auszubauen. Hauptziel
all dieser Einflussnahme ist die verstärkte Ausrichtung des österreichischen
Geheimdienstes auf die Spionage und Zersetzungstätigkeit gegen die
sozialistischen Staaten. Das österreichische Territorium gilt außerdem für die
imperialistischen Staaten selbst als Sprungbrett für subversive Tätigkeit im
südosteuropäischen Raum zur Vorbereitung von Aggressionsabsichten der NATO.
Bereits seit Anfang der 50er Jahre schufen sich deshalb besonders der
US-Geheimdienst und der BND eine Reihe von Ausgangsbasen in Österreich mit
Duldung und Unterstützung des österreichischen Geheimdienstes und staatlicher
Stellen.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Wenn das MfS hier
Österreich diese insgeheime Kooperation ankreidet, muss eines mitbedacht
werden: Die Neutralität wurde auch von den osteuropäischen Diensten missachtet.
Nicht umsonst nannte Markus Wolf, zwischen 1952 und 1986 Leiter der HVA,
Österreich ein „bequemes Land“ für die Aktivitäten seines Dienstes: „Wir
konnten mit Diplomatenpässen einreisen, auch war es auf Grund des großen
Fremdenverkehrs leicht.“ Das relativiert die in typischem Stasi-Sprech
abgefassten Skandalisierungen etwas.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Aktiver
Partner<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Es gibt noch eine
weitere generelle Analyse aus dem Bereich der MfS-Abteilung X, die die
Kooperation mit Sicherheitsdiensten sozialistischer und befreundeter Staaten
koordinierte. Das Dokument ist aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt und
trägt den Titel: „Über die Tätigkeit des österreichischen militärischen
Geheimdienstes und seine Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten der BRD und der
USA.“ Nachdem sich der Inhalt stark auf Aufklärungsinteressen des HNaA in der
Tschechoslowakei bezieht, dürfte es sich um Erkenntnisse der dortigen
Staatssicherheit (Státní bezpečnost, StB) handeln. Die umfangreiche Studie ohne
genaues Datum dürfte Mitte der 1980er Jahre erstellt worden sein.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Eine
Schlüsselpassage lautet: „Aktivitäten der Geheimdienste der NATO-Staaten und
anderer kapitalistischer Staaten (z.B. Israels) auf dem Territorium Österreichs
und Bestrebungen zum Zusammenwirken gegen die Staaten der sozialistischen
Gemeinschaft sind – sowohl inoffiziellen als auch offiziellen Angaben zufolge –
seit Bestätigung einer Vereinbarung dieser Länder mit Österreich festzustellen.
Eine intensivere Ausnutzung des österreichischen Geheimdienstes und eine
stärkere Zusammenarbeit mit der CIA und der DIA [Defense Intelligence Agency,
Dachorganisation der Nachrichtendienste der vier US-Teilstreitkräfte] ist seit
Machtübernahme der Reagan-Administration festzustellen. Es ist auch eine
Tatsache, dass die Aktivität der Geheimdienste der BRD in Österreich seit dem
Wahlsieg der klerikalen Parteien CDU/CSU in der BRD zugenommen hat. Den
vorliegenden Angaben zufolge unterhalten die österreichischen Geheimdienste
derzeit enge Verbindungen zu einer Reihe von Spionagediensten. Eine Zusammenarbeit
sowie Verbindungen auf der Ebene eine Verbindungsoffiziers, der direkt in der
entsprechenden diplomatischen Vertretung des jeweiligen kapitalistischen Landes
in Wien tätig ist, wurden mit den amerikanischen, westdeutschen, britischen,
französischen und weiteren 11 Geheimdiensten (abgesehen von der Zusammenarbeit
im Rahmen der INTERPOL) festgestellt. Auf inoffiziellem Weg wurde auch eine
indirekte Verbindung des militärischen Nachrichtendienstes HNaA zur Führung der
Sozialistischen Internationale [Seit 1951 bestehender weltweiter
Zusammenschluss von sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien und
Organisationen] aufgeklärt. Es finden geheime Beratungen von Mitarbeitern der
CIA und des BND mit führenden Vertretern des HNaA und anderer, polizeilicher
Dienststellen statt. Seitens der österreichischen Organe wird den
Geheimdiensten der NATO-Staaten die Möglichkeit eingeräumt, auf dem Territorium
Österreich Maßnahmen ihrer Organe zu realisieren, und der österreichische
Geheimdienst wiederum führt für sie zahlreiche Aufklärungs-, Abwehr- und
Polizeimaßnahmen durch."<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die Autoren des
Berichts konnten es sich nicht verkneifen, auf den flexiblen Umgang in Sachen
Bündnisfreiheit hinzuweisen: „Offiziell – nach den Prinzipien der
österreichischen Neutralität – ist es verboten, gegen die Staaten der
sozialistischen Gemeinschaft zu arbeiten. Doch diese offizielle Festlegung wird
in der praktischen Tätigkeit nicht eingehalten, sondern systematisch verletzt.
Es ist bekannt, dass das HNaA seine Aufträge nicht nur von österreichischen
Stellen erhält, sondern auch von der BND-Zentrale in Pullach. Offiziere des
HNaA werden häufig zu Beratungen in die BRD eingeladen, wo sie Aufträge gegen
die Staaten der sozialistischen Gemeinschaft erhalten. Zahlreiche Mitarbeiter
des HNaA führen ihre Tätigkeit durch, um später eine Pension zu erhalten, und
sie dient ihnen als ‚Deckmantel‘ für ihre Tätigkeit zugunsten des BND.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">In einem Appendix
zu diesem Dokument („Aktivitäten des österreichischen Geheimdienstes gegen
sozialistische Staaten“) ergänzte das MfS seine Sicht der Dinge: Gegen das HNaA
wurde der Vorwurf erhoben, „einerseits eine eigenständige, offensive und
umfangreiche Spionagetätigkeit gegen die sozialistischen Staaten, insbesondere
die CSSR und VR Ungarn, organisiert und andererseits unter Missbrauch des
sogenannten Neutralitätsstatus der Republik Österreich eine weitreichende
Stellvertreterfunktion für die Geheimdienste der NATO-Staaten, insbesondere der
USA und BRD, wahrnimmt.“ Als Beleg hierfür wurden folgende konkrete Aktionen
angeführt:<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">„Das HNaA
organisiert nach vorliegenden Informationen eine umfangreiche und intensive
Militärspionage gegen die tschechoslowakische Volksarmee sowie die in der CSSR
dislozierten [verteilten] sowjetischen Streitkräfte. Die erkannten
militärischen Angriffsschwerpunkte und Spionageinteressen, Mittel und Methoden
der Militärspionage, Zielgruppen des HNaA unter Bürgern der CSSR und
Österreichs entsprechen im Wesentlichen den uns bekannten Angriffsrichtungen
und Vorgehensweisen der NATO-Geheimdienste, insbesondere des BND und MI
[Military Intelligence Corps der US Army – Nachrichtendienst der US Army],
gegen die DDR. […] Es bestätigen sich Erkenntnisse dass österreichische
Unternehmen mit kommerziellen Verbindungen in die sozialistischen Länder bzw.
deren Mitarbeiter, z. B. österreichische Fernfahrer, nach wie vor im besonderen
Interesse des HNaA, BND und US-Geheimdienste bei der Organisierung subversiver
Handlungen gegen die sozialistischen Länder stehen.“ So lägen Hinweise darauf
vor, dass in LKWs österreichischer Transportfirmen Miniaturkameras zur
Fotografie militärischer Objekte und Bewegungen installiert worden seien.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Die Zusammenarbeit
zwischen den österreichischen Nachrichtendiensten und jenen der USA und der BRD
habe sich seit Anfang der 1980er Jahre „bedeutend verstärkt“:„So finden
regelmäßig Zusammenkünfte und Erfahrungsaustausche zwischen leitenden
Mitarbeitern dieser Geheimdienste statt, die einer starken Abdeckung und
Konspirierung unterliegen. Zwischen den genannten Geheimdiensten wurde ein
umfangreicher und intensiver Informationsaustausch vereinbart. Engste Kontakte
auf höchster Ebene unterhalten das HNaA und der MAD [Militärische
Abschirmdienst] der BRD. Zwischen den beiden Geheimdiensten wurde der Austausch
von Informationen über Vorgehensweisen sozialistischer Sicherheitsorgane, über
Unterlagen und Technik zur Durchführung von Abhörmaßnahmen und über Erfahrungen
zur Sicherung militärischer Großanlagen vereinbart.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Folgende
Erkenntnisse würden besonders deutlich: „USA- und BRD-Geheimdienste erhalten
vom HNaA kontinuierlich Erkenntnisse aus der elektronischen Spionage [sic!].
Das HNaA ermöglicht der CIA und dem BND die Bearbeitung von Mitarbeitern
diplomatischer Vertretungen sozialistischer Länder in Wien. So konnten gerade
in jüngster Zeit Aktivitäten des BND gegen Auslandskader in diplomatischen
Vertretungen der DDR in Wien nachgewiesen werden, wie z.B. durch die erfolgte
Festnahme eines solchen Kaders im militärischen Bereich der DDR-Vertretung in
Wien. Das HNaA übergibt der CIA alle Hinweise auf mögliche Verratsabsichten von
Mitarbeitern diplomatischer Vertretungen sozialistischer Länder in Österreich. Das
HNaA unterstützt den US-Geheimdienst DIA (zentraler militärischer Geheimdienst
der USA) bei der Aufklärung und Kontrolle des Sicherheitssystems der CSSR an
der Staatsgrenze zu Österreich.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Das MfS zog daraus
mehrere Schlussfolgerungen: Österreich – „seine Betriebe, Einrichtungen und
Bürger – würden insbesondere von der CIA und den BRD-genutzt. Deshalb müsse man
folgendes operativ beachten: Aufenthalte von österreichischen Bürgern in der
DDR aufgrund von kommerziellen Vereinbarungen, Transitfahrten österreichischer
Firmenvertreter durch die DDR, Aktivitäten der Botschaft Österreichs und ganz
konkret Handlungen des in der DDR zweitakkreditierten Militärattachés, der
schon in der CSSR versucht habe, „Informationen abzuschöpfen“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Es
braucht einen Kulturwandel<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Unter dem Strich
bleibt das MfS bleibt ein hochproblematischer „Kronzeuge“. Aber es wird
deutlich, dass Österreich gerade in der „heißen“ Spätzeit des Kalten Kriegs –
als US-Präsident Ronald Reagan auf Konfrontationskurs mit der Sowjetunion ging
– ein aktiver Partner westlicher Dienste gewesen sein muss. Die jüngst
diskutierte Achse hin zur NSA hat also eine lange Laufzeit. Und es ist das Bild
einer keineswegs einseitigen Allianz, das sich hier abzeichnet.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman", serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: .0001pt; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "Times New Roman", serif;">Umso wichtiger wäre
es daher, die Behauptungen des MfS in einen Kontext zu setzen. Aber bislang ist
sowohl die Aufarbeitung nachrichtendienstlicher Geschichte aufgrund der
beschriebenen schwierigen Rahmenbedingungen sporadisch und hat oft
selbstreferentiellen Charakter. Wahrscheinlich wird sich wenig ändern, sofern
die österreichischen Nachrichtendienste nicht von selbst den Wert
größtmöglicher Transparenz erkennen. Nach Vorbild der aktuellen
Offenlegungs-Projekte des BND wäre eine Studie zur Gründungsphase des heutigen
HNaA wäre ein möglicher Anfang. Diese Entwicklungen anderenorts wurden bislang
„verschlafen“ – was langfristig auch zu Lasten der eigenen
Daseinsrechtfertigung gehen dürfte – und das mitten in einem generellen
Umstrukturierungsprozess bei der inneren Sicherheit.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-45328851931482647592016-08-22T11:59:00.000-07:002016-08-25T05:58:35.064-07:00„So viele Juden als nur möglich umbringen“: Der Wiener Synagogenanschlag vor 35 Jahren<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Anfang
August 1981 erhielt der 21jährige Palästinenser Husham Rajih einen Brief ohne
Absender – auf einem halben Bogen weißen Papiers stand mit Kugelschreiber
sinngemäß geschrieben: „Ich treffe dich in zwei Tagen oberhalb der
Opernpassage, nächst der Oper!“ Nachdem er die Mitteilung gelesen hatte,
zerriss Rajih den Brief und warf alles in den Hauscontainer: „Ich erschien so
wie im Brief mitgeteilt, zwei Tage nach dem Erhalt des Schreibens, am
vereinbarten Ort, Opernpassage nächst der Oper.“ Dort wurde er dann von
einem Araber angesprochen: Es war sein Führungsoffizier Bahij Younis – beide
waren Angehörige der berüchtigten Abu-Nidal-Organisation (ANO). In deren Auftrag
hatte Rajih wenige Monate zuvor, am 1. Mai 1981, den Wiener Verkehrsstadtrat
Heinz Nittel erschossen. Nun ging es um eine weitere, noch größer angelegte
Operation: Einen Überfall auf die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse. <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Befehlsausgabe
im Cafe Westend<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Younis und Rajih
trafen sich am 27. August 1981 um 10 Uhr ein weiteres Mal. Diesmal ging es um
die genauen Einzelheiten. Man setzte sich an einen Tisch ins Cafe Westend. „Der
Mann kam gleich zur Sache und erklärte, dass meine Aufgabe beim Anschlag sei,
den Hinterausgang des Jüdischen Bethauses in Wien 1., Fleischmarkt, Höhe der
Stiege zu überwachen und herauskommende Personen ohne Warnung
niederzuschießen“, erzählte Rajih später. Anschließend erhielt er eine Umhängetasche,
welche eine Maschinenpistole, drei dazugehörige Magazine mit je 25 Schuss und
drei Handgranaten beinhaltete. Younis erklärte die Funktionsweise der Waffen
und zeichnete Rajih die Sicherungshebeleinrichtung sowie die Prozedur des
Schießfertigmachens auf einem Zettel auf. Anschließend nahm er Rajih noch
Reisepass, Sparbuch und den Studentenausweis der TU Wien ab. Nach dem Treffen
nutzte Rajih die restliche Zeit, um sich mit den Waffen vertraut zu machen bzw.
die Umgebung rund um die Synagoge auszuspähen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
Komplize<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Von besonderer
Wichtigkeit war die Information, dass für den Anschlag, der zwei Tage darauf am
29. August 1981 stattfinden sollte, ein Komplize bereitstehen würde. Hierbei
handelte es sich um den 25jährigen Palästinenser Marwan Hassan. 1973 in den
Irak geflüchtet, hatte er sich der ANO angeschlossen. Während Rajih sich seit
Ende 1978 als „Schläfer“ in Österreich befand, traf Hassan erst ca. drei Monate
vor dem Synagogenanschlag ein. Als einfacher „Soldat“ innerhalb der
Gruppenhierarchie war es seine Aufgabe gemeinsam mit Rajih, den er zuvor noch
nie gesehen hatte, den Überfall durchzuführen. Nachdem Hassan am 29. August
1981 frühmorgens von seiner Bleibe in der Engerthstraße Nr. 51 in
Wien-Brigittenau aufgebrochen war, fanden seine sechs arabischen Mitbewohner
ein leeres Beet vor. Darauf lagen Lehrbücher vom Deutschsprachkurs (Titel „Wie
geht’s“), eine Flasche Rasierwasser der Marke „Wild Moos“ und eine offene Telefonrechnung
über 1.200 Schilling. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Es war vereinbart,
dass sich Rajih und Hassan um 11 Uhr an der Ecke Rotenturmstraße – Fleischmarkt
treffen würden. An gegenüberliegenden Punkten an der Kreuzung postiert, sollten
sie sich gegenseitig an bestimmten Merkmalen erkennen: Hassan trug wie
aufgetragen einen schwarzem Rock, Blue Jeans und eine braue Tasche. Außerdem
hatte er sich eine rote Rose ins Knopfloch gesteckt. Rajih wiederum trug wie
abgemacht eine braune Jacke sowie einen grünen Hut. Beide Kleidungsstücke hatte
ihm Younis im Cafe Westend übergeben. Was nach dem Erkennen zu tun war, hatte Younis seinem Untergebenen so
eingeschärft: „Wenn Du deinen Partner gesehen hast, gehst Du an die
Rückseite der Synagoge und feuerst, wenn der andere an der Vorderseite
angefangen hat, zu kämpfen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Anschlagsziel
Stadttempel<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am 29. August 1981,
um 11.15 Uhr, war es dann soweit: An besagter Kreuzung verharrten die beiden
Männer zunächst ungefähr eine Viertelstunde ohne Kontakt, auch nicht in Form
von Handzeichen oder Kopfnicken. Als Rajih von seinem Standplatz aus wahrnahm,
dass die ersten Gläubigen das Bethaus durch den Hinterausgang zu verlassen
begannen, war dies das „Startzeichen“. Im Bericht der Staatspolizei heißt es:
„Beide Personen traten vor der Aktion nicht in Verbindung, sondern gingen
gesondert, jeder für sich nach dem Erkennen seines Gegenübers in verschiedene
Richtungen und starteten die Aktion. Rajih ging über den Fleischmarkt Richtung
Sterngasse, während der andere Mann über den gegenüberliegenden Gehsteig in der
Seitenstettengasse verschwand.“ An der dortigen Adresse Nr. 2 und Nr. 4 waren
ungefähr 200 Personen im Inneren des Stadttempels bzw. des danebengelegenen
Jüdischen Gemeindezentrums versammelt. Anders als üblich leerte sich an diesem
Samstag die Synagoge um 11.30 Uhr nach Ende des Gottesdienstes nicht gleich. Nach
Abschluss der Bar-Mizwah-Feier für den zwölfjährigen Sohn eines
„Schöps“-Teilhabers bleiben ca. 150 Personen im Haus. Viele gingen gleich
durchs Gebäudeinnere in das jüdische Restaurant „Caesarea“. Dieser Umstand mag
vielen der Anwesenden das Leben gerettet haben. Die restlichen Tempelbesucher
traten teils durch den Haupteingang auf die Seitenstettengasse, teils durch den
Hintereingang auf den Platz vor dem Haus Fleischmarkt 1 B und den Stiegenabgang
zum Fleischmarkt.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjcEwhdjQ4GY0Jm54Z3-P5gTnfA6axFVb7IcvIbtkVfaK9KE0WMXQMNcAniS8k-2DtQy1OF4mSENs19cSdidn7c_TmnkYhSOGbv7cTs4uJq5yYgVtnnB_LhwhjVWneQPbSWNGMAvR_orMs/s1600/IMG_0219.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjcEwhdjQ4GY0Jm54Z3-P5gTnfA6axFVb7IcvIbtkVfaK9KE0WMXQMNcAniS8k-2DtQy1OF4mSENs19cSdidn7c_TmnkYhSOGbv7cTs4uJq5yYgVtnnB_LhwhjVWneQPbSWNGMAvR_orMs/s400/IMG_0219.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Tatort heute: Stadttempel in der Seitenstettengasse (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Auf dem Weg zum
Ziel war Rajih an einem der beiden Polizeibeamten vorbei gegangen, die zum
Schutz der Synagoge abkommandiert waren. Der Terrorist blieb schließlich in der
Sterngasse, dem Polizisten den Rücken zukehrend, stehen. Da krachten aus der
Seitenstettengasse bereits die ersten Schüsse. Der 24jährige
Sicherheitswachebeamte Raimund R. lief los, um seinem Kollegen, der diesen
Abschnitt überwachte, zu Hilfe zu kommen. Doch er kam nicht weit: Rajih hatte
die Maschinenpistole aus der mitgeführten Tasche hervorgeholt und einige
gezielte Schüsse abgeben, die den Polizisten im rechten Gesäßbereich verletzt
niederstürzen ließen.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Ohne
zu zielen abgedrückt“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Weiter vorne hatte Hassan
aus einer Entfernung von fünf bis sechs Meter nacheinander drei
Splitterhandgranaten auf eine Gruppe von 10 bis 15 Tempelbesuchern geworfen.
Deren Splitter verletzten den dort Wache schiebenden Polizisten Wolfgang H. und
zahlreiche weitere Personen, die sich vor dem Haupttor aufgehalten hatten. In
das Gebäude eindringen konnte Hassan nicht – die Tempelwächter schlossen das Tor
geistesgegenwärtig.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Glück im Unglück
war, dass der ebenfalls in der Synagoge anwesende „Schöps“-Besitzer Karl Böhm seinen
Leibwächter draußen zurückgelassen hatte. Der 28jährige Rudolf V. hatte
gemeinsam mit dem Fahrer auf seinen Chef gewartet, als er plötzlich links einen
Detonationsknall hörte. Als sich V. umsah, bemerkte er in der Höhe des Restaurants
„Henry“ den Terroristen Hassan – als dieser in seine Umhängetasche fasste, um
weitere Handgranaten hervorzuholen, reagierte der Leibwächter schnell: „Zur
Abwehr dieses offensichtlich bevorstehenden Angriffs auf Leib und Leben meiner
Person und auf andere in der Seitenstettengasse befindlichen Personen durch
diesen Täter zog ich während des Laufens meinen Revolver, den ich rechts im
Hosenbund, in einem Insertholster trug, und richtete gegen den Täter die Waffe.“
<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ohne zu zielen, gab
V. aus seinem großkalibrigen Smith & Wesson-Revolver drei Schüsse in
Richtung Hassans ab. Dieser – momentan perplex über die Gegenwehr – nahm noch
in einem Hauseingang Deckung und wollte mit der Maschinenpistole
zurückschießen. Doch da traf ihn V. mit seinem letzten verbliebenen Schuss
Munition aus einer Distanz von nur zwei bis drei Metern. Hassan schaffte es
trotz der schweren Verletzung noch einmal, um sich zu schießen. Erst dann brach
er an der Ecke Judengasse zusammen: „Als er wenig später mit einer Tragbahre
der Rettung abtransportiert wurde, machte der Attentäter das
‚Victory-(Sieg)-Zeichen’“, berichtete der „Kurier“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„So
viele Juden als nur möglich umzubringen“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Zeitgleich ging das
Drama im hinteren Bereich Judengasse-Sterngasse weiter: Nachdem Rajih den
Polizisten niedergeschossen hatte, bemerkte er eine Gruppe von 10 bis 15
Gläubigen, die gerade aus dem Hinterausgang der Synagoge heraustrat. Im Verhör
mit der Staatspolizei schilderte der Täter, was dann geschah: „Ich querte die
Judengasse, duckte mich hinter einem durch einen höheren Sockel abgegrenzten,
dem Hinterausgang gegenüberliegenden, Rasen, entschärfte eine der drei
Handgranaten und warf sie zu der herauskommenden Gruppe von Juden. Mit der
geworfenen Handgranate wollte ich diese Juden töten. Mein Vorsatz war von
Beginn der Aktion an, darauf gerichtet, so viele Juden als nur möglich
umzubringen, zu vernichten und auszulöschen.“ Nach der Detonation sprang der
Terrorist aus der Deckung und verfolgte immer wieder schießend die Flüchtenden,
die über die Treppe zum Bauernmarkt und dann in Richtung Hoher Markt zu
entkommen versuchten. Rajih machte oberhalb der Stiegen kurz halt, um mehrmals
auf den Hinterausgang der Synagoge zu schießen, den man gerade noch rechtzeitig
hatte schließen können. Dann rannte er die Stiegen hinunter, wechselte unten
angekommen das Magazin und schoss am Fuße des Stiegenaufgangs eine Garbe
Richtung Rotenturmgasse. Hierauf setzte er die Verfolgung der Fliehenden über
den Bauernmarkt fort und feuerte, sobald er sie in der schmalen Gasse wieder im
Blickfeld hatte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Überall
lagen die Verletzten herum“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Als beim
Hauseingang Nr. 21 mehrere Personen versuchten, unter dem Portal notdürftig
Deckung zu finden, waren sie eine leichte Beute für den Verfolger: „Ich
beschleunigte mein Tempo. Ohne mich zu verlangsamen rannte ich an den in der
Hausnische sich duckenden Männern vorbei [tatsächlich befanden sich dort
mehrere Frauen und Kinder] und schoss ohne zu zielen in sie einfach hinein, bis
im Magazin keine Patrone mehr war.“ Sechs Personen, darunter der 2jährige Marco
K. erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades. Die Hauswartin von Haus Nr.
21 war gerade beim Kochen, als sie von dem Ruf „Hilfe, mein Mann verblutet!“ aufgeschreckt
wurde. Sie sperrte das Haustor auf, um die Flüchtenden einzulassen. In diesem
Moment wurde auch sie durch einen Schuss am rechten Oberschenkel verletzt.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In den Hauseingang
geschleppt hatte sich der 69jährige Nathan Fried, der schon vorher von einem
Schuss in der Gesäßgegend getroffen worden war. Das Projektil hatte die
Oberschenkelblutader verletzt. Fried starb wenig später an inneren Blutungen. Der
streng orthodoxe Fried war 1942 vor den Pogromen in der Tschechoslowakei nach
Ungarn geflüchtet, von wo er 1944 nach Österreich verschleppt wurde. Er kam in
ein Lager bei Steyr, wo er bei Kriegsende von den US-Truppen befreit wurde.
Nach 1945 siedelte sich Fried in Wien an und wurde Textilkaufmann. Seine Leiche
wurde in Israel bestattet. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">40 Meter den
Bauernmarkt weiter – bei einer Baustelle unter der großen Uhr der
Anker-Versicherung – wurde die im dritten Monat schwangere Sarah Ulrike Kohout
von zwei Projektilen tödlich getroffen. Die 27jährige, die erst kurz zuvor zum
Judentum konvertiert war, verblutete noch auf der Straße liegend. Die
Opferbilanz betrug damit zwei Tote und 22 Verletzte – als die Alarmabteilung
vom Schottenring kommend in der Judengasse eintraf, bot sich den Beamten ein
furchtbarer Anblick: „Überall lagen die Verletzten herum und haben geschrien,
die kaputten Fensterscheiben, das Blut … entsetzlich“, schilderte es der
Einsatzleiter. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Größte
Verfolgungsjagd aller Zeiten“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Rajih versuchte nun
im Laufschritt in der „größte(n) Verfolgungsjagd aller Zeiten“ in Wien
(„Kurier“) zu entkommen: Den Bauernmarkt entlang – über den Hohen Markt – nach
links in die Ertlgasse – wieder nach rechts in die Kramergasse und dann in
Richtung Brandstätte. Etwa 20 m von der Kreuzung Ertlgasse-Kramergasse
entfernt, bemerkte Rajih, dass ihm zwei Polizeibeamte – Norbert F. und Kurt H.
– dicht auf den Fersen waren. Rajih griff in seine Handtasche, entnahm eine
Handgranate und schleuderte diese in Richtung der Beamten. Die Detonation
verschaffte ihm aber nur eine kurze Atempause. Einer der beiden Beamten fiel
verletzt aus. Der andere blieb an dem Terroristen dran, den die hektische und
planlose Flucht zusehends ermüdete. Als Rajih an einem Schuhgeschäft in der
Brandstätte Nr. 5 vorbeikam, schaffte es die Inhaberin Hildegard A., den Täter
an der Kapuze zu fassen, woraufhin Rajih zu Boden stürzte. Er schaffte es noch
einmal aufzustehen, wurde aber nach 10 Metern von dem Polizisten H. eingeholt
und gestellt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Was
haben wir uns da eingehandelt?“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Tags darauf fragte
Peter Gnam in der „Kronen Zeitung“: „Was ist das für eine Zeit, in der Terror
fast schon zur Selbstverständlichkeit wird? Was haben wir uns da eingehandelt,
wenn ein Spaziergang am Stephansplatz oder am Graben mit Lebensgefahr verbunden
ist?“ 1985 sollte sich noch ein weiterer Anschlag der ANO ereignen – diesmal
gegen den El-Al-Schalter auf dem Flughafen Schwechat.</span> Es gab <span style="font-family: "times new roman" , "serif";">drei Tote und 47 Verletzte.<b><o:p></o:p></b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Anfang 1982 wurden
Rajih und Hassan je zu Lebenslang verurteilt. Rajih, den man auch wegen des
Mordes an Nittel angeklagt hatte, wurde hier „nur“ wegen Beihilfe verurteilt. Der
Prozess gegen Younis musste gleich dreimal wiederholt werden – 1984 kassierte
er wegen „entfernter Mittäterschaft“ 20 Jahre Haft. Nachdem er zwei Drittel
seiner Strafe abgesessen hatte, durfte er 1995 das Gefängnis verlassen. Rajih
hingegen wurde 1994 an Belgien überstellt, weil er in Verdacht stand, dort
einen PLO-Mann ermordet zu haben. Die Verdachtslage war dünn. Trotzdem wurde er
ohne Bedingungen ausgeliefert. 1996 ging Rajih tatsächlich frei und tauchte im
Nahen Osten unter. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Heute ist die
Erinnerung an Wiener Synagogenanschlag so wie an die übrigen Ereignisse der
Jahre 1981-1985 zunehmend verblasst. Angesichts einer neuerlichen, freilich
anderes gelagerten terroristischen Bedrohung lohnt sich die Rückschau aber: Österreich
ist bereits Schauplatz von größeren Anschlägen gewesen – auch wenn diese zu
großer Verunsicherung geführt haben, ist die damalige Gewalt-„Welle“ aber
letztlich abgeebbt. So wie sich das bei vorangegangenen Phasen von Terrorismus
gezeigt hat – und aller Voraussicht nach auch
bei der radikal-islamistischen Ausprägung der Fall sein wird. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Hintergrund:
„Den großen Brand im Nahen Osten entfachen“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Zum Ziel des ANO-Terrors
war Österreich wegen außenpolitischer Initiative im Nahen Osten geworden: Als
Transitland für jüdische Emigranten aus dem damaligen Ostblock nach Israel war
Österreich in den Nahostkonflikt involviert. Im Jahr 1973 hatten Palästinenser in
der Grenzstation Marchegg Emigranten aus der Sowjetunion als Geiseln genommen.
Nach stundenlangen Verhandlungen wurden diese schließlich freigelassen. Die Gefahr
weiterer Anschläge blieb aber bestehen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Daher knüpfte
Bundeskanzler Bruno Kreisky Kontakte zu Jassir Arafats Palästinischer
Befreiungsorganisation (PLO) und zu Libyens Staatschef Gaddafi. Das sollte die
Lage entschärfen und präventiv Sicherheit schaffen. Doch diese Rechnung ging
nur bedingt auf. Denn der PLO-Abtrünnige Abu Nidal wollte jede Entspannung
zwischen Israel und Palästinensern verhindern. Deshalb traf sein stark
antisemitisch motivierter Terror Länder wie Österreich, die sich um Vermittlung
bemühten. Daran konnten auch die Informationen, die österreichische Behörden
vom PLO-Geheimdienst erhielten, nichts ändern. Nicht umsonst kommentierte Peter
Michael Lingens den Synagogenanschlag in „profil“ so: „Der Bundeskanzler ist
nicht am Rande in diese Angelegenheit verwickelt, sondern er steht in ihrem
Zentrum. Die Nahostpolitik war nicht nur seine eigentliche politische Passion,
sondern jahrelang hatte er darüber hinaus erklärt, sie erspare Österreich den
Terror – jetzt lagen die Patronenhülsen eines palästinensischen Terrorkommandos
in der halben Wiener Innenstadt.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Kreisky blieb aber
bei seiner Linie. Am 1. September 1981 protokollierte Handels- und
Industrieminister Josef Staribacher die internen Erläuterungen des
Bundeskanzlers so mit: „Er werde daher, was immer geschieht, seine PLO
freundliche Politik fortsetzen. Obwohl er keine Vermittlerrolle anstrebt, denn
dazu müssten ihn ja beide also auch die Israeli ersuchen. Er wird keine
opportunistische Politik machen, er hält die Idee nicht dabei zu sein,
sozusagen sich zu distanzieren falsch. […] Kreisky meint, was immer er gesagt
hat, ist ihm auch recht, er will niemanden auf seine Politik binden, doch er
wird sie wie bisher fortsetzen.“ Letztendlich sollte die
Initiative im Nahen Osten aber spätestens nach dem Rücktritt Kreiskys (1983) schrittweise
auslaufen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Insgesamt verübte die
Organisation von Abu Nidal, der eigentlich Sabri al-Banna hieß, Anschläge in 20
Staaten, die rund 900 verletzte oder getötete Opfer forderten. Der Terror
endete erst, nachdem die Nachrichtendienste Libyens und Syriens Abu Nidal Ende der
1980er Jahre fallenließen. 2002 wurde er in Bagdad von Saddam Husseins
Geheimpolizei ermordet. In einem Interview hatte er 1985 seine Vorgangsweise so
begründet: „Wir Palästinenser und Libanesen werden Zünder für den Kampf aller
Araber gegen die Zionisten sein. Wir werden den großen Brand im Nahen Osten
entfachen.“</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-69294720475917017262016-08-16T01:11:00.003-07:002016-08-17T04:37:10.381-07:00„Explosion bei der Opernkreuzung!“ Der Alitalia-Anschlag vor 50 Jahren<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Um 4.45 Uhr früh am
20. August 1966 detonierte eine 4-Kilo-Bombe vor dem Alitalia-Büro am Kärntner
Ring, das schon 1961 ein Ziel gewesen war. „Einer Detonation, die zunächst für
einen Blitzschlag gehalten wurde, folgte eine starke Staubwolke, gleichzeitig
wurde das Geräusch berstender Glasscheiben gehört", hieß es in der Arbeiter-Zeitung. Das Geschäftsportal wurde
zertrümmert und der entstandene Schaden mit zwei Millionen Schilling beziffert.
Die Druckwelle zerbarst weiters die Auslagen und Einrichtungen benachbarter
Geschäfte sowie die Verglasungen der Abgänge zur Opernpassage. Nur durch Zufall
gab es keine Opfer – zum Zeitpunkt der Explosion war ein starker Gewitterregen
niedergegangen und die Straßen waren dadurch „fast menschenleer“. </b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b><br /></b></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjnu8vEVURBqn7VpKt5EcDxXvEQp-UkWIuBEWaJS89C65dNYiGS-zWl8vwzDC8lsE4rJt1IMOeeFq1Rhn8xz1wY1wid4mldRiaq_waYmlxVdKXM0NI4OcNT2yfFSBZHWyt9tLs8vp6xnaY/s1600/IMG_0209.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="212" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjnu8vEVURBqn7VpKt5EcDxXvEQp-UkWIuBEWaJS89C65dNYiGS-zWl8vwzDC8lsE4rJt1IMOeeFq1Rhn8xz1wY1wid4mldRiaq_waYmlxVdKXM0NI4OcNT2yfFSBZHWyt9tLs8vp6xnaY/s320/IMG_0209.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Tatort heute (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ein paar
Nachtschwärmer – ein schwedischer und ein norwegischer Student sowie ein Wiener
– hatten sich unter das Dach eines Ausgangs der Opernpassage gestellt. Zuerst
dachten sie, ein Blitz hätte in unmittelbarer Nähe eingeschlagen, aber dann
tanzten die beiden Studenten minutenlang und jubelten: „Uns ist nichts
geschehen, wir leben, wir leben, wir leben!“ Etwa zur selben Zeit hatte ein
Revierinspektor telefonisch Alarm gegeben: „Explosion bei der Opernkreuzung!“ Die
Ladung war vor dem Alitalia-Büro am Schnittpunkt des Gehsteigs und des
Schaufensterrahmens abgelegt worden – „da an dieser Stelle eine ca. 10 cm tiefe
und im Durchschnitt 35 cm große Mulde aufgerissen wurde“. Aus der Wahl des
Zeitpunkts und den Witterungsverhältnissen wurde geschlossen, „dass der
Sprengkörper kurzfristig gezündet wurde, so dass die Täter sowohl die
Gefährdung von Menschen verhindern, als auch sich selbst noch in Sicherheit
bringen konnten“.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Noch während die
Spurensicherung erfolgte, überprüfte man die Alibis eines als
„Rechtsextremisten und Terroristen bekannten Personenkreises“. Die erste
konkrete Spur in diese Richtung war einem Zufall zu verdanken, der sich nur
eine Stunde nach dem Bombenanschlag zutrug: Die 54jährige Besorgerin des Hauses
in der Lorenz-Mandl-Gasse 14 sah kurz vor sechs Uhr früh den ihr als
Spätaufsteher bekannten Mieter Emmanuel K. in einem weißen Arbeitsmantel aus dem
Kellereingang kommen. Der 22jährige machte einen verstört-überraschten
Eindruck. Stunden später versuchte K. der Hausbesorgerin einzureden, sich
getäuscht zu haben und wollte sie überreden, darüber nicht mit der Polizei zu
sprechen. Das machte diese erst recht stutzig. Sie teilte ihren Verdacht
Staatspolizisten mit, die gekommen waren, um Erhebungen durchzuführen. Denn K. zählte
zu jenem Personenkreis, der sofort nach dem Anschlag einvernommen wurde. Weil
sein Alibi der Überprüfung nicht standhielt, wurde er am 21. August 1966
verhaftet.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>„Geheimliteratur
der Militärstaaten“</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Bei der
anschließenden Hausdurchsuchung wurde neben Material zum Bau von Sprengkörpern
eine geringe Menge Sprengstoff sowie ein Zugzünder, Schwefelkohlenstoff,
Schwarzpulver, aber auch Geschoßhülsen gefunden. Darüber hinaus wurden
Handbücher „über die Herstellung und Anwendung von Sprengkörpern sowie eine umfangreiche
Literatur über das gesamte Sachgebiet der Sprengstoffe, Giftgase, den
Partisanenkrieg, die Pionierausbildung und ähnliche Werke sichergestellt“.
Diesen Umstand fand der Sachverständige des Innenministeriums bemerkenswert.
Denn die Druckwerke waren zum Teil nicht im Handel erhältlich, weil sie zur
„Geheimliteratur der Militärstaaten“ zählten. Hinweise auf eine Zugehörigkeit
K. zum Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) fanden sich nicht, dafür ein Ausweis der westdeutschen Organisation
des Bunds Heimattreuer Jugend (BHJ). Er war bereits im Januar und Februar 1963 an Bombenanschlägen auf das
Lokal der KPÖ auf dem Akkonplatz in Wien-Fünfhaus beteiligt gewesen. Einige
Zeit später deponierte er Sprengkörper in verschiedenen Telefonzellen. Dafür
war K. zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er war bekannt als jemand, „der
sich geradezu leidenschaftlich mit der Herstellung von Sprengkörpern
beschäftigt, darüber hinaus durch seine Bekanntschaft mit Rechtsextremen
aufgefallen ist“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Wahlhelfer bei
Franz Olah </b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Seit Ende 1964 war
K. FPÖ-Mitglied. Vor Beginn des Nationalratswahlkampfs 1966 war er dann als
Chauffeur des ehemaligen SPÖ-Innenministers Franz Olah tätig und engagierte
sich für dessen rechtspopulistische Demokratisch Fortschrittliche Partei (DFP).
Nach neuerlichen Einvernahmen und unter Vorhalt der Beweisergebnisse „bequemte“
sich K. schließlich zu dem Geständnis, „den Sprengkörper an den Tatort gebracht
und gezündet zu haben“. Nach „weiterer informativer Befragung“ gab er zu, dass
ihn ein Mittäter per PKW zum Tatort gebracht und anschließend wieder
weggefahren habe. Dieser Mann sei der 32jährige Hannes Falk gewesen – „doch
weigerte er sich unter Hinweis auf sein gegebenes Ehrenwort, eine
diesbezügliche Niederschrift zu unterschreiben“. Nach Rücksprache mit dem
Ersten Staatsanwalt gab dieser trotzdem seine Zustimmung zur „sofortigen“
Verhaftung Falks. Dieser leugnete nicht, K. zu kennen. Wenige Monate vor dem
Alitalia-Anschlag war Falk Geschäftsführer in der „Billateria“ in der
Singerstraße im 1. Bezirk geworden. K. war dort ebenfalls als Schankgehilfe
beschäftigt. Hingegen stritt Falk jede Beteiligung an dem Anschlag ab. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">K. war Vollwaise;
sein Vater war im Zweiten Weltkrieg gefallen, die Mutter starb 1959. Einer
geregelten Beschäftigung ging der junge Mann in den Monaten vor der Tat nicht
nach. Dafür hatte K. eine ungewöhnliche Begabung als Sprengstoffbastler. Falk
hingegen hatte sich politisch im Hintergrund gehalten, „war aber der Polizei
seit Jahren als einer der gefährlichsten Rechtsextremisten bekannt“. Gemeinsam
mit K. und anderen Ex-BHJ-Angehörigen war Falk bei der Nationalratswahl 1966 in
den „Wahlhelfergruppen“ der DFP organisiert, die besonders zum „Saalschutz“
eingesetzt wurden.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>„Verbindungen zum
Kreis. Dr. Burgers“</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
Arbeiter-Zeitung skizzierte das Umfeld, in das die beiden Attentäter
eingebettet waren: „Es sind jene Gruppen, die sich einst um den wiederholt
verurteilten Konrad Windisch und den Grazer Eisenhändler Soucek, der später
nach Spanien und Südafrika flüchtete, gruppierten, sich als Führer
verschiedener neofaschistischer Aktivitäten hervortaten und schließlich bei
Olah Unterschlupf fanden. Querverbindungen dürften auch zu einzelnen Gruppen
innerhalb des umstrittenen ‚Österreichischen Turnerbundes‘ […] und zu dem Kreis
Dr. Burgers reichen“. Der spätere Gründer der Nationaldemokratischen Partei
(NDP) und in Italien verurteilte Südtirol-Attentäter Norbert Burger war damals
eine Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene in Österreich. In der Wohnung von
Falk war ein Schriftverkehr mit Burger gefunden worden, der belegte, „dass es
zwischen den beiden Meinungsverschiedenheiten gab, die derart ausarteten, dass,
nach Angabe des Falk, in einem der letzten Briefe Dr. Burger das
Antwortschreiben mit dem Götz-Zitat abschloss.“ Zwischen den beiden habe eine
„persönliche Abneigung“ geherrscht, erfuhr die Staatspolizei von einem
Bekannten Falks. Dieser gab an, Burger habe Falk misstraut: „Es wurde die
Meinung laut, dass Falk Kontakte zu den Italienern hatte. Außerdem wurde Falk
als nicht verlässlich angesehen. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, er sei
Polizeispitzel.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>„Idealist, kein
Revolutionär“</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In der
Hauptverhandlung gab Falk nichts zu: „Man könne einen Menschen wohl so weit
bringen, dass der auf alles ja sage, doch ihn könne man nicht so weit bringen,
zu gestehen, er habe die Tat begangen.“ Falk erklärte lediglich: „Ich bin ein
Idealist, kein Revolutionär.“ Der Prozessbeobachter der Staatspolizei notierte:
„Im Verlaufe der Vernehmung erklärte Falk wiederholt, er habe zu dieser Tat
eine bestimmte Meinung, könne sie aber dem Gericht nicht sagen. Nach längerem
Zureden erklärte Falk, er habe anfänglich die Meinung gehabt, dass zwischen dem
K. als gewesenen Chauffeur des ehemaligen Ministers Olah und dem Bombenattentat
ein Zusammenhang bestehe. Heute vertritt er diese Meinung nicht mehr.“ Noch am
fünften Verhandlungstag blieb Falk dabei: „Ich wusste von Sprengstoff nichts
und habe mit Sprengstoff nie etwas zu tun gehabt.“ Unter den einvernommenen
Zeugen war auch Burger, der angab, K. erst bei einer Gegenüberstellung im
Landesgericht zum ersten Mal gesehen zu haben. Für den zweiten Angeklagten
hatte Burger nur harte Worte übrig: „Falk gehöre zu einem Personenkreis, der
immer dort zu sehen sei, wo etwas los ist. Falk sei deshalb suspekt, weil er
ein Freund des [Alfred] Borth sei, von dem bekannt ist, dass er ein Konfident
der Staatspolizei aber auch der Italiener sei.“ Er selbst habe K. „etwa drei
Wochen“ vor dem Attentat in einem Cafe in der Riemergasse mit Borth zusammen
gesehen. Bei dem Attentat habe „böser Wille“ vorgelegen – „man habe der
Südtirol-Sache schaden wollen“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Protest gegen
Geheimverhandlungen</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">K. sagte aus, dass
sich der Anschlag gegen damals laufende Geheimverhandlungen zwischen Österreich
und Italien richtete: „In rechtsextremen Kreisen habe man die Ansicht
vertreten, dass Geheimverhandlungen über Südtirol der Sache ‚Südtirol‘ nicht
förderlich seien. Die Angeklagten seien deshalb auf die Idee gekommen, einen
Sprengstoffanschlag vorzunehmen, um die Öffentlichkeit auf die
Geheimverhandlungen aufmerksam zu machen.“ Konkret sei der Anschlag verübt
worden, „um dagegen zu protestieren, dass am 19.8.1966 gegen Mitternacht
zwischen Bundeskanzler Dr. Klaus und dem italien. Ministerpräsidenten Moro eine
Geheimzusammenkunft stattgefunden hat. Dabei wurde hauptsächlich die Sache
Südtirols besprochen und diese wieder benachteiligt. Um denen zu zeigen, dass
ihr Vorhaben nicht widerspruchslos zur Kenntnis genommen wird, war anfänglich
geplant, den Anschlag schon vor 24.00 Uhr durchzuführen.“ Aus
Sicherheitsgründen habe man jedoch noch abgewartet, bis das Gewitter seinen
Höhepunkt erreichte und so Gewähr gegeben war, dass es keine unschuldigen Opfer
geben würde. Später behauptete Falk, einen diesbezüglichen Tipp von einem
geheimnisvollen Unbekannten bekommen zu haben. Ein solcher Termin Klaus-Moro
findet sich im Kalendarium des Südtirol-Konflikts nicht – auch dementierte ein
Sprecher der italienischen Regierung Berichte, wonach geplant war, dass Moro in
Kürze auf Ischia mit Außenminister Lujo Tončić-Sorinj (ÖVP) zusammentreffen
würde. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Vieles blieb im
Dunkeln</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Es gab allerdings
einen brisanten Termin, auf den sich der Anschlag vielleicht bezogen hat: Den
Beginn einer geheimen Sicherheitskooperation zwischen Österreich und Italien.
Am 16. August 1966 sprach der italienische Botschafter vor und unterbreitete
namens der römischen Regierung den Vorschlag „einer Zusammenkunft leitender
Sicherheitsfunktionäre“, die „möglichst bald“ stattfinden sollte. Das
Innenministerium erklärte sich dazu bereit und die italienische Seite bekundete
die Absicht, „einen Carabinierigeneral und einen Carabinierioberst“ zu
entsenden. Die weiteren Details wurden aber erst in der Ministerratssitzung am
23. August 1966, drei Tage nach dem Anschlag, besprochen. W</span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">ie dem auch sei –
die beiden Täter wurden des Verbrechens nach § 4 Sprengstoffgesetz schuldig
befunden: K. wurde zu sechs Jahren und Falk zu sieben Jahren „schweren,
verschärften Kerkers“ verurteilt. Ungereimtheiten blieben. So meinte der
Privatbeteiligtenvertreter kurz vor Prozessende, es falle ihm schwer, „nur an
die Schuld dieser beiden Angeklagten zu glauben. Er meinte, dass hinter dem
Attentat ein größerer Personenkreis stehe. Beide Angeklagten seien hinterhältig
und wollten nicht alles sagen.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b style="font-family: "Times New Roman", serif;"><br /></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b style="font-family: "Times New Roman", serif;">Hinweis: </b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Anfang
2017 erscheint im Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies
(JIPSS) eine Gesamtdarstellung der Frühphase von Rechtsterrorismus in
Österreich.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-11515485893660220452016-08-04T23:02:00.002-07:002016-08-05T01:29:55.668-07:00Zum Kinostart von „Anthropoid“: Attentat auf den "Henker von Prag"<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Hollywood
ist stets auf der Suche nach neuen Geschichten. Nun hat man eine der
erfolgreichsten Aktionen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus
adaptiert. Unter dem Titel <i>Anthropoid</i>
wird mit dem US-Kinostart am 12. August 2016 das Attentat
auf eine Schlüsselfigur des NS-Regimes thematisiert. Gegen Ende des Jahres
folgt dazu noch die französische Produktion <i>HHhH</i>.<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Reinhard Heydrich
war am 27. Mai 1942 in Prag von eigens zu diesem Zweck „eingesickerten“
Fallschirmjägern so schwer verletzt worden, dass er acht Tage darauf verstarb.
Der Tod des maßgeblichen Organisators der „Endlösung“ trat eine Welle grausamer
Repressalien gegen die Zivilbevölkerung los. Die Attentäter – allen voran Jan
Kubiš und Jozef Gabčík – sollten schließlich durch Verrat auffliegen – wehrten
sich aber bis zum bitteren Ende. Während die Erinnerung an die beiden Feldwebel
während des Kommunismus eher verhalten war (die bürgerliche tschechoslowakische
Exilregierung hatte die Operation in Auftrag gegeben), ist Anfang der 1990er
Jahre wieder verstärktes Interesse zu bemerken. Zuletzt hat der junge
französische Autor Laurent Binet 2011 den vielbeachteten Tatsachenroman „HHhH“
vorgelegt, der auch einem der aktuellen Kinofilme als Grundlage dient. Die
Abkürzung geht auf einen angeblichen Ausspruch von Hermann Göring zurück, der
sich auf diese Weise über Heydrichs scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg innerhalb
des SS mokiert haben soll („Himmlers Hirn heißt Heydrich“). Heute, mehr als 70
Jahre nach dem Attentat in Prag, reizt an dem Stoff die moralische
Eindeutigkeit. Es ist ein klassischer Fall von Tyrannenmord, der hier begangen
wurde – ganz im Gegensatz zum heutigen religiös verbrämten, aber im Kern
nihilistischen Terrorismus.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEisGECVi093yCvLQVdIyjz2DEHerYniwHsvMhtU3oCGKsBIXnyEFdnq7u6TYha7UON5-QpVKuuJW6kx2ETGFIKQFYhiTPSJXhEEBJx_hyphenhypheniwe8GKYXKagCTVQsDdjUn-qpXqDn6jUMzWiMQ/s1600/Bundesarchiv_Bild_146-1972-039-26%252C_Reinhard_Heydrich_im_Prager_Schlo%25C3%259F.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEisGECVi093yCvLQVdIyjz2DEHerYniwHsvMhtU3oCGKsBIXnyEFdnq7u6TYha7UON5-QpVKuuJW6kx2ETGFIKQFYhiTPSJXhEEBJx_hyphenhypheniwe8GKYXKagCTVQsDdjUn-qpXqDn6jUMzWiMQ/s400/Bundesarchiv_Bild_146-1972-039-26%252C_Reinhard_Heydrich_im_Prager_Schlo%25C3%259F.jpg" width="283" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Reinhard Heydrich (li.) auf der Prager Burg 1941 (Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Heydrich
geht in die Falle</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der 27. Mai 1942
ist ein sonniger Frühsommertag in Prag. Kurz vor 9 Uhr postieren sich in einer
Haarnadelkurve im Stadtteil Libeň zwei Männer. Rund 200 Meter weiter
bergaufwärts steht ein Dritter als Meldeposten. Das Trio wartet
nervenaufreibende eineinhalb Stunden. Dann ist es soweit – mit dem
Taschenspiegel gibt der Melder ein Zeichen, dass sich die offene Mercedes-Limousine
mit der Zielperson nähert. Es ist SS-Obergruppenführer und General der Polizei,
Reinhard Heydrich – <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">stellvertretender
Reichsprotektor in Böhmen und Mähren. Ihn zu töten, das ist die Mission der
beiden Männer, die sich nun in der Kurve der Klein-Holeschowitz-Straße bereit
machen. Jan Kubiš (28) und Josef Gabčík (29), zwei in Großbritannien
ausgebildete Feldwebel der tschechoslowakischen Exilarmee, waren vor fünf
Monaten mit dem Fallschirm über ihrer besetzten Heimat abgesprungen. Mit
Unterstützung durch einheimische Widerstandskämpfer stehen sie nun vor dem
letzten Akt der Operation Anthropoid.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi3vht68m0FeLmK7ZfAqKsxO-Em3vRN81qCT-bDe01dRqay7i83EMHlb_VCSnJK0d_j2K6v6ThvalSj_uiFNmKoT2ImNNEIFWIfT2IGvVENHN_d5lIXwg5QOt-X3J-UCEQ9M0FwOB5BUEk/s1600/Jan_Kubi%25C5%25A1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi3vht68m0FeLmK7ZfAqKsxO-Em3vRN81qCT-bDe01dRqay7i83EMHlb_VCSnJK0d_j2K6v6ThvalSj_uiFNmKoT2ImNNEIFWIfT2IGvVENHN_d5lIXwg5QOt-X3J-UCEQ9M0FwOB5BUEk/s400/Jan_Kubi%25C5%25A1.jpg" width="266" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Jan Kubis (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der 38jährige
Heydrich stand auf dem Gipfel seiner Macht. Im Auftrag von Reichsführer SS
Heinrich Himmler hatte der zuvor unehrenhaft entlassene Marineoffizier den
Sicherheitsdienst (SD) aufgebaut. Bald unterstand ihm nach Übernahme der
Polizeigewalt durch die SS der gesamte Terrorapparat des
Reichsicherheitshauptamts. Am 31. Juli 1941 wurde Heydrich von Hermann Göring
beauftragt, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der
Judenfrage“ zu treffen – zu diesem Zweck lud er am 20. Januar 1942 zur
Wannsee-Konferenz, wo konkretisiert wurde, was mit den deportierten Juden
geschehen würde: Systematische Vernichtung. Seit Ende September 1941 war
Heydrich darüber hinaus stellvertretender Protektor Reichsprotektor in Böhmen
und Mähren. Seine Aufgabe war es, die Bevölkerung der seit 1938 besetzten
„Resttschechei“ für die deutsche Kriegswirtschaft als Arbeitskraftreserve
nutzbar zu machen. Widerstand wurde drakonisch unterdrückt – bis Ende November
1941 verhaftete man 6.000 Menschen und vollstreckte 404 Todesurteile, was
Heydrich den Spitznamen „Henker von Prag“ einbrachte.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
„Reichsprotektor“ fühlte sich absolut sicher – und war deshalb oft im offenen
Auto und ohne Eskorte unterwegs – ungeachtet zahlreicher Warnungen der Gestapo.
Einmal darauf angesprochen meinte er nur: „Warum sollten denn meine Tschechen
auf mich schießen?“ Heydrich verzichtete auch an diesem schicksalhaften Vormittag
auf Begleitung. Aufgrund der Informationen von einem Beschäftigten in Heydrichs
Amtssitz, dem Prager Hradschin, wussten Kubiš und Gabčík Bescheid und legten
sich auf die Lauer – an einem guten Platz für einen Hinterhalt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In der besagten
Kurve muss Heydrichs Fahrer, der SS-Oberscharführer Johannes Klein, der
durchschnittlich 20 km pro Stunde unterwegs ist, noch zusätzlich abbremsen –
und ist zwischen den Attentätern sowie einer herankommenden Straßenbahn
eingeklemmt. Genau in diesem Moment lässt Gabčík den Regenmantel, den er bis
dahin über eine britische Sten-Maschinenpistole gelegt hatte, fallen. Die Sten
Gun ist eine ikonische Waffe, die von Spezialeinheiten und dem
antifaschistischen Widerstand vielerorts verwendet wurde. Aber das einfach
herzustellende Fabrikat gilt auch als unzuverlässig. Aus einer Entfernung von
zwei bis drei Meter legt Gabčík auf den an ihm im Schritttempo vorbeikutschierten
Heydrich an. In seinem Roman beschreibt Binet diesen Moment wie ihn die
Insassen des Mercedes erlebt haben könnten: „Was macht dieser Idiot da? Er
bleibt mitten auf der Straße stehen. Vollführt eine Vierteldrehung, um den
Wagen gegenüberzustehen. Blickt Ihnen direkt in die Augen. Wirft den Regenmantel
weg. Enthüllt eine Maschinenpistole. Richtet sie auf Sie. Zielt. Und drückt
ab.“</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiB7hzeOT0y9G78zlzMeV32G6nv5Phno8wojnrJVFDJPHDY3l5qgBnH_ou1tf4Own4M2C-mjRT1Yy5aL9xs67dHb2X_cqHo-70iNQJ_MrnAkU3uP0v_9kEnGz0wpTL8QV1Mp14fuo0JVGM/s1600/Operace_Anthropoid_-_Jozef_Gab%25C4%258D%25C3%25ADk.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiB7hzeOT0y9G78zlzMeV32G6nv5Phno8wojnrJVFDJPHDY3l5qgBnH_ou1tf4Own4M2C-mjRT1Yy5aL9xs67dHb2X_cqHo-70iNQJ_MrnAkU3uP0v_9kEnGz0wpTL8QV1Mp14fuo0JVGM/s1600/Operace_Anthropoid_-_Jozef_Gab%25C4%258D%25C3%25ADk.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Josef Gabcik (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Heydrich wäre von
den 32 Schuss der Sten wohl durchsiebt worden. Aber nichts passiert, als Gabčík
den Abzug betätigt. Bis heute ist unbekannt, warum die Sten Gun beim Attentat
auf Heydrich versagte. War es ein technischer Defekt? Wie dem auch sei – es kommt
noch ein anderer Faktor ins Spiel. Mit Klein saß ein Chauffeur ohne
Fahrsicherheitstraining am Lenkrad. Ein entsprechend geschulter Mann hätte auf
das Gaspedal getreten, um den Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Klein
sagte im Verhör aus, Heydrich hätte ihm den Befehl gegeben anzuhalten – was
mangels anderer Zeugen auch eine Schutzbehauptung sein könnte. Jedenfalls
stoppt der Wagen und Heydrich greift in die Seitentasche der Autotür, wo eine
Pistole steckt. Der „Reichsprotektor“ will sich den Angreifer persönlich
greifen. Aber Heydrich übersieht dabei den zweiten Attentäter, der sich in
Reserve gehalten hatte. Kubiš hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine
panzerbrechende Granate entsichert und wirft diese nun in Richtung des
stehenden Wagens. Die Bombe detoniert mit großer Wirkung unter dem rechten
Hinterrad. Splitter aus der Karosserie durchschlagen die Rückenlehne, reißen
Teile der Polsterung mit und fügen dem aufrecht stehenden Heydrich innere
Verletzungen zu. Trotzdem legt er noch auf die fliehenden Attentäter an. Aber
auch dieses Mal löst sich kein Schuss – die Pistole war nicht geladen gewesen.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhSwH09iV0FDgKUGDSbSKt5YdH7HytkfI7_JZgeue-CZF2qCzh2XDBgItXCLzXUGcOcBR7Hy-B9LuRRooU5ZkEjyyrx5e7BnKqUMHFOZRuDCBSr4Bt3rNurTuZCJG90zPi968TbQPL_fbc/s1600/INF3-24_Assassination_of_Heydrich_Artist_Terence_Cuneo_1939-1946.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="317" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhSwH09iV0FDgKUGDSbSKt5YdH7HytkfI7_JZgeue-CZF2qCzh2XDBgItXCLzXUGcOcBR7Hy-B9LuRRooU5ZkEjyyrx5e7BnKqUMHFOZRuDCBSr4Bt3rNurTuZCJG90zPi968TbQPL_fbc/s400/INF3-24_Assassination_of_Heydrich_Artist_Terence_Cuneo_1939-1946.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Fantasievolle Darstellung des Attentats durch einen Künstler 1942 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Kubiš und Gabčík
entkommen vom Schauplatz. Klein, der sie verfolgt, wird niedergeschossen. Das
Opfer dagegen bleibt zurück und gelangt erst auf umständliche Art und Weise ins
eigentlich nahgelegene Krankenhaus. Dort wird er bald unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen
von SS-Ärzten behandelt. Man entfernt die zerfetzte Milz, weil sich darin ein
Splitter und ein Stück Filz aus der Polsterung befindet. Die daraus
resultierende Blutvergiftung dürfte schließlich am 4. Juni 1942 zum Tod von
Heydrich geführt haben. Noch am selben Abend um 18 Uhr sendet das tschechoslowakische
Exil eine deutschsprachige Rundfunksendung aus: „Heydrich trug mehr als
irgendein anderer die persönliche Verantwortung für die Schreckensherrschaft im
unterdrückten Europa. Nun hat ihn die gerechte Strafe für seine bestialischen
Grausamkeiten ereilt.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
Preis für den Tyrannenmord<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Anschlag in
Prag kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Als Kubiš und Gabčík ihr Unternehmen
starteten, waren die USA gerade erst in den Krieg eingetreten. Die Wehrmacht
stand vor Moskau und Großbritannien kämpfte mit dem Rücken zur Wand. Und nun
war wenige Monate später eine Schlüsselfigur des NS-Regimes auf offener Straße
liquidiert worden. Adolf Hitler fand Heydrichs Leichtsinn „dumm und idiotisch“.
Aber der Tod des SS-Führers wurde nach allen Maßstäben propagandistisch
ausgeschlachtet: Heydrichs Leiche wurde zuerst in Prag aufgebahrt und dann nach
Berlin überführt, wo ein Staatsakt stattfand – die größte Totenfeier während
des 3. Reichs. Die Tat selbst wollte Hitler mit größtmöglicher Härte vergolten
wissen. Das Dorf Lidice, das man fälschlicherweise einer Komplizenschaft mit
den Attentätern beschuldigte, wurde am 9./10. Juni 1942 niedergebrannt. Alle
172 Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden erschossen. Die meisten der
105 Kinder aus Lidice starben in Vergasungsautos im Vernichtungslager Chelmno.
Nur 17 überlebten den Krieg. Von den 184 Frauen des Dorfes kehrten 41 aus dem
Konzentrationslager Ravensbrück nicht zurück. Weniger bekannt ist die Tragödie
des kleinen Dorfes Lezáky: Hier wurden am 24. Juni 1942 alle 33 Einwohner –
Männer wie Frauen – ermordet. In der Zeit vom 28. Mai bis zum 1. September 1942
verurteilten außerdem die Standgerichte Prag und Brünn 1.357 Tschechen zum
Tode.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Opfer dieser
von den Tschechen nach dem Terror Ende 1941 als „zweiten Heydrichiade“
bezeichneten Schreckenszeit hatten die Planer von Operation Antropoid in Kauf
genommen. Seit 1940 befand sich die tschechoslowakische Exilregierung in London
und koordinierte von dort aus den Widerstand im besetzten Böhmen und Mähren (in
der Slowakei war zwischen 1939 und 1945 ein diktatorisches Regime an der Macht,
das mit Nazi-Deutschland kollaborierte). Anfang Oktober 1941 bestellte Präsident
Edvard Beneš seinen Verteidigungsminister nach Aston Abotts bei London und
erteilte ihm Weisung, den Geheimdienst-Chef, Oberst František Moravec,
folgenden Auftrag zu erteilen. Es sei an der Zeit, die Deutschen „bezahlen zu
lassen“ – durch den Tod eines führenden Funktionärs. Noch stand freilich nicht
fest, wer die Zielperson sein sollte. Folgende Namen wurden genannt: Heydrich
und sein engster Vertrauter, der Staatsminister Karl Hermann Frank. In die Tat
umsetzen sollten das Kubiš und Gabčík, die sich bereits bewährt hatten. In
einer Special Training School im schottischen Nordwesten wurden sie von
Experten des <i>Special Operations Executive</i>
(SOE) im Fallschirmspringen, Schießen und Überleben gedrillt. Wie ein
tschechischer Historiker 2012 nach Recherchen in britischen Archiven
herausgefunden hat, war die Rolle des SOE größer, als bis dahin bekannt: „Das
waren absolute Spitzenleute, die unsere Soldaten in irregulärer Kriegsführung
geschult haben. Zum Beispiel Anthony Sykes und William Fairbairn. […] Noch vor
dem Zweiten Weltkrieg haben sie eine Reihe von Fachpublikationen verfasst. Zu
den Ausbildern der Tschechen gehörten auch Sprengstoffexperten. Einer von
ihnen, Cecil Clarc, hat die Bombe hergestellt, die beim Anschlag auf Heydrich
verwendet wurde.“ Die Briten hätten Heydrich „wegen seiner hohen Position in
der reichsdeutschen Hierarchie für ein legitimes Ziel gehalten“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Jedenfalls legte Moravec
Kubiš und Gabčík Anfang Dezember 1941 ein Foto Heydrichs vor: „Sehen Sie sich
dieses Bild sehr genau an. Dieser Mann soll getötet werden!“ Mit dem Attentat
verfolgte Beneš mehrere Ziele: Zunächst wollte er das angeschlagene Prestige
der Exilregierung bei den Alliierten aufwerten. Weiters ging es darum, die von
der Sowjetunion unterstützten Kommunisten ins Hintertreffen zu führen. Und
schließlich wollte man den Widerstandsgeist neu entfachen – denn Heydrich hatte
diesen mit aller Härte unterdrückt, gleichzeitig aber versucht, die
Arbeiterschaft ruhigzustellen, indem etwa die Lebensmittelrationen erhöht
wurden. Der Anschlag auf den „Reichsprotektor“ würde diese Doppelstrategie
durchkreuzen, indem man die deutschen Besatzer so zu Vergeltungsmaßnahmen
provozierte. Laut Oberst Moravec habe Beneš das Kalkül hinter Operation
Anthropoid so argumentiert: „Zum einen werde es ein machtvolles Zeichen des
Widerstands sein, welches das Stigma der Passivität verwischen und der Tschechoslowakei
international von Nutzen sein würde; zum anderen werde es zur Erneuerung der
Widerstandsbewegung dadurch beitragen, dass daraus ein Funke entspränge, der
die Volksmassen in Bewegung setzen sollte … Der Preis für Heydrichs Leben wird
hoch sein, sagte ich zu Beneš, als ich eine Bewertung der Angelegenheit traf;
er hörte aufmerksam zu und meinte dann, dass er als oberster Befehlshaber der
Armee zu diesem festen Entschluss gekommen wäre, denn die Aktion, auch wenn sie
sicherlich Menschenleben kosten werde, sei für das Wohl des Vaterlandes
unerlässlich.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In der Nacht zum
29. Dezember 1941 startete ein viermotoriger Halifax-Bomber vom südenglischen
Flugplatz Tangmore und nahm Kurs auf Pilsen. Dort in der Nähe sollten Kubiš und
Gabčík plangemäß mit dem Fallschirm abspringen. Aufgrund von
Navigationsproblemen wurde dieses Ziel aber weit verfehlt. Die beiden Feldwebel
setzten in der Nähe von Prag auf. Mit örtlicher Hilfe verbargen sie sich in
einem Steinbruch und schlugen sich dann zu der Widerstandsorganisation „Jindra“
durch, die der Gestapo bis dahin entgangen war. Der Anführer Ladislav Vaněk war
Chemielehrer eines mährischen Gymnasiums gewesen. Er erschrak, als er vom Ziel
der Operation Anthropoid erfuhr: „Das wird den Terror der SS zu einem
Blutrausch steigern.“</span> <span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Vaněk
versuchte daher, dass Attentat zu verhindern. Ende April 1942 trafen sich Vertreter
der noch agierenden Gruppen trotz größtem Risiko in Prag. Man kam überein, Kubiš
und Gabčík das Vorhaben auszureden. Als diese in der Diskussion auf ihren
Befehlen beharrten, rief ein Anwesender: „Sie sind hier an der Front, und hier
haben Sie die Befehle auszuführen, die Sie von Offizieren der Heimatfront
erhalten!“ Letztendlich wurde entschieden, mit Beneš in London per Funk Kontakt
aufzunehmen: „Dieses Attentat würde den Alliierten nicht nützen, für unser Volk
aber hätte es unübersehbare Folgen. Es würde nicht nur unsere Geiseln und
politischen Gefangenen bedrohen, sondern Tausende weiterer Leben fordern ...
Wenn ein Attentat aus politischen Gründen nötig ist, soll es auf jemand anderen
verübt werden.“ Aber es kam keine Antwort.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das
Ende in der St. Cyrill und Method-Kirche<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Während sich der
Terror der „Heydrichiade“ entfaltete, können die Attentäter mit Hilfe zweier
Familien untertauchen. Zuletzt finden sie in der St. Cyrill und Method-Kirche
in der Prager Neustadt Unterschlupf. Als Kubiš und Gabčík vom Massaker in
Lidice erfahren, sind sie tief erschüttert – „sie haben das Gefühl, die
Einwohner von Lidice mit eigenen Händen getötet zu haben. Und solange Hitler
nicht von ihrem Tod unterrichtet wurde, werden die Vergeltungsmaßnahmen kein
Ende finden“, schreibt Binet in „HHhH“. Nur mit großer Mühe wird ihnen
ausgeredet, dass sie sich stellen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Umzug in ein neues,
sicheres Quartier steht bevor. Da werden die Widerstandskämpfer verraten. Von
einem der ihren: Karel Čurda war mit einer weiteren Truppe zur Verstärkung wenige
Wochen zuvor mit dem Fallschirm abgesprungen. Gegen alle Absprachen setzte er
sich aus Prag ab und fuhr zu seiner Mutter. Am 16. Juni 1942 verlor er
angesichts des zunehmenden Terrors die Nerven und stellte sich der Gestapo (für
seine Aussage sollte Čurda 1947 hingerichtet werden). Beim Verhör gab er die
Adressen einiger „safe houses“ bekannt, wo man den Attentätern geholfen hatte.
Darunter war das Haus der Familie Moravec in Prag-Žižkov. Als es hier zur
Razzia kam, nahm Marie Moravec eine Zyankalikapsel – aber der minderjähriger
Sohn, den man folterte und den in Formalaldehyd konservierten Kopf seiner
Mutter vorführte, nannte schließlich die St. Cyrill und Method-Kirche.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDsgl8KRDVep-kP6VGakb9xSYPevCX2QO3D55582WUAQBkchDojB133dkFgSrXgGWGqunYghkgEauOB2nmSt-j1AF_A994CRtNRBouiFLNmC_3IKz_IcQXrToT0YGlxZHJJEEHrjJvVh8/s1600/IMG_1695.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDsgl8KRDVep-kP6VGakb9xSYPevCX2QO3D55582WUAQBkchDojB133dkFgSrXgGWGqunYghkgEauOB2nmSt-j1AF_A994CRtNRBouiFLNmC_3IKz_IcQXrToT0YGlxZHJJEEHrjJvVh8/s320/IMG_1695.JPG" width="213" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Kirche heute (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Diese wurde am 18.
Juni 1942 von einem Großaufgebot der SS abgeriegelt. Den darauffolgenden
Sturmangriff wehren insgesamt sieben Widerstandskämpfer stundenlang hartnäckig ab.
Abgesehen von Kubiš und Gabčík handelt es sich dabei um die zu ihnen gestoßenen
Soldaten Adolf Opálka, Josef Valčík, Jaroslav Švarc, Josef Bublik und Jan Hrubý.
Nachdem der Kampf im Kirchenschiff mit dem Tod dreier Kämpfer (Kubiš, Opálka,
Bublik) entschieden war, wird der Rest in der gerade einmal 15 m langen Krypta
belagert. Alle Versuche der SS dorthin vorzudringen scheitern. Schließlich
werden Prager Feuerwehrleute herangezogen: Ein Schlauch wird in den schmalen
Lichtschacht gesteckt die Krypta so langsam unter Wasser gesetzt. Auch jetzt verweigern
die verbliebenen vier Kämpfern die Kapitulation. Gegen 12 Uhr ertönen vier
gedämpfte Schüsse, woraufhin sich die SS-Leute über eine Treppe nach unten
wagen. Was sie vorfinden beschreibt Binet in seinem Roman so: „Auf dem Wasser
treiben die vier Leichname: Gabčík, Valčík, Švarc und Hrubý, die sich selbst
getötet haben, um ihren Feinden nicht in die Hände zu fallen. […] Überall
Patronenhülsen, aber keine einzige Patrone. Die jeweils letzte haben sie für
sich selbst aufgehoben. Es ist Mittag. Das Aufgebot von siebenhundert Männern
der Waffen-SS und Gestapo brauchte fast acht Stunden, um mit den sieben Männern
fertig zu werden.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das kommunistische
Regime hatte kein Verständnis dafür, das Andenken an die Heydrich-Attentäter
wachzuhalten. Schon Beneš, der sich nur bis 1948 als Staatspräsident halten
konnte, hatte sich distanziert, indem er behauptete, von den Planungen nichts
gewusst zu haben. Erst nach der Wende wurde am 28. September 1995 eine
Gedenkstäte in der Krypta eröffnet, die jährlich von rund 25.000 Menschen
besucht wird. 67 Jahre nach der Tat wurde den Widerstandskämpfern auch ein Denkmal
am Schauplatz des Attentats errichtet – dieser hat sich in der Zwischenzeit
völlig verändert. Aktuell sind Bestrebungen im Gange, die Überreste von Kubiš,
Gabčík und ihrer fünf Kameraden zu finden. Diese werden so wie viele Opfer der „Heydrichiade“
in einem Massengrab auf dem Friedhof von Dablice vermutet. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Filmisch wurde
schon früher an Operation Anthropoid erinnert: Basierend auf einer Geschichte
von Bertolt Brecht drehte der gebürtige Wiener Fritz Lang schon 1943 <i>Hangman also die</i>. Das Drehbuch nahm lose
auf den tatsächlichen Vorkommnissen Bezug. Anders war es 1964 bei dem
tschechischen Schwarzweiß-Film <i>Atentát </i>von
Jiří Sequens. 1975 war es dann sogar möglich, die US-amerikanische Produktion <i>Operation Daybreak</i> in Prag an den
Originalschauplätzen zu drehen. Nun kommt die Geschichte erneut auf die
Kinoleinwand – <i>Anthropoid</i>, der
bereits Anfang Juli Premiere hatte, musste freilich Kritik einstecken: Zu
forcierte slawische Akzente der englischsprechenden Schauspieler, hölzernes
Ausstattungskino, flache Charakterzeichnung. Aber es wird eine konkrete Vorstellung
von der Tragödie vermittelt, die sich 1942 ereignet hat – und somit war es
nicht umsonst. <o:p></o:p></span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-39809898831518216062016-07-20T00:08:00.000-07:002016-07-21T00:56:41.876-07:00„Litzi“, Kim und „Abo“: Drei Agentenschicksale in Wien<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">1933/34 überschnitten sich die Biografien von Alice „Litzi“ Kohlmann, Kim Philby und Peter
Smolka in Wien. Was bedeutete das für den Kalten Krieg und den Filmklassiker
„Der Dritte Mann“?</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Es sind nur einige
wenige Seiten. Wer im Archiv der Republik nach Spuren von Alice „Litzi“ Kohlmann
sucht, wird nicht wirklich belohnt. Dabei handelt es sich um eine der spannendsten
Figuren der österreichischen Zeitgeschichte sowie des Kalten Krieges. Die
assimilierte Jüdin mit ungarischen Wurzeln hatte 1934 den „Spion des
Jahrhunderts“, Kim Philby, geheiratet. Seither ranken sich viele Legenden um „Litzi“:
Hat sie Philby für den KGB rekrutiert? War sie danach in der DDR für die Stasi
tätig? Solche Fragen beantwortet die Recherche in offiziellen Dokumenten nicht.
Aber sie geben Einblick in Litzis späte Rückkehr in ihre Geburtsstadt Wien:
1979, mittlerweile 69 Jahre alt, wandte sie sich an die österreichische
Botschaft in Ost-Berlin. Sie bat um Erteilung eines Visums, um eine Tante in
Wien-Döbling besuchen zu können. Das wiederholte sich in den folgenden Jahren –
die Botschaft erteilte die Sichtvermerke bald ohne vorherige Rücksprache mit
Wiener Stellen, setzte aber das Bundesministerium für Inneres jedes Mal
nachträglich „in Kenntnis“. Als 74-Jährige reiste Litzi am 4. Juli 1984 nach Wien,
meldete sich bei Verwandten in der Dommayergasse 8 an und bat um Erteilung
eines unbefristeten Visums: „Die Antragstellerin möchte ihren Lebensabend bei
Freunden in Österreich (Wien) verbringen. Diese geben Unterkunft und haften
auch zur ungeteilten Hand“, heißt es im Bericht des Fremdenpolizeilichen Büros.
Von der Staatspolizei wurde bescheinigt, dass „Honigmann Alice, geb. Kohlmann,
gesch. Friedmann, gesch. Philby, 02.05. 1910 geb., nicht nachteilig beleumundet
wird“. Und: „In staats- und fremdenpolizeilicher Hinsicht konnte über sie
bisher nichts Nachteiliges in Erfahrung gebracht werden.“</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjSeNJY9TZeVFjmGoszgwtBFpG1DihQOyuI0BqQYnP1EzjvAb-jMmyyceG9TWUMo3qPpBYf097l3W9COGxvzOlbDVK_NTZCj8Hk2DYl8BOY-YOOv200-Ie1lwZ5i5uk_UYxpE7ljJULjy8/s1600/Kim_Philby.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjSeNJY9TZeVFjmGoszgwtBFpG1DihQOyuI0BqQYnP1EzjvAb-jMmyyceG9TWUMo3qPpBYf097l3W9COGxvzOlbDVK_NTZCj8Hk2DYl8BOY-YOOv200-Ie1lwZ5i5uk_UYxpE7ljJULjy8/s320/Kim_Philby.jpg" width="268" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Porträt von Kim Philby auf sowjetischer Briefmarke, 1990 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Tatsächlich
hatte Litzi mit ihrem Leben in der DDR abgeschlossen – das kann man in der
Biografie „Ein Kapitel aus meinem Leben“ (2004) nachlesen. </span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Verfasserin ist die Schriftstellerin
Barbara Honigmann, Litzis Tochter. Demnach waren Dokumente für die Wiederanerkennung
der österreichischen Staatsbürgerschaft seit Jahren aus der DDR geschmuggelt
worden. In Wien hatte Litzi hatte einen Rechtsanwalt beauftragt, ihre Sache zu
betreiben. In Wien angekommen, schickte sie die Wohnungsschlüssel an ihren
ehemaligen Nachbarn in der Karl-Marx-Allee – mit der Mitteilung, dass niemand mit
ihrer Rückkehr rechnen solle. Ein Schreiben sandte sie auch an die Botschaft
der DDR: „Ich bitte, aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen zu werden, um
die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen zu können.“ Eine entsprechende
Bestätigung blieb aus – trotzdem erhielt Litzi ohne bürokratische Hürden die
gewünschten Dokumente und einen Opferausweis, der „den Inhaber zu einer
weitgehend bevorzugten Behandlung empfiehlt“. Es war, als „hatte sie Wien seit
dem Tage ihrer Geburt nicht verlassen“. Schließlich liebte Litzi die Stadt
„trotz der Österreicher“. Sie wohnte in der Theresianumgasse im 4. Bezirk ein
und half einmal in der Woche einen Vormittag im Dokumentationsarchiv des
Österreichischen Widerstands aus. Litzi Kohlmann starb 1991, drei Jahre nach
Kim Philby.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die
Wege der beiden hatten sich im Herbst 1933 gekreuzt: </span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Harold Adrian Russell Philby, von
allen nur „Kim“ genannt, war der Sohn eines wohlhabenden Diplomaten und
Geschichte-Student in Cambridge. Er kam nach Wien, um seine Deutschkenntnisse vor
Eintritt in den diplomatischen Dienst zu verbessern. Außerdem ging es dem
21jährigen Briten und begeisterten Marxisten darum, einen Beitrag in der sich
abzeichnenden Konfrontation zwischen den Sozialdemokraten und dem
austrofaschistischen Regime von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß zu leisten. Ein
Agent der Komintern, einer von Lenin gegründeten internationalen Organisation,
gab Philby eine Adresse in Wien-Alsergrund, wo stattfanden: Latschkagasse 9. Es
war die Wohnung von Litzi – damals war sie 23 Jahre alt und bereits von ihrem
ersten Ehemann geschieden, den sie mit 18 geheiratet hatte. Vor allem aber war Litzi
eine leidenschaftlich politische Frau, Mitglied der österreichischen
Kommunistischen Partei (KPÖ) und in Kontakt mit der Komintern. Zwischen der
erfahrenen Aktivistin und dem Upperclass-Sprössling funkte es sofort: „Er kam
aus Cambridge, hatte gerade sein Studium dort abgeschlossen, war ein sehr
gutaussehender Mann, benahm sich Gentlemanlike und war dazu Marxist, eine
seltene Erscheinung. Er stotterte, manchmal mehr manchmal weniger, und wie
viele Menschen mit einem Handicap war er sehr charmant. Wir haben uns schnell
ineinander verliebt“, erzählte Litzi ihrer Tochter viele Jahrzehnte später.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrMDXgHFByfNkbL9JlfltdygBfw7IAm4ZsmOTa-5XTyVBiZk7k69TTgQKlCq7daclaioEOG8exaXb8LUepvn0_Gse-7jAK-LCskenyUbMfZnO3fw-LgemJ0ZTpHQGyJT5f8sbOOPmU7eQ/s1600/CIMG5667.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrMDXgHFByfNkbL9JlfltdygBfw7IAm4ZsmOTa-5XTyVBiZk7k69TTgQKlCq7daclaioEOG8exaXb8LUepvn0_Gse-7jAK-LCskenyUbMfZnO3fw-LgemJ0ZTpHQGyJT5f8sbOOPmU7eQ/s400/CIMG5667.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Latschkagasse Nr. 9 (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In den folgenden
Monaten wurden Kim und Litzi in den sich verschärfenden innenpolitischen
Konflikt hineingezogen. Am 12. Februar 1934 brachen die Kampfhandlungen zwischen
Mitgliedern des republikanischen Schutzbundes und der von der Heimwehr
unterstützten Regierungstruppen aus. Die Kämpfe dauerten drei Tage und
forderten mehr als 1.600 Tote und Verletzte. Philby und Litzi halfen mit,
flüchtende Schutzbündler durch das Wiener Kanalnetz zu schleusen. Sie leisteten
Erste Hilfe, verteilten Lebensmittel und besorgten Anzüge, um damit
untergetauchte Schutzbündler zu tarnen. Als die Repression zunahm – 10.000
Menschen wurden verhaftet, sozialdemokratische Anführer standrechtlich
erschossen – ging es darum, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Am 24.
Februar 1934 heirateten Philby und Litzi im Wiener Rathaus. Sein britischer
Reisepass ermöglichte der Braut Schutz und einen Ausweg.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">In
London kam es 1935 zur Anwerbung Philbys für den sowjetischen Geheimdienst KGB
(damals noch NKWD).</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">
Litzi spielte dabei keine aktive Rolle. Ihrer Tochter erzählte sie: „Es stimmt
nicht, dass ich es war, die Kim zum sowjetischen Geheimdienst angeworben hat,
und dass es überhaupt in Wien geschah, auch wenn das, was er in Wien erlebte,
vielleicht für ihn eine politische Initiation dargestellt hat und sehr wichtig
für alle seine weiteren Lebensentscheidungen gewesen sein mag.“ Eine andere
jüdische Emigrantin aus Österreich, die Fotografin Edith Tudor-Hart, brachte
Philby mit Arnold Deutsch zusammen, der für einen sowjetischen Agentenring
rekrutierte – später berühmt als „Cambridge Five“. Deutsch war in Wien aufgewachsen
und hatte dort Chemie/Physik studiert. Seit Anfang der 1930er-Jahre im Dienst
der Sowjets war er an der philosophischen Fakultät der University of London
tätig und hatte es auf kommunistische Sympathisanten unter den Studenten
abgesehen. Deutsch kam 1942 bei einem Schiffsuntergang im Nordatlantik ums
Leben. Tudor-Hart wiederum verstarb 1973. Sie hatte ein Verhältnis mit dem 1938
emigrierten Wissenschaftler Engelbert Broda (1910-1983), dem Bruder des
späteren österreichischen Justizministers Christian Broda. Laut KGB-Unterlagen
war Engelbert Broda unter dem Decknamen „Eric“ eine wichtige Quelle zu westlicher
Atombombenforschung.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die jungen Männer,
die er angeworben hatte, waren Angehörige des Establishments – mit Aussicht auf
glänzende Karrieren, was sie zur Infiltration des Regierungsapparats
prädestinierte. Im Falle von Philby hatte dies einen Preis: Die Ehe mit einer
ausländischen Kommunistin wäre eine Hypothek gewesen. Er trennte sich daher bald
von Litzi, wenngleich die Ehe erst 1946 formell geschieden wurde. Im Jahr
darauf verließ Litzi Großbritannien und zog nach Ost-Berlin, wo sie Georg
Honigmann heiratete, den späteren Herausgeber der <i>Berliner Zeitung</i>. Diese Ehe, aus der Barbara Honigmann<span style="color: red;"> </span>stammt, wurde 1966 geschieden. In der DDR arbeitete Litzi
im Filmgeschäft und synchronisierte Deutsch/Englisch. Ob sie Spionin blieb,
konnte selbst die Tochter nicht herausfinden: „Über ihre eigene Rolle und
Funktion im sowjetischen Geheimdienst sagte sie weniger. Eigentlich sagte sie
darüber gar nichts. wie lange sie noch für den KGB, […], gearbeitet hat, wie
diese Arbeit eigentlich aussah, darüber hat sie sich auch während unseres
Gesprächs in meinem Atelier nur sehr vage ausgelassen, und erst viel später ist
mir klar geworden, dass sie, als sie mir so groß angekündigte ‚Details‘ erzählen
zu wollen, im Grund wenig preisgegeben hat.“ Von der Mutter gebe es keine
Stasi-Akte – der ostdeutsche Dienst sei für Litzi nämlich nicht zuständig
gewesen, weil sie direkt vom KGB „geführt wurde“. Eigentlich habe sie ein
Risiko dargestellt, weil sie ihren Ex-Ehemann durch Indiskretionen jederzeit hätte
auffliegen lassen können. Doch Litzi hielt diesen „Lebenspakt“ bis zu ihrem
Ende durch. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die "Cambridge Five" waren die fähigste britische Agententruppe, "die je ein ausländischer Geheimdienst rekrutiert
hatte“. </span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">So lautet
das Urteil des Historikers Christopher Andrew. Es handelte sich um Spione, die nicht
aus Geldgier handelten – sondern aus Idealismus und politischer Überzeugung. Von
den Zuständen in der stalinistischen Sowjetunion hatten sie kaum Ahnung. Indem
Philby und seine Kollegen Guy Burgess, Donald Maclean, Anthony Blunt und John
Cairncross Schlüsselpositionen im Schatzamt, dem Außenministerium und im
Geheimdienst besetzten, konnten die „Cambridge Five“ dem KGB einen wahren
„Schatz“ an Informationen zukommen lassen – schätzungsweise 20.000 Seiten
Geheimdokumente und Berichte zwischen 1935 und 1951. Philby, der zum
Verbindungsoffizier des Secret Intelligence Service (SIS, besser bekannt unter
der Bezeichnung MI6) in Washington aufrückte, verriet zahlreiche
Geheimoperationen. So wurden 1950 und 1952 albanische Exilanten auf regelrechte
Himmelfahrtsmissionen geschickt, die Dutzende das Leben kosteten. Allerdings misstraute
die sowjetische Führung lange Zeit den „Cambridge Five“ und vermutete ein
britisches Täuschungsmanöver. 1951 wurden die ersten beiden Agenten – Burgess
und Maclean – enttarnt. Dem als „dritten Mann“ verdächtigten Philby gelang es
noch einmal, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Man versetzte ihn als
Journalisten getarnt nach Beirut. Erst 1962 flog seine Tarnung endgültig auf.
Philby konnte sich in die Sowjetunion absetzen – auch weil das SIS kein Interesse
an weiteren bloßstellenden Untersuchungen hatte. Die Jahrzehnte, die Philby
danach in Moskau verbrachte, waren von Alkoholismus und Isolation überschattet.
Es dauerte vierzehn Jahre, bis er zum ersten Mal ins Hauptquartier des KGB
eingeladen wurde. In der Sowjetunion öffentlich geehrt wurde Philby erst nach
seinem Tod am 11. Mai 1988.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">In
den 25 Jahren, die er großteils in einer Vier-Zimmer-Wohnung in der Moskauer
Innenstadt verbrachte, unternahm Philby nie den Versuch, mit Litzi Kontakt
aufzunehmen:</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> „Angeblich
soll er mit den Gedanken eines Anrufs gespielt haben, als er sich im Jahre 1984
in Ost-Berlin aufhielt. So berichtet es jedenfalls der russische Journalist in
seinem Gesprächsbuch. Auf seine Frage, warum sich Philby nicht mehr bei Litzi
gemeldet habe, soll er geantwortet haben, er habe sich gescheut, er habe nicht
gewusst, dass sie geschieden war. Was er auch nicht wusste, war, das Litzi im
Jahr seines Besuchs in Ost-Berlin gerade nach Wien zurückgekehrt war, an den
Ort, an dem ihrer beider Geschichte begonnen hatte. Philby lebte schon seit zwei
Jahrzehnten in Moskau, als Litzi in den Westen ging. Das hätte er als eine Art
Desertion empfunden“, schreibt Barbara Honigmann. Sie vermutet, ihre Mutter
hätte sich ein Wiedersehen mit Philby gewünscht, „bei dem sie sich hätten erklären
und aussprechen können. Diesen Wunsch und die Enttäuschung über ein so
sprachloses Ende entnahm ich der Art, wie sie manchmal in Anfällen von
Ausführlichkeit von ihm und dem, was sie verbunden hatte, erzählte, und eben
auch der Art wie sie seinen Namen aussprach.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Decknamen
„Abo“. Es gibt noch einen dritten Akteur, der mit der Geschichte von Litzi und
Philby verwoben ist – Peter Smolka, 1912 in Wien geboren, war ebenfalls Agent
für die Weltrevolution. </span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Zwei
Wochen vor Ausbruch der Februarkämpfe lernte er Philby über Litzi kennen.
Später trafen sie einander im britischen Exil wieder. Mit Philby gründete Peter
Smollent, wie er sich nun nannte, die kurzlebige Presseagentur <i>London Continental News</i>, die Nachrichten
aus Zentraleuropa an Journalisten vertrieb. Spätestens seit 1939 spionierte
Smolka unter dem Decknamen „Abo“. Manche vermuten in ihm sogar einen
Angehörigen der „Cambridge Five“. Wegen guter Beziehungen zu Churchills
Informationsminister Brendan Bracken rückte Smolka zum Leiter der dortigen <i>Soviet Relations Division</i> auf. Seine Aufgabe
war es, Vorbehalte der Bevölkerung abzubauen und dieser das Bündnis gegen das Dritte
Reich schmackhaft zu machen. Im September 1945 übersiedelte Smolka wieder in
seine Heimatstadt Wien. Er bekam von den Sowjets das Unternehmen seines Vaters
zurück und machte mit der Firma „Tyrolia Skibindungen“ ein Vermögen. Smolka war
auch weiterhin als Journalist tätig – darunter für die <i>London Times</i>, den <i>Daily
Express</i> und das <i>Neue Österreich</i>. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Der
dritte Mann“.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Als
der britische Schriftsteller und zwischenzeitliche MI6-Angehörige Graham Greene
sich im Februar 1948 in Wien aufhielt, um das Drehbuch für den Filmklassiker „Der
dritte Mann“ zu recherchieren, kannte er Artikel von Smolka-Smollent. Und es
gab noch eine weitere Verbindung: Greene war mit Kim Philby befreundet gewesen
und bewunderte auch später noch die Überzeugung des Abtrünnigen. Für den Stoff
seines Romans holte sich Greene nun Tipps von Smolka. Der erzählte ihm die
alten Geschichten: Über Philby, über die Menschenjagd durch die Kanalisation
und über die Elends-Geschäfte der Schleichhändler im Nachkriegs-Wien. Smolka
hatte dies in ein Manuskript gepackt, für das man ihm 210 Pfund bezahlte. Im
Oktober 1948 begannen die Dreharbeiten für den „Dritten Mann“. Die Hauptfigur
des charismatisch-zynischen Schiebers Harry Lime war dann an beide angelehnt –
an Philby und Smolka. Letzterer wurde im „Dritten Mann“ verewigt: Ein
britischer Offizier, der Lime auf der Spur ist, gibt seinem Fahrer das Kommando:
„<i>Take us to Smolka’s!“</i> – im Film ein
Kellerlokal in der Kärntnerstraße.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Seine Geheimnisse
bewahrte Smolka bis zu seinem Tod 1980. </b>Er war eine honorige Persönlichkeit und
unter anderem mit Bruno Kreisky seit Kindestagen befreundet – die Unterstützung
des Kanzlers war zentral gewesen, um ein letztes großes Projekt zu
verwirklichen: Im Sommer 1974 wurde das englischsprachige Vierteljahres-Magazin
<i>Austria Today</i> gegründet, das 1980 zusätzlich
auf Französisch erschien. Über österreichische Vertretungen in 139 Ländern
aufgelegt, vermittelte <i>Austria Today</i>
ein „realistisches Bild des modernen Österreich“: „Es wird in erster Linie von
Opinion Leaders im Ausland, aber auch von Ausländern in Österreich gelesen. Es
stellt ein positives Image von Österreich vor und zeigt unsere Leistungen in
Wissenschaft, Forschung, Medizin, Kultur, Politik, Handel, Wirtschaft und
Industrie“, hieß es in einem Brief des Bundeskanzlers, der in der Stiftung
Bruno Kreisky Archiv aufbewahrt wird. Das Bundeskanzleramt bezahlte 1978 an Smolka
7.700 Abos, „tut also ein Maximum zur Verteilung der interessanten
Publikation“. Allerdings waren die Abos im Vergleich zu Privatbeziehern
insgesamt um eine halbe Million Schilling teurer offeriert worden. Nach Smolkas
Tod schlingerte <i>Austria Today</i> trotz
Subventionen in eine Krise und wurde schließlich eingestellt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Literatur:</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Barbara Honigmann:
Ein Kapitel aus meinem Leben, München, 2004.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;">Ben Macintyre: A Spy among Friends. Philby and the great Betrayal,
London, 2014.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Peter Stephan Jungk:
Die Dunkelkammern der Edith Tudor-Hart. Geschichten eines Lebens, Frankfurt,
2015.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Brigitte Timmermann,
Frederick Baker: Der dritte Mann. Auf den Spuren eines Filmklassikers. </span><span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;">Czernin,
Wien, 2002.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;">Peter Forges, My Spy: The Story of H. P. Smolka, Soviet spy and
inspiraton for „The Third Man“, Lapham’s Quaterly, 14.1.2016.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;">Christopher Andrew, MI 5. Die wahre Geschichte des britischen
Geheimdienstes, Berlin 2011.</span><br />
<span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;"><br /></span>
<span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , serif; mso-ansi-language: EN-GB;"><b>Hinweis:</b> Gekürzte Version erschienen in Öffentliche Sicherheit, Nr 7-8/2016, 30 ff.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-58037359730293434192016-06-22T02:04:00.000-07:002016-06-22T07:33:10.932-07:00Exkurs: Ein schwarzer Tag für die Nordarmee – 150 Jahre Schlacht von Königgrätz<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Es
war eine der größten Schlachten der modernen Geschichte: Nahe der
nordböhmischen Stadt Hradec Králové (Königgrätz) trafen am 3. Juli 1866 221.000
Preußen mit 702 Geschützen auf 215.000 Österreicher sowie 21.000 Sachsen mit
650 Geschützen. Von der Zahl der beteiligten Kräfte blieb das im gesamten 19.
Jahrhundert unübertroffen. Praktisch beendet wurde der insgesamt siebenwöchige
„Deutsche Krieg“ – zwischen Österreich, seinen süd- und mitteldeutschen
Verbündeten auf der einen Seite sowie Preußen und Italien auf der anderen Seite.
Heute, 150 Jahre später, gibt es viele Gründe, sich mit diesem epochalen Ereignis
auseinanderzusetzen und es in Erinnerung zu rufen.</span></b><br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKBhQYg3mEFmN2rKVgv3zhgfHInE9Tn1NTQJEMKqYtgnvOyq3NAeweymC1LSEkC3UhrZEwMIe2hDo3r3pmVX6ddAUXz4TZ9O6r8cicdxcUzV_mc267xZ_StQKvmW8Wdr106G4VLi7BOQQ/s1600/Schlacht_bei_Koeniggraetz..jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="246" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKBhQYg3mEFmN2rKVgv3zhgfHInE9Tn1NTQJEMKqYtgnvOyq3NAeweymC1LSEkC3UhrZEwMIe2hDo3r3pmVX6ddAUXz4TZ9O6r8cicdxcUzV_mc267xZ_StQKvmW8Wdr106G4VLi7BOQQ/s400/Schlacht_bei_Koeniggraetz..jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schlacht von Königgrätz, Gemälde von Christian Sell (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Mit der Niederlage von
Königgrätz verlor das Habsburgerreich seine hegemoniale Stellung in
Zentraleuropa. Geschwächt musste es nicht nur innerlich den „Ausgleich“ mit
Ungarn suchen (1867), sondern seine außenpolitischen Ambitionen auf den
Balkanraum verlegen – mit weitreichenden Folgen bis zum Ausbruch des 1.
Weltkriegs (1914). Der 1815 gegründete „Deutsche Bund“ der „souveränen Fürsten
und freien Städte Deutschlands“ wurde aufgelöst. Preußen stieg zur Führungsmacht
auf und sollte noch während des Deutsch-Französischen-Kriegs (1870/71) die
Gründung des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918) vorantreiben. Österreich blieb
von dieser Entwicklung ausgeschlossen – was von den deutschsprachigen Teilen
der Monarchie als Trauma empfunden wurde. So rief der Dichter Franz Grillparzer
den „Siegern von 1866“ anklagend zu: „Ihr glaubt, ihr habt ein Reich geboren,
und habt doch nur ein Volk zerstört!“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgkBQLeToNUCw09ST8KGbIkxSvXwzhXGSu_PBUEa1haMZRs_4EYCcDJPd5z-RywDhH_HErBIiPjGP1iLtFZZvrldCxJR64zXv8uqsiQrRWzWilW6nMOtZrOW8OEfH6Zpvv6GBafvvurxCg/s1600/IMG_3426.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgkBQLeToNUCw09ST8KGbIkxSvXwzhXGSu_PBUEa1haMZRs_4EYCcDJPd5z-RywDhH_HErBIiPjGP1iLtFZZvrldCxJR64zXv8uqsiQrRWzWilW6nMOtZrOW8OEfH6Zpvv6GBafvvurxCg/s400/IMG_3426.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Reenactment der Schlacht von Königgrätz 2014 (alle Fotos: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der folgende
Artikel beschäftigt sich in erster Linie mit dem militärhistorischen Aspekt. Hier
war Königgrätz für die </span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Nordarmee</i><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> der
Kulminationspunkt eines Feldzugs, der von demütigenden und vor allem
verlustreichen Niederlagen gekennzeichnet war. Nachdem Preußen am 19. Juni 1866
den Krieg erklärt hatte, rechneten Beobachter fast einmütig mit einem Sieg der
kriegserfahrenen Kaiserlichen. Doch schon sehr bald wurden sie eines besseren
belehrt – der Deutsche Krieg machte Hannover, Hessen, Baden und Bayern zum
Schauplatz einiger kleinerer Gefechte zwischen preußischen Truppen und der
„Bundesarmee“, die von Truppen der deutschen Verbündeten Österreichs gebildet
wurde. Der von Preußen ohne Kriegserklärung überrumpelten sächsischen Armee
gelang der Anschluss an die </span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Nordarmee </i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">in
Böhmen. Hier befand sich auch einer der beiden geografischen Schwerpunkte des Krieges
– in Norditalien kämpfte die österreichische </span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Südarmee </i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">unter Erzherzog Albrecht gleichzeitig gegen Italien. Trotz
des Erfolgs bei Custozza am 24. Juni 1866 und des Seesiegs von Admiral Wilhelm
von Tegethoff bei Lissa am 20. Juli 1866 musste Österreich schließlich Venetien
abtreten.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiS__ZcJ1q9WN_K_ZDS2mHLjMvgHiR9i4EEhyphenhyphen1Sj7-GfnCCY8oQ1Q_IJGt30-uXDoSNK5jXVO53b6yqcqkYB0PGZa5jzkp7zmklEWIuaijWwD6Z2fkAMR-EeZUx79BKXIP7ViIdKqQ8DyQ/s1600/DSCF0559.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiS__ZcJ1q9WN_K_ZDS2mHLjMvgHiR9i4EEhyphenhyphen1Sj7-GfnCCY8oQ1Q_IJGt30-uXDoSNK5jXVO53b6yqcqkYB0PGZa5jzkp7zmklEWIuaijWwD6Z2fkAMR-EeZUx79BKXIP7ViIdKqQ8DyQ/s400/DSCF0559.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Nachstellung 2010</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Blutiger
Auftakt</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am böhmischen
Kriegsschauplatz dagegen hatten die Ereignisse von Anfang an einen
katastrophalen Verlauf genommen: Als die preußischen Truppen getrennt in drei
Armeen Ende Juni 1866 durch das Riesengebirge einmarschierten, ließ man die Gelegenheit
aus, diese einzeln zu schlagen. Nicht nur das, die abkommandierten österreichischen
Armeekorps wurden in acht blutigen Gefechten besiegt. Fast jedes Mal war es den
mobiler agierenden Preußen gelungen, höhergelegenes Gelände rechtzeitig zu
besetzen und die folgenden Gegenangriffe abzuwehren. Lediglich bei Trautenau konnte
das VI. Korps unter Ludwig Gablenz am 27. Juni 1866 einen preußischen Verband
zum Rückzug zwingen. Schon im ersten Vorpostengefecht von Hühnerwasser (Kuřívody) am 26. Juni
1866 hatte sich eines überdeutlich gezeigt: Die preußische Seite war in Sachen
Feuerkraft überlegen. Während gerade einmal 50 Mann fielen, verlor das I.
österreichische Korps fünf Mal so viele Männer. Hauptgrund hierfür: Mit dem Zündnadelgewehr
verfügten die preußischen Infanteristen über einen modernen Hinterlader mit dem
theoretisch zehn bis zwölf Schüsse pro Minute möglich waren. Damit war die
Feuergeschwindigkeit drei- bis fünfmal schneller als beim österreichischen Lorenzgewehr
– einem Vorderlader, der im Stehen durch den Lauf geladen werden musste. Eine
entsprechende waffentechnische Modernisierung war zuletzt 1865 durch die
parlamentarische Armeeaufwand-Kontrollkommission verschoben worden – mit dem
Hinweis, kein ausgeglichenes Budget zur Verfügung zu haben.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Noch verschlimmert
wurde dieser Nachteil durch die „Stoßtaktik“ der österreichischen Infanterie –
damit sind Frontalangriffe in massierten Kolonnen gemeint, die den Sinn hatten,
das feindliche Feuer so schnell wie möglich zu durchlaufen, um in den Nahkampf
mit Bajonett und Gewehrkolben überzutreten. Was im Deutsch-Dänischen Krieg
(1864) gegen einen ebenfalls mit Vorderladern bewaffneten Feind noch
einigermaßen gut funktioniert hatte, war nun glatter Selbstmord. Das lässt sich
an den Verlustzahlen erahnen: Bei Trautenau fielen 3,6-mal so viele Österreicher
wie Preußen (4 787 zu 1 338) und bei Náchod fünfmal so viele (5 719 zu 1 122,
zahlenmäßig die höchsten Verluste vor Königgrätz). Beim Nachtgefecht von Podol
betrug das Verlustverhältnis gar 8 zu 1 (1 048 zu 130), schreibt Peter Aumüller
2004 in „Truppendienst“. Dass die Preußen auch über modernere Geschütze
verfügten, fiel dagegen nicht so ins Gewicht, weil die Mannschaften in der
Bedienung teilweise noch unsicher waren. Aber darüber hinaus wurde man
österreichischerseits noch von ganz spezifischen Problemen geplagt wie der
babylonischen Sprachverwirrung innerhalb der multinationalen Armee. Zum
Beispiel kämpften die Truppen in Podol so lange geordnet, bis ihnen die
Offiziere aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit die Befehle nicht mehr per Handzeichen vermitteln konnten. Insofern ist die Bezeichnung „Österreicher“ natürlich eine unscharfe
Verkürzung – unter den kaiserlichen Fahnen kämpften neben Deutschsprachigen weiters
Italiener, Kroaten, Slowaken, Slowenen, Polen, Rumänen, Serben, Slowaken,
Tschechen, Ukrainer sowie Ungarn. Nicht nur die Ereignisse vor 150 Jahren
sollten daher im Kontext gemeinsamer mittel- und osteuropäischer Geschichte
begriffen werden.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-y5qVyOHheK9fvkQk2t4_dgvb3QyIXCV9k1MjS4dj9S1qIwrgwK_2NFEIf0Oln2I8nWKLoXWeKC8oU9d8J0nCHUpNCIbHJO0SWeExcBwhF-LTrmhl2OGmRitdKwpAJH8PBCfc5ukI5JY/s1600/IMG_3129.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-y5qVyOHheK9fvkQk2t4_dgvb3QyIXCV9k1MjS4dj9S1qIwrgwK_2NFEIf0Oln2I8nWKLoXWeKC8oU9d8J0nCHUpNCIbHJO0SWeExcBwhF-LTrmhl2OGmRitdKwpAJH8PBCfc5ukI5JY/s400/IMG_3129.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schlachtfeldfunde im "Kriegsmuseum 1866" bei Chlum</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Entscheidung
bei Königgrätz</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nirgendwo sollte
das Missverhältnis bei den Opferzahlen so offensichtlich zutage treten wie in
Königgrätz: Entlang einer Kampflinie von 10,5 Kilometer betrugen die Verluste an
Toten, Verwundeten und Vermissten auf österreichischer Seite pro Meter drei
Mann und pro hundert Meter 11 Offiziere. Oder anders ausgedrückt: 5.658 Mann
wurden getötet, 7.410 vermisst, 7.574 verwundet und 22.170 gefangen genommen.
Die preußischen Verluste dagegen waren leicht: 1.929 Tote, 276 Vermisste und 6.948
Verwundete. Aber es ist nicht so, dass der Ausgang der Schlacht bereits fix festgestanden
wäre. Nach dem ersten Schock hatte man auf österreichischer Seite ein paar
Lehren gezogen: Man wollte den Feind diesmal von seiner eigenen Medizin „kosten“
lassen – und zwar indem man ihn in konzentriertes Abwehrfeuer zwang. Zu diesem
Zweck hatten sich die zehn Korps sowie fünf Kavalleriedivisionen der <i>Nordarmee </i>sowie der sächsische
Truppenteil auf hügeligem Gelände zehn Kilometer nordwestlich der Festung
Königgrätz aufgestellt. Im Zentrum wurde eine „große Batterie“ von 160
Geschützen und dahinter massive Reserven – zwei Infanteriekorps und Kavallerie
– positioniert. Sobald der Feind sturmreif geschossen wäre, würde man zur Gegenoffensive
übergehen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das war der Plan,
den sich der Oberkommandierende, Ludwig Ritter von Benedek, zurechtgelegt
hatte. Der damals 62 jährige Feldzeugmeister verdankte seinen Posten der
Tatsache, dass er sich 1859 im Krieg gegen Frankreich und Italien als einziger
mit Ruhm bedeckt hatte. Mit dem neuen Kommando war Benedek aber von Beginn an überfordert
– immer wieder bekannte er, in Böhmen ein „Fremdling“ zu sein und war von Zweifeln
gepeinigt. Unter dem Eindruck der vorangegangenen Niederlagen telegrafierte
Benedek am 1. Juli 1866 an den kaiserlichen Hof: „Bitte Eure Majestät dringend,
um jeden Preis Frieden zu schließen. Katastrophe der Armee unvermeidlich.” Die
Antwort lautete: „Einen Frieden zu schließen unmöglich. Ich befehle – wenn
unausweichlich – den Rückzug. Hat eine Schlacht stattgefunden?“ </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Diesen letzten
Satz soll der verunsicherte Benedek als Befehl aufgefasst haben. Auch seine unmittelbaren
Untergebenen – der Leiter der Operationskanzlei Gideon von Krismanic und
Stabschef Alfred Henikstein – waren alles andere als gewiefte Strategen. Aber nichts
verdeutlicht die Führungsschwäche deutlicher als Benedeks Verhalten beim
„Kriegsrat“ am 2. Juli 1866 unmittelbar vor der Schlacht. Alle hohen Ränge waren
versammelt, aber der Feldzeugmeister schärfte ihnen lediglich ein, in Sachen
Disziplin die Zügel nicht schleifen zu lassen. Man würde die erschöpfte Armee
einige Tage rasten lassen. Als dann Leopold von Edelsheim, mit 40 Jahren der
jüngste General, anmerkte, dass man wohl spätestens am folgenden Morgen angegriffen
würde, kanzelte ihn Benedek ab: „Wo haben Sie denn das Prophezeien gelernt?" und "Junge Leute pflegen immer Ansichten zu haben.“
Somit ist es auch nicht überraschend, dass die einzelnen Korpskommandanten über
ihre zugedachte Rolle nicht Bescheid wussten. Das gab dem als Defensivschlacht
geplanten Waffengang bald eine neue Richtung.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGEKUm0Aqm_dbQ_miy760xq8R2M9Yi5hM6pVqW8e2O5QhDaMHFZy-XjfSAE8bdaPJT_SWWMLP-bchZrCWp90vc-XFBqow2KFHfokjtNlvpEYqCWxvhbGfR4b4FBiyCam-ngl-nZvyam1Y/s1600/Ludwig_von_Benedek_1879.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGEKUm0Aqm_dbQ_miy760xq8R2M9Yi5hM6pVqW8e2O5QhDaMHFZy-XjfSAE8bdaPJT_SWWMLP-bchZrCWp90vc-XFBqow2KFHfokjtNlvpEYqCWxvhbGfR4b4FBiyCam-ngl-nZvyam1Y/s320/Ludwig_von_Benedek_1879.jpg" width="247" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ludwig von Benedek (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Von
der Defensiv- zur Offensivschlacht</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Im Laufe des
Vormittags an jenem 3. Juli 1866 hatten sich die Dinge zunächst gut entwickelt:
Die frontal angreifende 1. preußische Armee hatte das Flüsschen Bistritz
überquert, war dann aber im Feuer der österreichischen Kanonen liegen
geblieben. Auch der rechte Flügel – die <i>Elbarmee</i>
– kam wegen des übervorsichtigen Kommandanten kaum voran. In dieser Situation
glaubten die Generäle Anton Mollinary und Karl Thun-Hohenstein ihre Stunde
gekommen. Ihr II. bzw. IV. Armeekorps bildete eigentlich den rechten
österreichischen Flügel. Dieser sollte die 2. preußische Armee, die sich noch
im Anmarsch auf das Schlachtfeld befand, abwehren. Doch die Krise des Feindes
im Zentrum legte es nahe, in die Offensive überzugehen und den zermürbten Feind
in der Flanke zu packen. Dazu musste aber erst der Swiepwald erobert werden,
den die preußische 7. Division besetzt hatte. In der Folge entspann sich eine der
blutigsten Episoden der Schlacht – insgesamt traten 39 österreichische
Bataillone an, um 14 preußische zu vertreiben. </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg53tO0-yirbi2PGfbst5Ha6D-6mFZi8OwyD9VbKqxkHt-xOwrjAHvtKYg9SAT6ZdI9MdV_s16DBAJH1tPl-9vkDdXV6EVlWF5yC3ketQ0gDsIiY1jp-3iAgmJsHkdnk8lBNk1v16Op9YA/s1600/IMG_3299.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg53tO0-yirbi2PGfbst5Ha6D-6mFZi8OwyD9VbKqxkHt-xOwrjAHvtKYg9SAT6ZdI9MdV_s16DBAJH1tPl-9vkDdXV6EVlWF5yC3ketQ0gDsIiY1jp-3iAgmJsHkdnk8lBNk1v16Op9YA/s400/IMG_3299.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Denkmal beim Swiepwald</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der offizielle Bericht des k. k.
Generalstabsbüros von 1868 beschreibt, wie das der Brigade des Oberst Karl Poekh
beinahe gelungen wäre: „Da wurden plötzlich auf einer waldbedeckten Anhöhe in
der rechten Flanke preußische Massen bemerkbar, welche ein mörderisches Feuer
auf die tiefer befindliche Brigade eröffneten. Der Brigadier und alle
Stabsoffiziere – bis auf einen – fielen.“ Als es nach Stunden gelungen war, das
Gehölz zum Großteil unter Kontrolle zu bringen, traf ein Befehl Benedeks ein:
Trotz hartnäckiger Proteste Mollinarys wurden die Korps wieder in die Ausgangsstellung
zurückbefohlen. Auch im Zentrum verweigerte der Feldzeugmeister hartnäckig den Offensivbefehl
und beließ es beim passiven Zuwarten – bis es Untergebene auch in diesem
Abschnitt nicht mehr aushielten. Im Glauben, der allgemeine Vormarsch würde bald
beginnen, drangen zwei Regimenter „mit aller Bravour“ auf den gegnerisch
besetzten Holawald vor, mussten aber nach schweren Verlusten umkehren.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjloCwA_0tGaLuAw5MSYhtP7ZDbr6EtL2eFcMFm6A2gzOzs9VFOxc_SRk6bnh-XiDFBeDTJTtlEtTQ_9El2YICfaVa6bB2MYMcki6xsTbKwNSUANPuyoHYQqKBk1oOkJPnkhY3r0cOsRY4/s1600/DSCF0453+%25281%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjloCwA_0tGaLuAw5MSYhtP7ZDbr6EtL2eFcMFm6A2gzOzs9VFOxc_SRk6bnh-XiDFBeDTJTtlEtTQ_9El2YICfaVa6bB2MYMcki6xsTbKwNSUANPuyoHYQqKBk1oOkJPnkhY3r0cOsRY4/s400/DSCF0453+%25281%2529.JPG" width="300" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Denkmal des 8. Jägerbataillons im Swiepwald</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Plauschens
net so dumm!“</span></b></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die ausgebluteten
Truppen am rechten Flügel waren nach dem Hin- und Her jedenfalls zu
demoralisiert, um die 2. preußische Armee noch aufhalten zu können. Deren
Spitze, die Gardedivision, brachte es zustande, gegen 14.45 Uhr schnell bis ins
Herz der österreichischen Aufstellung, dem Dorf Chlum, vorzudringen. Benedek
schnaubte einen Stabsoffizier, der ihm die verhängnisvolle Meldung brachte,
noch an: „Plauschens net so dumm!“ Aber dann wollte er doch selbst nach dem
Rechten sehen. Prompt gerieten er und seine Suite zuerst unter preußischen
Beschuss, dann in „<i>friendly fire</i>“.
Mehrere Offiziere, darunter der Sohn des Flügeladjutanten des Kaisers und
Erzherzog Wilhelm wurden getötet oder verwundet. An einer anderen Stelle nahe
Chlum ließ Hauptmann von der Groeben seine acht Geschütze wenden und bis auf 200
Schritte an den Dorfrand heranfahren, um die vordringenden Preußen zu
beschießen – „doch das feindliche Schnellfeuer richtete unter der Mannschaft
und Bespannung solche Verheerungen an (in diesem Momente fielen Hauptmann v. d.
Groeben, 1 Officier, 52 Mann und 68 Pferde), dass die Batterie nur 10 Schüsse
machen und nur 1 Geschütz fortgebracht werden konnte; 7 blieben kampfunfähig
stehen und gingen verloren“, so der Generalstabsbüro-Bericht. Unter den
zahllosen Erinnerungsstätten, die in den darauffolgenden Jahrzehnten auf dem
Schlachtfeld errichtet wurde, sticht als größtes jenes für die „Batterie der
Toten“ hervor. Aber nicht weit entfernt schoss auch die Fußbatterie Nr. 7/XII
unter Hauptmann Josef Kuhn bis zum letzten Augenblick – und geriet in
Vergessenheit.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh1bXV4lF2uQVPUzls1o69OaVr8I83Z8RPu-qB9cCou3voyaVmsospjoltzAL7PVqjsGr57GfoRDYOBn8x0zeaxJj_6DHAY75Pju-wve-L_od-v4FMMlkLm1SBzRch1SqBVBF4EH7DQgMY/s1600/IMG_0315.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh1bXV4lF2uQVPUzls1o69OaVr8I83Z8RPu-qB9cCou3voyaVmsospjoltzAL7PVqjsGr57GfoRDYOBn8x0zeaxJj_6DHAY75Pju-wve-L_od-v4FMMlkLm1SBzRch1SqBVBF4EH7DQgMY/s400/IMG_0315.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Batterie der Toten, Monumentalgemälde von V. Sochor (Ausschnitt, Heeresgeschichtliches Museum, Wien)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Das Schlachtenglück
hatte sich nun endgültig gewendet Um Chlum und das benachbarte Rozběřice zurückzuerobern
traten die Reserven – das VI. und I. Korps – an. Dem Wiener Hausregiment </span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Deutschmeister </i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">gelang es, Rosberitz (Rozběřice) wieder in Besitz zu nehmen. Auf preußischer Seite mischte sich der damals 19jährige
Paul Hindenburg (später Oberbefehlshaber im 1. Weltkrieg und Reichspräsident)
ins Handgemenge. In „Aus meinem Leben“ (1920) schilderte er die Erlebnisse so:
„Von Kampf in geordneten Verbänden ist keine Rede mehr. Jeder sticht und
schießt um sich, so viel er kann. Prinz Anton von Hohenzollern vom 1.
Garderegiment bricht schwerverwundet zusammen. […] Dessen goldene Uhr wird mir
überbracht, damit diese nicht etwa feindlichen Plünderern in die Hände fällt.
Bald laufen wir Gefahr, abgeschnitten zu werden. Aus einer in unseren Rücken
führenden Seitengasse tönen österreichische Hornsignale, hört man die dumpfer
als die unserigen klingenden Trommeln des Feindes. Wir müssen, auch in der
Front hart bedrängt, zurück. Ein brennendes Strohdach, das auf die Straße
herabstürzt und sie mit Flammen und dichtem Qualm absperrt, rettet uns.“ </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhqvcpMwceaP_bxkfOpAF3BXJ2J4NP8NAWf4vt2Z1MZEacNxCeC9pUPsTb47xA7Dq9qQUK9Lm9C_wF-nXBaVle9CPNTbzmligWSUM5Yx0MVPuNloXjkSS9oY17VRgXkLDkaq1t2fRkcq3A/s1600/DSCF0413+%25281%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhqvcpMwceaP_bxkfOpAF3BXJ2J4NP8NAWf4vt2Z1MZEacNxCeC9pUPsTb47xA7Dq9qQUK9Lm9C_wF-nXBaVle9CPNTbzmligWSUM5Yx0MVPuNloXjkSS9oY17VRgXkLDkaq1t2fRkcq3A/s320/DSCF0413+%25281%2529.JPG" width="240" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Deutschmeister-Denkmal in Rosberitz</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nach
diesem Anfangserfolg mussten die Österreicher allerdings über eine steile
Anhöhe nach Chlum vordringen. Das Ergebnis war ein wahres Massaker: Die
preußischen Gardisten feuerten aus der Deckung eines Querhohlwegs und zwei
Geschützbatterien schossen Kartätschen in die Flanken der Sturmkolonnen.
Innerhalb von weniger als einer Stunde verlor das VI. Korps 125 Offiziere und
6.000 Mann. Das I. Korps büßte innerhalb von 20 Minuten sowie auf dem Rückweg
von 20.00 Mann gar 279 Offiziere, 10.000 Mann und 23 Geschütze ein.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhI-ZpD1LfVPrDNidJWTznmVJp9YADwcS1nfz_9iMkJNuSaOxK1THw11tqYbSSYTbuwbf2NE5d-g4l5xYA2MZtAYo3QtKgNFZHNh8BMrq7k13QFAKO7p07IYnJNETlP4oQO7xzJ0-eurA4/s1600/IMG_3235+%25281%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhI-ZpD1LfVPrDNidJWTznmVJp9YADwcS1nfz_9iMkJNuSaOxK1THw11tqYbSSYTbuwbf2NE5d-g4l5xYA2MZtAYo3QtKgNFZHNh8BMrq7k13QFAKO7p07IYnJNETlP4oQO7xzJ0-eurA4/s400/IMG_3235+%25281%2529.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Denkmal für das I. Korps auf der Höhe von Chlum</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Die Hölle tut sich auf“</span></b></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In der
Novelle „Eine Sommerschlacht“ (1887) beschrieb der Veteran und Schriftsteller Detlev von Liliencron diese apokalyptischen Kämpfe: "Und die
Hölle tut sich bei uns auf. Mit wundervollem Mut, mit prächtigem Vorwärts, weit
die Offiziere voran, und wenn sie fallen, springen andere vor, so dringt's her
gegen uns. Aber der Feind kann nichts machen gegen unser Blitzfeuer. Er muß
zurück. Verwundete schwanken auf uns zu. </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Da kommt
der Hauptmann wieder. Er drückt mir die Hand. Und ein Funkelfeuer wirft sein
Auge in mein Herz. Ich weiß, was er will: ‚Auf!' schreit er, und vorwärts,
glühend er voran, mit Marsch, Marsch auf den Feind. Wir sind an der Mauer.
Hinaus! Hinab! Mann gegen Mann. Ein langer österreichischer Jäger hebt mich am
Kragen hoch und will mich wie einen Hasen abfangen. Aber: 'Ha!' faucht es neben
mir durch die Nase, und Cziczan 'flutscht' ihm das aufgepflanzte Seitengewehr
durch die Rippen. Einen Augenblick schau' ich mich um: der alte Sergeant steht
neben mir. 'Ha!' schnaubt er durch die Nase. Seine Augen rollen. Er ist der
einzige, der auch in diesem Augenblick nicht einen Knopf, nicht den Kragen
geöffnet hat."</span></div>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Marsch!
Marsch! Hurra!“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Benedek war
währenddessen nicht greifbar, sondern irrte auf dem Schachtfeld umher. Gegen 16
Uhr passierte er ein Kürassierregiment und rief es zur Ordnung: „Um Gottes
Willen, meine Herren! Dort ist der Feind! Dorthin die Front!“ In diesem Moment
sauste eine Granate herbei und tötete den kommandierenden Oberst – dessen Leichnam
blieb aber mit dem Stiefel im Steigbügel hängen und wurde vom Pferd
mitgeschleift. Entsetzt schrie Benedek, man solle das Tier aufhalten, aber
weitere Granattreffer ließen die Kürassiere auseinanderstoben. Der Feldzeugmeister
sah darin Ungehorsam und schloss sich kurz darauf tief deprimiert dem allgemeinen
Rückzug an. Zu diesem Zeitpunkt hatten die <i>Elbarmee
</i>auch Benedeks linken Flügel eingedrückt und damit die Niederlage
vervollständigt. Es gelang nur mehr, die Verfolgung durch die preußische
Kavallerie mit einem Gegenangriff zu stoppen. In der Ebene zwischen Stresetitz (Střezetice) und Langenhof (Dlouhé Dvory) prallten jeweils 5.000 Mann in einem der letzten großen Reitergefechte
aufeinander. Mittendrin war der Kürassierleutnant Ernst Graf Wurmbrand: „Es war
der schönste Tag meines Lebens, selbst wenn es der letzte gewesen wäre. […] In
der Nähe der preußischen Ulanen kommandiere ich: ‚Marsch! Marsch! Hurra!‘ und
so ritt ich direkt auf die feindliche Mitte zu, ein Wald von Lanzen starrte mir
entgegen. Ich durchritt ein paar Offiziere, die vor der Front ritten, und
sprang dann gleich in die Mitte des feindlichen Ulanenregiments hinein. Einem
Ulanen rechts von mir spaltete ich den Schädel, er sank vom Pferd, mein Pallasch
war aber zu stark in seinen Schädel eingedrungen, ich konnte ihn nicht gleich
wieder herausziehen, und das war mein Verhängnis. Denn alle Ulanen stachen nach
mir, zum Glück daneben, aber einer, […], erwischte mich und stach mir in die
rechte Halsseite. Der Stich war gut und heftig, mir wurde sofort schwarz vor
Augen, und ich fiel vom Pferd herunter.“ </span><br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhD8dnMDwOO4eH-ShbqFt9yzt-IzXdn3LUFM_aq2Fm-GnGtqWfpp7RjTnF6iATFMdI3qOPC607jRQvkavaiF583ERCW2__zFmk6bEcOpVbgc3tGLNsVaoDo0t9s5RHfJdEjO9HKhBTqR8E/s1600/IMG_0304.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhD8dnMDwOO4eH-ShbqFt9yzt-IzXdn3LUFM_aq2Fm-GnGtqWfpp7RjTnF6iATFMdI3qOPC607jRQvkavaiF583ERCW2__zFmk6bEcOpVbgc3tGLNsVaoDo0t9s5RHfJdEjO9HKhBTqR8E/s320/IMG_0304.JPG" width="213" /></a></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhIUYX6P9tTNwIERNvd0aYWyA30gs_Co4SeDNpTXVyHKdxtEn44cD26RFqlsbZNUY_04znb9T9R-xK6d4Q_a0QQTL2tdMI3UxsP3baS1sjCE7zNMG_aXh6XQOrIEUtqNCIrMdpzG3QFXIA/s1600/IMG_0305.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhIUYX6P9tTNwIERNvd0aYWyA30gs_Co4SeDNpTXVyHKdxtEn44cD26RFqlsbZNUY_04znb9T9R-xK6d4Q_a0QQTL2tdMI3UxsP3baS1sjCE7zNMG_aXh6XQOrIEUtqNCIrMdpzG3QFXIA/s320/IMG_0305.JPG" width="213" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Wurmbrands Helm mit deutlichen Kampfspuren im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien</td></tr>
</tbody></table>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhUP2bt4ariqQtD4znt6O8_kb_uo7qALi2nIqdFX2rwj8mBSHeKEpdvlSDOdDVEzQBdZAFHsEkemb3hyLBTI0EqcYMK2cyA2Rouh8eyDg0_qITgtbGHTXTpWjtpj7l1HFlKC5-x9qfHWOA/s1600/Gefecht_zwischen_k.k._Husaren_und_preu%25C3%259Fischen_K%25C3%25BCrassieren_in_der_Schlacht_von_K%25C3%25B6niggr%25C3%25A4tz_%2528A._Bensa_1866%2529.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="243" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhUP2bt4ariqQtD4znt6O8_kb_uo7qALi2nIqdFX2rwj8mBSHeKEpdvlSDOdDVEzQBdZAFHsEkemb3hyLBTI0EqcYMK2cyA2Rouh8eyDg0_qITgtbGHTXTpWjtpj7l1HFlKC5-x9qfHWOA/s400/Gefecht_zwischen_k.k._Husaren_und_preu%25C3%259Fischen_K%25C3%25BCrassieren_in_der_Schlacht_von_K%25C3%25B6niggr%25C3%25A4tz_%2528A._Bensa_1866%2529.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Gefecht zwischen österreichischen Ulanen und preußischen Kürassieren (Gemälde 1883, Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Hätten die Preußen an diesem
Punkt nicht Halt gemacht, hätten sie die </span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Nordarmee</i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">
wohl völlig vernichtet – denn mit dem Fluss Elbe befand sich ein großes
Hindernis im Rücken von Benedeks Stellung. Das Gerücht, die Preußen wären ihnen
tatsächlich auf den Fersen, verbreitete aber so viel Panik unter den
Fliehenden, dass es beim Übergang noch zahlreiche weitere Opfer gab.</span><br />
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das
„Aufräumen“ nach der Schlacht</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Horror des
Schlachtfelds wird aus Erlebnisberichten der örtlichen bäuerlichen Bevölkerung
deutlich. Einer, den man zum „Aufräumen“ zwang, berichtete, wie die Toten im
Swiepwald beiseite schaffte: „Im Wald wurde gewöhnlich eine Grube nur einen
‚Stich‘ tief, 30 bis 50 cm, ausgehoben und hier wurden die Leichen eingebettet
und mit der aufgeschütteten Erde etwas zugedeckt. Wo es der Boden erlaubte, zum
Beispiel an breiteren Wegen im Wald oder an kahlen Stellen ohne Bestand, dann
in den Feldern wurden die Gruben einen Meter oder tiefer gegraben, und es
wurden stets mehrere Leichen in ein Grab gebettet, ab und zu bis 100. Die
Leichen lagen überwiegend mit Mänteln bekleidet, nur die beraubten Leichen
waren entkleidet. Es geschah so, dass der beim Beerdigen Wache haltende Preuße
anordnete, die Leute sollten den Leichen die Mäntel ausziehen, da sie diese gut
gebrauchen können.“ Ein anderer Bauer wurde mit seinen Knechten hinzugezogen,
um zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Tage vergangen und die
Körper in „ziemliche Zersetzung“ geraten: „So ließ er von zu Hause ein Pferd
und eine Kette holen, und als das Pferd gebracht wurde, umschlang dem toten
Schützen die Kette um beide Beine und zog ihn auf diese Weise aus dem Wald in
einen tiefen Graben am unteren (nördlichen) und östlichen Waldteil. In diesen
mehr als 200 m langen Graben wurden [je] zwei Tote unten und einer oben
gebettet.“</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh6mmGNEOgCHlTZF7D26TdBCR0fby04XM8QExSIN15dpCT8fhtuGNMlNgI1kLcibCVGe8iOCKTotHcMzY4F8xkGw-C9EhLFSm8F5ixLQF5l1BHQzKHE5JCK3QENarhZLvfIktUcILNvAfw/s1600/IMG_0310.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh6mmGNEOgCHlTZF7D26TdBCR0fby04XM8QExSIN15dpCT8fhtuGNMlNgI1kLcibCVGe8iOCKTotHcMzY4F8xkGw-C9EhLFSm8F5ixLQF5l1BHQzKHE5JCK3QENarhZLvfIktUcILNvAfw/s400/IMG_0310.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">"Ein Ruhmesblatt der österreichischen Artillerie" - Gemälde v. 1897 im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Die
Piefkes kommen!“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Deutsche Krieg
zog sich nach Königgrätz noch mehrere Wochen bis zum Vorfrieden von Nikolsburg
am 26. Juli 1866 hin. Größere Kampfhandlungen gab es abgesehen von einigen
Kleingefechten nicht mehr. Für die preußische Armee war diese Phase allerdings
die verlustreichste: 4.529 Soldaten starben auf dem weiteren Vormarsch an der
Cholera – mehr als durch österreichische Kugeln (insgesamt 4.070). </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitCsPTZafvHOh-2JmQEGZSm1lsgZRjOMgtEGqxUWB8v68ZuWgzII9Dgt60sI-sczRjc3h9fy55jZU0tcOlERuhHn8_TDX9PFn6V_smJHJNx8s8kK2SdvMG2hf1FBGxSWxaDS1DfCGVUOU/s1600/IMG_5920.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitCsPTZafvHOh-2JmQEGZSm1lsgZRjOMgtEGqxUWB8v68ZuWgzII9Dgt60sI-sczRjc3h9fy55jZU0tcOlERuhHn8_TDX9PFn6V_smJHJNx8s8kK2SdvMG2hf1FBGxSWxaDS1DfCGVUOU/s400/IMG_5920.JPG" width="266" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Cholera war tödlicher - Denkmal für preußische Opfer der Krankheit in Poysdorf (NÖ).</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ein
demütigender Einmarsch in der Residenzstadt Wien blieb Kaiser Franz Josef II.
erspart – die Preußen hielten ihre Parade dafür am 31. Juli 1866 in Gänserndorf
ab. Dabei soll der Kapellmeister Johann Gottfried Piefke mit imposantem
Schnurr- und Backenbart so großen Eindruck auf die Zuschauer gemacht haben,
dass diese riefen: „Die Piefkes kommen!“ Weniger amüsant war die Aufarbeitung
der Verantwortung für die vollständige Niederlage. Vor allem Benedek wurde hier
zum bequemen Sündenbock: Der oberste Militärjustizsenat verhängte gegen ihn und
einige Offiziere eine kriegsgerichtliche Untersuchung, die jedoch auf Befehl
des Kaisers eingestellt wurde. Es wurde Benedek jedoch das Versprechen
abverlangt, über die Umstände der Niederlage für immer zu schweigen. Als
gebrochener Mann starb er 1881 in seiner Grazer Villa.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgk8OFXu9RN1P8d6DiYLaDRwLE4pShc93UkXUKTX0gmRxf78zLsYuOrhiM0j5WV3pLyRpFIqr_XZHYk9YwqOYmyT4fxW1ALsds2UgmpvySj1Krw0ODP5gwBzMc5wAW-KXKm6vzEi_TxO9Y/s1600/Piefke_Denkmal2.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgk8OFXu9RN1P8d6DiYLaDRwLE4pShc93UkXUKTX0gmRxf78zLsYuOrhiM0j5WV3pLyRpFIqr_XZHYk9YwqOYmyT4fxW1ALsds2UgmpvySj1Krw0ODP5gwBzMc5wAW-KXKm6vzEi_TxO9Y/s400/Piefke_Denkmal2.jpg" width="272" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das "Piefke-Denkmal" erinnert seit 2009 an die Begebenheit in Gänserndorf (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Fliegendes
Korps“</span></b></div>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In vielerlei
Hinsicht war der Deutsche Krieg einer der ersten modernen Konflikte: Zum ersten
Mal spielten Eisenbahnen beim Truppentransport eine wesentliche Rolle. Die aufwändige
logistische Planung dahinter hätte sich freilich für die preußische Seite fast
ins Gegenteil verkehrt, weil die Nachschubzüge zum Teil erst eintrafen, als die
Schlacht von Königgrätz schon gewonnen war. Auch ersetzte der Telegraf zum Teil
die vorindustrielle Kommunikation über Meldereiter. Die Leitungen wurden aber
auch bereits von Spionen zur Nachrichtengewinnung „angezapft“. Und es gab sogar
Überlegungen, eine Guerilla im Rücken der preußischen Front aufzubauen. Hauptmann
von Vivenot schlug Benedek vor, aus dem gesamten Forstpersonal Böhmen und
Mährens ein „Fliegendes Korps“ aufzustellen. Mit Gewehren, Säbeln, Sensen und
Dreschflegeln ausgestattet sollte es kleinere preußische Abteilungen aus dem
Hinterhalt angreifen, Verkehrswege sabotieren und Kuriere abgefangen. Der am
22. Juli 1866 vereinbarte Waffenstillstand sollte der Umsetzung dieses Plans in
die Quere kommen. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Es bleibt beim "Gradaus"</b></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In einem Punkt erwies man sich auch später lernresistent: Als
1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, zeigten die österreichischen Militärs immer
noch dieselbe Fixierung auf schlecht unterstützte Frontalangriffe. Wie der
US-amerikanische Militärhistoriker Geoffrey Wawro in „A mad Catastrophe“ (2014)
schreibt, war die österreichische Tradition des „</span><i style="font-family: "times new roman", serif;">Gradaus</i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">“ seit dem Musketenzeitalter praktisch unverändert geblieben
– ungeachtet moderner Erfindungen wie Maschinengewehr und schnellfeuernder
Artillerie. Das war der Hauptgrund dafür, warum man in den ersten
Herbstschlachten in Galizien enorme Verluste von rund 500.000 Gefallenen,
Vermissten und Gefangenen erlitt – wovon sich die Armee nie mehr erholen
sollte. Letztendlich war es die Niederlage von Königgrätz, die wesentlich dazu
beitrug, dass sich die europäische Geschichte so verhängnisvoll entwickelte – auch
wenn dies nicht linear geschah, ist man geneigt, dem Historiker Wilhelm
Schüssler zuzustimmen: Ohne Königgrätz „dürfte eine Erscheinung wie Hitler kaum
zu erklären sein.“</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitAUrHyXLP7Rvf2RgQUC1PsEd5Yn44zDAktL8QjK7ne6KU2qoCLCp8eeB1SEqn-uFC-JGErni-YrAfqinJIXPlqBIyR3dLt-hq80un2zb1F-vrjFyJ0R3cFjSShaJGm-JY-CgdGsidAiY/s1600/IMG_3695.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitAUrHyXLP7Rvf2RgQUC1PsEd5Yn44zDAktL8QjK7ne6KU2qoCLCp8eeB1SEqn-uFC-JGErni-YrAfqinJIXPlqBIyR3dLt-hq80un2zb1F-vrjFyJ0R3cFjSShaJGm-JY-CgdGsidAiY/s400/IMG_3695.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Denkmal für die "Batterie der Toten"bei Chlum</td></tr>
</tbody></table>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-48427025616738420302016-05-23T05:29:00.003-07:002016-05-23T05:29:45.326-07:00Papst-Attentat: Ein kleines Rädchen im Kriminalrätsel des Jahrhunderts<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Vor
35 Jahren, am 13. Mai 1981, wurde Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz
von einem Attentäter angeschossen. Die dabei verwendete Waffe stammte von einem
Händler aus Österreich. <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Grünau im Almtal,
wenige Tage nach dem Papstattentat: Otto Tinter, ein 70jähriger Rentner, nimmt
Abschied am Grab seiner Frau. Nach der Beerdigung bekommt er unerwarteten
Besuch. Es ist ein Kriminalbeamter, der ihm ein Fernschreiben vorhält. Daraus
geht hervor: Es war eine von Tinter verkaufte Pistole, mit der das Oberhaupt
der katholischen Kirche schwer verletzt wurde. Worin besteht die Verbindung zwischen
dem „Verbrechen des Jahrhunderts“ und einem biederen oberösterreichischen
Pensionär? Tinter – ein ehemaliger Konstrukteur in der Waffenabteilung der
Steyr-Werke – hatte nicht einfach einen ruhigen Lebensabend verbracht. Er
kaufte und verkaufte Waffen. Unter anderem war jene Pistole der Marke FN
Browning, Kaliber 9 mm, mit der der Papst lebensgefährlich verletzt wurde,
durch Tinters Hände gegangen. Mit einer Konzession als Waffenhändler wäre das
sogar legal gewesen. Aber Tinter hatte keine solche Genehmigung. Man hatte sie
ihm verweigert, obwohl die zuständige Sicherheitsdirektion einen zuverlässigen
Lebenswandel bescheinigte. Tinter hielt das nicht ab – auch weil er seine an
Schizophrenie erkrankte Tochter zu versorgen hatte, begann er ab 1977 Pistolen eben
illegal zu verkaufen. Insgesamt waren es 150 Stück.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Unter anderem
orderte er am 9. Juli 1980 in der Schweiz 22 zerlegte Faustfeuerwaffen und
legte dafür den Lieferschein des konzessionierten Kremser Händlers Horst
Grillmayer vor: „Der Name ist in Zürich bekannt. Ich habe ihn nur verwendet,
weil ich dadurch niedrigere Preise bekam.“ Unter den Pistolen, die anschließend
auf dem Postweg an Tinter gingen war jene FN Browning – von der Fabrique
Nationale im belgischen Herstal. Von dort war die Waffe an den Schweizer
Generalrepräsentanten nach Neuchâtel gegangen, der sie wiederum an das Züricher
Waffengeschäft Glaser weiterhandelte. Hier bezog Tinter schließlich die
Pistole. Der Weg der Browning ließ sich anhand der nicht herausgefeilten
Seriennummer leicht nachvollziehen. Tinter blieb freilich das letzte Glied in
der Kette – wie die Pistole in die Hand des Attentäters, des damals 23jährigen
Türken Ali Agca, kam, ist nur eines von vielen Rätseln rund um den Anschlag auf
Johannes Paul II. Tinter behauptete zunächst, der geheimnisvolle Mann sei ein
Schweizer gewesen, der für mehrere Pistolen 60.000 Schilling in Franken bezahlt
habe. Danach beließ es Tinter bei Andeutungen: „Ich weiß, dass ein hoher Wiener
Finanzbeamter die Waffe eine Zeitlang besessen hat. Der hat sie dann in einem
Kaffeehaus an zwei Türken verkauft.“</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg7XTw1sTqTCiB6aps751oW7ECYn5N_CYh4fZ9T2XPnNdsxYqEhqFSazc65QhXDVzZGQFhj4bGbThyphenhyphen83O3ysWMLUzUN4b7pOH4QLkoeRhW2qUjYO6aj7zVYN5RiSCo5H9kRbOZ86HIIfRA/s1600/P1160334.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg7XTw1sTqTCiB6aps751oW7ECYn5N_CYh4fZ9T2XPnNdsxYqEhqFSazc65QhXDVzZGQFhj4bGbThyphenhyphen83O3ysWMLUzUN4b7pOH4QLkoeRhW2qUjYO6aj7zVYN5RiSCo5H9kRbOZ86HIIfRA/s400/P1160334.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Wenige Wochen vor dem Attentat wohnte Agca in der Wiener Jheringstraße (Foto: H. Niklas)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Tinter und Agca
wurden einander 1985 beim Prozess in Sachen Papstattentat gegenübergestellt.
Beide wollten einander nie begegnet sein. Agca gab an, die Browning im März
1981 in Wien erworben zu haben. Damals versteckte er sich mit einem falschen
Pass auf dem Namen Joginder Singh für einige Wochen in der Jheringstraße Nr.
33. In einem TV-Interview 2010 bestätigte Agca noch einmal, die Waffe „mit
eigenen Mitteln“ in Österreich besorgt zu haben. In den 1980ern Jahre hatte er
zusätzlich den Namen Grillmayer genannt – offenbar deswegen, weil sich Tinter
auch beim Verkauf des Namens seines bekannteren Kollegen bedient hatte, um mehr
Profit herauszuschlagen. Grillmayer, der von alldem nichts gewusst haben will,
war nämlich eine große „Nummer“ im Geschäft: Er sprach nicht nur Türkisch,
sondern reiste häufig nach Syrien, Libyen, in die DDR und andere osteuropäische
Staaten. Anfang 1983 war Grillmayer selbst in einen Skandal verwickelt: 308
Pistolen, sieben Scharfschützengewehre und Maschinenpistolen sowie 15.000
Schuss Munition waren am Grenzübergang Kleinhaugsdorf abgefangen worden.
Grillmayer war einer der Hintermänner des Deals. Der Fall schlug solche Wellen,
dass sich Innenminister Erwin Lanc bei einer Pressekonferenz dagegen verwahrte,
„Österreich als einen Tummelplatz internationaler Waffenschieber“ hinzustellen.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Doch zurück zur
Mordwaffe: Vom Typus her war die halbautomatische Browning für das Töten auf
kurze Distanz eigentlich nicht geeignet – die damit verschossenen Vollmantel-Projektile
hatten keine „mannstoppende Wirkung“. So war es dann auch am 13. Mai 1981
während der Generalaudienz auf dem Petersplatz. Agca legte über die Köpfe von
Gläubigen hinweg auf den 61jährigen Papst an, als dieser in einem offenen,
weißen Jeep vorbeigefahren wurde. Um 17.17 Uhr drückte Agca zwei Mal ab. Der
Papst sackte in sich selbst zusammen – großkalibrige Projektile hätten ihn umgestoßen.
Aus der Körperhaltung des Killers, die auf Film- und Fotoaufnahmen gut
dokumentiert ist, haben Ballistiker geschlossen, dass Agca bewusst auf die Beine
und den Unterleib des Pontifex gezielt hatte. Sprich: Der gut trainierte Killer
schoss nicht, um zu töten, sondern um zu verwunden. Tatsächlich kämpften die
Ärzte fast fünfeinhalb Stunden um das Leben von Johannes Paul II. Ein Geschoß
hatte mehrere Dünndarmschlingen und einen Teil des Dickdarms zerfetzt und war
danach neben der Wirbelsäule wieder ausgetreten. Lebenswichtige Organe waren
aber verschont geblieben. Der Papst selbst erklärte sich seine Rettung so:
„Eine Hand hat die Pistole gehalten, eine andere die Kugel gelenkt.“</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiK-pTTTOSa-zXw4HH_tPJ6ZMcnKN8cMUYSFIUqtNS2-TH2UdB_RlXNjMF2TcVo8KpwYW4yJby3cZAoTqLCaoKNgAbqiP2fnOo4GSXFRpbdr8Aep9VhAHr6mh_FBW5W-_RE4ZfIyg7nqCk/s1600/Popemobile_assassination_attempt_John_Paul_II_13_may_1981_Vatican_13.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="321" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiK-pTTTOSa-zXw4HH_tPJ6ZMcnKN8cMUYSFIUqtNS2-TH2UdB_RlXNjMF2TcVo8KpwYW4yJby3cZAoTqLCaoKNgAbqiP2fnOo4GSXFRpbdr8Aep9VhAHr6mh_FBW5W-_RE4ZfIyg7nqCk/s400/Popemobile_assassination_attempt_John_Paul_II_13_may_1981_Vatican_13.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">In diesem "Papamobil" befand sich Johannes Paul II., als auf ihn geschossen wurde (Quelle: Wikimedia Commons/Jebulon)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;"><b>Die Frage, wer die
Hand des Schützen „gelenkt“ hat, ist auch nach mehr als drei Jahrzehnten offen.
</b>Denn so viel ist klar – Agca war ein Auftragstäter. Er gehörte zu den „grauen
Wölfen“, der Vorfeldorganisation einer 1961 gegründeten rechtsextremen Partei.
Ende der 1970er Jahre als sich die Konfrontation zwischen Rechts und Links in
der Türkei zuspitze, waren die „grauen Wölfe“ in zahllose Morde verstrickt. So
erschoss Agca 1979 einen regimekritischen Journalisten und entkam kurze Zeit
später unter ungeklärten Umständen aus der Haft. Danach reiste er ins
kommunistische Bulgarien ein und verbrachte dort angeblich 50 Tage. Dieser
Aufenthalt wurde zum Ausgangspunkt der bis heute bekanntesten Theorie in Sachen
Papstattentat: Nämlich, dass Agca vom Geheimdienst angeheuert wurde. Im
Hintergrund habe der KGB die Fäden gezogen. Denn der stramm antikommunistische Johannes
Paul II. unterstützte die Gewerkschaft Solidarność in seinem Heimatland Polen
und galt deshalb als ernste Bedrohung. Agca selbst nannte 1982 Namen
angeblicher bulgarischer Hintermänner. Aber der Prozess gegen sie endete 1986
in Freisprüchen aus Mangel an Beweisen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die „bulgarische
Spur“ längst ein Eigenleben angenommen. Vor allem die Reagan-Administration
propagandierte sie als Beleg dafür, dass Moskau die Quelle allen Übels sei.
Heute ist die Spur „verblasst“, wie der ehemalige Untersuchungsrichter Rosario
Priore meint. Und selbst der Pontifex bekundete bei einem Besuch in Sofia 2000,
„niemals“ daran geglaubt zu haben.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><b>Bleibt die „interne
Spur“: </b>Folgt man den Vertretern dieser These, so wollten innerkirchliche Gegner
den Hardliner Johannes Paul II. stoppen. 2010 goss der notorische
Selbstdarsteller Agca, der 19 abweichende Versionen zu seinen Hintermännern aufgetischt
hat, auch hier Öl ins Feuer: Er bezichtigte den verstorbenen Kardinalstaatssekretär
Agostino Casaroli der Kopf der Verschwörer gewesen zu sein. Wirklich auf den
Grund gegangen ist man der „internen Spur“ nie – zu oft wurden Fragen der
Ermittler mit dem Hinweis auf Souveränität des Vatikans abgeblockt.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><b>Und schließlich ist
da noch eine dritte Spur zu einem üblichen Verdächtigen: </b>Der Mafia. Demnach
wurde der Papst „bestraft“, weil Gelder des organisierten Verbrechens beim
Zusammenbruch der Banco Ambrosiana verloren gegangen waren. Zuvor hatte dieses Mailänder
Geldhaus gemeinsam mit der Vatikanbank eine undurchsichtige Rolle bei der
Finanzierung der Solidarność gespielt. Auch in diesem Fall fehlen eindeutige
Beweise. Wer auch immer das Attentat bestellte, es war letztlich ein Fehlschlag:
Johannes Paul II. erholte sich schnell. Seine Entschlossenheit wurde durch die
Überzeugung, mit himmlischem Beistand überlebt zu haben, erst recht
angestachelt.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Und Otto Tinter?
Das kleine Rädchen im „Verbrechen des Jahrhunderts“ wurde im Mai 1983 wegen
seines umfangreichen privaten Waffenarsenals zu fünf Monaten bedingt
verurteilt. Im Jahr darauf hagelte es noch eine saftige Geldstrafe wegen
Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung. Antworten blieb Tinter bis zuletzt
schuldig: „Ich bin 73 und zu 80 Prozent invalid. Ich kann mich nicht an alles
erinnern.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif";">Hinweis:
Geringfügig gekürzte Version ist am 22. Juni in der Presse am Sonntag
erschienen.</span></b></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-1101393638201048112016-05-01T08:49:00.000-07:002016-05-02T02:43:12.003-07:00Das „heiße Jahr“ 1961: Als sich der rechte Terror in Österreich zurückmeldete <div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Vor
55 Jahren erschütterte eine Welle von rechtsextremen Anschlägen Österreich. Nur
durch Zufall gab es keine Opfer zu beklagen. Dafür wurden einige der
symbolträchtigsten Institutionen der jungen Nachkriegsdemokratie getroffen:
Mehrmals die Rückfront Parlaments und das Republikdenkmal. Zu den Zielen
zählten auch ausländische Vertretungen. Hauptbezugspunkt der Attentäter war der
Südtirolkonflikt – aber ihre mehrmonatige Kampagne zielte auch auf die
Grundfesten der 2. Republik.</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Es ist Sonntagabend,
30. April 1961: Um 22.45 Uhr erschüttert eine Detonation den Schmerlingplatz
zwischen Parlament und Palais Epstein. An der Rückseite des Republikdenkmals ist
ein Sprengsatz explodiert. Trümmer des Schaltkastens, von dem aus die
Scheinwerfer bei einer Festbeleuchtung des Denkmals mit Strom versorgt werden,
werden bis zu 50 Meter weit weggeschleudert. Fensterscheiben und zwei
Oberlichten im Parlament gehen zu Bruch. Das Republikdenkmal trägt nur geringe
Schäden davon. Dass es keine Toten oder Verletzten gab, ist dem Zufall
geschuldet: Der traditionelle Fackelzug am Vorabend des 1. Mai war wegen Regens
abgesagt worden – die Route der Kundgebung hätte am Explosionsherd
vorbeigeführt.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj_zqJEZ3orgSCgh3H4IwfQoc5fDHRUCemgPDmVjsWaXa8pIp0q7ZVbYqfBRZ2VpxPrOqAbqcqi4sO3I4TrPw6i2xvwSsBfxwdmm-aYjojpyuSblQjbYCgH_22wIHopqCzbMBofj-jhv34/s1600/Republiksdenkmal.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="199" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj_zqJEZ3orgSCgh3H4IwfQoc5fDHRUCemgPDmVjsWaXa8pIp0q7ZVbYqfBRZ2VpxPrOqAbqcqi4sO3I4TrPw6i2xvwSsBfxwdmm-aYjojpyuSblQjbYCgH_22wIHopqCzbMBofj-jhv34/s320/Republiksdenkmal.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schäden am Republikdenkmal (re.) - Quelle: www.arbeiterzeitung.at</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Drei Tage später tagt der Ministerrat: Innenminister Josef
Afritsch (SPÖ) informiert die Bundesregierung: „Wir haben erfahren, dass bei
der ganzen Bevölkerung größte Erregung besteht über diese Explosion. Wir werden
alles unternehmen, den Täter greifbar zu machen. Immerhin war in den letzten
Jahren Ruhe, und wir müssen das mit Bedauern zur Kenntnis nehmen.“
Bundeskanzler Alois Gorbach (ÖVP) meint: „Hoffentlich gelingt es möglichst
bald, der Täter habhaft zu werden.“ An dieser Stelle wirft Vizekanzler Bruno Pittermann
(SPÖ) eine Vermutung bezüglich des Tathintergrunds ein: „Es wird mit den
Anschlägen in Südtirol in Zusammenhang gebracht.“</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh0aE-bNhDUGQrx3milhnCbPKocsg_YBBwHLAt6Ce9UCHrTRASHLpbH_SnbxhZq49S1w6ohRJ8dVhzLXzlHoSDNUADhd6JGi558YqA8YyKmi_G8R3EeeGjmG4XSzwczZdtDrvsIk4Umr-Q/s1600/IMG_0204.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh0aE-bNhDUGQrx3milhnCbPKocsg_YBBwHLAt6Ce9UCHrTRASHLpbH_SnbxhZq49S1w6ohRJ8dVhzLXzlHoSDNUADhd6JGi558YqA8YyKmi_G8R3EeeGjmG4XSzwczZdtDrvsIk4Umr-Q/s400/IMG_0204.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das Republikdenkmal heute (alle Fotos: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Im
Schatten des Südtirolkonflikts</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">55 Jahre danach ist
der Anschlag auf das Republikdenkmal ungeklärt geblieben – aber Pittermann
dürfte wohl richtig gelegen sein. Der damals virulente Südtirolkonflikt hatte einen
Schatten auf die innenpolitische Lage in Österreich geworfen: Der Ende der
1950er Jahre gegründete „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) hatte sich der
Forderung nach Selbstbestimmung verschrieben. Um die Öffentlichkeit auf die
Probleme der deutschsprachigen Minderheit in Italien aufmerksam zu machen,
beging der BAS Anfang 1961 erste „demonstrative“ Bombenanschläge in Südtirol gegen
Rohbauten und Denkmäler. Schon bald steigerte sich die Aktivität. In der
„Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961 wurden alleine 37 Strommasten
gesprengt. Daraufhin wurden 24.000 Soldaten und 10.000 <i>Carabinieri </i>nach Südtirol verlegt. Es kam zu Massenverhaftungen und
Folterungen von BAS-Leuten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In Österreich stieß
diese Entwicklung auf großes Echo: Vor allem auf deutschnationaler und rechtsextremer
Seite wurde der „Freiheitskampf“ in Südtirol zum <i>cause célèbre</i>. Und hier war nicht nur der italienische Zentralstaat
ein Feind, sondern auch die eigene Regierung, die man mit Gewalt zu mehr
Engagement nötigen wollte. Darüber hinaus war Südtirol war ein passende
Aufhänger für die Propagandierung eigener Inhalte und bündelte generelle
Unzufriedenheit mit den Verhältnissen: Denn gerade Anfang der 1960er Jahre kam
es in Österreich zu Prozessen gegen NS-Täter. Auf internationaler Ebene weckte
das Verfahren gegen Adolf Eichmann große Aufmerksamkeit (11. April – 15
Dezember 1961). Weiters gab tiefsitzende Ressentiments wegen der als
unrechtmäßig empfundenen „Entnazifierung“ Ende der 1940er Jahre. Gegenläufige
Tendenzen – wie die Rehabilitierungen von „Ehemaligen“ in den 1950er Jahren – wurden
dagegen ausgeblendet. Die noch ungefestigte österreichische Identität bei
gleichzeitiger Tabuisierung der NS-Vergangenheit wirkte überhaupt tief in die
Gesellschaft hinein.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Gerd
Honsiks „Werwölfe“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der Anschlag auf das
Republikdenkmal war insofern nur der Auftakt für eine mehrmonatige
Terrorkampagne, die von verschiedenen Akteuren vorangetrieben wurde. Die
meisten Aktionen gingen auf das Konto des „Werwolf“ – einer Kleingruppe um den
damals 20jährigen Gerd Honsik. Bis heute ist er eine der zentralen
Führungspersonen der Neonazi-Szene und verurteilter Holocaust-Leugner. 1961 war
Honsik ein Schulabbrecher aus zerrütteten Verhältnissen: Der Vater war 1944 in Italien gefallen – angeblich wurde der Mutter die Witwen-
und Waisenrente versagt. „Seit dieser Zeit besteht in mir der Hass gegen diese derzeitige
österreichische Marionettenregierung“, bekundete Honsik gegenüber der
Staatspolizei. Sein ganzes Bestreben, sei darauf gerichtet gewesen, „das
bestehende österreichische Staatsgefüge mit meinen, wenn auch bescheidenen
Kräften zu vernichten zu trachten“. Laut Aussage eines Mitbeteiligten sprach
Honsik immer wieder davon, „irgendwelche Aktionen“ zu unternehmen, „um die
österreichischen Politiker zu zwingen, in der Außenpolitik einen härteren Kurs [gegenüber
Italien] einzuschlagen und auch vor Gewalttaten nicht zurückzuschrecken“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Neben Günther
Pfeifer, Rainer Burghardt und Peter Melzer war noch ein weiteres notorisch
bekanntes Mitglied der rechtsextremen Szene involviert: Der 1941 geborene
Günther Kümel hatte ähnlich wie Honsik früh seinen Vater verloren. Die „sehr
national“ eingestellte Mutter dekorierte sogar den Weihnachtsbaum mit Bäckerei
in Runenform. Kümel war ab 1956/57 Mitglied im „Bund Heimattreuer Jugend“ und
wechselte nach dessen Auflösung zum „Ring Freiheitlicher Jugend“. 1961
inskribierte er an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät. Vier
Jahre später, am 31. März 1965, schlug Kümel dann während der Demonstration
gegen den deutschnationalen Hochschulprofessor Taras Borodajkweycz den Antifaschisten
Ernst Kirchweger nieder. Dieser starb an den Verletzungen – das erste
politische Todesopfer der Zweiten Republik. Kümel zog es danach vor, im Ausland
unterzutauchen – allerdings taucht sein Name seit 2000 wieder in einschlägigen
Foren auf. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">1961 unternahmen
Honsiks „Werwölfe“ fast ein halbes Jahr lang kleinere Sprengstoff- und
Schussattentate gegen symbolisch wichtige Einrichtungen: Mehrmals wurden
selbstgefertigte Sprengkörper zur Detonation gebracht – und zwar vor der
italienischen Botschaft (28. Mai), vor dem Büro der Fluggesellschaft Alitalia
(25. Juli), vor dem Parlament (in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli), vor der
US-amerikanischen Botschaft (17. August) und der Rückfront des
Parlamentsgebäudes (ebenfalls 17. August). Weiters wurden am 8. Oktober bzw. in
der Nacht vom 27. auf den 28. November auf die Fassade der italienischen
Botschaft sowie erneut auf die Parlaments-Rückfront mehrere Revolver- und
Pistolenschüsse abgegeben. Einer der Täter hatte jeweils aus dem fahrenden Auto
gefeuert.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjnEzEbyxUrRcYuuxvPIdbSgbeD1z0BKyKEQBs3Qd3wBrCzYN_-g3eYjGUHUM92rg7kQdfIAy8FngttSXt0HBB7Zt9AAa7ZsspDO9kzILHJvjnifvl8h3x9OaCBwvk6mtUPd0BjFtkH5P0/s1600/IMG_0201.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjnEzEbyxUrRcYuuxvPIdbSgbeD1z0BKyKEQBs3Qd3wBrCzYN_-g3eYjGUHUM92rg7kQdfIAy8FngttSXt0HBB7Zt9AAa7ZsspDO9kzILHJvjnifvl8h3x9OaCBwvk6mtUPd0BjFtkH5P0/s400/IMG_0201.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die betroffene Rückfront des Parlaments in der Reichsratsstraße</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Diese Taktik hatte man sich offenbar von der </span><i style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Organisation de l’armée secrète </i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">(OAS) abgeschaut. 1961/62 kämpfte
diese für ein französisches Algerien – unter anderem verbreiteten die </span><i style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Delta Kommandos</i><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> der OAS Terror, indem
sie aus Autos völlig wahllos das Feuer auf arabische Passanten eröffneten. Die
Ereignisse in Wien verliefen dagegen unblutig und entbehrten nicht einer
gewissen Komik – wie aus Schilderungen Honsiks bei einer Einvernahme
hervorgeht. So heißt es beispielsweise zum Attentat am 8. Oktober 1961: „Wir
fuhren mit meinem Wagen in die Magazinstraße und starb mir der Motor dort ab.
Da der Wagen trotz Anschieben nicht ansprang, ließen wir ihn vorerst in der
Magazinstraße stehen und gingen zu dem Würstelmann auf dem Rennweg, wo wir uns
‚Heiße‘ kauften. Nach einer Weile gingen wir wieder zum Wagen und setzten uns
hin. […] Es gelang uns, den Wagen anzuschieben und sprang der Motor an. […]
Während ich bei der Botschaft vorbeifuhr, gab mein Bekannter glaublich fünf
Schüsse ab.“ Ein anderes Mal hielt Honsik ein Sprengstoffpaket mit brennender
Lunte „zu lange“ fest. Die Folge waren Schmauchspuren im Gesicht und
Brandwunden an der Hand und am rechten Fuß. Und im Falle des Alitalia-Anschlags
sollte die Zünd-Flamme nicht ausreichen, um die Pappkartonwand des
Sprengkörpers zu durchbrennen.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKWn1hAv8NqZyBrZ07h7MDhUc5fPogGPTy0PsXSzuHi6AKEhWQxTTHU7Fl7o3oqSf5Tu85jo8WaH8akeHtuOglLXqf4ONnUpri_C7Q-9LiPPnUyrhzUBzSZJYFRahTbs_KU6TEHmv2364/s1600/IMG_0209.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKWn1hAv8NqZyBrZ07h7MDhUc5fPogGPTy0PsXSzuHi6AKEhWQxTTHU7Fl7o3oqSf5Tu85jo8WaH8akeHtuOglLXqf4ONnUpri_C7Q-9LiPPnUyrhzUBzSZJYFRahTbs_KU6TEHmv2364/s400/IMG_0209.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Alitalia befindet sich heute noch am Kärntner Ring</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Regierung
durch Waffengewalt zurückzwingen“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Mehrmals wurden an
den Tatorten Plakate mit Parolen zurückgelassen – vor der italienischen
Botschaft wurde zum Beispiel ein mit Blockbuchstaben beschriebener
Packpapierbogen gefunden: „Wir brauchen keine Regierung, die ihre Zeit damit
totschlägt, sich vom Freiheitskampf in Südtirol zu distanzieren. […]
Selbstbestimmung ist für das deutsche Volk gerade genug. Jetzt erst recht.“ Die
jungen Rechtsterroristen versuchten auch bewusst, die Medien für ihre Sache
einzuspannen. Einmal verständigten sie einen Redakteur der Zeitung „Express“
von der Hinterlegung eines Sprengkörpers, woraufhin sich dieser samt Fotograf
rechtzeitig am Tatort einfand. Außerdem schaltete sich Honsik am 22. Dezember
1961 persönlich in die lebhafte öffentliche Debatte ein, indem er ein mit „Der
Werwolf“ gezeichnetes Schreiben an den damaligen Kurier-Chefredakteur Hugo
Portisch schickte. Unter anderem stand darin herausfordernd zu lesen: „Ich, der
ich für sieben der in der letzten Zeit verübten gewaltsamen Demonstrationsakte
verantwortlich bin, erkläre, dass ich bereit bin, mich der Staatspolizei zu
stellen. Ich, der ich bekenne, in mühevoller, gefährlicher Arbeit eine
bewaffnete Organisation aufgebaut zu haben mit dem Ziel die österreichische
Regierung durch Waffengewalt auf den Weg der unverfälschten Demokratie
zurückzuzwingen, den sie noch nie beschritten hat, bin bereit, dieses
Bekenntnis vor jedem beliebigen Forum zu wiederholen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Honsik sollte zu
einem solchen Schritt keine Gelegenheit mehr haben: Der Staatspolizei war
schließlich der entscheidende Durchbruch gelungen. Und zwar hatten die
Attentäter nach der Schussabgabe beim Parlament einen Karton mit der
Aufschrift: „Die deutschen Burschenschaften werden kämpfen!“ liegengelassen.
Daran war ein Couleurband der „Markomannia“ aufgeklebt gewesen. Der Hersteller
konnte ausfindig gemacht, und diese Spur führte schließlich Ende Dezember 1961 zur
Festnahme von Honsik und seiner Mittäter. Am 30. Mai 1962 wurden die Urteile
gefällt: Honsik erhielt eine vierjährige Haftstrafe, sein „Adjutant“ Melzer
kassierte zwei Jahre. Kümel und Burghardt wurden zu je 10 Monaten Arrest
verurteilt, Pfeiffer zu sechs Monaten.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiarpTlwIx8rvpULpxwdeNSMIK-vmJXKaLdJO-2rTyBuTzsYLSU6Q4y52dLDcs9Uxpw-BSEbqrCHPKgHBP3ylKekQhBIouE9n1PjYpK4-1fnyNQfcdKgn4pIH-UxZSqpSp_7VxEBa2ZS9U/s1600/IMG_0213.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiarpTlwIx8rvpULpxwdeNSMIK-vmJXKaLdJO-2rTyBuTzsYLSU6Q4y52dLDcs9Uxpw-BSEbqrCHPKgHBP3ylKekQhBIouE9n1PjYpK4-1fnyNQfcdKgn4pIH-UxZSqpSp_7VxEBa2ZS9U/s400/IMG_0213.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Fassade der italienischen Botschaft am Rennweg wurde beschossen</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Methoden
der illegalen Nazis“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der Staatsanwalt
hatte zuvor gemahnt, die Taten würden an die „Methoden der illegalen
Nazibewegung vor dem Jahre 1938“ erinnern. Und zwar war zwischen 1933 und 1938 mit
Terroranschlägen ein Klima der Unsicherheit erzeugt worden, um so die braune Machtübernahme
in Österreich vorzubereiten. Das Jahr 1961 dagegen war zumindest unblutig
verlaufen – aber die Attentate versetzten die Zweite Republik gehörig in Unruhe.
Ein Teil des Meinungsspektrums konstatierte infolge der Ereignisse: „Der
nazistische Ungeist, […], ist also keineswegs überwunden und vergessen; noch
immer sind faschistische Übeltäter am Werk, und nur die Polizei hindert sie
daran, statt gegen die Toten weiter gegen die Lebenden vorzugehen“ („Arbeiter-Zeitung“,
25. November 1961). Andererseits wurden die Anschläge auch gerne als Taten von
„Nazilausbuben“ bagatellisiert. Nach der Verhaftung von Honsik und seines
Anhangs war beispielsweise in der „Kronen Zeitung“ zu lesen: „Wie sich nun
zeigt, hat die Affäre keine echten politischen Akzente. Es handelt sich
lediglich um die Aktionen krankhaft geltungsbedürftiger junger Leute.“ Das Hin-
und Her bewog sogar den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Oswald
Peterlunger, sich einzuschalten. Er sei der Ansicht, „dass in diesem
Zusammenhange nicht mehr von Lausbubenstreichen gesprochen werden kann und
darf“. Gleichzeitig solle aus „vereinzelten Handlungen“ keine „Hysterie“
erzeugt werden. Die Exekutive habe bewiesen, „mit subversiven Elementen oder
Vereinigungen fertig zu werden“: So verwerflich die Taten einzelner seien, so
könne von einer „ernsten Gefahr seitens faschistischer Elemente“ nicht
gesprochen werden: „Österreich ist seit 1945 eines der ruhigsten und
innenpolitisch ausgeglichendsten Länder in Europa.“ Und: „Wenn es den
politischen Parteien seit dem Jahre 1945 zum Teile nicht gelungen ist, die
Jugend, die immerhin schwerste Erlebnisse hinter sich hat, richtig
anzusprechen, so geht dies nicht auf Konto der Polizei und Sicherheitsbehörden.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Wie bereits erwähnt,
ereigneten sich abgesehen von den Anschlägen der Honsik-Gruppe im „heißen Jahr“
1961 noch zahlreiche weitere rechtsterroristische Taten in Wien: Die Explosion
eines Böllers an der Einfahrt zur Rathausgarage (28. Mai) sowie einer Brandbombe
vor einem italienischen Eissalon in der Alserstraße (13. September), die
Detonation eines Sprengkörpers unter dem geparkten Auto eines Scala-Tenors auf
Gastspiel in Wien (ebenfalls 13. September) sowie ein missglückter Molotow-Cocktail-Anschlag
auf die Wohnung eines Staatsanwalts (20. November). <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Neonazis
intervenieren in Südtirol<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Darüber hinaus
intervenierten österreichische und deutsche Neofaschisten direkt im
Südtirolkonflikt: Angestiftet vom Innsbrucker Universitätsdozenten Norbert
Burger unternahmen im September 1961 vier österreichische und drei deutsche
Studenten in mehreren italienischen Städten Anschläge mit Molotow-Cocktails.
Eine weitere Gruppe beschädigte einen Strommast und beschoss einen
Militärposten im Passeiertal. In der Wiener Bundesregierung läuteten deswegen
die Alarmglocken. In der Sitzung des Ministerrats vom 12. September 1961 mahnte
Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ): „Ich bin überzeugt, dass der Radikalismus
nicht nachlassen wird, wenn die Verhandlungen wieder evasiv geführt werden,
wird er wieder wachsen. Die Nachrichten sagen, dass die Verhörmethoden sich
sehr verschärft haben. […] Die Täte der letzten Terrorakte sind zum Teil aus
Österreich gekommen. […] In Südtirol ist es ein öffentliches Geheimnis, dass
eine Schießerei in Passei von einer Gruppe durchgeführt wurde, die sich nach
Österreich zurückgezogen hat; natürlich sind alle Gruppen in der Sache
verwickelt. Ehemalige Nazi, Kommunisten und alle, die Unruhe haben wollen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Brisanterweise waren die
Burger-Leute Ende 1959 von einem Ex-Untergebenen des Befehlshabers der
SS-Spezialverbände, Otto Skorzeny, im Zillertal in der Handhabung von
Sprengstoff ausgebildet worden. Skorzeny befand sich bis zum seinem Tod 1975 im
franquistischen Spanien und war eine Anlaufstelle für Rechtsextremisten, darunter
auch für Burger. Justizminister Christian Broda (SPÖ) klärte den Ministerrat
auf: „Die Verbindungen von Burger gehen bis zu Skorzeny in Madrid. […] Skorzeny
hat dann Burger weitergewiesen zu deutschen oder belgischen Quellen von
Sprengstoffmaterial. Darüber haben die deutschen Behörden seit Monaten Kenntnis
gehabt. Uns haben sie im August in Kenntnis gesetzt. Jetzt bekommen wir
Niederschriften, die aus dem April stammen.“ Als Konsequenz wurde im Dezember
1961 die Burschenschaft „Olympia“, der Burger und einige der verhafteten
Attentäter angehört hatten, vom Innenministerium aufgelöst (1973 sollte sich
die Verbindung neu konstituieren). Burger floh zwischenzeitlich in die BRD und
wurde 1967 gemeinsam mit 14 weiteren Angeklagten von einem Linzer
Geschworenengericht freigesprochen. Ein Jahr später fasste er dann doch acht
Monate aus. Man setzte ihn prompt auf freien Fuß, weil er die Strafe in der
Untersuchungshaft bereits verbüßt hatte.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Neue
Betätigungsfelder<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In Südtirol hatte
sich die Gewalt im Verlauf der 1960er gesteigert: Zwischen 1961 und 1967
starben 15 italienische Militärs, Polizisten und Zöllner. Weiters kamen zwei
Zivilisten sowie vier Aktivisten ums Leben. In Österreich kam es im Gegenzug
1961 (Sprengung des Andreas Hofer-Denkmals in Innsbruck) und 1963 (zwei Bombenattentate
in Ebensee) zu Vergeltungsschlägen italienischer Neofaschisten. Ebenso wenig zu
Ende war der Terror einheimischer Extremisten: Um 04.51 Uhr früh am 20. August
1966, vor 50 Jahren, detonierte eine 10kg-Bombe vor dem Alitalia-Büro am Kärntner
Ring, das schon 1961 ein Ziel gewesen war. Das Geschäftsportal wurde
zertrümmert. Die Druckwelle riss die Fensterstühle der umliegenden Häuser
heraus und richtete noch in der tiefer gelegenen Opernpassage Verwüstungen an.
Nur durch Zufall gab es keine Opfer zu beklagen – zum Zeitpunkt der Explosion
war ein starker Gewitterregen niedergegangen, der Passanten anderswo zum
Unterstellen zwang. Schon bald wurden die Täter ausgeforscht: Hannes Falk und
Emanuel Kubart. Nach Aussage des letzteren wollten sie mit dem Anschlag gegen
damals laufende Geheimverhandlungen zwischen Österreich und Italien
protestieren.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nachdem der Südtirolkonflikt
1969 schließlich auf diplomatischen Weg entschärft werden konnte, suchte sich der
Rechtsextremismus neue Betätigungsfelder: Burger gründete 1967 die
Nationaldemokratische Partei (NDP), um die sich zahlreiche Klein- und
Wehrsportgruppen scharrten. In den 1980er Jahren waren Exponenten aus diesem
Umfeld in eine Serie antisemitisch motivierter Bombenanschläge verwickelt. In
den 1990er Jahren folgten dann der Briefbombenterror und das Attentat in
Oberwart (1995) – mit vier Todesopfern bis heute der blutigste
rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der 2. Republik. Hier dürfte
mit Franz Fuchs ein Einzeltäter am Werk gewesen sein. Auch heute sendet die
Szene deutliche Lebenszeichen aus: So wurde 2013 in Oberösterreich ein
kriminelles Neonazi-Netzwerk zerschlagen („Objekt 21“). Zuletzt ist die Zahl
der rechtsextrem und rassistisch motivierten Straftaten stark gestiegen. 2015
wurden insgesamt wurden 1.156 Fälle registriert, 54 Prozent mehr als noch im
Vorjahr. </span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-55861006491689528512016-04-29T00:10:00.000-07:002016-04-29T00:22:39.664-07:00„Dem Terror nicht beugen“: Das Attentat auf Heinz Nittel vor 35 Jahren<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Am
1. Mai 1981, vor 35 Jahren, wurde der Wiener Stadtrat Heinz Nittel von
Terroristen erschossen. Er ist bis heute der einzige Politiker der 2. Republik,
der einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Mehr als drei Jahrzehnte nach den
Schüssen in Hietzing herrscht in Österreich wieder Terrorangst. Die Explosionen
in Brüssel am 22. März 2016 haben die Bedrohung unterstrichen, die nunmehr von
Seiten radikaler Islamisten kommt. Auch wenn die Nittel-Mörder im Vergleich von
einer säkularen Organisation stammten, so gibt es doch viele Parallelen zum
Heute: Die Brutalität sowie das Kalkül, mit der Verbreitung von Angst und
Schrecken einen Politikwechsel zu erzwingen. Der Tod Heinz Nittels stand
insofern am Anfang einer längeren Periode von Gewalt, die das bis dahin als
„Insel der Seligen“ bekannte Österreich nachhaltig erschütterte.</span></b></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgp5yznjFodhH9Bgl88dKie6MDwOoObX1b_jNgeTFsVSCaPcclFqpSFULjui2Z4OLJRHafidbpxEkM6OQfxXGkhgSC3R9PzM5OHxx24IhOHr4L3e0WcZBIXfNJTaTiYvF4rpKKbGPjXZhQ/s1600/DSCF0745.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgp5yznjFodhH9Bgl88dKie6MDwOoObX1b_jNgeTFsVSCaPcclFqpSFULjui2Z4OLJRHafidbpxEkM6OQfxXGkhgSC3R9PzM5OHxx24IhOHr4L3e0WcZBIXfNJTaTiYvF4rpKKbGPjXZhQ/s400/DSCF0745.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Gedenktafel am Turm des Wiener Rathauses (alle Fotos: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Es hat an diesem
Freitag-Vormittag leicht geregnet: Um 06.45 Uhr ist Chauffeur Herbert R. in die
Bossigasse in Wien-Hietzing bestellt. Dort sollt er seinen Chef, den
Amtsführenden Stadtrat Heinz Nittel, von Zuhause abholen und zum Liebenbergdenkmal
im 1. Bezirk bringen. Nittel und seine Gattin wollen sich anschließend in eine
Gruppe von Straßenbahnern einreihen, um dann zum „Tag der Arbeit“ auf dem
Rathausplatz einzuziehen. Doch soweit sollte es nicht kommen. Gegen 7 Uhr kommt
Nittel – in grüner Joppe und einem „Bergsteigerhut“ – zum Wagen und nimmt am
Beifahrersitz Platz. Man wartet noch auf Frau Nittel. Genau in diesem Moment
fallen drei Pistolenschüsse aus nächster Nähe. Der Schütze hatte sich zuvor auf
dem Gehsteig zwischen Bossigasse und dem Wohnhaus genähert und mit einer
Pistole durch die Scheibe gefeuert. Nittel ist auf der Stelle tot. Der
Chauffeur bleibt unverletzt und bekommt alles aus nächster Nähe mit: „Ich sah
sofort, dass der Stadtrat am Kopf getroffen wurde. Er rutschte etwas seitlich
zu mir und sein Kopf hing etwas nach der linken Seite. […] Noch während die
Schüsse abgegeben wurden und ich das Fensterglas des Wagens zersplittern hörte,
beugte ich mich tief nach vor, um gegen die Schüsse Deckung zu haben.“ Der
geschockte Fahrer sieht noch einen Unbekannten, der sich eine Kapuze über den
Kopf gezogen hatte, weglaufen - „ganz locker, wie ein Jogger“.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiMepjasHLX6H4fnCK0kq1sW3WXELmU9vjCTkdkV_NTFoCrmVShZe1KeDigq1juNL-M3Fv5YSEFcEgYdZA4zUN0sjCjTV2eB63ne8T5Snixc0hLlQtTeQqqq6dm8-2pVldHDu3Dwn-3tpY/s1600/DSCF2670.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiMepjasHLX6H4fnCK0kq1sW3WXELmU9vjCTkdkV_NTFoCrmVShZe1KeDigq1juNL-M3Fv5YSEFcEgYdZA4zUN0sjCjTV2eB63ne8T5Snixc0hLlQtTeQqqq6dm8-2pVldHDu3Dwn-3tpY/s400/DSCF2670.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Gedenkstein am Roten Berg - unweit vom Tatort</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Appartschik
als Supermann“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die Nachricht vom
Tode des 51jährigen Stadtrates stieß auf ungläubiges Entsetzen. Auf dem Rathausplatz
wurde gegen 08.10 Uhr mitten in den Mikrofonproben verlautbart: „Der heutige Maiaufmarsch
der Wiener SPÖ ist abgesagt.“ Stattdessen fand eine improvisierte Trauerkundgebung
statt. Während die Fahnen auf Halbmast wehten, erklärte Bürgermeister Leopold
Gratz, dass es noch zu früh sei, „zu sagen oder auch zu vermuten, was hinter
diesem unerklärlichen Mordanschlag steckt. Aber eines sollten wir mit aller
Deutlichkeit jenen sagen, denen unser Land und unsere Demokratie am Herzen
liegt: Erkennen wir, dass das eine Mahnung ist an alle, die in der politischen
Auseinandersetzung die extreme Personalisierung und nicht nur die politische
Gegnerschaft, sondern den politischen Hass erzeugen.“ Gratz spielte darauf an,
dass Nittel in seiner Eigenschaft als Wiener Verkehrsstadtrat nicht unumstritten
gewesen war. Eine von ihm befürwortete Flötzersteig-„Autobahn“ hatte Proteste
hervorgerufen. Der Stadtrat erhielt Drohbriefe. Von diesen Querelen abgesehen
galt Nittel als pragmatischer Macher. Der Nichtraucher, Anti-Alkoholiker und Präsident
der Arbeiterfischer saß seit 1976 in der Stadtregierung. Ab 1979 war er für die
Geschäftsgruppe Straße, Verkehr und Energie zuständig. <i>profil</i>-Journalist Alfred Worm bescheinigte Nittel einmal den
„politischen Charme einer Großkläranlage“, streute dem „Realist(en) im
sozialistischen Wiener Rathaus“ aber gleichzeitig Rosen: „Appartschik als
Supermann“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Warum nun ausgerechnet
Nittel einem Mord zum Opfer gefallen war, darauf konnte sich zunächst niemand
einen Reim machen. Bundeskanzler Bruno Kreisky dachte gar an ein Attentat der
Wiener Unterwelt – auf der Mariahilfer Straße war er im Dienstwagen einmal selbst
in einen Schusswechsel geraten. Der damalige Innenminister Erwin Lanc erinnert
sich noch heute an die aufgeregte Stimmung: „Es ist alles Mögliche herumgeraten
worden. Ein Kolumnist ist ganz aufgeregt zu mir gekommen: Da waren vorher
einige Demonstrationen von 15- bis 17jährigen, die ‚keine Macht für Niemanden‘
gefordert haben. Und mir hat man den Vorwurf gemacht, dass ich nicht
entsprechend dreinhauen habe lassen. Der Journalist hat mich gefragt: ‚Waren das
nicht die?‘ Und ich habe gesagt, ‚das waren sie sicher nicht.‘ Daraufhin hat er
geschrieben: ‚Was ist das für ein Innenminister, der weiß schon jetzt, wer es
nicht war, er soll wissen wer es war.‘“</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjuFd40xzr1PDyB3yYb4r-565-mHrTKOcAhMvvhUxf97QW8oxOEE5PgLhxM4FEB9mAif02pKSWqmJvoU0LOlUxgv8xlSX4jDiP09Cgu8tPCBmZWcIXDUu_K6NIc7IR5iypyGR1VS5GnQFw/s1600/DSCF2678.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjuFd40xzr1PDyB3yYb4r-565-mHrTKOcAhMvvhUxf97QW8oxOEE5PgLhxM4FEB9mAif02pKSWqmJvoU0LOlUxgv8xlSX4jDiP09Cgu8tPCBmZWcIXDUu_K6NIc7IR5iypyGR1VS5GnQFw/s400/DSCF2678.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Auf seiner Flucht ließ der Mörder in dieser Hecke seine "NATO-Jacke" zurück</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Kreiskys
Nahostpolitik und ihre Feinde</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Schon am 3. Mai 1981
war ein obskures Bekennerschreiben einer palästinensischen Terrorgruppe
eingelangt, das in der Debatte lange bagatellisiert wurde. Dabei hatte die Spur
Substrat: Der konfessionslose Nittel war ab 1978 Präsident der
Österreichisch-Israelischen Gesellschaft (ÖIG) und Mitbegründer des <i>Jewish Welcome Service</i>. Er trat für
Solidarität mit Israel ein – was ihn mitunter in Gegensatz zu Kreisky brachte, der
mit der Sache der Palästinenser sympathisierte. Dieses Engagement Kreiskys
verfolgte auch das Ziel, präventiv Sicherheit zu schaffen. Denn als Transitland
für die jüdische Emigration aus dem Sowjetblock nach Israel war Österreich
damals in den Nahostkonflikt involviert: Mehrmals hatten arabische
Terrorgruppen Geiselnahmen von Auswanderern geplant oder durchgeführt. Daher
stärkte Kreisky dem als „gemäßigt“ geltenden Vorsitzenden der Palästinensischen
Befreiungsbewegung (PLO), Jassir Arafat, den Rücken.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">1976 hatte der
Bundeskanzler, von einer Nahost-Reise zurück, seine Strategie im Rahmen einer
Pressekonferenz umrissen – es sei wesentlich, die PLO aus dem Untergrund „ins
Licht der vollen Verantwortung“ zu holen: „Sie hat jetzt bei den Vereinten
Nationen Beobachterstatus und kann nicht mehr ignoriert werden. In dem Maße, in
dem sich eine solche Organisation aber Gehör verschaffen kann, ist für sie
Terror nicht mehr notwendig.“ Von der OPEC-Geiselnahme habe sich die PLO
ohnedies glaubwürdig distanziert: „Der Überfall sei von der sogenannten ‚Front
der Ablehnung‘ begangen worden.“ In den darauffolgenden Jahren protegierte
Kreisky einen geheimen Dialog zwischen PLO-Emissären und der israelischen
Friedensbewegung. Er sorgte für die Vernetzung von PLO-Repräsentanten mit
Entscheidungsträgern der Sozialistischen Internationale (SI) und fungierte als
Gastgeber für die ersten Empfänge Arafats auf dem diplomatischen Parkett. Vor
allem aber erkannte Österreich als erster westlicher Staat die PLO 1979
offiziell an, um damit eine internationale Vorbildwirkung zu entfalten. Auf
diese Weise sollte es Arafat möglich sein, die innerlich zersplitterte PLO
hinter einer friedlichen Lösung des Konfliktes zu vereinen und letztlich auch
Terror von Österreich fernzuhalten.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Doch diese Rechnung
ging nicht auf: Unterstützt von Syrien, Irak und Libyen wollte der
PLO-Abtrünnige Sabri al-Bana – genannt Abu Nidal („Vater des Schreckens“) – jede
Entspannung verhindern. Und deshalb traf sein stark antisemitisch motivierter Terror
gerade auch Länder wie Österreich, die sich um Vermittlung bemühten. Seit Ende
der 1970er Jahre befanden sich hier „Schläfer“ der Abu-Nidal-Organisation (ANO).
Einer von ihnen war der 1960 in Bagdad geborene Husham Rajih. Auf der Suche
nach „zionistischen Zielen“ in Österreich fiel Rajih am 24. Februar 1981 eine
Kurzmeldung in der <i>Arbeiter-Zeitung</i>
auf. Darin wurde über einen Tel Aviv-Besuch Nittels in seiner Eigenschaft als
ÖIG-Präsident berichtet. Rajih verständigte seinen Führungsoffizier, der den
Vorschlag an die Zentrale der Abu-Nidal-Organisation in Bagdad weiterleitete.
Ungefähr nach einer Woche kam das ok. „Nittel“, so Rajih später bei einer
Vernehmung, „war aus verschiedenen Gründen ein interessantes Ziel für uns, da
er einerseits Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft war,
weiters ein sozialistischer Politiker war, der nach unserer Ansicht der
österreichischen Vermittlertätigkeit PLO-Israel einen Anteil hatte und
zusätzlich seine internationale Bedeutung nicht so groß war, dass ein Negativeffekt
wie ja allenfalls bei Kreisky zu befürchten war.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Bevor Rajih zuschlug,
hatte er die Lebensgewohnheiten Nittels ausgekundschaftet – weil ihm die
Telefonauskunft zunächst keine Adresse geben wollte, besuchte er eine Bekannte
an ihrem Büroarbeitsplatz. Dort nutzte Rajih eine Gelegenheit, um über das
Firmen-Telefon anzurufen. Diesmal klappte es, und er bekam die Info. Der „Tag
der Arbeit“ wurde dann von Rajih bewusst als passender Zeitpunkt für das
Attentat ausgewählt, „weil wir annahmen, dass Nittel bei den diversen Maifeiern
anwesend sein würde und daher irgendwann sein Haus verlassen musste.“ So war es
dann auch.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Warnung
an Kreisky“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Am 25. Mai 1981
konnte das Nachrichtenmagazin<i> profil</i>
mit einer sensationellen Meldung aufmachen. Das Magazin hatte nach
Bekanntwerden des ersten Bekennerflugblattes eine freie Journalistin damit
beauftragt, im Nahen Osten zu recherchieren. Über Quellen bei der PLO in Beirut
gelang es Renate Possarnig, mit der ANO in Kontakt zu treten. Sie führte mit
drei Mitgliedern in deren offiziellen Büro in Damaskus ein zweistündiges
Interview. In dessen Verlauf bekannten sich die ANO-Leute zum Mord an Nittel:
„Die Gründe, die uns veranlasst haben, diesen Mann hinzurichten, sind: Er hat
Aktivitäten gegen die Palästinenser in Wien unternommen. Zweitens: Er hat
Spionage gegen die Palästinenser betrieben. Drittens: Er hat die Rolle eines
Vermittlers zwischen Personen in der Führung der PLO und den Zionisten
übernommen. Nittel hat Zusammentreffen in Wien und außerhalb Wiens arrangiert.
Das betrachten wir als aggressive Handlung.“ Possarnigs Gesprächspartner
sprachen von einer „Warnung an Kreisky“ und kündigten an, auch den
Bundeskanzler zu töten, falls dieser seine „Vermittlertätigkeit zwischen Israel
und der PLO nicht einstellt“ – „Wenn er seine Verschwörungen gegen das
palästinensische Volk nicht aufgibt, werden wir auch ihn umbringen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Lässt man die völlig
abstrusen Rechtfertigungsversuche außer Acht, so war das Kalkül der Terroristen
klar. Am 16. Juni 1981 berichtete Lanc der Regierung zum diesbezüglichen
Ermittlungsstand: „Es ist jetzt eindeutig erwiesen, dass es sich um die
Terrorgruppe Abu Nidal, die vom Irak gesponsert wurde, handelt. Die PLO hat Abu
Nidal selbst zum Tode verurteilt. Der Irak hat sich dann auch von dieser
Terrorgruppe zurückgezogen, deren Operationssitz und die Unterstützung
finanzieller Art erfolgt jetzt in Syrien. Das erklärte Ziel ist es,
PLO-Botschafter, Moderate, Arafat, Nittel und Kreisky zu ermorden. Nittel hat
bei einer Pressekonferenz im Februar dieses Jahres in Israel mitgeteilt, dass
es ihn freut, dass immer mehr wachsende Verhandlungsbereitschaft Israels zu
einer friedlichen Lösung vorliegt. Genau aber eine friedliche Lösung will diese
Terrorgruppe unter gar keinen Umständen.“ So notierte es ein
Sitzungsteilnehmer, Handels- und Industrieminister Josef Staribacher, in sein Tagebuch.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die erwähnte Drohung
gegen das Leben Kreiskys war ernst – „seit Anfang Juni 1981 bestehen
Informationen“, dass die ANO „ein Attentat gegen den österreichischen
Bundeskanzler durchführen will“, heißt es in einem staatspolizeilichen
Schreiben, das direkt an den Kabinettschef ging. Um „optimale Sicherheit“ auch
im Bundeskanzleramt zu gewährleisten, würden seit dieser Zeit „verschärfte
Kontrollen“ durchgeführt. Allerdings seien bei den Pressegesprächen im
Anschluss an den Ministerrat auch Journalisten anwesend, die „unbekannt“ wären
– und weil Kreisky dafür bekannt sei, „auf Tuchfühlung“ zu gehen, ergäben sich
daraus „Probleme“. Daher wurden „ansteckbare Legitimationen“ angeregt. Aber
nicht nur der Arbeitsplatz des Bundeskanzlers wurde gesichert, auch rund um
dessen Privatwohnung in der Armbrustergasse zog man einen engen Kordon.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDMHD2JxnbwEWiah2p5cNsWobzJNjXNxN2fAcRCp0BueeOdubo2q0Ve2bSCbNz_dlTzHg_vgGE1Y68UEikewxnqLi_mAir0wxw4pWAvebtVMfrvH767trXoV6DBF0GK3UVe1jUGXbDy_k/s1600/DSC_3228.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="225" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDMHD2JxnbwEWiah2p5cNsWobzJNjXNxN2fAcRCp0BueeOdubo2q0Ve2bSCbNz_dlTzHg_vgGE1Y68UEikewxnqLi_mAir0wxw4pWAvebtVMfrvH767trXoV6DBF0GK3UVe1jUGXbDy_k/s400/DSC_3228.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Kreisky-Villa in der Armbrustergasse heute</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Anschlag
auf die Wiener Synagoge</span></b><br />
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der Polizei ins Netz
ging der Nittel-Attentäter Rajih am 29. August 1981 – als er gemeinsam mit dem 25jährigen
Palästinenser Marwan Hassan versuchte, in den Wiener Stadttempel einzudringen.
Wäre dies den beiden ANO-Leuten gelungen, hätten sie ein Massaker unter den
Gläubigen angerichtet, die sich gerade zur Bar</span>-<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Mizwah-Feier für den zwölfjährigen Sohn eines
„Schöps“-Teilhabers versammelt hatten. Glück im Unglück war, dass die
Tempelwächter das Tor noch geistesgegenwärtig verschlossen. Vor dem Gebäude
wiederum hatte der anwesende „Schöps“-Besitzer seinen Leibwächter zurückgelassen
hatten. Dieser 28jährige Mann schoss zurück, als die beiden Terroristen auf
eine Menschenansammlung vor der Synagoge feuerten und Handgranaten warfen.
Während sein Kollege schwer verletzt zusammenbrach, konnte Rajih noch ein paar
Gassen weiter flüchten, bis ihn ein Polizist stellte. Die Opferbilanz betrug zwei
Tote und 22 Verletzte. Ein paar Wochen später, am 28. Oktober 1981, klickten dann
auch für den ANO-Führungsoffizier Bahij Younis in seinem Salzburger Versteck die
Handschellen.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhhyphenhyphenmr5whpvZBV0JOknFfPIN6LELam3Sk40qDuYjCm2zT4N8QsMyi7jNedfRWl8MG6LppYJGgTEOI5541NzbIj_1wTHQ4VmI1K_vatl_eeiffpGDz4PuotnTZKPnourPPLRKlJt_o2Zr9Y/s1600/IMG_0219.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhhyphenhyphenmr5whpvZBV0JOknFfPIN6LELam3Sk40qDuYjCm2zT4N8QsMyi7jNedfRWl8MG6LppYJGgTEOI5541NzbIj_1wTHQ4VmI1K_vatl_eeiffpGDz4PuotnTZKPnourPPLRKlJt_o2Zr9Y/s400/IMG_0219.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Synagoge in der Seitenstettengasse</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Falls die Terroristen
geglaubt hatten, sie könnten Kreisky zu einer Haltungsänderung zwingen, lagen
sie falsch. Am 1. September 1981, wenige Tage nach dem Synagogenanschlag, protokollierte
Staribacher folgende Aussage des Bundeskanzlers: „Obwohl er keine
Vermittlerrolle anstrebt, denn dazu müssten ihn ja beide also auch die Israeli
ersuchen. Er wird keine opportunistische Politik machen, er hält die Idee nicht
dabei zu sein, sozusagen sich zu distanzieren falsch. […] Kreisky meint, was
immer er gesagt hat, ist ihm auch recht, er will niemanden auf seine Politik
binden, doch er wird sie wie bisher fortsetzen. Kreisky meint auch, die
Regierungsmitglieder sollten darüber berichten, wenn sie sich damit nicht identifizieren
können, ist es ihm auch recht, wenn man sozusagen schweigt. Für Österreich hat
diese arabisch-freundliche Politik große wirtschaftliche Vorteile. Die Araber
sind nicht nur mit zwei Drittel die Energielieferanten der Welt, sondern auch
die größten Weltgeldgeber. Schon aus diesen wirtschaftlichen Gründen können die
Araber daher nicht politisch unterlegen. Seine Politik sei nicht Rechthaberei
und schon gar nicht Altersstarrsinn, sondern durch diese ökonomische, aber auch
politische Situation begründet und werde fortgesetzt.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Ich
werde mich nicht beugen“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nicht viel anderes
argumentierte Kreisky, als ihn ein Journalist provokant fragte, ob nicht die Nahostpolitik
für den Tod von Nittel und der beiden Opfer des Synagogenanschlags
verantwortlich sei: Eben weil er über gute Kontakte in den Nahen Osten verfüge,
sei Österreich bislang vom Terror verschont geblieben: „Es gibt Hunderte
Menschen, die heute am Leben sind, weil wir diese Politik betrieben haben.
Vergessen Sie nicht, welche Bürde wir auf uns genommen haben, als wir uns
bereit erklärten, russischen Juden die Ein- und Weiterreise zu ermöglichen.“
Den Einwand des Redakteurs, wonach dies wohl eine „Selbstverständlichkeit“ sei,
ließ Kreisky nicht stehen: „Ja, aber den Umstand, dass es bisher keinen einzigen
Toten gegeben hat – wobei ich nicht weiß, was die Zukunft bringen wird – ,
buche ich nicht zuletzt darauf, dass es dieses gute Verhältnis zur PLO gegeben
hat.“ Der Zukunft sehe er allerdings „mit großer Besorgnis“ entgegen, mahnte
Kreisky: „Wir stehen am Anfang einer neuen Terrorwelle“ und fügte im
kämpferischen Ton hinzu: „Ich werde mich nicht beugen, ich weiche nicht der
Gewalt“. Mit letzterem Hinweis meinte Kreisky seine eigene nahostpolitische
Linie gegenüber der PLO, an der auch dann festzuhalten sei, „wenn damit gewisse
Gefahren verbunden sind“ – „man kann nicht sozusagen den Extremisten recht
geben und sich von ihnen einschüchtern lassen.“ Kreisky hielt hier auch Wort,
wenngleich er Arafat zunehmend illusionslos gegenüberstand. Nach seinem Rücktritt
1983 wurde die aktive Nahostpolitik allerdings schrittweise aufgegeben. Mit dem
Wechsel des Außenamts zur ÖVP (1987) erfolgte eine grundsätzliche
Neuorientierung hin zu europäischen Belangen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ein
ungesühnter Mord<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Was im Falle der
inhaftierten ANO-Attentäter weiters geschah, ist kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat:
Anfang 1982 wurden Rajih und Hassan je zu Lebenslang verurteilt. Rajih, den man
auch wegen des Mordes an Nittel angeklagt hatte, wurde hier „nur“ wegen Beihilfe
verurteilt. Dass die Geschworenen zu diesem Schluss kamen, hing damit zusammen,
dass Rajih sein ursprüngliches Geständnis widerrufen hatte („Ich habe lediglich
die Tat selbst nicht getan“). Der Prozess gegen Younis musste gleich dreimal
wiederholt werden – 1984 kassierte er wegen „entfernter Mittäterschaft“ 20
Jahre Haft. Hinter den Kulissen lief danach ein schmutziges Spiel ab: Abu Nidal
wollte vor allem Younis freipressen. Ende 1985 griff seine Organisation den
El-Al-Schalter in Wien-Schwechat an – wiederum starben vier Menschen und 39
wurden verletzt. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, vereinbarte man einen
„Waffenstillstand“: Zwecks Betreuung „gefangener Kameraden“ wurde es der ANO erlaubt,
unter strengster Geheimhaltung einen „Botschafter“ in Wien zu platzieren. Bis 1993
kamen abwechselnd fünf ANO-Leute. Die zugewiesene Wohnung, zuerst in der
Koppstraße, dann in der Viaduktgasse und schließlich in der Geblergasse, wurde
„rund um die Uhr“ überwacht. Anschläge ereigneten sich keine mehr. Auch gelang
es, Forderungen nach vorzeitiger Entlassung von Younis auf die lange Bank zu
schieben. Erst nachdem er zwei Drittel seiner Strafe abgesessen hatte, durfte
er 1995 das Gefängnis verlassen. Rajih hingegen wurde 1994 an Belgien
überstellt, weil er in Verdacht stand, dort einen PLO-Vertreter ermordet zu haben.
Die Verdachtslage war dünn. Trotzdem wurde er ohne Bedingungen ausgeliefert. 1996
ging Rajih tatsächlich frei und tauchte prompt im Nahen Osten unter – der Mord
an Heinz Nittel ist damit ungesühnt.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWow6IfnnafdCp3ViRQtmKin3pQV6K5y__2ZJwI_AK_s_Ow_1eUcu7HF_MVRBpBJPN1Jq0WAmlomHkCBAojC7H555Pd9OWFVg_BobjI_9tRIUI1k08ofDmSdeH_9inXruADoJC2PezMgA/s1600/DSCF0742.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWow6IfnnafdCp3ViRQtmKin3pQV6K5y__2ZJwI_AK_s_Ow_1eUcu7HF_MVRBpBJPN1Jq0WAmlomHkCBAojC7H555Pd9OWFVg_BobjI_9tRIUI1k08ofDmSdeH_9inXruADoJC2PezMgA/s320/DSCF0742.JPG" width="240" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Eine der ANO-Wohnungen befand sich hier in der Vidaduktgasse</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Heute:
Schrankenloser Terror</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Heute ist Österreich
wieder vom Terror bedroht. Die Attentate der ANO waren war noch zum Teil von
staatlichen Hintermännern gesteuert und sollten ein bestimmtes Ziel
durchzusetzen – Österreich, davon abschrecken, sich für eine Friedenslösung in
Nahost starkzumachen. In den mehr als drei Jahrzehnten seitdem ist Terrorismus
zu einer Bedrohung für „alle“ geworden – niemand soll sich mehr sicher fühlen. Zuletzt
wurden in Paris (2015) und Brüssel (2016) Menschenansammlungen im öffentlichen
Raum zum Ziel konzertierter Attacken mit der Absicht wahllose Massenverluste
anzurichten. Hier wird deutlich, in welchem Umfang sich der Terrorismus seit
1981 entgrenzt hat: Bei der Gewalt gibt es keine Beschränkung mehr, und das
Kalkül dahinter hat sich zur Provokation eines apokalyptischen „Kriegs der
Zivilisationen“ verschwommen.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-11078639051630866962016-04-05T23:19:00.001-07:002017-11-10T11:21:16.078-08:00„Das schlechteste Geschäft, das es gibt“: Die Waffendeals der österreichischen Verstaatlichten<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Auf Twitter oder
Youtube-Videos aus dem Nahen Osten sind in den letzten Monaten immer öfter Bilder
des österreichischen Steyr AUG (Armeeuniversalgewehr) aufgetaucht – vor allem
im Bürgerkriegsland Jemen sind mittlerweile große Mengen am Markt, sodass die
Waffe inzwischen so billig zu haben ist wie eine Kalaschnikow. Wie das Steyr
AUG in den Jemen gelangt ist, lässt sich einfach erklären: 1980 waren 50.000.
Stück und 30.000 Maschinenpistolen für rund 500 Millionen Schilling von
Österreich nach Saudi-Arabien exportiert worden. Nun warf die saudische
Luftwaffe diese Waffen über dem Gebiet verbündeter Kräfte ab, die im
Bürgerkrieg gegen die Houthi-Rebellen und die Truppen des ehemaligen
jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh kämpfen. Darüber hinaus wurde
kürzlich bekannt, dass zwischen 2006 und 2015 285.379 Granaten, 16.128 Panzerminen
und 399 Gewehre aus Österreich an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert
wurden – auch zwar auch nachdem Truppen der VAE an der Niederschlagung des
Aufstands im benachbarten Bahrain (2011) beteiligt waren.</b> </span><b style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Dass
österreichische Waffen heute wieder vermehrt in Kriegsgebieten auftauchen,
erinnert an eine unheilvolle Periode in der Geschichte der 2. Republik.</b><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDqEd5_ROk3C14eZT00Jo8prNBRXin4CFKYLRQQfDlbe-dKEV0dIWuTenXw6m3Yvqd1w929O-n3MDeN5qwcdVsOG_h_badWlwSt9ouw-Z19SL4DdUnafmZ0FRbhUGKQ0s8usjxTCQDp6w/s1600/1280px-Steyr_AUG_DM-SN-97-00196.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="265" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDqEd5_ROk3C14eZT00Jo8prNBRXin4CFKYLRQQfDlbe-dKEV0dIWuTenXw6m3Yvqd1w929O-n3MDeN5qwcdVsOG_h_badWlwSt9ouw-Z19SL4DdUnafmZ0FRbhUGKQ0s8usjxTCQDp6w/s400/1280px-Steyr_AUG_DM-SN-97-00196.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Exportschlager Steyr AUG, hier in Australien (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In den
1970er und 1980er Jahre führten vor allem staatliche Unternehmen zahlreiche
Waffenexporte durch, die schließlich 1985-1993 in den sogenannten
Noricum-Skandal mündeten. Auslöser waren illegale Waffengeschäfte mit Irak und Iran
während des 1. Golfkriegs (1980-1988). Geliefert hatte die Noricum
Maschinenhandels GmbH – eine Tochterfirma der VOEST-Alpine, damals das
Schwergewicht der Verstaatlichten Industrie. Das Geschäft umfasste insgesamt 353
Noricum-Haubitzen, Munition und Zubehör. Damit verstieß man gegen das
Kriegsmaterialexportgesetz. Dieses untersagte den Waffenverkauf an
kriegsführende Staaten. Nachdem die Geschäfte Ende der 1980er Jahre öffentlich
wurden, stellte sich die Frage nach der Verantwortung. Diese wurde im Rahmen
eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und mehrerer Prozesse gegen
Manager und Ex-Politiker geklärt.</span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Unter
der Tuchent“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Ursachen des
Noricum-Skandals liegen tief: Ab Mitte der 1970er Jahre geriet Österreich in
eine Wirtschaftskrise. Der Ölpreisschock von 1973/74 hatte die Energiepreise
verteuert. Das traf den Stahl- und Eisenbereich – die Schwergewichte der
Verstaatlichten Industrie. Die darin zusammengefassten Betriebe zählten in den
1970er Jahren etwa 125.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Das waren rund 20
Prozent der Industriebeschäftigten. Im Winter 1980/81 sollte die
Arbeitslosenzahl erstmals die symbolische Marke von 100.000 Personen
überschreiten.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In dieser Situation
wurde der „Kampf um Vollbeschäftigung“ zur „staatspolitischen Leitlinie“. So
urteilt der Kreisky-Biograph Wolfgang Petritsch. Schon 1990 gab der Präsident
des Österreichischen Gewerkschaftsbund, Anton Benya, als Zeuge im
Noricum-Verfahren an: „Die Regierung war daran interessiert, ganz gleich, ob
das bei der VOEST-Alpine oder bei privaten Firmen war: Beschäftigung!
Beschäftigung, Beschäftigung für die Menschen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Stahlkrise und
der damit verbundene Nachfrageeinbruch legten die Strukturschwächen einzelner
VOEST-Standorte offen. Da Massenentlassungen nicht in Frage kamen, wählte man
eine andere Strategie: Den Einstieg in neue Bereiche und Technologien. Darunter
Waffenproduktion. Am 1. September 1979 wurde ein eigener Geschäftsbereich, die
„Wehrtechnik“, installiert. Als Verkaufsschiene diente hierfür die Firma
„Noricum “, die man im steirischen Liezen aufbaute. Von dem kanadischen
Ingenieur Gerald Bull erwarb die VOEST für zwei Millionen Dollar die Lizenz
zur Erzeugung des <i>Gun Howitzer Noricum</i>
– kurz GHN-45. Hierbei handelte es sich angeblich um „das beste Geschütz der
Welt“– die sowohl mit konventioneller Munition als auch mit taktischen
Nuklearwaffen bestückt werden konnte. Die Reichweite von 39 km übertraf
sämtliche Konkurrenzprodukte. Mit einer Spezialmunition ließ sich diese sogar
auf 45 km steigern.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Bundeskanzler Bruno
Kreisky erkannte das Risiko. Allerdings waren die Wehrtechnik-Befürworter
innerhalb der SPÖ-Führungsriege in der Mehrzahl. Das „grüne Licht“ seitens der
Politik bildete später das Hauptargument in der Verteidigung der angeklagten
Manager. Bei der Wehrtechnik sei „überhaupt kein Politiker dagegen“ gewesen,
„vom Betriebsrat bis zur Regierung“, gab etwa Noricum-Prokurist Anton Elmer an:
„Wenn ich jetzt höre, Kreisky war dagegen, dann möchte ich ein Zitat
wiedergeben, was er wirklich zum Schluss gesagt hat: ‚Okay, macht’s es, aber
macht’s es unter der Tuchent.“ Kreisky bezeichnete dieses Zitat, das ihm Elmer
in den Mund legte, als „Verleumdung“.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggZwZ2kjth56zecSlKrkYtO7r2a1JgnCiV4xzIhBiM45jpnbp0gGrwJn3Y9UmoxwZizktnsbvP0hdZOM56KJQCipWLAKepPId9J66l5yH4Mqw_pywVS0qJpwWtHphcR2CRDxBPR8MEVfY/s1600/1024px-Gerald_Bull_and_Clifford_Roy_Baker.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="276" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggZwZ2kjth56zecSlKrkYtO7r2a1JgnCiV4xzIhBiM45jpnbp0gGrwJn3Y9UmoxwZizktnsbvP0hdZOM56KJQCipWLAKepPId9J66l5yH4Mqw_pywVS0qJpwWtHphcR2CRDxBPR8MEVfY/s400/1024px-Gerald_Bull_and_Clifford_Roy_Baker.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Gerald Bull (ganz li.) 1964 in Kanada - der Techniker wurde 1990 unter ungeklärten Umständen in Brüssel ermordet (Quelle: Wikimedia Commons/WordClerk)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Waffenindustrie
als Wirtschaftsfaktor</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Anfang der 1980er
Jahre war Rüstungsproduktion in Österreich grundsätzlich nichts Neues. Nach
1945 war die Waffenproduktion aufgegeben worden – bis mit der Neugründung des
Bundesheers 1955 auch wieder Kriegswaffen erzeugt wurden. Zu Beginn der 1970er
Jahre waren aber nur mehr zwei Betriebe stärker in diesem Feld tätig: Die
Steyr-Daimler-Puch AG und die Hirtenberger Patronenfabrik. 1975 exportierte
Österreich gerade einmal Kriegsmaterial im Ausmaß von 0,8 Prozent seiner
Exporte. 1979, nachdem die VOEST-Alpine das Engagement massiv ausgeweitet
hatte, sollten es bereits 1,2 Prozent sein. Mitte der 1980er Jahre waren rund
15.000 Arbeitsplätze von der Waffenproduktion abhängig. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Branche wurde
mehrheitlich von Unternehmen der Verstaatlichten dominiert. Ende der 1980er
Jahre entfielen bereits 86 Prozent des Umsatzes auf die VOEST-Alpine mit ihren Tochtergesellschaften
– der Noricum Maschinenhandels GmbH, der Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen-
und Metallwarenfabrik AG, den Österreichischen Schiffswerften AG
Linz-Korneuburg, der Ennstaler Metallwerke GmbH und der Vereinigten
Edelstahlwerke AG (VEW). Ein weiterer gewichtiger Faktor war die
eisenverarbeitende Steyr-Daimler-Puch AG, Anfang der 1980er Jahre das
drittgrößte Industrieunternehmen Österreichs und mehrheitlich im Besitz der
Staatsbank Creditanstalt. Daneben traten folgende Mitspieler auf: Glock, Voere,
die Südsteirische Metallindustrie, Dynamit-Nobel, die Swarovski-Werke und die
ÖAF-Gräf & Stift AG. Insgesamt gesehen entwickelte sich die österreichische
Waffenindustrie rückläufig: Nach dem Boomjahr 1978 mit 7,8 Milliarden Schilling
waren es 1984 nur mehr knapp vier Milliarden Schilling Umsatz. Hauptgründe
dafür waren die Übersättigung des Marktes in Westeuropa und Schwierigkeiten
beim Export in Entwicklungsländer.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Waffenverkauf war
für ein neutrales Land wie Österreich nicht unproblematisch – aus
ethisch-moralischen, aber vor allem aus rechtlichen Gründen. So verbot der §
320 des Strafgesetzbuchs unerlaubte Waffenexporte als „Neutralitätsgefährdung“.
Weiters war nach §1 des 1977 beschlossenen Kriegsmaterialgesetzes die Ein-,
Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial bewilligungspflichtig. 1982 wurde das
Gesetz novelliert: Exporte durften nicht bewilligt werden, wenn es in dem
Bestimmungsland zu Menschenrechtsverletzungen kam. Auch Kriegsgefahr,
bewaffnete Konflikte und gefährliche Spannungen wurden als Exporthindernisse
festgelegt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Anwendung des
Gesetzes war jedoch schwierig – es untersagte praktisch den
Rüstungsgüter-Verkauf „an Staaten, die das Zeug auch wirklich verwenden“. So
drückte es der damalige Nationalratspräsident Leopold Gratz aus. Übertretungen
wurden geradezu herausgefordert. </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der
„Noricum“-Untersuchungsausschuss erkannte im Nachinhein ein weiteres
„Spannungsfeld“: „Dem Sinn des Gesetzes standen wirtschaftliche Überlegungen
auf bzw. von Seiten der Verstaatlichten Industrie, Arbeitsplätze zu sichern und
positiv zu bilanzieren, gegenüber.“ So überrascht es auch nicht, dass zwischen
1978 und 1982 in 873 Fällen positiv entschieden wurde. Nur in 28 Fällen legte
sich das Bundeskanzleramt quer; das Außenministerium in 25 Fällen und das
Innenministerium in vier Fällen.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Letztendlich stand
die österreichische Waffenproduktion spätestens in den 1980er Jahren vor einer
Grundsatzentscheidung: Den Waffenhandel zu liberalisieren – und damit auch an
Diktatoren und kriegsführende Länder zu liefern. Oder die Waffenproduktion
weitgehend einzustellen. Man verblieb beim status quo. So wurde der Konflikt
zwischen restriktiven Bestimmungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten auf die
lange Bank geschoben. Und dies sollte schließlich in den Noricum-Skandal
münden.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Exporte
in Diktaturen</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Im Juni 1977
besuchte Kenneth Kaunda, Präsident von Sambia, Österreich. Unter vier Augen
erzählte er Kreisky, dass ein „Überfall“ auf den afrikanischen Staat erwartet
werde. Er sei deshalb an österreichischen Waffen interessiert. Konkrete
Verhandlungen wollte man aber erst beginnen, nachdem Kaunda Gelegenheit hatte,
sich von den Waffen in der „Praxis“ zu überzeugen. Handelsminister Josef Staribacher
verständigte „sofort“ Verteidigungsminister Otto Rösch, „dass am Montag eine
Demonstration in der Heereskraftfahrschule Baden erfolgen soll“. Als Rösch „mit
Recht“ einwandte, dass wenig Zeit zur Vorbereitung gegeben sei, waren Kreisky
und Außenminister Willibald Pahr der Meinung, „das Militär müsste sowieso
scheinbar in ständiger Alarmbereitschaft sein und [es] könnte überhaupt kein
Problem darstellen, eine solche Veranstaltung zu organisieren“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Überliefert ist
diese Episode im Tagebuch von Staribacher. Verdeutlicht wird eines: Weil der
Markt in Europa gesättigt war, war die sogenannte „Dritte Welt“ wichtigster
Handelspartner für die österreichische Waffenindustrie. Zahlreiche Geschäfte
waren problematisch: 1976 schickte die Patronenfabrik Hirtenberger zehn
Millionen Zündhütchen nach Chile. Dort herrscht seit drei Jahren die Junta von
Augusto Pinochet. Als „Neutralitätsbruch“ befunden wurde dagegen 1977 ein
Export von „Sportgewehren“ und Munition an Syrien. Die Causa führte zum
Rücktritt von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1980 putschte in
Bolivien das Militär. Dabei kamen 17 ausgelieferte Steyr-„Kürassier“-Jagdpanzer
zum Einsatz. 17 ausgelieferte Panzer kamen im Rahmen des sogenannten
Kokain-Putschs von Oberst Luis Garcia Meza im Juni 1980 zum Einsatz, um den
letzten Widerstand der Bergarbeiter in Oruro, La Paz und Santa Cruz
niederzuschlagen. Noch bevor die zweite „Kürassier“-Tranche unterwegs war,
wurde die Exportgenehmigung zurückgezogen. Dafür bildete die Firma Hirtenberger
seit August 1980 21 bolivianische Armeetechniker in der Munitionserzeugung aus.
„Das is so a Art Entwicklungshilfe“, erklärte der Hirtenberger-Generaldirektor
Herbert Hadwinger. Den „Kürassier“-Export vermittelt hatte ausgerechnet der
nach Bolivien geflohene NS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie. Er kassierte dafür
eine monatliche Aufwandspauschale von 800 US-Dollar und Provisionen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1978, auf dem
Höhepunkt eines Grenzkonflikts zwischen Chile und Argentinien, lieferte
Steyr-Daimler-Puch für 800 Millionen Schilling „Kürassier“-Panzer nach
Argentinien. Als Chile daraufhin ebenfalls Panzer beziehen wollte, verlangte
Kreisky eine schriftliche Garantie. Nämlich, dass „diese Geräte nicht für
Auseinandersetzungen im Inneren verwendet werden“. Das geplante Chile-Geschäft
spaltete die SPÖ: 1980 demonstrierten Tausende vor dem Bundeskanzleramt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am 20. August 1980
informierte Kreisky den Ministerrat. Er stellte klar, dass nichts gegen die
Lieferung sprechen würde, allenfalls „politische Gründe“. Anschließend forderte
Kreisky die versammelten Minister auf, ihre Meinung zu äußeren. Verteidigungsminister
Rösch sprach „ein deutliches Ja zu den Lieferungen aus“, weil er auch das
Bundesheer betroffen sah. Innenminister Erwin Lanc dagegen betonte:
„Sozialistische Vertrauensleute fragen rund heraus: Was ist in uns gefahren?“ Kreisky
unterbrach ihn an dieser Stelle. Es gäbe eben verschiedene Einstellungen auch
in der Arbeiterschaft“. Zu einem „klaren Nein“ bekannte sich Justizminister
Christian Broda. Auch Wissenschaftsministerin Herta Firnberg erklärte sich
„außer Stand, dem Geschäft zuzustimmen“. Damit platzte der Deal. Aber die
österreichische Linie blieb widersprüchlich. Bereits 1981 wurde ein weiteres
umstrittenes Geschäft genehmigt: 108 „Kürassier“ wurden erneut an Argentinien
verkauft, wo ebenfalls eine brutale Junta an der Macht war. Kreisky kam nicht
umsonst zum Schluss: „Der Export von Waffen ist das schlechteste Geschäft, das
es gibt. Warum? Wenn nämlich diese Waffen verschlissen und gebraucht werden,
dürfen wir sie nicht liefern. Und wenn sie nicht gebraucht werden, verrotten
sie in irgendwelchen Magazinen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
Noricum-Skandal<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Zwischen dem 2. und
5. Oktober 1980 war Kreisky auf Staatsbesuch – und zwar in Jordanien. Auf einer
Pressekonferenz meinte er, dass er prinzipiell nicht über Waffenexporte
verhandle. Das sei Sache der jeweiligen Firmen. Wenige Monate später, am 8.
Februar 1981 schlossen die VOEST-Alpine und das jordanischen Verteidigungsministerium
einen Vertrag ab. Es ging um die Lieferung von 200 Noricum-Haubitzen. Erst
später wird sich herausstellen, dass ein Großteil gleich direkt in den Irak
gebracht wurde. Diktator Saddam Hussein hatte 1980 seinen Nachbarn Iran
angegriffen. Dieser wiederum wollte ebenfalls Haubitzen beziehen, weil sich
diese für den Stellungskrieg eigneten. Es soll massive Drohungen in Richtung
Wien gegeben haben. Weil direkte Lieferungen verboten waren, blieb nur der
Umweg über ein Drittland. Als Scheinadressat sprang Muammar al-Gaddafis Libyen
ein. 1984 kaufte sein Regime für 10 Milliarden Schilling 200 Noricum-Haubitzen.
Tatsächlich geliefert wurde in den Iran. 1986 musste nach Kriegsspannungen
zwischen Libyen und den USA ein Stopp verhängt werden. Mittels falscher Papiere
für lateinamerikanische und osteuropäische Staaten schaffte es die VOEST aber,
bis 1987 140 Noricum-Haubitzen und 80.000 Granaten an den Iran zu liefern.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Skandal blieb
nicht aus: Erste Hinweise darauf, dass die Noricum den Iran belieferte,
recherchierte im Juli 1985 der Botschafter in Athen, Herbert Amry. Er sandte vier
Fernschreiben an Regierungsstellen und warnte. Kurze Zeit später erlitt Amry
einen Herzinfarkt. Am 30. August 1985 verschafften sich dann zwei Journalisten
im jugoslawischen Hafen Kardeljevo Zugang zu einem für Libyen bestimmten
Noricum-Container. Die darin enthaltene Bedienungsanleitung, war aber nicht in
Arabisch, sondern in Persisch abgefasst. Erste Ermittlungen durch die
Staatsanwaltschaft wurden noch eingestellt. Doch Enthüllungen eines
„Kronzeugen“, des Verstaatlichten-Managers Gernot Preschern, brachten 1987
wieder Bewegung in die Sache. Es folgten ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuss, ein Verfahren gegen 18 Manager und 1993 schließlich der
„Politikerprozess“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Innenpolitisch war
die Causa Noricum ein Symptom des politischen und wirtschaftlichen
Krisenjahrzehnts nach 1980 und trug mit dazu bei, dass Österreich den
zweifelhaften Beinamen „Republik der Skandale“ erhielt: Der Skandal um den Bau
des AKH (1980), die internationale Isolation Österreichs durch die
Bundespräsidentschaftskandidatur Kurt Waldheims (1986), der „Wein-Skandal“
(1985), Wohnbauskandale (1982, 1989) oder der „Lucona-Skandal“ erschütterten
das Vertrauen in die etablierten Parteien und förderten die Hinwendung zu
rechtspopulistischen Politikangeboten. Der Verlust der absoluten Mehrheit 1983
bedeutete das Ende der sozialdemokratischen Hegemonie, die mit dem Wahlsieg von
1970 begonnen hatte. Die Parteienlandschaft sollte sich 1986 durch den
erstmaligen Einzug der Grünen Alternative und den Aufstieg der FPÖ unter Jörg
Haider überhaupt grundlegend verändern.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Hierzu hatte neben
den Korruptionsskandalen auch der Niedergang der Verstaatlichten beigetragen:
Anfang der 1990erJahre wurde die ÖIAG einer Privatisierungswelle unterworfen. Vollständig
abgeschlossen wurde diese de facto 2005. Anfang 2015 hielt die Staatsholding
unter anderem noch 52,85 Prozent an der Post AG, 31,50 Prozent an der OMV und
28,42 Prozent an der Telekom Austria. Schon 1998 sollten nur noch 50.000
Arbeitnehmer im Rahmen der ÖIAG beschäftigt sein. Zum Vergleich: Noch 1980
waren in den 6.846 Industrieunternehmen der Verstaatlichten insgesamt 630.000
Menschen beschäftigt – 22 Prozent aller Arbeitnehmer in ganz Österreich, die 30
Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschafteten. Im Fall der VOEST-Alpine
war der ÖIAG-Eigentumsanteil bis 2004 auf 2,25 Prozent zusammengeschrumpft.
Ende August 2005 wurden die verbliebenen Anteile vollständig abgegeben; seither
befindet sich die nunmehrige „voestalpine“ in privatem Besitz. </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDRuKUEW81x4aLax2h7OvKRl8FHvfjO1QFnKizrz9YygUVyblKwsUSrcZA1Pf7SkpkzEqshC1iw5jMhKhOMQK7L0RQzy7UhdFugA8kGHyiUyq70fvd-ujuMLkeXjXRaCEzcxclcCBTRg4/s1600/Glock_17.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="221" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDRuKUEW81x4aLax2h7OvKRl8FHvfjO1QFnKizrz9YygUVyblKwsUSrcZA1Pf7SkpkzEqshC1iw5jMhKhOMQK7L0RQzy7UhdFugA8kGHyiUyq70fvd-ujuMLkeXjXRaCEzcxclcCBTRg4/s320/Glock_17.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die 1982 entwickelte Glock 17 gilt als "America's Gun" (Quelle: Wikimedia Commons/Sprenger)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Und die
Waffenproduktion? Anfang der 2000er Jahre gab es hier gerade ein paar hundert
Beschäftigte. Die jährlichen Exporte schrumpften von ehemals bis zu 500
Millionen Euro auf ein Zehntel. Trotzdem gilt Österreich immer noch als eine
„Heimat großer Waffen“ – wenn man an die Hersteller Glock oder Steyr Mannlicher
denkt. Einer von vielen typisch österreichischen Widersprüchen.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-66824367381257869492016-03-30T00:18:00.000-07:002016-04-06T05:40:44.487-07:00„Abstrakte Gefährdung“ – das Terrorrisiko in Österreich<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die
Anschläge in Brüssel am 22. März 2016 haben von neuem die Bedrohung durch den
radikal-islamistischen Terrorismus unterstrichen. Aber was bedeutet dies
konkret für Österreich? Innenministerin Mikl-Leitner sprach von einer „abstrakte(n)
Gefährdung“. Ihr Sprecher sah „keine Auswirkungen auf den aktuellen
Lebensalltag“ gegeben. Dafür warnte der Direktor des Bundesamts für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling: „Wir können
uns da nicht ausnehmen. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror ist
hoch.“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Welche
Faktoren sprechen nur hierfür?<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ein
Sicherheitsrisiko stellt die <b>dichte
Präsenz von internationalen Organisationen</b> in Wien dar. Auch
ausländische Vertretungen könnten betroffen sein. Dagegen spricht, dass
diese Objekte generell gut überwacht werden und daher wenig lohnenswerte
Ziele sind. Realistisch sind auch Anschläge gegen kritische Infrastruktur –
das Innenministerium soll eine diesbezügliche Liste von 192 gefährdeten
Objekten erstellt haben.</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Es
gibt in Österreich zwar keine vergleichbare „Hochburg“ wie in
Molenbeek-Brüssel, aber Tendenzen in diese Richtung. Die <b>radikal-islamistische Szene</b>
konzentriert sich im Wesentlichen auf Wien, Graz, Salzburg und
Oberösterreich. Vor allem die Wiener Salafisten-Gemeinde gilt als Zentrale
ähnlicher Gruppen auf dem Balkan, die von hier aus strategisch, logistisch
und finanziell unterstützt werden.</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Das
wahrscheinlich größte Risiko geht von den <b>„Jihad-Rückkehrern“ </b>aus: Bis Anfang 2016 zogen 259 Personen
aus Österreich als Freiwillige in die Konfliktgebiete im Nahen Osten. 80
von ihnen sind bereits zurückgekehrt, 42 wurden getötet. Im westeuropäischen
Vergleich liegt Österreich damit prozentuell im Verhältnis zur Bevölkerung
gesehen auf den vordersten Plätzen. Wie sich zuletzt bei den Anschlägen in
Paris und Brüssel (2015/16) gezeigt hat, spielen „Rückkehrer“ bei der
Koordination und Anleitung eine zentrale Rolle. Darüber hinaus soll der Islamische Staat (IS) schon frühzeitig begonnen haben, <b>Schläferzellen </b>in mehreren europäischen Ländern und vor allem in der Türkei zu installieren. Diese ehemaligen Kämpfer sollen auf keiner Fahndungsliste aufscheinen.</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Zahlreiche
Anschläge der jüngsten Vergangenheit wurden weiters von <b>Jihad-Unterstützern </b>begangen:
Hierbei handelt es sich um ein oder mehrere Personen, die zuvor nicht im
Nahen Osten gekämpft haben und oft aus Eigeninitiative handeln. Beispiele
hierfür sind die Attentate in Ottawa (2014), Sydney (2014) oder in der
französischen Region Midi-Pyrénées (2012). Nur in seltenen Fällen sind selbstradikalisierte
Einzeltäter („lone wolf“) verantwortlich. So wurde der Attentäter von Kopenhagen (2015)
von vier Personen unterstützt.</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nachrichtendienstliche Mängel</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">: Das BVT ist kein klassischer
Geheimdienst und befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess. Derzeit
dürfte es Mankos im Bereich „menschlicher Quellen“ geben, also beim
Einschleusen von Informanten. Auch die Überwachung der „Rückkehrer“ ist ressourcentechnisch
schwer zu bewerkstelligen – eine Rundumüberwachung eines Verdächtigen
benötigt 20 Personen. Es ist auch möglich, dass künftig verstärkter
Fahndungsdruck zu „Gegenreaktionen“ oder verstärktem Abtauchen in den
„Untergrund“ führt. </span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">In
unmittelbarer geografischer Nähe zu Österreich befindet sich ein <b>„Hotspot“ des Jihadismus – der
Westbalkan</b>. Im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, Albanien und in
Mazedonien bilden sich vermehrt Netzwerke für die Auseinandersetzungen in
Syrien und im Nordirak. Im bosnischen Gornja Maoca sowie in Dörfern bei Zenzia,
Bihac und Brcko sollen Freiwillige auch militärisch unterwiesen worden
sein. Einmal soll sogar ein Waldstück nahe dem slowenischen Hauptstadt Ljubljana
für Schusswaffen-Übungen genutzt worden sein. Aufgrund der offenen
Schengen-Grenze war es für mehrere kampfbereite Männer aus Österreich einfach,
in solche Ausbildungszentren am Balkan zu reisen. Die bosnische Grenzregion um Velika Kladusa wiederum ist dabei, sich zu einem "Brückenkopf für islamistische Terroristen auf dem Weg nach Norden zu entwickeln - vor allem mithilfe in Österreich, Deutschland oder Italien radikalisierter Gastarbeiter" (vgl. Der Spiegel, Nr. 14/2016, S. 95 f.).</span></li>
</ul>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Gegen
eine unmittelbare Bedrohung spricht:<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Als
<b>neutrales Land</b> ist Österreich
nicht an den westlichen Militäreinsätzen in Syrien beteiligt. Das
Bundesheer beteiligte sich bis Ende 2009 an der humanitären Mission der UNO
im Tschad – nur eine Handvoll von Personal befindet sich derzeit im Nahen
Osten. Allerdings wurde Anfang 2015 eine Anschlagsdrohung per Video gegen
Österreich ausgesprochen – und zwar von dem österreichischen Jihadisten
Mohamed Mahmoud, der den Führungszirkeln des IS in
Syrien zugerechnet wird. Im Unterschied zu Österreich weist das besonders betroffene Frankreich einen großen (und teils marginaliserten) muslimischen Bevölkerungsteil auf. Es wiegt das koloniale Erbe (Algerienkrieg) sowie das militärische Engagement in West- und Zentralafrika und in Syrien. In Belgien wiederum war es lange Zeit verhältnismäßig ruhig - aber die sehr hohe Zahl an Jihad-Freiwilligen, die Funktion als Basis nahe Frankreich und die Zersplitterung des Sicherheitsapparats sind nicht folgenlos geblieben. Freilich richten sich die Drohungen des IS jüngst generell gegen Europa - so hieß es kürzlich: "Today it is Brussels and [its] airport, and tomorrow it might be Portugal and Hungary." Hier dürfte gelten: Je mehr der IS militärisch unter Druck gerät, umso wahrscheinlicher sind vermehrte Terroranschläge im europäischen "Hinterhof".</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Österreich
ist bislang <b>kein „Aktionsraum“ für
Terroristen, sondern ein „Ruheraum“</b> mit günstiger geografischer Lage,
diskreten Banken und schwach ausgebildeten nachrichtendienstliche
Strukturen. Terroristen machen sich das für Vorbereitungen von Operationen
anderenorts zunutze. Oder sie tauchen hierzulande einfach unter oder
nutzten in der Vergangenheit nachweislich den Finanzplatz.</span></li>
</ul>
<ul style="margin-top: 0cm;" type="disc">
<li class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Besonders
wichtig ist die Rolle als <b>Transitland</b>:
Eine wichtige Route führt Jihad-Freiwillige über Bosnien und die Türkei,
um dann dort entlang der 800 km langen Grenze in Syrien einzusickern. Genauso
funktioniert es in die andere Richtung: Aktuell sitzen in Salzburg sechs
Männer ein, die als Flüchtlinge getarnt nach Österreich kamen. Zwei der
sechs U-Häftlinge stehen unter dringendem Verdacht der IS-Mitgliedschaft. Auch
sollen sie in Kontakt mit der Terrorzelle in Brüssel gestanden haben. Ebenso
hielt sich der Paris-Attentäter Salah Abdeslam in Österreich auf. Am 9. September
2015 geriet er im Gemeindegebiet von Aistersheim (Oberösterreich) in eine
Verkehrskontrolle – diese galt möglichen Schleppern. Zwei Männer waren bei
Abdeslam im Auto, das Richtung Wien weiterfahren durfte. Sie waren in die Anschläge
von Paris und Brüssel involviert: Najim Laachraoui und Mohamed Belkaid.</span></li>
</ul>
<div class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0.0001pt 36pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitPYNUqETYsMlla58ukKGFwJE4GUuZWf7udxcLhr6nQnvMH9shOu1uHAuGV9EpT0i9boaOsi-xKALaAAmgfhkGGiSG_Q28Owu82Wp8o1svxvRsx6L2s971Cqw5oJUU0SP_FkNW0AlrOpQ/s1600/20160117_153533.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitPYNUqETYsMlla58ukKGFwJE4GUuZWf7udxcLhr6nQnvMH9shOu1uHAuGV9EpT0i9boaOsi-xKALaAAmgfhkGGiSG_Q28Owu82Wp8o1svxvRsx6L2s971Cqw5oJUU0SP_FkNW0AlrOpQ/s400/20160117_153533.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Eine Kellerlokal-Moschee in der Wiener Venediger Au galt als ein Zentrum islamistischer Radikalisierung</td></tr>
</tbody></table>
</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Das
Anschlagsrisiko im Kontext vergangener Ereignisse</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> </span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Im historischen
Rückblick ist terroristische Gewalt in Österreich bislang eine Seltenheit. Eine
statistische Auswertung des Kriminalisten Richard Benda und der
„Kurier“-Journalistin Ingrid Gabriel für das Buch „Terror rot/weiss/rot“ ergab
für die Jahre 1959-1988 16 Todesopfer und 112 Verletzte. Bei den Toten handelte
es sich um einen Politiker, den Wiener Stadtrat Heinz Nittel, drei Diplomaten,
sechs Unbeteiligte, drei Polizisten und zwei Täter. In den knapp drei
Jahrzehnten fanden außerdem insgesamt 113 Bombenanschläge statt, deren
Hauptschauplatz eindeutig in Wien (64), gefolgt von Kärnten (20) und der
Steiermark (9) lag.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nicht in dieser
Statistik erfasst sind jene drei kurdischen Politiker, die 1989 von iranischen
Agenten in Wien ermordet wurden. Einen weiteren Fall von Staatsterrorismus
stellt der Fall von Umar Israliov dar: Der 27jährige Tschetschene war am 13.
Jänner 2009 vor einem Wiener Supermarkt mit zwei Schüssen ermordet worden. Nach
Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz hatte der tschetschenische
Präsident Ramsan Kadyrov den Auftrag zur Ermordung seines ehemaligen
Leibwächters angeordnet. 1995 starben zwei Linksradikale bei einem missglückten
Sprengstoffanschlag gegen einen Strommasten im niederösterreichischen
Ebergassing. Weiters forderten sechs rechtsextreme Briefbombenserien zwischen
1993 und 1996 vier Todesopfer und 15 Verletzte, ehe der später als Einzeltäter
verurteilte Franz Fuchs 1997 bei einer Routinekontrolle verhaftet werden
konnte. Als im Sommer 2007 ein 44jähriger Arzt einen Jugendlichen mit einem
Pistolenschuss schwer verletzte, weil er sich von diesem angeblich bedroht
fühlte, stellte sich in der Folge heraus, dass der Täter für einen Anschlag auf
die Wiener Osmanli-Moschee am 15. November 2005 verantwortlich war. Die
Detonation des Sprengsatzes hatte damals Sachschaden in der Höhe von 5.260 Euro
verursacht. In der Gerichtsverhandlung bezeichnete sich der Arzt selbst als
„Terrorist“. 2009 wurden dann bei einer Schießerei in einem indischen Tempel in
Wien ein Prediger getötet und 15 Menschen verletzt. Die Auseinandersetzung
dürfte „ausschließlich religiös motiviert“ gewesen sein, dennoch scheint sie als
Exkurs im BVT-Jahresbericht auf. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Nimmt
man all diese Opfer in die Statistik auf, dann handelt es sich um insgesamt 27
Tote und 141 Verletzte durch terroristische Gewalt in den vergangenen 50 Jahren.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Zieht man nach diesem historischen
Vergleich noch andere Länder heran, so kommt man zum Schluss, dass Österreich
tatsächlich relativ „glimpflich“ davon gekommen ist: So forderte alleine der
jahrzehntelange Terror der Roten Armee Fraktion in der BRD 67 Tote, 230
Verletzte, 230 Millionen Euro Sachschaden. In Italien wurden bei acht größeren
Sprengstoffanschlägen zwischen 1969 und 1987 419 Menschen getötet und 1.181
verletzt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die
Gründe, warum Österreich von terroristischer Gewalt relativ verschont geblieben
ist, sagen viel über die Verfasstheit des politischen Systems aus:</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Gesellschaftliche Konfliktfelder,
die anderswo einen Nährboden für terroristische Gewalt darstellten, wurden
durch von oben vorangetriebene Reformen in den 1970er Jahren entschärft. Zündstoff
für Terrorismus bildeten vor allem die Auseinandersetzung um
Minderheitenrechte: In den 1960er Jahren unterstützen Neofaschisten die
Anschlagswelle in Südtirol, während es in den 1970er Jahren in Kärnten zu 19
Sprengstoffattentaten gegen Denkmäler, Bahngleise, Strommasten und das
Heimatmuseum von Völkermarkt kam. Ansonsten war Terrorismus vor allem das Werk
ausländischer Akteure auf österreichischem Boden: Getroffen wurden Vertretungen
(des Iran, der Türkei oder des Irak) sowie in drei Fällen türkische Diplomaten.
Auch die OPEC-Geiselnahme 1975 hatte mit Österreich nichts zu tun, sondern
richtete sich primär gegen Saudi-Arabien und den vorrevolutionären Iran. Von
der Intensität her war der Nahostterrorismus überhaupt die bedeutendste
Herausforderung. Zwischen 1973 und 1985 war Österreich (und hier besonders
Wien) ein Nebenschauplatz des Konfliktes zwischen Israel und den
Palästinensern, vor allem aber zwischen arabischen Gruppen untereinander. In
diese Zeitspanne fallen die Geiselnahme von Marchegg (1973), der Mord an Heinz
Nittel (1981), der Wiener Synagogenanschlag (1981) und das Flughafenattentat in
Schwechat (1985).<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Solange
die Lage in Österreich ruhig blieb, hatten Terroristen wenig zu befürchten.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Offiziell hat es eine solche Strategie
zur Terrorvermeidung freilich nie gegeben, inoffiziell aber sehr wohl: Um nach
einer Anschlagsserie der Abu Nidal-Organisation (ANO) Anfang der 1980er Jahre
weitere Gewalt zu verhindern, ließ man zwischen 1988 und 1993 wechselnde
Angehörige der ANO in Wien wohnen und stellte medizinische Hilfsgüter bereit.
Darüber hinaus konnten sich Familienangehörige von Abu Nidal, einem der
gefährlichsten palästinensischen Terroristen, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus
(AKH) Operationen unterziehen. Obgleich dieser „Waffenstillstand“ brüchig war,
kam es zu keinem weiteren Terroranschlag Abu Nidals in Österreich.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Während
sich die ANO-Mitglieder mit Wissen der Behörden in Wien aufhielten und hier
Gelder investierten, wurde die Anwesenheit anderer Terroristen spät oder erst
gar nicht erfasst.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">
Mitglieder der RAF hielten sich in den 1980er Jahren und Anfang der 1990er
Jahre immer wieder in Wien auf. Österreich fungierte als Transitland, um nach
Anschlägen in der BRD nach Skandinavien, in Ost-Blockstaaten oder in den
Libanon weiterzureisen – je nachdem, wo sich die Gruppe gerade besonders sicher
fühlte. Nur einmal kam es zu einer größeren Operation westdeutscher Terroristen
in Österreich selbst – die Entführung des Fabrikanten Walter Palmers durch die
„Bewegung 2. Juni“ 1977, die später in der RAF aufging.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Mit
dem Ende des Kalten Krieges (1989) änderte sich die strategische Bedeutung
Österreichs: Ab diesem Zeitpunkt begann der radikale Islamismus die vorher
dominanten säkularen terroristischen „Player“ abzulösen.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Das geschah im Zuge des
jugoslawischen Bürgerkriegs, als Wien zur Schaltstelle für illegale
Waffenlieferungen nach Bosnien wurde. Dort kämpften zwischen 1991 und 1995
tausende Freiwillige aus arabischen Ländern und dem Iran auf Seiten der
muslimisch-nationalistischen Regierung von Präsident Alija Izetbegović gegen
Serben und Kroaten. Auch Osama Bin Ladens Al-Qaida stellte Kämpfer. Es war das
wichtigste Operationsfeld des Jihad nach dem Kampf gegen die Rote Armee in
Afghanistan in den 1980er Jahren. Laut westlichen Geheimdienstkreisen erfüllte
die in Wien-Wieden angesiedelte Third World Relief Agency (TWRA) eine
Schlüsselrolle, wenn es darum ging, die radikal-islamistischen Kräfte
finanziell und logistisch zu unterstützen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Neben dem neutralen
Status und der großzügigen Handhabung des Bankgeheimnisses eröffnete auch die
tolerante Haltung gegenüber allen Religionsgemeinschaften radikalen Islamisten
hierzulande zahlreiche Möglichkeiten: „Weitgehend unbehelligt von der Exekutive
können Kontakte geknüpft, Gefolgsleute angeworben oder versteckt und Gelder
geparkt werden.“ Die Gefahr von Attentaten wurde lange als gering eingestuft.
„Man will sich den Ruhe- und Planungsraum nicht durch Anschläge gefährden und
die Aufmerksamkeit der Politik auf sich ziehen. Österreich sendet quasi stille
Signale an die Extremisten, das Land außen vor zu lassen“, meinte 2004 der
deutsche Terrorismus-Experte Rolf Tophoven. Otmar Höll vom Zentrum für
internationale Politik pflichtete diesem Befund bei: „Österreich war nie eine
Kolonialmacht, man muss hier keine außenpolitischen Abhängigkeiten fürchten,
wir haben keine Interessen im arabischen Raum, daher ist Österreich aus Sicht
von Terroristen ein akzeptables Land.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ab Ende der 1990er
Jahre wurde festgestellt, dass die Predigten in gewissen Moscheen radikaler
wurden und die Stimmung aggressiver. In strafrechtlich relevanter Hinsicht
verhielten sich islamistische Kräfte aber großteils „unauffällig“, womit für
polizeiliches Einschreiten die Grundlage fehlte. Während nach 2001 in anderen
westlichen Ländern aktiv an der Identifizierung und Zerschlagung
radikal-islamistischer Netzwerke gearbeitet wurde, blieb es in Österreich bei
stiller Beobachtung – „nach dem Motto: Die Aktivisten sollen sich anständig
benehmen und die Alpenrepublik mit Anschlägen verschonen, dafür stellen die
Behörden ihren Vereinen nicht nach“, meinte „profil“ 2004.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Tatsächlich
hatten sich in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und in Salzburg
radikal-islamistische Milieus verfestigt.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Diese waren laut dem deutschen Experten Guido
Steinberg auch über den österreichischen Kontext hinaus einflussreich. So sollen
die afghanischen Brüder Jamaluddin Qarat und Farhad Qarat, in Wien lebende
Österreicher afghanischer Herkunft, die Ersten gewesen sein, die den
salafistischen Jihadismus öffentlich vertraten und bei dessen Transfer nach
Deutschland eine wichtige Rolle spielten. Beide standen in engem Kontakt zu dem
bosnischen Imam Nedzad Balkan, der ebenso wie der einflussreiche Prediger Abu
al-Khattab in der Sahaba-Moschee in der Lindengasse Nr. 1, unweit der Wiener
Stiftskaserne, wirkte. Die Sahaba-Moschee besuchte auch Mohamed Mahmoud, ein
1985 geborener Österreicher mit ägyptischen Wurzeln, der nach Verbüßung einer
Haftstrafe 2011 in Berlin „Millatu Ibrahim“ gründete, die erste Jihad-Bewegung
in Mitteleuropa. Großen Einfluss hatte auch der Prediger Mirsad O. als „Vordenker“
des Jihadismus innerhalb der Wiener Szene. Darüber hinaus war er eng mit
bosnischen Salafisten vernetzt.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Eine
besorgniserregende Entwicklung stellt der „Jihad-Tourismus“ dar, der seit dem
Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs (2011) und dem Erstarken des IS im Irak und
in Syrien eingesetzt hat: Von Österreich ist es verhältnismäßig einfach, in die
Konfliktgebiete im Nahen Osten zu gelangen. Andererseits weisen die
österreichischen Jihad-Freiwilligen eine spezifische Zusammensetzung auf: „Bei
einem wesentlichen Teil der aus Österreich nach Syrien reisenden Personen
handelt es sich um österreichische Staatsangehörige, deren Familien aus
Südosteuropa und der Westbalkan-Region stammen. Personen mit fremder
Staatsbürgerschaft (insbesondere Personen aus der Kaukasus-Region), welche über
einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich verfügen, stellen den größten
Anteil.“ Hierbei handelt es sich vor allem um Tschetschenen. Erklärt wird
dieser Umstand mit traumatisierenden Erfahrungen infolge von zwei Kriegen, dem
Erstarken des radikalen Islamismus in der autonomen russischen Teilrepublik, sozialen
Problemen und der „Macht des Internets“. Österreich ist eines der Zentren der
tschetschenischen Diaspora: Laut Schätzungen (2014) leben 30.000 Flüchtlinge
hier.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Zweifellos
stellt der radikal-islamistische Terrorismus eine für Österreich neuartige
Bedrohung dar, wo althergebrachten Mechanismen nicht mehr greifen.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Gezeigt hat sich, wie der
Terrorismusforscher Peter R. Neumann betont, dass es „keiner monatelangen
Planung, keiner explodierenden Busse und fallender Türme“ bedarf, „um die ganze
Welt zu terrorisieren“. Vor allem in Paris und Brüssel wurden 2015/16 Menschenansammlungen
(Bars, Restaurants, Konzerthalle, Flughafen-Checkin, U-Bahn) zum Ziel
konzertierter Attacken mit der Absicht wahllose Massenverluste anzurichten. Das
Risiko, dass auch Österreich vom „Ruheraum“ zum „Aktionsraum“ wird, ist
wahrscheinlich noch nie so hoch wie heute.</span></div>
</div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-83206175779501200892016-03-13T00:45:00.000-08:002016-03-14T07:11:20.468-07:00Quid pro quo: Warum die These vom Stillhalteabkommen Schweiz-PLO plausibel ist<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;">Anfang des Jahres hat NZZ-Reporter Marcel
Gyr für Aufsehen gesorgt. In seinem Buch „Schweizer Terrorjahre“ vertritt er
die These, dass ein geheimes „Stillhalteabkommen“ mit der PLO getroffen wurde.
Nach dem Attentat in Zürich-Kloten (1969), dem Bombenanschlag auf Swissair-Flug
330 (1970) und der Entführung einer anderen Swissair-Maschine ins jordanische
Zerka (1970) sollte so weitere Gewalt gegen Schweizer Ziele verhindert werden.
Im Gegenzug habe man der PLO die notwendigen Bewilligungen für ein Büro bei der
UNO in Genf in Aussicht gestellt. Dokumentarischen Beleg hierfür konnte Gyr
keinen vorweisen, wohl aber Aussagen einiger prominenter Zeitzeugen. „Schweizer
Terrorjahre“ hat seitdem viel Widerspruch erregt. Wohl auch deswegen, weil an
einem Tabu gerüttelt wird – nämlich, mit Terroristen zu verhandeln. Eine solche
Vorgangsweise ist seit jeher moralisch und rechtlich heftig umstritten. Genauso
ist es eine Tatsache, dass westliche Regierungen in der Vergangenheit Deals mit
Terroristen abgeschlossen haben. Und betrachtet man das Schweizer Beispiel in
diesem Kontext, dann erscheint Gyrs These keineswegs abwegig. <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;">Anders
als gegenwärtig bestand während des Kalten Krieges Raum für stille Diplomatie.
In den 1970er und 1980er Jahren waren selbst berüchtigte Terroristen wie Ahmed
Jibril, Carlos der „Schakal“ oder Abu Nidal eng an die Interessen ihrer jeweiligen
staatlichen Sponsoren rückgebunden. Libyen, Syrien oder Irak kappten die
Unterstützung, wenn sie sich kompromittiert fühlten oder diese Zweckallianzen
ihren Interessen zuwiderliefen. Im Gegensatz zum heutigen
radikal-islamistischen Terrorismus handelte es sich primär um
säkular-nationalistisch orientierte Akteure, die klar definierte Ziele
verfolgten – und dabei Pragmatismus an den Tag legten. Gerade die palästinensischen
Gruppen, die damals das Spektrum des „internationalen Terrorismus“ wesentlich
bestimmten, perfektionierten ein Nebeneinander von Gewalt und Geheimdiplomatie,
das Anknüpfungspunkte ermöglichte. So profilierte sich Jassir Arafats „Fatah“ –
die dominante Einzelorganisation innerhalb des Dachverbands PLO – ab 1974 als
gemäßigt, wenn gleich sie in den besetzten Gebieten und in Israel weiter Terror
praktizierte.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><b>Das
hinderte die USA aber nicht daran, sich 1973 von der Fatah die Zusage zu holen,
dass diese künftig keine Angriffe mehr auf US-Bürger unternehmen würde. </b>Genauso
ging es um den Schutz diplomatischer Einrichtungen im Bürgerkriegsland Libanon
– zu diesem Zweck pflegten laut einem Dokument des Auswärtigen Amts von 1975 auch
Großbritannien, Frankreich, die BRD und selbst die Schweiz „Verbindung zu
PLO-Vertretern“. Nicht viel anders war es in Italien: Als es 1973 ein palästinensisches
Kommando auf dem Flughafen Rom ein Blutbad anrichtete, soll der PLO die baldige
Eröffnung eines Büros versprochen worden sein. Frankreich baute seine Sicherheit
überhaupt auf die „Schutzhafen“-Doktrin: Indem man allen möglichen
Gruppierungen Aktivitäten erlaubte, würde das Land außen vorgelassen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><b>Was
das Beispiel BRD angeht, so hatte der Anschlag bei den Olympischen Spielen in
München 1972 einen traumatischen Einschnitt bedeutet. </b>Um weiteres Blutvergießen
zu vermeiden, bemühte man sich um Absprachen mit Entscheidungsträgern in
Arafats Sicherheitsapparat. 1977 nahm auf Einladung des österreichischen
Bundeskanzler Bruno Kreisky ein Mitarbeiter von Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski
an einem Geheimtreffen in Wien teil: Im Gegenzug für „eine gewisse Anerkennung“
und die „politische Unterstützung Arafats“ boten die PLO-Emissäre Fahndungshilfe
gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) an. Deren Angehörige hielten sich nämlich
teils im Nahen Osten verborgen. Das Bundeskriminalamt (BKA) profitierte infolge
von Informationen über Pläne und Aufenthaltsorte deutscher Linksextremisten. Bei
weiteren Gesprächen 1979 erhielt das BKA sogar die Zusage, dass die PLO „weder
auf deutschem Boden noch weltweit Anschläge gegen deutsche Interessen verüben
werde“. Eine schriftliche Garantie gab’s freilich nicht wie sich einer der
Unterhändler erinnerte – „wenn ein Araber sein Wort gebe, genüge das“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><b>Österreich
ging noch einen Schritt weiter – wegen seiner Rolle als Schleuse für die
jüdische Auswanderung aus dem Sowjetlock nach Israel war die Alpenrepublik in
den Nahostkonflikt involviert.</b> Mehrmals versuchten arabische Gruppen diese
demographische Stärkung Israels zu unterbinden. Um für Sicherheit zu sorgen,
trachtete Bundeskanzler Kreisky danach, den Nahostkonflikt zu entschärfen. Er protegierte
den Dialog zwischen der PLO und der israelischen Friedensbewegung und fungierte
als Gastgeber der ersten Empfänge Arafats auf dem diplomatischen Parkett. 1980 wurde die PLO offiziell anerkannt. Doch
diese Rechnung ging nicht auf. Der PLO-Abtrünnige Abu Nidal wollte jede
Entspannung zwischen Israel und den Palästinensern verhindern. Und deshalb traf
sein Terror in den 1980er Jahren Länder wie Österreich, die sich um Vermittlung
bemühten. Daran hatte auch die Informationen der PLO, die über Arafats
Gesandten Issam Sartawi direkt an den österreichischen Innenminister gingen,
nichts ändern können. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;">Diese
heiklen Manöver im Nachhinein als „Appeasement“ abzutun, ist zu einfach. Tatsächlich
stellte der internationale Terrorismus die westlichen Staaten vor ernste
Herausforderungen. In den 1970er Jahren mussten erst mühsam Kapazitäten im
Sicherheitsapparat aufgebaut werden. Außerdem wurden die Kooperationen nachrichtendienstlich
ausgebeutet – so ergab die Überwachung von PLO-Büros einen „Schatz“ an
Informationen, den die Staaten beispielsweise über den „Club de Berne“ auch
untereinander teilten. Das haben Recherchen der Basler Historikerin Aviva Guttmann kürzlich ergeben.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><b>Und
die Schweiz? Es ist in der Tat augenfällig, dass der PLO nach dem Terrorjahr
1970 relativ rasch erlaubt wurde, ein inoffizielles Büro in Genf zu eröffnen.
</b>Für die Palästinenser bedeutete das Zugang zu einem der weltweit wichtigsten
diplomatischen Zentren. Aus der Schweiz wollten sie „ein Fenster auf ganz
Europa“ ausbauen, wie der Genfer PLO-Vertreter Daoud Barakat 1973 ausdrückte.
Spätestens zwei Jahre später besaß seine Einrichtung den Status einer Mission
mit allen Privilegien und Immunitäten. Und hier soll es kein „quid pro quo“
gegeben haben?</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12pt;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12pt;">Am
15. März 1971 setzte laut einer Aktennotiz Bundesrat Pierre Graber, die
Schüsselfigur von Gyrs Buch, den Bundesrat „anlässlich einer Aussprache davon
in Kenntnis, dass in dieser Angelegenheit [die palästinensische Präsenz in
Genf] gewisse Kontakte zwischen Beamten des EPD [Eidgenössisches Politisches Departement]
und Vertretern der Palästinenser stattgefunden haben.“ Diese kryptische, aber
interessante Notiz ist nur eine von vielen Primärquellen, die über die die
Internetseite der Forschungsstelle der Diplomatischen Dokumente der Schweiz
(dodis.ch) einsehbar sind. Man erfährt hier auch, dass Bundespolizeichef André
Amstein persönlich den israelischen Geheimdienst vor einem Attentat auf Barakat
warnte – der Mossad führte damals nämlich eine Vergeltungskampagne gegen
PLO-Führer. So überrascht es auch nicht, dass Barakat 1973 süffisant meinte, die
Schweiz genieße „heute einen guten Ruf“ im PLO-Hauptquartier und sei somit „keinen
Gefahren“ ausgesetzt. Zwei Jahre später lobte er das „jetzige gute Verhältnis“.
Und: Die PLO habe bereits „verschiedentlich“ palästinensische Splittergruppen
von Attentaten, „in oder gegen die Schweiz“, abgehalten. Solche Äußerungen
genügen selbstverständlich nicht als Nachweis für einen Geheimdeal. Insofern
ist die Entscheidung, die Beziehungen Schweiz-PLO von einer Arbeitsgruppe offiziell
zu untersuchen, nur zu begrüßen. Man darf gespannt sein!</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12.0pt;"><b>HINWEIS: Gekürzte Version ist am 13. März 2016 in der Neuen Züricher Zeitung erschienen</b></span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-64552295109916046192016-03-02T07:06:00.005-08:002016-03-02T07:08:27.328-08:00Keine „Insel der Seligen“ – Teil 3<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Eine Serie zum Thema Terrorismus und Nachrichtendienste in Österreich - als Kapitel erschienen in: </b></span><b style="font-family: 'times new roman', serif;">"Tage des Schreckens: Die OPEC-Geiselnahme und die Anfänge des modernen Terrorismus" (2015)</b><br />
<a href="http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF" style="font-family: 'times new roman', serif;"><b>http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF</b></a><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Mit dem Ende des
Kalten Krieges (1989) änderte sich die strategische Bedeutung Österreichs: Ab
diesem Zeitpunkt begann der radikale Islamismus die vorher dominanten säkularen
terroristischen „Player“ abzulösen. Das geschah im Zuge des jugoslawischen
Bürgerkriegs, als Wien zur Schaltstelle für illegale Waffenlieferungen nach
Bosnien wurde. Dort kämpften zwischen 1991 und 1995 tausende Freiwillige aus
arabischen Ländern und dem Iran auf Seiten der muslimisch-nationalistischen
Regierung von Präsident Alija Izetbegović gegen Serben und Kroaten. Auch Osama
Bin Ladens Al-Qaida stellte Kämpfer. Es war das wichtigste Operationsfeld des
Jihad nach dem Kampf gegen die Rote Armee in Afghanistan in den 1980er Jahren.
Laut westlichen Geheimdienstkreisen erfüllte die in Wien-Wieden angesiedelte
Third World Relief Agency (TWRA) eine Schlüsselrolle, wenn es darum ging, die
radikal-islamistischen Kräfte finanziell und logistisch zu unterstützen. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Die
TWRA war 1987 von den sudanesischen Brüdern Fatih und Sukarno Hassanein
gegründet worden. </b>Bevor er nach Wien kam, fungierte Fatih Hassanein lange als
Osteuropa-Beauftragter der Nationalislamischen Front (NIF). Diese Partei
beherrscht seit Ende der 1980er Jahre den Sudan und hat diesen in einen
islamischen Staat auf Basis der Scharia umgewandelt. Zwischen 1991 und 1996
beherbergte das NIF-Regime Bin Laden nachdem dieser Saudi-Arabien verlassen
musste. Hassanein wurde im März 1992 in Österreich als sudanesischer
Kulturattaché akkreditiert und mit einem Diplomatenpass ausgestattet, der ihm
Schutz vor polizeilichen Ermittlungen einräumte. Seine Mission fasste der
Sudanese so zusammen: „Bosnien muss schließlich ein muslimisches Bosnien
werden, denn wenn dies nicht passiert, wäre der ganze Krieg umsonst gewesen,
und wir hätten für nichts gekämpft.“ Noch 1992 stellte der bosnische
Außenminister Haris Silajdzic eine Vollmacht für die TWRA aus, die die
Eröffnung eines Kontos bei der GiroCredit ermöglichte, die mittlerweile in der
Erste Bank aufgegangen ist. 1993 bestätigte Izetbegovic noch einmal
schriftlich, dass die TWRA das Vertrauen seiner Regierung genieße.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Laut zahlreicher
Untersuchungen war die TWRA eine der wichtigsten Nachschubkanäle, nachdem die
UNO 1991 ein Waffenembargo für Jugoslawien verhängt hatte. Zwischen 1992 und
1995 sollen 350 Millionen US-Dollar nach Bosnien geflossen sein – wenigstens
die Hälfte der Summe wurde aufgewendet, um Waffen zu kaufen und zu schmuggeln.
Ursprünglich stammten die Finanzmittel aus dem Nahen und Mittleren Osten,
darunter Länder wie Iran, Türkei, Brunei, Malaysia und Pakistan. Eng waren die
Beziehungen auch zur Saudi High Commission for Relief of Bosnia and Herzegovina
(SHC), die zwischen 1992 und 2001 alleine 600 Millionen US-Dollar bereitstellte
– nominell für Hilfeleistungen und religiöse Zwecke. Der Beauftragte der Bank,
über die die TWRA-Transaktionen liefen, beschrieb Fatih Hassanein als
„Gepäckträger“ von Präsident Izetbegovic: „Wenn die bosniakische Regierung
sagte, sie benötige Mehl, rannte er und beschaffte Mehl, wenn sie sagte, sie
benötige Waffen, dann rannte er nach Waffen.“ In der Bank erinnerte man sich
auch an einen saudi-arabischen Diplomaten, der in zwei Koffern fünf Millionen
US-Dollar brachte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Laut Aussagen eines
abtrünnigen Al-Qaida-Mitglieds sollen TWRA-Gelder auch Bin Ladens Truppe in
Bosnien direkt zugutegekommen sein. </b>Die TWRA finanzierte die 107 Mann starke
Truppe bzw. half auf andere Art und Weise. Großzügige Unterstützung soll
darüber hinaus von der SHC gekommen sein. Zacarias Moussaoui, der wegen
Verwicklung in die Anschläge vom 11. September 2001 eine lebenslange Haftstrafe
verbüßt, gab Ende 2014 an, für Al-Qaida alle Spender in einer digitalen
Datenbank erfasst zu haben: In diesem Zusammenhang nannte er auch die TWRA. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Obgleich westliche
Dienste schon vor 9/11 einen guten Einblick in diese Machenschaften hatten, war
damals keine ausreichende Handhabe gegeben, um effektiv einzuschreiten. Deshalb
klingt in den Memoiren des damals zuständigen Antiterrorberaters im Weißen
Haus, Richard A. Clarke viel Frustration durch: „Den europäischen und amerikanischen
Geheimdiensten gelang es allmählich, die Finanzierung und Unterstützung der
Mudschaheddin bis zu Bin Laden im Sudan und zu Einrichtungen, die bereits von
den Mudschaheddin in Westeuropa selbst gegründet worden waren,
zurückzuverfolgen. Die Kontakte zu der Moschee im Finsbury Park in London, zu
dem islamischen Kulturzentrum in Mailand, zu der Third World Relief Agency mit
Sitz in Wien. Sie führten auch zu der Benevolence International Foundation in
Chicago und zu der International Islamic Relief Organization in Saudi-Arabien.
Diese ‚wohltätigen Organisationen’ beschafften Gelder, Arbeitsplätze, Ausweise,
Visa, Diensträume und andere Hilfsmittel für die internationale Brigade der
arabischen Kämpfer in und um Bosnien. Westliche Regierungen, auch die amerikanische,
fanden vor dem 11. September kein geeignetes juristisches Mittel, um gegen
diese Organisationen vorzugehen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>1994 musste Fatih
Hassanein „wegen Missbrauchs der österreichischen Gastfreundschaft“ Österreich
verlassen.</b> Am 5. September 1995 führten dann deutsche und österreichische
Ermittler eine Razzia im Wiener Hauptquartier durch und beschlagnahmten
zahlreiche Unterlagen. „Neben dem Waffenhandel wird die TWRA als
Schlepperorganisation verdächtigt“, sagte ein Münchner Staatsanwalt. Außerdem
soll die TWRA in den organisierten Ankauf von hochwertigen, in deutschen
Kaufhäusern gestohlenen Waren, verwickelt gewesen sein. Ungeachtet dessen soll
die TWRA noch bis 1996 weitergearbeitet haben. Fatih Hassanein war zu diesem
Zeitpunkt nach Istanbul verzogen, wo er auch nach dem Ende des Bosnienkriegs
seinen Geschäften nachging. Die TWRA leitete daraufhin sein Bruder Sukarno
Hassanein. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Aktivitäten der
TWRA waren kein Einzelfall: Bei der Erste Bank in Wien existierte noch im Jahr
2001 ein Konto der im Sudan registrierten Al Ahamal Islamic Bank, die vom
US-Geheimdienst ebenfalls dem Finanznetzwerk von Osama Bin Laden zugerechnet
wurde. Kurze Zeit später, am 15. Juni 2002, hörte der italienische Geheimdienst
ein Gespräch zwischen zwei Jihadisten in Mailand ab: „Das Land, von dem alles
seinen Ausgang nimmt, ist Österreich“, sagte der Algerier Abderrazak Mahdjoub.
„Also ist Österreich eine große Macht geworden“, entgegnete sein
Gesprächspartner, der ägyptische Imam Nasr Usama Mustafa Hasan. „Ja, alles
verkehrt dort“, sagte Mahdjoub, „dort ist jede Menge Geld im Umlauf.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Terrorismusfinanzierung
ist weiterhin ein Thema geblieben:</b> Zwischen 2011 und 2013 gingen beim
Bundeskriminalamt (BKA) 214 Verdachtsmeldungen ein. Dabei handelt es sich um
österreichische Bankverbindungen von Einzelpersonen oder Unternehmen, die auf
internationalen Terror- oder Sanktionslisten geführt werden. „Über Details schweigt
sich das Innenministerium aus. Nationale Sicherheit“, so Michael Nikbakhsh in
„profil“. Laut Verfassungsschutz-Bericht kam es 2013 zu Verdachtsfällen im
höheren zweistelligen Bereich: „Nur in Einzelfällen kommt es tatsächlich zu
einer strafprozessualen Verfolgung, da oftmals das Bestimmungsland der
Transaktion bzw. Namensteile als verdachtsbegründend angeführt werden.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Neben dem neutralen
Status und der großzügigen Handhabung des Bankgeheimnisses eröffnete auch die
tolerante Haltung gegenüber Religionsgemeinschaften radikalen Islamisten
hierzulande zahlreiche Möglichkeiten: „Weitgehend unbehelligt von der Exekutive
können Kontakte geknüpft, Gefolgsleute angeworben oder versteckt und Gelder
geparkt werden.“ Die Gefahr von Attentaten wurde lange als gering eingestuft.
„Man will sich den Ruhe- und Planungsraum nicht durch Anschläge gefährden und
die Aufmerksamkeit der Politik auf sich ziehen. Österreich sendet quasi stille
Signale an die Extremisten, das Land außen vor zu lassen“, meinte 2004 der deutsche
Terrorismus-Experte Rolf Tophoven. Otmar Höll vom Zentrum für internationale
Politik pflichtete diesem Befund bei: „Österreich war nie eine Kolonialmacht,
man muss hier keine außenpolitischen Abhängigkeiten fürchten, wir haben keine
Interessen im arabischen Raum, daher ist Österreich aus Sicht von Terroristen
ein akzeptables Land.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">P<b>olitische
Vertretungen von Organisationen, die in anderen Ländern als
Terrororganisationen geführt wurden, werden nach wie vor in Österreich geduldet</b>
– auch um durch Gewährung einer legalen Basis nicht in auswärtige Konflikte mit
hineingezogen zu werden. Kolumnist Rainer Nowak meinte dazu kritisch in der
„Presse“: „Auf extreme politische Gruppierungen, egal ob gerade kurdischer oder
arabischer Provenienz, wird kein Druck ausgeübt, damit verhindert man
Radikalisierung und Aggression. An diesem ungeschriebenen Gesetz orientiert
sich die aktuelle Sicherheitspolitik noch immer: Man habe den Extremisten das
Wasser abgegraben, heißt es im Innenministerium heute stolz.“ So ließ man
Aktivitäten der kurdischen PKK zu, die im Rahmen ihres Guerillakrieges gegen
den türkischen Staat immer wieder Terroranschläge gegen zivile Ziele verübte.
Während die Organisation in Deutschland 1993 verboten wurde, durfte die
Nationale Befreiungsfront Kurdistan (ERNK), die politische Dachorganisation der
PKK, mit offizieller Erlaubnis 1995 in Wien ein Büro eröffnen. Der damalige
Innenminister Caspar Einem geriet deshalb unter Druck. Denn der Oberste
Gerichtshof hatte ein Jahr zuvor, 1994, in einem Urteil festgestellt, dass die
PKK (und auch die ERNK) eine „kriminelle Organisation“ sei. Das Büro befand
sich daher unter ständiger Überwachung der Staatspolizei. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Schon bis in die
1960er Jahre zurück reicht die Präsenz der Muslimbruderschaft: Diese verfügt,
so wie auch in anderen europäischen Staaten, über eine starke Präsenz, „weil
sie der Staat in Ruhe gelassen hat“, so der Experte Lorenzo Vidno. Weiters ist
Österreich eine „Zentrale“ der Hizb-ut-Tahrir, einer 1953 gegründeten
Organisation, die einen Gottesstaat verwirklichen will, in dem „das islamische
Recht in allen Bereichen zur Anwendung“ komme. In Deutschland wurde die
Hizb-ut-Tahrir schon 2003 verboten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Ab Ende der 1990er
Jahre wurde festgestellt, dass die Predigten in gewissen Moscheen radikaler
wurden und die Stimmung aggressiver.</b> In strafrechtlich relevanter Hinsicht
verhielten sich islamistische Kräfte aber großteils „unauffällig“, womit für
polizeiliches Einschreiten die Grundlage fehlte. Während nach 2001 in anderen
westlichen Ländern aktiv an der Identifizierung und Zerschlagung
radikal-islamistischer Netzwerke gearbeitet wurde, blieb es in Österreich bei
stiller Beobachtung – „nach dem Motto: Die Aktivisten sollen sich anständig
benehmen und die Alpenrepublik mit Anschlägen verschonen, dafür stellen die
Behörden ihren Vereinen nicht nach“, meinte „profil“ 2004. Solche Absprachen
stellte der damalige Leiter des BVT, Gert Rene Polli, entschieden in Abrede:
„So etwas mag es in den siebziger Jahren gegeben haben, aber das ist lange her.
Heute wäre das nicht denkbar. Die Terrorismusbekämpfung funktioniert im
internationalen Verbund. Wenn es da ein Vakuum gäbe, wäre der politische Druck
auf Österreich enorm. Wir sind ein kleines Rädchen in der riesigen Maschine zur
Bekämpfung des Terrorismus. Wir können es uns nicht leisten, abseits zu
stehen.“ Man gehe bewusst einen anderen Weg als beispielsweise Deutschland:
„Wir sperren die Leute nicht aufgrund einer nebulosen Verdachtslage ein, wir
starten keine medienwirksamen Aktionen, sondern agieren auf Basis einer
sicheren Beweislage.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Danach gefragt, ob
dieser österreichische Weg nicht „ein wenig defensiv“ sei, antwortete Polli:
„Man muss differenzieren. Dass wir keine medienwirksamen Aktionen machen, heißt
nicht, dass wir nicht hoch aktiv sind. Ich bin allerdings überzeugt, dass die
Zukunft der Terrorismusbekämpfung in der Prävention liegt.“ Der Dialog zwischen
den Behörden und den Religionsgemeinschaften rechne sich längerfristig: „Je
mehr man aufeinander zugeht, Verständnis für einander entwickelt, umso geringer
die Chance, dass sich hier radikale Elemente ansiedeln. Ich möchte aber alle
Hoffnungen auf eine heile Welt zerstreuen. Terrorismus ist nicht berechenbar.
Konzepte, die gestern gewirkt haben, können morgen überholt sein.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Tatsächlich hatten
sich in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und in Salzburg
radikal-islamistische Milieus verfestigt. </b>Diese waren laut dem deutschen
Experten Guido Steinberg auch über den österreichischen Kontext hinaus
einflussreich. So sollen die afghanischen Brüder Jamaluddin Qarat und Farhad
Qarat, in Wien lebende Österreicher afghanischer Herkunft, die Ersten gewesen
sein, die den salafistischen Jihadismus öffentlich vertraten und bei dessen
Transfer nach Deutschland eine wichtige Rolle spielten. Beide standen in engem
Kontakt zu dem bosnischen Imam Nedzad Balkan, der ebenso wie der einflussreiche
Prediger Abu al-Khattab in der Sahaba-Moschee in der Lindengasse Nr. 1, unweit
der Wiener Stiftskaserne, wirkte. Die Sahaba-Moschee besuchte auch Mohamed
Mahmoud, ein 1985 geborener Österreicher mit ägyptischen Wurzeln, der nach
Verbüßung einer Haftstrafe 2011 in Berlin „Millatu Ibrahim“ gründete, die erste
Jihad-Bewegung in Mitteleuropa. Weiters gilt die bosnische Salafisten-Gemeinde
in Wien als Zentrale ähnlicher Gruppen auf dem Balkan, die von der
Bundeshauptstadt aus strategisch, logistisch und finanziell unterstützt werden.
<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Eine
besorgniserregende Entwicklung stellt der „Jihad-Tourismus“ dar, der seit dem
Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs (2011) und dem Erstarken des Islamischen
Staats (IS) im Irak und in Syrien eingesetzt hat:</b> Nach Angaben des
Innenministeriums von Ende 2015 zogen bis dahin 250 Personen aus Österreich als
Freiwillige in die Konfliktgebiete im Nahen Osten. 70 von ihnen sind bereits
zurückgekehrt, 40 wurden getötet. Im westeuropäischen Vergleich lag Österreich
damit prozentuell im Verhältnis zur Bevölkerung gesehen hinter Belgien und
Dänemark auf den vordersten Plätzen bei den Jihad-Freiwilligen. Einerseits
erklärt sich dieser Umstand damit, dass es von Österreich verhältnismäßig
einfach ist, in die Konfliktgebiete im Nahen Osten zu gelangen. Eine wichtige
Route führt Jihad-Freiwillige über Bosnien in die Türkei, um dann dort entlang
der 800 km langen Grenze in Syrien einzusickern. Andererseits weisen die
österreichischen Jihad-Freiwilligen eine spezifische Zusammensetzung auf: „Bei
einem wesentlichen Teil der aus Österreich nach Syrien reisenden Personen
handelt es sich um österreichische Staatsangehörige, deren Familien aus
Südosteuropa und der Westbalkan-Region stammen. Personen mit fremder
Staatsbürgerschaft (insbesondere Personen aus der Kaukasus-Region), welche über
einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich verfügen, stellen den größten
Anteil.“ </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Hierbei handelt es sich vor allem um Tschetschenen. Erklärt wird
dieser Umstand mit traumatisierenden Erfahrungen infolge von zwei Kriegen, dem
Erstarken des radikalen Islamismus in der autonomen russischen Teilrepublik,
sozialen Problemen und der „Macht des Internets“. Österreich ist eines der
Zentren der tschetschenischen Diaspora: Laut Schätzungen (2014) leben 30.000
Flüchtlinge hier. Vor allem die Jihad-„Rückkehrer“ stellen laut BVT ein
„erhebliches Sicherheitsrisiko“ dar: „Rückkehrer könnten für
Missionierungstätigkeiten sowie für die Gründung neuer radikaler Zentren, in
denen sie als Instruktoren fungieren können, auf europäischem Boden verwendet
werden. Neben der Möglichkeit eines Anschlags seitens der Rückkehrer als
sogenannte ‚Lone Wolves’ [häufig selbst-radikalisierter Einzeltäter] wird auch
die Gefahr organisierter terroristischer Anschläge als mögliches Szenario
bewertet.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Ende November 2014
wurde die bislang größte Razzia gegen radikale Islamisten in Wien, Graz und
Linz durchgeführt. </b>900 Beamte waren beteiligt, es gab 13 Festnahmen und Hausdurchsuchungen.
Das offensive Vorgehen der Sicherheitskräfte markierte nach Meinung von
Beobachtern einen Wendepunkt: „Österreich ist nicht länger der gut beheizte
Wartesaal für Propagandisten, Krieger und Terroristen, sondern ein ganz
normaler europäischer Staat, der gegen Bedrohungen nach einigem Zögern durchaus
mit Härte vorgeht. Das ist ein Bruch der bisherigen Tradition, die Chimäre
Neutralität auch gegenüber politischen Bewegungen mit terroristischem Arm
anzuwenden und sich möglichst aus allem herauszuhalten. Dass eine
österreichische Einrichtung Ziel eines Anschlags werden könnte, ist nicht mehr
unwahrscheinlich. Das sollte die Regierung ohne jede Hysterie auch sagen. Mit
diesem Freitag [dem Tag der Razzia, Anm. des Verfassers] wurde das Land
möglicherweise sicherer, psychologisch gilt das aber wohl nur bedingt.“ 2014
wurden zehn Personen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung angeklagt und eine verurteilt. Im Halbjahr 2015 kamen bereits 21
Anklagen hinzu, 16 Personen wurden verurteilt. Damit geht die Justiz in
Österreich härter gegen Terrorismus-Verdächtige vor als in vielen anderen
EU-Ländern.</span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ende der Serie</span>Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-27150462196024145952016-02-28T11:50:00.004-08:002016-03-01T01:30:28.869-08:00Keine „Insel der Seligen“ – Teil 2<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Eine Serie zum Thema Terrorismus und Nachrichtendienste in Österreich - als Kapitel erschienen in: </b></span><b style="font-family: 'times new roman', serif;">"Tage des Schreckens: Die OPEC-Geiselnahme und die Anfänge des modernen Terrorismus" (2015)</b><br />
<a href="http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF" style="font-family: 'times new roman', serif;"><b>http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF</b></a><span style="font-family: "times new roman" , serif;"></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Aus dem
Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
(BVT) von 2014 geht hervor: „Generell sind die Spionageaktivitäten
ausländischer Nachrichtendienste in Österreich ungebrochen hoch und stellen das
BVT durch neue und moderne Möglichkeiten der Ausspähung vor große
Herausforderungen. […] Trotz sich ständig weiterentwickelnder technischer
Möglichkeiten haben auch herkömmliche nachrichtendienstliche Methoden nicht an
Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Klassische Spione mit großem Engagement für
ihr Heimatland sind nach wie vor in einer überdurchschnittlichen Zahl im
Einsatz und können eine Gefahr für die Sicherheit und Souveränität der Republik
Österreich darstellen.“ So würden „bestimmte Nachrichtendienste“ versuchen,
Fertigungstechniken und Forschungsergebnisse zu erlangen. „Ein weiteres Aufklärungsziel
stellen für fremde Nachrichtendienste ausländische und u.a. in Österreich
aufhältige Oppositionelle oder Oppositionsgruppen dar“, so der Bericht.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Es gibt für
ausländische Nachrichtendienste noch viel mehr zu „holen“:</b> Wien ist ein
traditioneller „Begegnungsort“, zahlreiche internationale Organisationen haben
hier ihren Sitz – angefangen von der OPEC, über die Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), bis hin zur Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA) und der Organisation für industrielle Entwicklung
(UNIDO). Weiters sind hier wichtige Botschaftsstützpunkte angesiedelt: Neben
dem Iran und Nordkorea (zwischen 1982 und 2004 wickelte die Golden Star Bank AG
in der Kaiserstraße Nr. 12 Geschäfte nordkoreanischer Firmen und Personen ab –
als einzige Bank des kommunistischen Regimes in der westlichen Hemisphäre) verfügt
Russland in der Donaustadt seit den 1980er Jahren über eine regelrechte „Stadt
in der Stadt“ – eine der größten Vertretungen weltweit. Aber auch der Veteran
der US-amerikanischen CIA, Jack Devine, erinnerte sich an das „sehr gute
Jagdrevier Wien“: „Zudem war Österreich ungefährlich, es war weder feindlich
gegenüber dem Osten noch dem Westen. Deshalb war der Standort noch attraktiver.
Hinzu kommt, dass Wien wunderschön ist. Es gibt ein Denguefieber oder Menschen,
die andere köpfen. All das machte es zu einer Stadt, in der jeder sehr aktiv
war.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nur manchmal werden
konkrete Operationen bekannt: So soll etwa 2007 ein Team des israelischen
Geheimdienst Mossad in die Wiener Wohnung des Chefs der syrischen IAEA-Mission,
Ibrahim Othman, eingedrungen sein. Auf einem Laptop wurden Pläne für einen
Reaktor gefunden, woraufhin die Baustelle sechs Monate später bombardiert
wurde. Schon im Jahr 2000 spielte die CIA dem iranischen Geheimdienst in Wien
die Blaupause eines Nuklearsprengkopfs zu. Das sollte die Forscher im Iran auf
eine falsche Fährte locken („Operation Merlin“). Gerade im Zuge der
Verhandlungen rund um das iranische Atomprogramm kam es Anfang 2015 zu so
dichten Überwachungsaktionen, dass die beteiligten Diplomaten aufgrund der
freigesetzten Mikrowellenstrahlung keinen Mobiltelefonempfang mehr hatten. „Die
Amerikaner, Briten, Franzosen, Israelis, Iraner sind alle hier. Jeder tut das,
die ganze Zeit über“, sagte der „Mossad“-Experte Yossi Melman. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Nicht umsonst wird
geschätzt, dass die Hälfte der rund 17.000 in Wien akkreditierten Diplomaten
Geheimdienstverbindungen unterhält. </b>Diesen status quo zu ändern, dafür gibt es
keinen politischen Willen. Ex-Sicherheitsbürochef Edelbacher vermutet in
Hinblick auf die Verantwortlichen: „Sie nehmen das halt in Kauf, um Wien als
diplomatische Drehscheibe aufrechtzuerhalten. Das hat auch ökonomische
Effekte.“ Österreich selbst sei ohnedies „nur selten im Blickfeld ausländischer
Dienste“, so der ehemalige Leiter der BVT, Gert Rene Polli: Ganz anders sei das
nicht nur bei den internationalen Organisationen, „vor allem dem
internationalen Kommunikationsverkehr, insbesondere aber bei österreichischen
Firmen mit interessanten Exportmärkten“. Seit den vergangenen Jahren gelte
„zentrales Interesse“ dem österreichischen Bankensektor und seinen Aktivitäten
im Ausland, aber auch in Österreich. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><br /></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Ein wichtiges
begünstigendes Element ist die Rechtslage. </b>Eine Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs vom 20. April 1956 verbrieft, dass Spionagetätigkeit nur dann
geahndet wird, wenn diese sich unmittelbar gegen Österreich richtet. Wer laut §
256 einen „Geheimen Nachrichtendienst zum Nachteil der Republik Österreich“
betreibt, muss höchstens mit drei Jahren Haft rechnen. Wer einen „militärischen
Nachrichtendienst“ für einen fremden Staat betreibt (§ 319), kommt mit zwei
Jahren davon. Die Einhaltung dieser ohnehin laxen Bestimmungen wird nicht
einmal besonders effektiv überwacht. Abgesehen vom Heeresnachrichtenamt (HNaA)
und dem Abwehramt (AbwA), die für militärische Aufklärung bzw. Eigenschutz
zuständig sind, verfügt Österreich traditionell über keine weitere rein
nachrichtendienstliche Struktur. Wenn es um Spionageabwehr oder den Schutz vor
staatsgefährdenden Bedrohungen wie Terrorismus geht, so lag die Zuständigkeit
jahrzehntelang bei der Staatspolizei, einem „Zwitterwesen“ aus
Nachrichtendienst und Polizei. Am 8. August 1945 vom Staatssekretär für
Inneres, Franz Honner (KPÖ), neu gegründet, hing der Staatspolizei lange der
Ruf nach, kommunistisch unterwandert zu sein. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">In den 1980er
Jahren waren 600 von damals insgesamt 700 Staatspolizisten auf die Abteilungen
I der Sicherheitsdirektionen der Bundesländer aufgeteilt und 100 bei der
„Gruppe C“ im Innenministerium angesiedelt. 1987 gründete Innenminister Karl
Blecha zusätzlich eine ihm direkt unterstellte Einsatzgruppe zur Bekämpfung des
Terrorismus (EBT). Die EBT hatte die Aufgabe, Präventions- und
Aufklärungsarbeit zu leisten und gleichzeitig als Bindeglied zu
Nachrichtendiensten im Ausland zu fungieren. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>2002 gingen dann
die EBT, die Staatspolizei und die EDOK im BVT auf. </b>Vor dessen Gründung hatte
die Staatspolizei neben der „Wahrnehmung staatsfeindlicher Vorgänge“ noch
zahlreiche weitere Aufgaben erfüllt: Schutz verfassungsgesetzlicher
Einrichtungen, Personenschutz für den Bundespräsidenten und Mitglieder der
Bundesregierung, Schutz von ausländischen Konsulaten und Staatsbesuchen sowie
Überprüfung von Flüchtlingen und Asylwerbern. In Wien standen dafür Mitte der
1980er Jahre nur „etwa“ 120 Mann zur Verfügung, in den Bundesländern rund 20.
So überrascht es auch nicht, dass ein Beamter damals zum „Kurier“ sagte, dass
man ausländische Spione außen vorlasse: „Solange sie mit ihrer Tätigkeit
Österreich aus dem Spiel lassen, ist uns das wurscht.“ An dieser Einstellung
hat sich nicht wesentlich viel geändert: Wie Polli kritisch angemerkt hat, ist
an eine „effiziente Spionageabwehr“ nicht zu denken, auch weil diese politisch
nicht gewollt sei. Österreich, so Polli, sei nach wie vor nur „bedingt
abwehrbereit“: „Die Disproportionalität zwischen den einheimischen
Abwehrbeamten und den hier agierenden Nachrichtenbeschaffern und Operateuren
besteht unvermindert weiter.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Trotz der
Zusammenlegung ist auch das BVT eine spezialisierte Abteilung mit den
Befugnissen der normalen Polizei geblieben – „Spione und Agenten gibt es dort
nicht“, so der Journalist Andreas Wetz. Darüber hinaus kommt es zwischen BVT,
HNaA und AbwA aufgrund von Überschneidungen in den Zuständigkeitsbereichen, die
von Terrorbekämpfung, Cyber Security, Personenschutz bis hin zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität reichen, zu Spannungen: „Dies führt regelmäßig zu
Animositäten zwischen den Akteuren und hemmt den Informationsaustausch dort, wo
er im Sinne der nationalen Sicherheit notwendig wäre.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Einen weiteren
Grund für das fehlende Aufklärungsinteresse ortet Polli in dem Umstand, dass
gewisse Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten „selbst forciert“
wurden. So diskutiert man seit 2013 im Zuge der Enthüllungen durch den
„Whistleblower“ Edward Snowden auch die jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen
der National Security Agency (NSA) und dem HNaA im Bereich der signal
intelligence, also abgehörter Kommunikation. Seit mehr als 50 Jahren tauschen
die Dienste sensibles Material aus, berichtete „profil“ 2013: Dass damit
flagrant gegen die Bundesverfassung, konkret gegen das Neutralitätsgesetz,
verstoßen wurde, kümmerte nie einen der Beteiligten.“ Über seine
Lauschstationen klärte das HNaA den Telefon- und Funkverkehr im Ostblock und am
Balkan auf – „die Bänder gingen via Frankfurt direkt an die USA“. Heute ist
Österreich nach wie vor „ständiger und diskreter Partner“ der NSA, wie der
US-Journalist Glenn Greenwald herausstrich: „Man sammelt vielleicht gemeinsam
Daten aus Afghanistan oder nimmt bestimmte Organisationen ins Visier.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">All die erwähnten
Faktoren zusammengenommen – neutraler Status, günstige geografische Lage,
dichte Präsenz internationaler Organisationen, diskreter Bankenplatz und
schwach ausgebildete nachrichtendienstliche Strukturen machen Österreich nicht
nur für Spione interessant, sondern auch für Terroristen. Auch deren Präsenz
wurde gegebenenfalls toleriert – vorausgesetzt es gab keine Aktionen in
Österreich. Offiziell hat es eine solche „Ruheraum“-Strategie zur Terrorvermeidung
freilich nie gegeben, inoffiziell aber sehr wohl: Um nach einer Anschlagsserie
der Abu Nidal-Organisation (ANO) Anfang der 1980er Jahre weitere Gewalt zu
verhindern, ließ man zwischen 1988 und 1993 wechselnde Angehörige der ANO in
Wien wohnen und stellte medizinische Hilfsgüter bereit. Darüber hinaus konnten
sich Familienangehörige von Abu Nidal, einem der gefährlichsten
palästinensischen Terroristen, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH)
Operationen unterziehen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Obgleich dieser
„Waffenstillstand“ brüchig war, kam es zu keinem weiteren Terroranschlag Abu
Nidals in Österreich. Dafür nutzte die ANO unter anderem
die Möglichkeiten, die der Finanzplatz Wien damals wie heute bietet. Ganz
allgemein zählen dazu: Strenges Bankgeheimnis (fällt ab dem vierten Quartal 2016 für ausländische Staatsbürger weg), Privatstiftungsrecht sowie
verschwiegene Steuerberater und Rechtsanwälte. „Neben der Schweiz und
Liechtenstein genießt Österreich für seine finanzielle Diskretion nämlich
Weltruhm. Nirgendwo anders lässt sich Vermögen einfacher investieren, tarnen und
dann wieder außer Landes schaffen als in Wien oder Salzburg. Und es bleibt
hierzulande genug hängen, um die Maschinerie aus Banken, Rechtsanwälten,
Beratern, Steuerexperten und Polit-Günstlingen am Leben zu erhalten“,
unterstreicht Florian Horcicka in seinem Buch „Das schmutzige Geld der
Diktatoren“ (2015). <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Diese Qualitäten
haben sich auch der Terrorismus und die organisierte Kriminalität „mehrfach
zunutze“ gemacht.</b> So etwa im Fall der ANO: Seit 2000 sind auf einem Konto der
Bank Austria 8 Millionen Euro eingefroren, die innerhalb von drei Jahrzehnten
mit Zinsen auf mehr als 20 Millionen Euro angewachsen sind. Das Konto mit der
Nr. 132195566 war am 4. August 1982 bei der damaligen Länderbank eröffnet
worden – und zwar von der jordanischen Staatsbürgerin Halimeh Almughrabi.
Zwischen 1982 und 1987 wurde die Millionensumme in vier Tranchen einbezahlt.
Nach Ansicht der Ermittler fungierte Almughrabi dabei nur als „Strohfrau“ für
ihren Ehemann Samir Najmeddin, dem 1984 eine Kontrollvollmacht für das Konto eingeräumt
wurde. Der 1939 geborene Najmeddin, Kampfname „Abu Nabil“, war niemand
Geringerer als der Finanzfachmann der ANO und für alle Auslandsinvestitionen
zuständig. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Herz dieses
Geschäftsimperiums war die Firma SAS Trade & Investment, deren Zentrale in
Warschau von Najmeddin geleitet wurde. Weitere Zweigstellen befanden sich in
Ost-Berlin, Kuwait, Griechenland und Zypern. Vor allem das kommunistische Polen
und die DDR duldeten die Präsenz der ANO stillschweigend – und kamen im
Gegenzug an Devisen bzw. an Informationen über die internationale Terrorszene
heran. Auch von österreichischem Boden aus wurden Geschäfte mit den Terroristen
abgewickelt: Anfang der 1980er Jahre hatte der syrische Waffenhändler Monzer
Al-Kassar in der Wiener Zelinkagasse die Import-Export-Firma Alkastronic
angesiedelt. 1985 kam es zu einer Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf
Terrorverbindungen. Beweise für eine strafbare Handlung wurden aber nicht
gefunden. Was die damaligen Ermittler nicht wussten, die Alkastronic hatte
nachweislich Geschäftskontakte mit der ANO: Und zwar wurden am 9. März 1984
Najmeddins SAS 553 Pistolen sowie eine „größere Anzahl Munition“ für 228.560
Dollar in Rechnung gestellt. Eine zweite Abrechnung vom 3. April 1984 lautete
auf 20.000 Stück 7,65 mm-Munition und 20 Pistolen mit Gold- und Silbergravur.
In diesem Fall belief sich der fällige Betrag auf 9.980 Dollar. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Gewinne aus solchen
Waffengeschäften wurden bevorzugt bei der als „Weltbank des Verbrechens“
bekannt gewordenen Bank of Credit and Commerce International (BCCI) in London
angelegt – wegen deren besonderer Fähigkeit Gelder zu „verstecken“. Darüber
hinaus richtete man Konten in der Schweiz, Spanien und in Österreich ein. Laut
dem britischen Autor Patrick Seale wurde dabei ein beträchtlicher Anteil des
Geldes auf die Namen von Abu Nidals engsten Familienangehörigen deponiert. Wie
aus staatspolizeilichen Ermittlungsakten hervorgeht, gab es bei
österreichischen Banken gleich mehrere solcher Konten. Najmeddin selbst hatte
1986 bei der Zentralsparkasse das Konto Nr. 570309930 eröffnet. Als weitere
Zeichnungsberechtigte schien dafür eine junge syrische Studentin auf, die zu
diesem Zeitpunkt in Wien-Floridsdorf wohnte. Es handelte sich um Khalil Badia,
die 1967 geborene Tochter Abu Nidals. So undenkbar es scheint, die
Palästinenserin studierte jahrelang in Österreich – in jenem Land das von der
Organisation ihres Vaters zuvor mehrfach angegriffen worden war. Badia blieb
bis Anfang der 1990er Jahre und stand während dieser Zeit unter intensiver
Beobachtung seitens der Staatspolizei. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1991 versuchte
Najmeddin über das größte Guthaben, nämlich bei der Länderbank/Bank Austria,
erstmals wieder zu verfügen. Doch das besagte Konto war im Zuge des Golfkrieges
wegen Verdachts auf Irak-Verbindungen eingefroren worden. Am 13. Jänner 2000
betrat schließlich die seinerzeitige Kontoeröffnerin Almughrabi die Filiale in
der Wiener Nordbergstraße 13, um auf das Guthaben zuzugreifen. Sie wurde vor
Ort von WEGA-Beamten festgenommen. Weil sich die damals 65jährige Frau in
zahlreiche Widersprüche verwickelte, klagte man sie wegen Beteiligung an einer
kriminellen Organisation an. Später auf Kaution freigelassen, erschien
Almughrabi nicht mehr zur Verhandlung. Es hieß, die libyschen Behörden würden
ihr die Ausreise verweigern. Am 1. Juli 2008 gab es schließlich einen
Knalleffekt in der Causa: Der Antrag der Staatsanwaltschaft, das Guthaben für
verfallen zu erklären, wurde abgelehnt. Weil die ANO in der Zwischenzeit nicht
mehr existierte, sah das Gericht keine Gefahr, dass das Geld terroristischen
Zwecken zufließen könnte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das Urteil wurde in
zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben und zur neuerlichen
Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen. Obwohl mittlerweile nicht
einmal mehr Klarheit darüber herrscht, ob Almughrabi noch am Leben ist, geht
der Rechtsstreit weiter – der Prozess wurde im April 2011 vertagt, sämtliche
Privatbeteiligte ausgeschlossen. Ganz abgesehen vom Ausgang wirft dieses
Beispiel ein Schlaglicht auf die österreichische Vorgangsweise im Kampf gegen
den Terrorismus und den Hang zur Pragmatik: Stets vermied man das Risiko
möglicher Vergeltung, ließ gewähren und war gleichzeitig bedacht, sich aus der
Schusslinie zu halten.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Während sich die
ANO-Mitglieder mit Wissen der Behörden in Wien aufhielten und hier Gelder
investierten, wurde die Anwesenheit anderer Terroristen spät oder erst gar
nicht erfasst. </b>Mitglieder der RAF hielten sich in den 1980er Jahren und Anfang
der 1990er Jahre immer wieder in Wien auf. Österreich fungierte als
Transitland, um nach Anschlägen in der BRD nach Skandinavien, in
Ost-Blockstaaten oder in den Libanon weiterzureisen – je nachdem, wo sich die
Gruppe gerade besonders sicher fühlte. Nur einmal kam es zu einer größeren
Operation westdeutscher Terroristen in Österreich selbst – die Entführung des
Fabrikanten Walter Palmers durch die „Bewegung 2. Juni“ 1977, die später in der
RAF aufging. Die an dem Coup beteiligte Inge Viett schrieb in ihren Memoiren:
„Wien ist keine Stadt für revolutionäre Aktivitäten. Es ist eine Stadt für Agenten,
Ganoven, für Spießbürger und ihre Politiker, gerade richtig für die Entführung
eines Industriellen.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Ein Jahr nachdem
sich die RAF offiziell aufgelöst hatte, am 15. September 1999, gerieten der
43jährige Horst Ludwig Meyer und seine Partnerin Andrea Klump in Wien in eine
Polizeikontrolle. Die beiden Mitglieder der RAF-Führungsebene hatten sich in
den Monaten davor fast täglich an der Ecke Wagramer Straße/Schrickgasse in
Wien-Donaustadt getroffen. Wegen ihres konspirativen Verhaltens sowie der auffälligen
Tarnung mit Schirmkappen und Sonnenbrillen waren sie Anrainern aufgefallen, die
wiederum die Polizei informierten. Als die Beamten schließlich eine
Personenkontrolle durchführen wollten, zückte Meyer eine Beretta. Es kam zu
einer kurzen Verfolgungsjagd einige Hundert Meter weiter in die
Donaufelderstraße hinein. Dort wurde Meyer bei einem kurzen Schusswechsel
tödlich in die Brust getroffen, Klump ließ sich daraufhin festnehmen. Es
stellte sich heraus, dass die beiden seit 1995 in Wien in einer Wohngemeinschaft
gelebt hatten. Ihrem Mitbewohner gegenüber hatten sie sich als Heidi Pieri aus
Dänemark und als Jens Jensen ausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt dürften die beiden
keine aktiven Mitglieder der „dritten“ RAF-Generation mehr gewesen sein,
sondern im Rahmen der Anti-Imperialistischen Brigaden zeitweise mit anderen
europäischen Linksextremen kooperiert haben. Von der RAF einmal abgesehen,
nutzten auch andere linksextreme Gruppen Österreich als Basis: So legte die
dänische Blekingegade-Bande, die aus „internationaler Solidarität“ heraus die
palästinensische Volksbefreiungsfront (PLFP) mit Geldern aus Banküberfällen
unterstützte, im Jesuitenholz, einem Waldstück bei Hollabrunn 40 km
nordwestlich von Wien, ein Waffendepot an. </span><br />
<br />
Fortsetzung folgtThomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-87115977869748382512016-02-25T01:46:00.000-08:002016-02-25T01:46:11.553-08:00Keine „Insel der Seligen“ – Teil 1<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Eine Serie zum Thema Terrorismus und Nachrichtendienste in Österreich - als Kapitel erschienen in: </b></span><b style="font-family: 'times new roman', serif;">"Tage des Schreckens: Die OPEC-Geiselnahme und die Anfänge des modernen Terrorismus" (2015)</b><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><a href="http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF"><b>http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_CbDZwb0Z92SRF</b></a></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1971 besuchte der
damalige Bundespräsident Adolf Schärf den Vatikan. Im Rahmen des Empfangs
bekundete Papst Paul VI., Österreich wäre „eine wahre Insel der Seligen“. Das
Zitat ist seitdem zum geflügelten Wort geworden und steht für ein sicheres,
konsensorientiertes und neutrales Land, das sich von negativen internationalen
Entwicklungen abkoppeln konnte. Das gilt insbesondere für Terrorismus. Dieser
ist im Kontext der politischen Entwicklung der Zweiten Republik selten
geblieben. Eine statistische Auswertung des Kriminalisten Richard Benda und der
„Kurier“-Journalistin Ingrid Gabriel für das Buch „Terror rot/weiß/rot“ ergab
für die Jahre 1959-1988 16 Todesopfer und 112 Verletzte. Bei den Toten handelte
es sich um einen Politiker, den Wiener Stadtrat Heinz Nittel, drei Diplomaten,
sechs Unbeteiligte, drei Polizisten und zwei Täter. In den knapp drei
Jahrzehnten fanden außerdem insgesamt 113 Bombenanschläge statt, deren
Hauptschauplatz eindeutig in Wien (64), gefolgt von Kärnten (20) und der
Steiermark (9) lag. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nicht in dieser
Statistik erfasst sind die im Jahr 1989 von iranischen Agenten in Wien
ermordeten drei kurdischen Politiker, von denen einer österreichischer
Staatsbürger war. Zu einem weiteren Fall von Staatsterrorismus kam es 2009: Der
27jährige Umar Israliov war am 13. Jänner vor einem Wiener Supermarkt mit zwei
Schüssen ermordet worden. Nach Erkenntnissen des Landesamts für
Verfassungsschutz hatte der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrov den
Auftrag zur Ermordung seines ehemaligen Leibwächters „von oberster Stelle“
angeordnet. 1995 starben zwei Linksradikale bei einem missglückten
Sprengstoffanschlag gegen einen Strommasten im niederösterreichischen
Ebergassing. Weiters forderten sechs Briefbombenserien zwischen 1993 und 1996
vier Todesopfer und 15 Verletzte (darunter der Wiener Bürgermeister Helmut
Zilk), ehe der später als Einzeltäter verurteilte Franz Fuchs 1997 bei einer
Routinekontrolle verhaftet werden konnte. Als im Sommer 2007 ein 44jähriger
Arzt einen Jugendlichen mit einem Pistolenschuss schwer verletzte, stellte sich
in der Folge heraus, dass der Mann für einen Anschlag auf die Wiener
Osmanli-Moschee am 15. November 2005 verantwortlich war. Die Detonation des
Sprengsatzes hatte damals Sachschaden in der Höhe von 5.260 Euro verursacht. In
der Gerichtsverhandlung bezeichnete sich der Arzt selbst als „Terrorist“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">2009 wurden dann
bei einer Schießerei in einem indischen Tempel in Wien ein Prediger getötet und
15 Menschen verletzt. Die Auseinandersetzung dürfte „ausschließlich religiös motiviert“
gewesen sein, dennoch scheint sie als Exkurs im Jahresbericht des Bundesamts
für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung auf. Nimmt man diese
Opferzahlen in die Statistik auf, dann handelt es sich um insgesamt 27 Tote und
141 Verletzte durch terroristische Gewalt in den vergangenen 50 Jahren. Der
Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern zeigt, dass Österreich damit
relativ „glimpflich“ davon gekommen ist: So forderte alleine der
jahrzehntelange Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) in der BRD 67 Tote, 230
Verletzte, 230 Millionen Euro Sachschaden. Mehr als eine Million Asservate im
Polizeiarchiv und elf Millionen Blatt Ermittlungsakten wurden zusammengetragen.
Man verurteilte insgesamt 517 Personen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung und 914 wegen Unterstützung. In Italien wurden die „bleiernen
Jahre“, die Ende der 1960er Jahre begannen und bis Mitte der 1980er Jahre
andauerten, zum Synonym für schrankenlose Gewalt: Bei acht größeren
Sprengstoffanschlägen zwischen 1969 und 1987 wurden 419 Menschen getötet und
1.181 verletzt. Besonders blutig gestalteten sich auch separatistische
Konflikte: Im Nordirlandkonflikt – zwischen republikanischen Gruppen und der
britischen Armee bzw. protestantischen Organisationen – starben 1.778 Menschen,
642 davon waren Zivilsten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Die Gründe, warum
Österreich weniger betroffen war, sagen viel über die Verfasstheit der Zweiten
Republik aus:</b> Zunächst war in der Bevölkerung weder ein Potential, noch eine
verständnisvolle Haltung für radikale politische Veränderung vorhanden. Unter
dem Primat des „Wiederaufbaus“ nach 1945 seien „gehorsame Jahrzehnte“ gefolgt,
so der Befund des Zeithistorikers Oliver Rathkolb: „Erst in den späten
fünfziger Jahren regte sich Widerstand – vor allem in der Jugendkultur, der in
den sechziger Jahren politisch geprägt war, ohne auch nur annähernd die
Explosionskraft der Jugend- und Protestbewegungen in Frankreich oder auch der
Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen.“ Vor dem Hintergrund der blutigen
Auseinandersetzungen in der Zwischenkriegszeit war das System der Zweiten
Republik bewusst auf die Herstellung von Konsens hin ausgerichtet.
Institutionen wie die Sozialpartnerschaft oder die anteilsmäßige Verteilung von
Macht und Einfluss im öffentlichen Dienst und der verstaatlichten Wirtschaft
(„Proporz“) garantierten Interessens- und Konfliktausgleich zwischen zwei
annähernd gleich großen Parteiblöcken. Während in vielen anderen Ländern
Reformen und gesellschaftlicher Wandel wesentlich konfliktträchtiger erkämpft
werden mussten, erfolgte dies in Österreich in der Tradition des aufgeklärten
Josephinismus – als ein von „oben“ vorangetriebener Modernisierungsprozess: Die
Arbeits- und Strafrechts-, Hochschul-, Rundfunk-, Heeres- und
Raumordnungsreformen der Ära Kreisky bedeuteten Weichenstellungen in
politischer, sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht – und
verminderten so gleichzeitig Konfliktfelder, die anderswo einen „Nährboden“ für
politische Gewalt darstellten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Es gibt allerdings
noch weitere Faktoren, die dazu geführt haben, dass Österreich als „Ruheraum“
und nicht als Schauplatz terroristischer Gewalt gilt.</b> Im Gegensatz zum
„Aktionsraum“ wird ein „Ruheraum“ (oder sanctuary) für Reisebewegungen, für
Vorbereitungen von Operationen an anderen Orten oder einfach als Versteck
genutzt. Anhand zahlreicher Beispiele, die im Verlauf dieser Studie noch
vorgestellt werden, wird belegt, dass Österreich diese Funktionen für
Terroristen erfüllte. Paradoxerweise gilt das Land gleichzeitig als
„Spielweise“ internationaler Geheimdienste. Und darüber hinaus gerät die
Bundeshauptstadt auch immer wieder als ein bevorzugter Wohn- oder Anlageort
osteuropäischer Oligarchen, arabischer Potentaten und Mafia-Paten in die
Schlagzeilen. „Wien war immer ein Rückzugsgebiet für Schmuggler und Verbrecher
aller Art. Immer gab es auch politische Verflechtungen und daraus entstandene
Freundschaftskontakte. Das alles hat sich im Wesen bis heute nicht verändert“,
meinte dazu der ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros Max Edelbacher.
Die Frage, warum Wien so viele dubiose Gestalten anziehe, beantwortete
Edelbacher so: „Da ist einmal das sehr einladende Bankensystem, diese
balkanesische Gastfreundschaft und die Mentalität des Gebens und Nehmens. Das
zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Geld stinkt nicht in
Österreich, da fragt niemand, woher das stammt.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Dass Österreich zu
einem „Ruheraum“ bzw. zu einem Umschlagplatz für geheimdienstliche
Informationen und dunkle Geschäfte geworden ist, war nicht kalkuliertes Ergebnis
einer offiziellen Politik. Dies erklärt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel
mehrerer Faktoren: Zentrale geografische Lage, seit 1955 verbriefte
Neutralität, diskrete Absprachen sowie bis in die Nachkriegszeit
zurückreichende Abhängigkeiten, die schwer rückzubauen sind. Jedenfalls ist
Österreich nach dem Ende des Kalten Krieges und „heute vielleicht sogar mehr
denn je“ ein Zufluchtsort für undurchsichtige Gestalten geworden, brachten es
Emil Bobi und Othmar Lahodynsky 2010 in „profil“ auf den Punkt: „Für diese
Zielgruppe hat Wien historisch gewachsene Strukturen parat, die nicht nur
diesen Gästen, sondern auch dem Land Vorteile bringen. Das ist zwar nicht immer
sympathisch, aber fast immer nützlich.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>2014 ging Bobi in
„Die Schattenstadt“ der Frage nach, warum Wien zudem „Welthauptstadt der
Spionage“ geworden ist. </b>Seine These: „Der Grund ist nicht, wie immer behauptet
wird, der Kalte Krieg und nicht die Attraktivität der Stadt, sondern: Der
Wiener und sein Wesen. […] Der Wiener ist ein Natur-Agent.“ Bobi erklärt das
mit der Mentalität. Die „rätselhaften Packeleien mit der Halbwelt“ seien
Produkt einer Überlebensphilosophie: „Den Vorteil nehmen, anstatt sich der
Konfrontation auszusetzen, mitkassieren, statt anzustreifen. Man kann ohnehin
nichts ändern, die Obrigkeiten nicht brechen; aber man kann sein eigenes
Auskommen arrangieren.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das neutrale
Österreich habe somit einen auf den ersten Blick paradox anmutenden Weg
gefunden, für stabile Verhältnisse zu sorgen: Allen potentiellen
„Unruhestiftern“ ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen und ungestört
ihren Aktivitäten nachgehen können – solange nichts „passiert“ und damit
Österreichs Sicherheit betroffen ist. Dazu hält Bobi fest: „Spione sind
willkommen und gegen die eine oder andere Gegenleistung erfahren sie alles, was
man hier weiß. Dafür wird die Stadt selbst verschont: Die Geheimdienste, die
Mafia-Größen, die Großkriminellen, die terroristischen Schläfer und die anderen
Schattenfiguren der Macht nutzen Wien als Ruheraum, bringen ihre Schäfchen ins
Trockene, genießen das Bankgeheimnis und das einschlägige Verständnis der Stadt
für ihre Zielgruppe. Ihren Organisationen ist es strikt verboten, in dieser
Stadt aufzufallen oder gar Schießübungen zu veranstalten. Tatsächlich ist Wien,
verglichen mit der Dichte der anwesenden einschlägigen Personen,
unverhältnismäßig ruhig.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nicht umsonst
ließen die Behörden in den 1990er Jahren die Mafiapaten aus Osteuropa gewähren,
so der Ex-Sicherheitsbürochef Edelbacher: „Wir konnten sie nur beobachten. Wir
sind dann vor dem Hilton, dem Ana Grand Hotel, dem Marriott gestanden. Alles
sinnlos. Wir durften zusehen, wie sie vorgefahren sind, aber nicht mithören,
was sie dann im Hotel besprochen haben.“ Es habe tatsächlich so etwas wie ein
Stillhalteabkommen gegeben: „Es wurde nicht groß an die Wand geschrieben, aber
der geheime Slogan war, dass wer Ruhe gibt, auch Ruhe hat.“ Hier spielte auch
die Schwäche spezialisierter Sicherheitsstrukturen hinein: Die Einsatzgruppe
zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (EDOK) zählte damals rund 60
Mitarbeiter, darunter zwei mit akademischem Abschluss. Die überwiegende
Mehrheit – rekrutiert aus Gendarmeriedienststellen und dem Wiener
Sicherheitsbüro – musste sich nun mit komplexen Transaktionen und verdächtigen
Personen herumschlagen, die in ihren Herkunftsländern Verbindungen in höchste
politische Kreise unterhielten. Die Sondereinheit des Innenministeriums, so
lautete die Kritik von Fachleuten, konnte die organisierte Kriminalität „nicht
einmal beobachten, von einer effizienten Bekämpfung ganz zu schweigen“. In
Österreich, so Edelbachers Fazit 2008, bestehen „relevante Strukturen
organisierter Kriminalität“: „Sowohl die sizilianische Mafia, die Camorra als
auch russische Gruppierungen haben sich in Österreich festgesetzt.“ Das Land
diene primär als „Ruhezone“, „doch niemand weiß, wie sich dieses Phänomen
weiterentwickeln wird“. Ungeachtet der Morde an den Geschäftsleuten Sergej
Achmedow (1994) und Izrael Laster (1996) sowie dem georgischen Mafia-Paten
David Sanikidze (1996) gilt Wien bis heute als „sicherer Hafen“ – oder wie es
der Journalist Florian Horcicka formulierte: „Geschossen wurde lieber in
Budapest, Warschau oder Bratislava – in Wien ging und geht es
österreichisch-gemütlich ab – meistens jedenfalls.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Wenn es dennoch
„laut“ wird und kein anderer Ausweg bleibt, als sich einzumischen, macht die
Republik oft keine besonders gute Figur:</b> Am 13. Juli 1989 wurden drei Kurden in
einer Wohnung in der Linken Bahngasse Wien ermordet. Abdul Rahman Ghassemlou
und Abdullah Ghaderi-Azar, beides hochrangige Mitglieder der Demokratischen
Kurdischen Bewegung (DPIK), waren gemeinsam mit dem Universitätsprofessor Fadul
Rasoul von einem Killerkommando der Iranischen Revolutionsgarden in eine Falle
gelockt worden. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Allerdings unterlief
den Mördern im Zuge der kurzen Schießerei ein Missgeschick: Der Anführer des
Kommandos, Mohammed Djafari-Saharoodi, wurde von einem Querschläger verletzt.
Gemeinsam mit seinem Untergebenen Amir Mansour Bozorgian wurde er am Tatort
aufgegriffen. Obwohl sich der Verdacht erhärtete, dass die Iraner am Blutbad
zumindest beteiligt waren, erging gegen sie zunächst kein Haftbefehl. Bozorgian
flüchtete sich sofort auf das exterritoriale Gelände der iranischen Botschaft,
wo er dem Zugriff der Behörden entzogen war. Saharoodi wiederum durfte sobald
es sein Gesundheitszustand erlaubte, das Land verlassen: 11 Tage nach dem Mord
an den drei Kurden wurde er von einer Polizeieskorte zum Flughafen Schwechat
gebracht, um nach Teheran zu fliegen. Bozorgian gelang dann wahrscheinlich im
Dezember 1989 die Flucht: Zuvor hatte man die lückenlose Polizeiüberwachung vor
der iranischen Botschaft, in die er sich geflüchtet hatte, auf Druck des
Außenministeriums abgezogen. Die Furcht vor möglicher Vergeltung war zu groß
gewesen. Man wollte die Beziehungen zum Iran normalisieren und „weitere Opfer“
vermeiden, wie Außenminister Alois Mock meinte. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Als sich 2007 eine
junge Ukrainerin unter ungeklärten Umständen auf dem Grundstück der Wiener
Villa von Saif Gaddafi (dem Sohn des gestürzten libyschen Diktators)
lebensgefährlich verletzte, reiste dieser nur wenige Stunden später ab – an
Bord des Jets eines österreichischen Bauunternehmers. Die Ermittlungen wurden
ohnedies eingestellt. Am 14. Juli 2011 wurde der mit Interpol-Haftbefehl
gesuchte ehemalige KGB-Offizier Michael Golowatow am Wiener Flughafen
verhaftet. „Vertreter der russischen Botschaft bemühten sich sofort um den
Festgenommenen, der Botschafter intervenierte telefonisch um 3.20 Uhr beim
Wiener Oberstaatsanwalt Werner Pleischl und konnte eine Überstellung Golowatows
in eine Justizanstalt verhindern. Wenige Stunden später war er frei und konnte
ein Flugzeug nach Moskau besteigen“, berichtete die „Zeit“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Schon fast zu einer
Staatsaffäre ausgewachsen hat sich die Causa um Rakhat Alijev: </b>Dieser war bis
zur Zwangsscheidung Schwiegersohn des seit 1990 amtierenden kasachischen
Präsidenten Nursultan Nasarbajew gewesen. Außerdem war er Hauptaktionär einer
der größten kasachischen Banken, der Nurbank. Als zwei Manager dieser Bank 2007
verschwanden, verlangten die kasachischen Behörden von Österreich (wo Alijev
damals Botschafter war) die Auslieferung. Weil erhebliche Zweifel daran
bestanden, dass Alijev ein rechtsstaatliches Verfahren erwartete, wurde dies
2007 und 2011 verweigert. Dreimal soll der kasachische Geheimdienst KNB
daraufhin eine Entführung Alijevs geplant haben. Österreich sei seinem Ruf, „der
Tummelplatz schlechthin für Spione aller Herren Länder zu sein“, gerecht
geworden, merkte Alijev in seiner Verteidigungsschrift „Tatort Österreich“
(2013) an: „Die illustren Aktivitäten der kasachischen Geheimdienste nahmen
hierzulande nämlich die Züge eines schlechten James-Bond-Films an.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Um die guten
wirtschaftlichen Kontakte zwischen Österreich und Kasachstan nicht zu stören,
wurde Aliyev 2011 aufgefordert, Österreich zu verlassen. Er tat dies mit einem
eigens für ihn ausgestellten Fremdenpass und hielt sich danach in Malta auf.
Erst nachdem der Anwalt Gabriel Lansky für seinen Mandanten – den
Unterstützungsverein der Witwen der Mordopfer mit angeblichen Verbindungen zum
KNB – Druck auf die Strafverfolgungsbehörden aufbaute, wurde ein Haftbefehl erlassen.
Alijev wurde nach seiner Rückkehr nach Österreich im Juni 2014 verhaftet. Die
Anklage gegen ihn und zwei kasachische Mitverdächtige wegen Erpressung,
Freiheitsentzug, schwerer Nötigung und Mord hatte das Potential, „eines der
größten Strafverfahren in der österreichischen Justizgeschichte zu werden
(„Tagesanzeiger“). Doch am 24. Februar 2015 wurde Alijev erhängt in seiner
Gefängniszelle gefunden – Hinweise auf Fremdverschulden ergaben sich keine. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Mysteriös geblieben
ist auch der Tod des ehemaligen libyschen Premierministers Shukri Ghanem:</b> Am
29. April 2012 trieb dieser ertrunken in der Neuen Donau. Zuvor soll er laut
Staatsanwaltschaft einen Herzinfarkt erlitten haben. Tatsächlich spricht vieles
gegen die offizielle Version. Unter Gaddafi war Ghanem Chef der staatlichen
Erdölgesellschaft gewesen und hatte die Kontrolle über zahlreiche libysche
Investmentfonds. Laut den Recherchen von Florian Horcicka soll sich Ghanem im
Wiener Exil geweigert haben, Gelder an den revolutionären Übergangsrat freizugeben.
Daraufhin wurde ein Killerkommando in Marsch gesetzt. Dessen Einreise bzw. die
Identitäten der Mitglieder sollen dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz
schon im Vorfeld „detailliert“ bekannt gewesen sein. 2014 wiederum machte ein
angebliches Mordkomplott gegen den ukrainischen Oligarchen Dmitro Firtasch die
Runde. Firtasch, gegen den wegen Veruntreuung von 250 Millionen Dollar ein
US-Haftbefehl vorliegt, sitzt bis zur Entscheidung über eine etwaige
Auslieferung in Österreich fest. Zwischenzeitlich soll ein Killerkommando aus
Ungarn und Rumänien eingereist sein, um Firtasch im Auftrag von geprellten
Gegnern zu ermorden. Ein Staatsanwalt meinte dazu: „Ich habe mich nicht
sonderlich gewundert, denn erstens kommt Firtasch aus dem Osten und zweitens ist
viel Geld im Spiel.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Ansonsten spielen
sich Aktivitäten von „Schattenkräften“ diskret im Geheimen ab.</b> Was etwa
Spionage betrifft, so kann diese mittlerweile auf eine jahrzehntelange
Tradition am Standort Wien zurückblicken. Nach Kriegsende 1945 hatten sich die
Geheimdienste eingerichtet und blieben seitdem. Die Nähe zum Eisernen Vorhang
prädestinierte die Stadt als Ausgangspunkt für Geheimoperationen,
„Schleusungen“ und Kontaktstelle für Agenten beider Lager. Schaden für
Österreich wurde schon damals nicht befürchtet. Die Sicherheitsbehörden, so der
„Kurier“ 1983, gingen davon aus, dass „alles, was bei uns des Auskundschaftens
wert wäre, längst ausgekundschaftet ist und es den Geheimdiensten bloß noch
darum geht, sich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten“.
Mitte der 1980er Jahre waren rund 6.000 „einschlägige“ Personen registriert,
darunter zirka 40 Prozent des Personals östlicher und einen geringeren
Prozentsatz jenes westlicher diplomatischer Vertretungen. Doch die
„Dunkelziffer“ wurde als doppelt so hoch angenommen. Die für Spionageabwehr
zuständige Staatspolizei konnte dagegen gerade einmal 200 Beamte in Wien
aufbieten. „Wie könnten wir denn da auch nur die geringsten Erkenntnisse
gewinnen? Da müssten wir ja jeden einzelnen observieren – und das geht ganz
sicher nicht“, kommentierte ein verantwortlicher Sektionschef das
Missverhältnis. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Im Nachhinein
stellte das für den früheren Innenminister Karl Blecha kein Problem dar: „Ist
doch völlig Wurscht, wenn da einer auf einer Parkbank einem anderen ein Kuvert
zusteckt! Was geht uns das an? Wir Österreicher nehmen das zur Kenntnis – und
überwachen nur, dass diese Leute keine österreichischen Gesetze verletzen.
Umgekehrt haben die gewusst, dass sie hier nichts unerkannt tun können. Wenn es
Verletzungen dieser ungeschriebenen Agreements gab, dann sind wir
eingeschritten.“ Österreich sei ein „bequemes Land“ für die Aktivitäten seines
Dienstes gewesen, befand nicht umsonst Markus Wolf, der zwischen 1952 und 1986
die „Hauptverwaltung Aufklärung“ der Stasi geleitet hatte: „Wir konnten mit
Diplomatenpässen einreisen, auch war es auf Grund des großen Fremdenverkehrs
leicht.“ </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Fortsetzung folgt</span>Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-15296566899267510052016-02-05T13:38:00.001-08:002016-02-11T02:30:25.560-08:00Ein Waffenlager im Schrebergarten: Das vergessene stay behind-Depot in Wien-Lainz<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ein
Zufallsfund in Wien-Lainz lüftet eines der letzten Geheimnisse des Kalten
Krieges in Österreich. Ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen, wurde 2014 ein
umfangreiches Waffen- und Sprengstoffdepot der britischen Armee geöffnet – aber erst jetzt lassen
sich Hintergrund und Funktion bestimmen. <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Eine beschaulich
ruhige ehemalige Kleingartenanlage in Wien-Lainz am Rande des Hörndlwalds: Wer
würde ausgerechnet hier eines der letzten Geheimnisse des Kalten Krieges in
Österreich vermuten? Genau das trat am 14. Juni 2014 zutage: Eine zugezogene
Familie hatte sich daran gemacht, in einem verwucherten
Schrebergarten neu zu bauen. Das Wochenendhäusen der Vorbesitzerin war bereits geschliffen. Unter der Beton-Grundfläche</span><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"> in zwei Meter Tiefe stieß der Bagger plötzlich auf Wellblech. Als darunter stark
verrostete Metallkisten und Patronen zum Vorschein kamen, war es
für die herbeigerufene Polizei ihrerseits an der Zeit, den Entminungsdienst zu
verständigen. </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die „sachkundigen
Organe“ bargen schließlich mehrere Dutzend kg Sprengstoff, acht bis zehn
Munitionsbehälter, Sprengschnurrollen, in Plastik eingeschweißte Zünder und spezielle Exemplare für die Sabotage von Eisenbahnlinien</span> (<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Fog Signal Igniter), Sten Mk6-Maschinenpistolen, FN-Pistolen, Bajonette, Stangenmagazine, Leukoplast
sowie einen Erste-Hilfe-Kit mit Skalpellen, Injektionsnadeln und gläsernen Medizin-Fläschchen. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Vor allem die Waffen befanden sich in erbärmlichen Zustand – lediglich in Holzkisten verpackt hatte die Lagerung in dem rotlehmigen und
Hangwasser führenden Boden nicht gut getan. Die besser geschützte Munition war immer noch schussfertig. Und es bestand Explosionsgefahr – der Baggerfahrer hatte laut den zwischenzeitlich nervös gewordenen Entschärfern
sogar Glück gehabt. Niemand durfte die „Rostleichen“ anfassen. Die Druckzünder beispielsweise waren immer noch scharf und hätten mit einer größeren Sprengstoffmenge auch heutige Lokomotiven zum Entgleisen gebracht. Die Bergung ging aber ohne Zwischenfälle zu Ende. Laut offizieller
Auskunft vom Bundesministerium für Landesverteidigung wurden die „230 kg Kriegsmaterial“ anschließend vernichtet.</span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7kHSdMZp94ySPp0vOUqGADdot9gOFVtLqgSsV6k9jyw2tsgyYsGirHbaI8ZkLS23hyhgmQdqtonnblkrIN8y1Qx_2MR1_HQUTnhKJ_TYYnw6XXl-Cdtj024p3EwFrkM5SU0aAF_WUf24/s1600/DSC06920.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7kHSdMZp94ySPp0vOUqGADdot9gOFVtLqgSsV6k9jyw2tsgyYsGirHbaI8ZkLS23hyhgmQdqtonnblkrIN8y1Qx_2MR1_HQUTnhKJ_TYYnw6XXl-Cdtj024p3EwFrkM5SU0aAF_WUf24/s320/DSC06920.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgcMJx-3CHphCyYRkqyz729ppII-BdXh2e4yt8gwnw7hArHUDurIVp87TfJUpjJSg1vVQf8sTgJTRevZ5QOMrAqhSryiF5pOt-ZHIOzxNtCdou9BKPdQM1gCWWdV2ZDbNpfTaqVw2RGO5I/s1600/DSC06921.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgcMJx-3CHphCyYRkqyz729ppII-BdXh2e4yt8gwnw7hArHUDurIVp87TfJUpjJSg1vVQf8sTgJTRevZ5QOMrAqhSryiF5pOt-ZHIOzxNtCdou9BKPdQM1gCWWdV2ZDbNpfTaqVw2RGO5I/s320/DSC06921.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXzQVrLfnJoFD0KYDZ-oB0c1-mw0SPyQ-Nv7dhwDaEBA0z8p_aMtdGa4-lAp_wRoWqpVQgy2d3joJvZbddx0_ef42gdTvc6MmQODo2I6c7fC5FbRHCG8KCQI-blcXnXYbDGheujgooulY/s1600/DSC06922.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXzQVrLfnJoFD0KYDZ-oB0c1-mw0SPyQ-Nv7dhwDaEBA0z8p_aMtdGa4-lAp_wRoWqpVQgy2d3joJvZbddx0_ef42gdTvc6MmQODo2I6c7fC5FbRHCG8KCQI-blcXnXYbDGheujgooulY/s320/DSC06922.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQKL7BfYPESX58Zb_6guACNGkwfbpyTtVzxghL-l3MY7ztR0r2_jpT1wfVXfzQGK7lUf0pU7EsALJLqdrFlKjGkQ-hMXqTZ75bnl6gXvVhi3gwZpk-2Idt9nBV7kSMtJUK9pkuKQPnFQQ/s1600/DSC06923.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQKL7BfYPESX58Zb_6guACNGkwfbpyTtVzxghL-l3MY7ztR0r2_jpT1wfVXfzQGK7lUf0pU7EsALJLqdrFlKjGkQ-hMXqTZ75bnl6gXvVhi3gwZpk-2Idt9nBV7kSMtJUK9pkuKQPnFQQ/s320/DSC06923.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">In Wien-Lainz gefunden: Zünder, Sprengschnur, Munitionsbehälter und Medizin-Flasche (von o. nach u. - Quelle: privat)<br />
<br /></td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>In Tageszeitungen wurde am 16. Juni 2014 kurz über den Fund von "Briten-Kriegsmaterial" berichtet: </b>"Eine Metallkiste mit Munition, Bayonetten und zwei Pistolen." Tatsächlich war die Ausbeute viel umfangreicher und auch keiner der üblichen Zufallsfunde aus dem 2. Weltkrieg. Das zeigte schon die
Zusammensetzung: Sprengstoff und Zubehör für Sabotage sowie die
ikonische „Sten Gun“, der sich Spezialeinheiten und der antifaschistische
Widerstand gerne bedient hatten. Eindeutig zu bestimmen war alles durch den „Broad Arrow“
– einem heraldisches Zeichen, mit dem britischer Regierungsbesitz ausgewiesen
wird. Dieses Zeichen fand sich sowohl auf den Munitionskisten als auch auf den
Medizinfläschchen. Somit scheidet der 2. Weltkrieg als „Ursprung“ aus – vielmehr
war das Lainzer Depot Teil von Vorbereitungen für den Fall, dass aus dem Kalten
Krieg ein „heißer“ geworden wäre. Das lässt sich mit Rückgriff auf vormals geheime
Unterlagen im Wiener Staatsarchiv belegen.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh02y5ymApnD2QRxEKYRNiGYwUmclsSjZbC9fkhJXSbydv_u29ym6X6YxmxuENYDhdD84XbxM162LZvmTdg9w3PB_Z-1xOU0yWd2Ggemd5T_V_v3qy6wNb3rXmpE8oLib4XYnpKvSMifZ8/s1600/Artefakt.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh02y5ymApnD2QRxEKYRNiGYwUmclsSjZbC9fkhJXSbydv_u29ym6X6YxmxuENYDhdD84XbxM162LZvmTdg9w3PB_Z-1xOU0yWd2Ggemd5T_V_v3qy6wNb3rXmpE8oLib4XYnpKvSMifZ8/s400/Artefakt.JPG" width="235" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Eines der wenigen erhaltenen Artefakte - Medizinfläschen mit dem "Broad Arrow" (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg-F7EFYoV9vvtLd4uWcUPfsHxAUUjjTNlzMWxwa2nIXtgkOVSxpDGn2uiL07s2v1HhzN5PQ7taNTTnmM7rBsYi8yt9zICcUSMCmSeCUBAQhffw58PdE4Rwvee6BY1egiFrC9qpSde-RgA/s1600/Sten_gun_France_ww2-102.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="317" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg-F7EFYoV9vvtLd4uWcUPfsHxAUUjjTNlzMWxwa2nIXtgkOVSxpDGn2uiL07s2v1HhzN5PQ7taNTTnmM7rBsYi8yt9zICcUSMCmSeCUBAQhffw58PdE4Rwvee6BY1egiFrC9qpSde-RgA/s320/Sten_gun_France_ww2-102.jpg" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Französischer Partisan mit Sten Gun 1944 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Vorbereitung
auf den „Tag X“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ende der 1940er
Jahre schien eine Invasion der Roten Armee jederzeit möglich. Hatten doch die
Sowjets 1948 Berlin abgeriegelt und die Macht in Ungarn sowie der
Tschechoslowakei an sich gerissen. 1950 entbrannte der Koreakrieg. Die immensen
Spannungen, die sich zwischen den Supermächten aufbauten, spürte man im
besetzten Nachkriegsösterreich besonders stark: Hier stießen Ost und West
unmittelbar aufeinander, eine Teilung des Landes oder ein Putsch lagen in der
Luft. In dieser Situation koordinierte die CIA in ganz Westeuropa ein dichtes
Netz von Guerilla- und Partisaneneinheiten auf, das unter den Bezeichnungen
„stay behind“ oder „Gladio“ (Deckname der italienischen Formation) geläufig
geworden ist.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Dafür rekrutierte
Agenten sollten im Kriegsfall hinter der Front aktiv werden. Ihre Aufgaben: Sabotage,
Informationsbeschaffung und Durchschleusen von VIPs, abgeschossenen Piloten und
Kriegsgefangenen. </b>Damit am „Tag X“ alles bereit war, wurden Erddepots mit
Waffen, Sprengstoff, Funkgeräten und anderer Ausrüstung angelegt. In Österreich
wurden 1996 65 dieser geheimen Lager nach entsprechender Information durch die
USA lokalisiert – 33 in Oberösterreich, 27 in Salzburg und fünf in der
Steiermark. Das Kriegsmaterial hätte für bis zu 1.000 Mann gereicht. Weniger
bekannt ist dagegen, dass auch die britische Besatzungsmacht solche
Vorkehrungen traf – und zwar schon zu einem früheren Zeitpunkt als die USA. Vielleicht
schon 1946/47 oder Anfang der 1950er Jahre legten die Briten in ihrer Zone Waffen-
und Ausrüstungslager an und zwar fast ausschließlich in Kärnten. Es gab nur
eine besondere Ausnahme – das nun gefundene Versteck in Wien-Lainz am Rande des
britischen Sektors.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIdkN7y94p3i8t-XXOo9hFe16Ot7UmFlEEwVTkqj_sFxdEW9HTMvUcVCATlIlD14YRtLtHeCvUCvKC9gIdtNdYD47idenByE67uslgiWPvFKa1kCsTTIoa3ma2g0cXZNuxMT7RhOj5jhA/s1600/The_British_Army_in_the_United_Kingdom_1939-45_H18953.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="316" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIdkN7y94p3i8t-XXOo9hFe16Ot7UmFlEEwVTkqj_sFxdEW9HTMvUcVCATlIlD14YRtLtHeCvUCvKC9gIdtNdYD47idenByE67uslgiWPvFKa1kCsTTIoa3ma2g0cXZNuxMT7RhOj5jhA/s320/The_British_Army_in_the_United_Kingdom_1939-45_H18953.jpg" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Britische Kommando-Soldaten 1942 in Frankreich (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Einsatzgebiet
Kärnten</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Simon Preston, in
den 1950er und 1960er Jahren Mitglied des britischen Auslandsgeheimdienstes
MI6, gab 1996 der „Presse“ ein Interview. Er wäre im Falle einer militärischen
Konfrontation mit dem Fallschirm über Österreich abgesprungen. 1952 führte
Preston eine Mission nach Kärnten: „Wir waren vier Soldaten und hatten die
Aufgabe, sechs geheime Waffendepots anzulegen.“ Pro Lager gab es einen
österreichischen Verbindungsmann. Dieser hätte die Aufgabe gehabt, die
britischen Agenten im Ernstfall zu den Verstecken zu führen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Erst 2014 hat der
norwegische Historiker Olav Riste neue Belege veröffentlicht, wonach gerade
britische Stellen kurz nach Kriegsende 1945 besorgt waren, dass es in
Westdeutschland und Österreich zu sowjetischen Umsturzversuchen kommen könnte.
</b>Deshalb wurde die Installierung von Untergrund-Widerstandsnetzen in den britischen
Besatzungszonen empfohlen. Im Oktober 1945 gaben die Stabschefs eine
entsprechende Direktive heraus, wonach das Special Operations Executive (SOE)
eine Organisation aufbauen sollte, die im Notfall schnell einsatzbereit wäre.
Dafür sei es notwendig ein klandestines Kontakt- und Kommunikationsnetz
vorzubereiten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das SOE war eine Sondereinheit
für Einsätze hinter feindlichen Linien und hatte zwischen 1940 und 1946 Bestand. Priorität für das SOE, dessen Know-how
bald in neuen Formationen aufging, hatten jene Länder, die bereits früh unter sowjetische
Kontrolle zu fallen drohten, also
Österreich und die BRD. Darüber hinaus befand sich gerade die britische
Besatzungszone (Kärnten, Osttirol und Steiermark ohne Salzkammergut) in einer
prekären Lage. Kurz nach Kriegsende 1945 war es zu gefährlichen Spannungen mit
Jugoslawien gekommen, die erst 1948/49 abflauten, als Tito mit Stalin brach.
Danach kam es für die Alliierten darauf an, die strategisch wichtige Laibacher
Pforte – die Landverbindung zwischen Oberitalien, Südösterreich und Jugoslawien
– gegen einen Vorstoß der Roten Armee zu halten. Die Depots in Kärnten dürften
daher vor allem solchen Szenarien geschuldet gewesen sein. Zeitzeuge Preston wiederum
hielt es für möglich, dass Waffen aus den Verstecken im Rahmen des Ungarnaufstandes
1956 tatsächlich zum Einsatz kamen. Er selbst war im Oktober 1956 als Agent in
Budapest gewesen.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjrQkacUayW5TFFy2FAlVBA-YyMLfDtNTofdzfN_B1RRjxHsE5zpBptaPltMgYLyi-P1iqHuCRxwL7eMiVOE_meTCDGwRDRD-jDNsOWi_LXOgXsYW6fFWjM8CzIiexayKNIvUVIzWOwBMI/s1600/Maquis_Haute_Savoie.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="246" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjrQkacUayW5TFFy2FAlVBA-YyMLfDtNTofdzfN_B1RRjxHsE5zpBptaPltMgYLyi-P1iqHuCRxwL7eMiVOE_meTCDGwRDRD-jDNsOWi_LXOgXsYW6fFWjM8CzIiexayKNIvUVIzWOwBMI/s400/Maquis_Haute_Savoie.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">SOE-Agenten (3. und 4. von rechts) mit französischen Partisanen 1944 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1959:
Die ersten Depots werden entdeckt</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Im Unterschied zu
den US-Lagern, die erst in den 1990er Jahren Gegenstand einer öffentlichen
Kontroverse wurden, flogen die britischen Pendants relativ früh auf. Am 18.
Dezember 1959 wurden im Waldkogelgebiet nahe der Ortschaft Baierberg (Gemeinde
Guttaring) mehrere mit Wellblech eingefasste Waffenbunker entdeckt – die
Gendarmerie war darauf aufmerksam geworden, weil Einheimische in Uniformstücken
herumgelaufen waren. Es handelte sich um US-amerikanische Waffen, Munition und
Sprengstoff, Bekleidung, Verpflegung und Sanitätsmaterial. Angelegt worden
waren die Depots von britischen Soldaten, die sich 1952 für drei Wochen in dem
Gebiet aufgehalten hatten. Im Rahmen von Nachforschungen gab ein pensionierter
Kärntner Gendarmerieoffizier 1960 Auskunft: <i>„Die
Bunker sind damals im Rahmen eins Manövers der britischen Truppen angelegt
worden, wobei das Manövergelände für den Zutritt fremder Personen gesperrt
worden sei. […] Während ein ähnliches Lager bei Arnoldstein, welches jedoch nur
Munition enthalten habe, noch vor dem Abzug der britischen Besatzungsmacht
geräumt wurde, seien die Bunker im Waldkogelgebiet offenbar vergessen worden.“ </i><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Hinweise
aus Großbritannien<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nach diesem ersten
Fund hatte die Nachrichtengruppe des Bundesministeriums für Landesverteidigung
(BMfLV), Vorläufer des heutigen Heeresnachrichtenamts, insgeheim ermittelt. Man
setzte sich mit den britischen Behörden in Verbindung, um herauszufinden, ob noch
weitere Waffenlager bestünden. Der britische Militärattaché in Wien begab sich daraufhin
nach London und richtete am 10. Februar 1960 aus, dass die „entsprechenden
Pläne“ im Laufe der „nächsten Tage“ in Wien eintreffen würden: „<i>Er übermittelte gleichzeitig das Ersuchen
des britischen Militärischen Nachrichtendienstes, die Entleerung der Bunker
tunlichst unauffällig vorzunehmen und Presseveröffentlichungen nach Möglichkeit
zu verhindern.“</i> <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Die Heeresgeheimdienstler
fügten die Puzzlestücke zusammen und analysierten bereits Ende Jänner 1960
zutreffend: </b><i>„Die Anlage derartiger Depots
wurde im Zuge vorsorglicher Räumungsmaßnahmen von besonders ausgebildeten
Sonderkommanden in allen besetzten europäischen Ländern für den Fall der
notwendigen Räumung vorgenommen. Die Depots hatten den Zweck, nach der Räumung der
betreffenden Gebiete den dortigen Widerstandsgruppen hinter der feindlichen
Front, bzw. den mit Flugzeugen abgesetzten eigenen Agenten bei dem Aufbau von
Partisanen- (Untergrund-) bewegungen das notwendige Ausrüstungsmaterial zu
bieten. Es ist als sicher anzunehmen, dass das jetzt in Kärnten aufgefundene
britische Depot die gleiche Bestimmung hatte, umso mehr, als auch der
US-Nachrichtendienst auf dem Gebiete der heutigen DDR nach der gleichen Methode
bereits ähnliche Depots vorsorglich anlegte. “</i> Damit könnte das Project
LCSTART gemeint sein, mit dem die CIA ab dem 21. Februar 1952 hinter dem
Eisernen Vorhang in der DDR ein Programm für Sabotageeinheiten und andere
paramilitärische Aktivitäten laufen hatte. Vorgesehen war eine weitere
Operation mit dem Codenamen TEMPER zum Aufbau von Flucht- und
Evakuierungsrouten bzw. zur Bildung eines Kerns für langfristigen Widerstand.
Zu beiden Projekten sind bislang keine Unterlagen freigegeben worden.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhWQ7JeMcbgYI2-blDHobO95pWfhIu6bUOd0DtBg7tndZJj85_G5gcOy5CjA2P82D05Cn5EuyO7YLNC6oNqv_73ylL-tQQrlBcfo42K6iK83LPwvboEetI7kNRC4IuvAz1Ab60thb3SCbg/s1600/The_British_Army_in_North-west_Europe_1944-45_B15007.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhWQ7JeMcbgYI2-blDHobO95pWfhIu6bUOd0DtBg7tndZJj85_G5gcOy5CjA2P82D05Cn5EuyO7YLNC6oNqv_73ylL-tQQrlBcfo42K6iK83LPwvboEetI7kNRC4IuvAz1Ab60thb3SCbg/s320/The_British_Army_in_North-west_Europe_1944-45_B15007.jpg" width="318" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Britischer Korporal mit Sten Gun im März 1945 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Waffen
von „Südtirol-Aktivisten“ entwendet?</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Im Juli 1965 kam es
erneut zu einem öffentlichen Aufschrei: Nach „vertraulichen Mitteilungen aus
der Bevölkerung“ wurde in einem
aufgelassenen Bergwerksstollen in der Nähe von Windisch-Bleiberg ein Depot
sichergestellt, dessen Inhalt aber geplündert worden war. „<i>Aus den erbrochenen
Kisten konnte der Schluss gezogen werden, dass mindestens 30 Gewehre, einige
Tausend Schuss MP- und Gewehrmunition sowie größere Mengen Sprengstoff in die
Hand unbefugter Personen gelangt waren“,</i> heißt es in einem Bericht der Sicherheitsdirektion
Kärnten. </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghDNnl-MGDgt8E-IQ9lge-Rm1Q9I-xHBVwbEpSfxec2OThFo0UzuSLvBbGwWc_wqlGfX7awg8BJZzOVjrApr57j0oLvktaH86QqBce_P-Z8Gb_-XgqIWNhmKkdx7VQHJfgmfSS62uZCkk/s1600/K%25C3%25A4rnten_1.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="238" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghDNnl-MGDgt8E-IQ9lge-Rm1Q9I-xHBVwbEpSfxec2OThFo0UzuSLvBbGwWc_wqlGfX7awg8BJZzOVjrApr57j0oLvktaH86QqBce_P-Z8Gb_-XgqIWNhmKkdx7VQHJfgmfSS62uZCkk/s400/K%25C3%25A4rnten_1.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Meldung der Arbeiter-Zeitung vom 31. 7. 1965 (Quelle: www.arbeiter-zeitung.at)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der Verdacht kam auf, „Südtirol-Aktivisten“ könnten sich bedient
haben. Die Staatspolizei schaltete sich ein und löste den Fall innerhalb von
drei Monaten: Schüler der Fachschule für Handfeuerwaffen in Ferlach hatten die
Waffen entwendet und teilweise weiterverkauft. Für die Kärntner Behörden war
dies alles andere als ein Lausbubenstreich: </span><i style="font-family: 'times new roman', serif;">„Im
Interesse der inneren Sicherheit des Staates muss unbedingt verhindert werden,
dass noch weitere Waffen- und Sprengstoffdepots von Unbefugten ausgeplündert
werden. […] In welch dunklen Kanäle diese Waffen fließen könnten, ist gar nicht
abzusehen. Unter den Schülern der bezeichneten Fachschule befinden sich
zahlreiche deutsche Staatsangehörige, bei denen auf Grund ihrer größtenteils betont
nationalen Einstellung eine Verbindung zu den Südtirol-Aktivisten keineswegs
auszuschließen wäre.“</i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die Stellen in
Klagenfurt drängten das Innenministerium dazu, „ganz offiziell“ mit dem
Verteidigungsministerium in Kontakt zu treten und „mit allem Nachdruck“ auf
eine Herausgabe „allenfalls“ vorhandener Pläne und Informationen zu verlangen: <i>„Der ho. Sicherheitsdirektion zur Kenntnis
gekommene Informationen besagen, dass die ehemalige britische Besatzungsmacht
alle von ihr im Bundesland Kärnten über die Ausrüstungs- und Waffendepots
angelegten Pläne nach dem Abzug im Jahre 1955 den österreichischen Bundesheer
übergeben haben soll. […] Offenbar hat das Bundesministerium für
Landesverteidigung die Lage dieser Depots bisher deshalb geheim gehalten, um
nicht Großbritannien gegenüber Jugoslawien auszuspielen und den Verdacht
aufkommen zu lassen, dass Großbritannien sich für einen allfälligen Konflikt
mit Jugoslawien vorbereitet habe. Eine Geheimhaltung ist jedoch jetzt
keineswegs mehr am Platze, weil die Existenz derartiger Lager auf Grund der
inzwischen in Guttaring und im heutigen Sommer wiederum in Windisch-Bleiberg
gemachten Entdeckungen weitgehend bekannt ist.“</i></span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEoWcUGaAGfi06v1hv3O3U7vBii50fbyy6bPhjEdNxVWcHCDMXMlAJGl50MapcnO19I9E5H0p1URjsd-yzezIaK69svjWh-7dt2slUs_leYNZqjkK9VWfK8tQEZEKjownTsR8vQOTuJLk/s1600/H_014599_101_Troop_Special_Service_Brigade_Oct_1941.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="319" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEoWcUGaAGfi06v1hv3O3U7vBii50fbyy6bPhjEdNxVWcHCDMXMlAJGl50MapcnO19I9E5H0p1URjsd-yzezIaK69svjWh-7dt2slUs_leYNZqjkK9VWfK8tQEZEKjownTsR8vQOTuJLk/s320/H_014599_101_Troop_Special_Service_Brigade_Oct_1941.jpg" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Kommando-Training in Schottland 1941 (Quelle: Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Fast
20 größere Waffenlager in Kärnten</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am 16. November
1965 war es soweit: Vertreter des Innenministeriums und der Nachrichtengruppe trafen sich zu einer Besprechung, wobei letztere eröffneten,
dass bereits 17 Lager „ausgeforscht und entleert“ worden waren. Das Lager in
Windisch-Bleiburg sei ebenfalls bekannt gewesen, <i>„doch sind die Gründe, warum
dieses Lager nicht rechtzeitig entleert worden war, hier nicht bekannt“.</i> Die
Heeresspione klärten zudem auf, dass noch weitere 11 Lager existierten, die
noch nicht geräumt worden seien. Aufgelistet wurden drei „Waffen-, Munitions-
und Sprengmitteldepots“, sechs „Überlebendenlager, die lediglich aus „einem
Mundvorrat, einer Pistole und einer Flasche Cognac“ bestanden sowie ein
Lebensmittel- und Bekleidungsdepot bzw. ein Nachrichtendepot. Alle befanden
sich bis auf eine Ausnahme – das Lager in Wien-Lainz – in Kärnten. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Rechnet man
die unbedeutenden Klein-Verstecke weg, so waren dort insgesamt fast 20 größere
Waffenlager angelegt worden – und zwar in Hüttenberg, Guttaring, St. Gertraud,
Wieting, St. Oswald, Diex, Krumpendorf und Windisch-Bleiberg. Allerdings liegen
nur von vier Lagern Inhaltsverzeichnisse vor. Demnach waren neben
umfangreichen Munitions- und Sprengstoffvorräten Waffen unterschiedlichster
Herkunft gebunkert worden, darunter Lee-Enfield-Gewehre, Sten-Maschinenpistolen
und kanadische M-35-FN-Pistolen, die in der Folgezeit von Offizieren und
Unteroffizieren der Nachrichtengruppe als Dienstwaffen weiterverwendet
wurden. In Klagenfurt konnte jedenfalls ein Schlussstrich gezogen werden – am 7.
Dezember 1965 wurde vermerkt: „Es ist nunmehr anzunehmen, dass keine weiteren
Lager der britischen Besatzungsmacht in Kärnten bestehen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das
vergessene Lager in Wien-Lainz<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Damit stellt sich
abschließend die Frage, warum das Wiener Depot bis 2014 Bestand hatte. Aufschluss
darüber gibt ein Aktenvermerk vom 17. November 1965. Darin heiß es: <i>„Die Anlegung dieses Lagers durch die
britische Besatzungsmacht wurde durch einen Österreicher geduldet, der auf dem
bezüglichen Grundstück ein Einfamilienhaus besitzt. Das Waffendepot wurde so
angelegt, dass es erst nach Beseitigung einer Betonmauer zugänglich ist. Eine
Gefahr des Auffindens durch Unbefugte besteht nicht. Das BMfLV übernimmt die
Verantwortung, dass Unbefugte nicht zu dem Waffenlager gelangen und dieses
anlässlich eines zu erwartenden Umbaues des Einfamilienhauses in den nächsten
ein bis zwei Jahren auch tatsächlich geräumt wird.“</i> <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nicht alle Details
stimmen hier: Tatsächlich befand sich das Objekt – ein ebenerdiges, kleines Wochenendhäuschen
– seit 1952 im Besitz einer alleinstehenden Frau, die 2010 im Alter von 91 Jahren
verstorben ist. In der Nachbarschaft kursieren bis heute Gerüchte, wonach sie
im Innenministerium </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Karriere gemacht
habe, was sich nicht belegen lässt. Ihr ebenfalls verschiedener Bruder hatte im
2. Weltkrieg bei den Gebirgsjägern gedient und war danach
Bundesheer-Reserveoffizier. Ob er jene Person sein könnte, die im Dokument
genannt wird, lässt sich ebenfalls nicht nachweisen. Die Gegebenheiten am Fundort passen jedenfalls zu der Beschreibung: Die Beton-Platte, auf dem das Häuschen stand, war größer als dessen Grundfläche und zweigeteilt - im vorderen Bereich fand sich ein Metalldeckel mit Griff, der einen darunterliegenden engen Schacht verschloss. Dieser wiederum war mit Ziegelsteinen ausgemauert und verfügte selbst über einen dünnen Beton-Boden. Darunter waren schließlich die mit Wellblech abgedeckten Waffen und der Sprengstoff. Aus dieser Anordnung ist zu schließen, das das Lager "zuerst" da war - als dieser Geländeabschnitt noch bewaldet und nicht parzelliert war. Betonfläche und Häuschen wurden nachträglich darüber errichtet und das Geheimnis so gewahrt. Dazu passt auch, dass die Besitzerin zeitlebens keinen Wasser-, Kanal- und Stromanschluss vornehmen ließ. </span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5XlyY52kbfjL5LDcMkF94ZN2g2aobyMd2A8vvCL7F-ZCQGswxgxKE3VyUzvhkuUl7ISYh6fVLlf7SU7vz0Dc4oFPvr4UDDKh5ZALiJtYv_PDDegadiW1QNNhye7aAsD2UKQISOAVxGgY/s1600/DSCN2291.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="480" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5XlyY52kbfjL5LDcMkF94ZN2g2aobyMd2A8vvCL7F-ZCQGswxgxKE3VyUzvhkuUl7ISYh6fVLlf7SU7vz0Dc4oFPvr4UDDKh5ZALiJtYv_PDDegadiW1QNNhye7aAsD2UKQISOAVxGgY/s640/DSCN2291.JPG" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Fundort - der Deckel zum Schacht ist rechts im Vordergrund der Betonfläche zu sehen (Quelle: privat)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Das Depot in Wien-Lainz ist wahrscheinlich in den späten 1940er Jahren angelegt worden, als die Besorgnis über sowjetische Absichten bei britischen Stellen besonders ausgeprägt war. Diesen Befund legt der Inhalt nahe - die aufgefundenen Waffen und der Sprengstoff waren vom Typus her im 2. Weltkrieg im Einsatz gewesen. Nach Erschließung des Geländes wenige Jahre später fand man offenbar eine pragmatische Lösung, indem das Wochenendhäuschen einer vertauenswürdigen Person über dem Versteck errichtet wurde. Anders als angekündigt wurde das Depot auch später nicht geräumt - vielleicht befürchtete man zu viel Aufsehen oder wollte abwarten.</span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-GwD98xmnzPjxzcaPCiMoLkQKg4j2Go_XxXXtAcjcIjZDaYXZYio8eNEcwttZRk1USRDsfsONfbyJqUAb7wl1_jpJTCdlFGI3_mrb9CmJOjNBrGutMj6a5AydCyN45ZFNTAJjvqDyhL8/s1600/DSC06943.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-GwD98xmnzPjxzcaPCiMoLkQKg4j2Go_XxXXtAcjcIjZDaYXZYio8eNEcwttZRk1USRDsfsONfbyJqUAb7wl1_jpJTCdlFGI3_mrb9CmJOjNBrGutMj6a5AydCyN45ZFNTAJjvqDyhL8/s320/DSC06943.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgyYSBswKlSb5O52c8yuO_pFCtQ-ymiOFkUURShQOL8OVXOiiC5gqEx9uc9zVwlDzY4nvtiJpc2R7DwrN3UvMp0fyyKqDXcWZuWTLpVFn5bnfs4Wdn_hVyYi1VaD3aU-T94lnio6UzkvUM/s1600/DSC06945.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgyYSBswKlSb5O52c8yuO_pFCtQ-ymiOFkUURShQOL8OVXOiiC5gqEx9uc9zVwlDzY4nvtiJpc2R7DwrN3UvMp0fyyKqDXcWZuWTLpVFn5bnfs4Wdn_hVyYi1VaD3aU-T94lnio6UzkvUM/s320/DSC06945.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgmkSMJQlipPw9_90PdlljkPKULGMK8vYBOE-FigjdyBWY-LyNVezzdSQAVnRFNVKlj40r2TupFHMJ_qildey1U4uyXC5liBmLiZBzis3DpE5iYiFPZSIUIXiNmVhgxtcGfHmh_qzypfPg/s1600/DSC06941.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgmkSMJQlipPw9_90PdlljkPKULGMK8vYBOE-FigjdyBWY-LyNVezzdSQAVnRFNVKlj40r2TupFHMJ_qildey1U4uyXC5liBmLiZBzis3DpE5iYiFPZSIUIXiNmVhgxtcGfHmh_qzypfPg/s320/DSC06941.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2iKNjGvdTCeU5DSVbbSOgq7GUEdtO5QJEHHYyKU31ZUdgDFqU_-F_gIdDsiZbZhq6yHnrR0FBwL5ajrOyE62LhTaoP1DPfcbXTh_T8bqqo1jIWJ3qx4Uj2Bd_pZXLFk8w8uOawAy_WOk/s1600/DSC06944.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2iKNjGvdTCeU5DSVbbSOgq7GUEdtO5QJEHHYyKU31ZUdgDFqU_-F_gIdDsiZbZhq6yHnrR0FBwL5ajrOyE62LhTaoP1DPfcbXTh_T8bqqo1jIWJ3qx4Uj2Bd_pZXLFk8w8uOawAy_WOk/s320/DSC06944.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Die Munition wäre immer noch verwendbar gewesen - die "doppelte" Lagerung in Holz- und Metallkisten hat die Patronen gut konserviert - die Waffen hingegen waren völlig verrostet (zweites Bild von oben - Quelle: privat)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Das Depot befand
sich hier – im schwer einzusehenden „Außenposten“ der Kleingartensiedlung – an
einem „perfekten“ Platz. </b>Das wird deutlich, wenn man die nähere Umgebung
miteinbezieht. Dort fallen einige neuralgischer Punkte ins Auge: So hätte ein
Sabotagetrupp etwa die Verbindungsbahn im Wien-Tal sprengen
können. Was heute Teil des S-Bahnnetzes ist, verband bis 2010 die West- und
Südbahn bzw. die Süd- und Nordbahn. Ein weiteres lohnenswertes Ziel könnte die
ursprünglich als Stadtautobahn konzipierte Schrutkagasse dargestellt haben,
eine wichtige Süd-West-Achse. Vom Versteck war es außerdem nicht weit zu
wichtigen britische Stellen – einem Lazarett im heutigen Geriatriezentrum am
Wienerwald, der Fasangartenkaserne (heute: Maria-Theresienkaserne) und dem
Hauptquartier des britischen Hochkommissars in Schönbrunn. Nah war auch der
Gegner – der Lainzer Tiergarten, der sich im Westen an den Hörndlwald
anschließt, war Teil des sowjetischen Sektors mit der Hermesvilla als
nächsten Stützpunkt. Ebenso in sowjetischer Hand war die „Friedensstadt“, eine
Siedlung gleich auf der gegenüberliegenden Seite des Hörndlwalds.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgy5yEJetgFpr2IXv1zilB22Xo4ctUkCvrPfuqn5PjOejqhwuvUwCA9yhTZhkpsAmsilgV47iMUhvYj2Pjx0J2NDUzg-7_DlYh9Pdb23S8cDlm6qmItk5bS44cRt-cASYHmUkEkJUAw2pA/s1600/IMG_0015.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgy5yEJetgFpr2IXv1zilB22Xo4ctUkCvrPfuqn5PjOejqhwuvUwCA9yhTZhkpsAmsilgV47iMUhvYj2Pjx0J2NDUzg-7_DlYh9Pdb23S8cDlm6qmItk5bS44cRt-cASYHmUkEkJUAw2pA/s320/IMG_0015.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ebenfalls erhalten geblieben: Ein Bajonett (Quelle: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<b style="font-family: 'times new roman', serif;">Wie sich die Sabotageaktionen
in der Realität abgespielt haben könnten, kann man in „Der totale Widerstand.
Kleinkrieg für jedermann“ nachlesen. </b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Das 1957 vom Schweizer Major Hans von Dach
konzipierte Handbuch gibt detaillierte Anleitungen für den „letzten und
äußersten Verzweiflungskampf“ gegen eine Besatzungsarmee: Die Bildung von Zellen,
die richtige Bewaffnung, die Kommunikation über „tote Briefkästen“ oder das Verhalten
bei Verhör und Folter. Der „totale Widerstand“ wurde international zum
Bestseller und inspirierte auch Guerillaorganisationen, Rechtsextremisten und
linksradikale Terrorgruppen wie die Rote Armee Fraktion. Und – ein Exemplar von
„Der totale Widerstand“ wurde in einem britischen stay behind-Depot in der BRD
gefunden – als Handlungsanleitung. So heißt es beispielsweise im Abschnitt
„Angriff auf das Eisenbahnnetz“:</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Auf
offener Strecke werden die Geleise immer in einer Kurve gesprengt. Gründe:<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">-
Gebogene Schienen sind schwerer zu ersetzen als gerade.<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">-
In Kurven entgleisen Züge leichter (Zentrifugalkraft!).<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">-
Das Zugspersonal vermag Breschen im Schienenstrang später und schlechter zu
erkennen als auf gerader Strecke.<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , serif;">-
Sprenge immer den äußeren Strang. So treibt die Zentrifugalkraft den
heranbrausenden Zug an der Zerstörungsstelle leichter aus den Schienen und
wirft die Trümmer gleichzeitig auf das Nebengeleise. Fahrtrichtung der Züge im
regulären Verkehr: Links.“</span></i></div>
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiY8z-24v_5iXe6Gt2BJWbu85lRv_3IptmjbXSCaLF2F4NfYxGLH-o5EyAXQq9zMynSWBjl9YM4PWdHcd6aAOZ9jYO6fcalup3j-HNVMlkx2VBkcJg6Wi0s0zPMc3G8mbEgh21A03WshlI/s1600/lossy-page1-1280px-Commandoes_of_the_41st_Royal_British_Marines_plant_demolition_charges_along_railroad_tracks_of_enemy_supply_line..._-_NARA_-_520790.tif.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="318" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiY8z-24v_5iXe6Gt2BJWbu85lRv_3IptmjbXSCaLF2F4NfYxGLH-o5EyAXQq9zMynSWBjl9YM4PWdHcd6aAOZ9jYO6fcalup3j-HNVMlkx2VBkcJg6Wi0s0zPMc3G8mbEgh21A03WshlI/s400/lossy-page1-1280px-Commandoes_of_the_41st_Royal_British_Marines_plant_demolition_charges_along_railroad_tracks_of_enemy_supply_line..._-_NARA_-_520790.tif.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Britische Kommandos sabotieren ein Eisenbahngleis in Korea 1951 (Quelle: National Archives and Records Administration/Wikimedia Commons)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Konkret wurde das Handbuch 1996 in einem Depot im Berliner
Grunewald, rund einen Kilometer westlich der US-amerikanischen Abhörstation auf
dem Teufelsberg, gefunden. Dieses enthielt an zwei Stellen außerdem Container mit drei
Pistolen samt Munition, drei Handgaranten, einen Kompass, militärische Karten,
eine Funkanlage samt Verschlüsselungsunterlagen, Verbandszeug. Anders als im Vergleich zu Österreich ist die Geschichte
der britischen Verstecke in der BRD und West-Berlin bislang noch nicht aufgeklärt. Trotz intensiver Suche konnten in Unterlagen genannte weitere Depots
nicht gefunden, was den Verdacht nährt, diese könnten von Dritten geleert
worden sein. Wie Erich Schmidt-Eenboom und Ulrich Stoll in ihrem Buch „Die
Partisanen der NATO“ (2015) betonen, „bleibt auch der genaue Umfang der
britischen Stay-Behind-Aktivitäten in den 1950er Jahren im Dunklen“.</span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">In Österreich
dürfte mit dem Zufallsfund in Wien-Lainz dürfte nun das letzte der britischen Lager
geleert sein. Ein Grund mehr, die Diskussion darüber, wie sehr das Land vor und auch nach 1955 in den Blockkonflikt involviert gewesen ist, neu und umfassend zu
führen.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRna3wRlSuneAKeZKS5KJv_n5Qz19sOS-atqcdpErhmE0bT7Hy6mLA3uJX3szE8ScXwIZAfaQBWKwh2AgUMmixOSGL71pXDZfpq9sRDItXIoF-rzFKbsHEmHgx5Xl0sJct7UUBKLGq37s/s1600/Listergasse_1.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRna3wRlSuneAKeZKS5KJv_n5Qz19sOS-atqcdpErhmE0bT7Hy6mLA3uJX3szE8ScXwIZAfaQBWKwh2AgUMmixOSGL71pXDZfpq9sRDItXIoF-rzFKbsHEmHgx5Xl0sJct7UUBKLGq37s/s400/Listergasse_1.JPG" width="262" /></a></div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEig2bUoBMEwrbd4aA9dSakz30AN0Hi_n9KDwQ8Zavo0aiFdmM8-0Jdblv9QN97k_vgcxou_meqeDA5-Xv7d6bJmF5m-iEp82FyRxiHsrm06dl7mMNrMTVclfurtzs1oFXb3Of30NJP0tkg/s1600/Unbenannt.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEig2bUoBMEwrbd4aA9dSakz30AN0Hi_n9KDwQ8Zavo0aiFdmM8-0Jdblv9QN97k_vgcxou_meqeDA5-Xv7d6bJmF5m-iEp82FyRxiHsrm06dl7mMNrMTVclfurtzs1oFXb3Of30NJP0tkg/s400/Unbenannt.JPG" width="262" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Funde in Wien-Lainz: Deckel einer Munitionskiste, Eisenbahn-Zünder, Reste von Sten Guns, FN-Pistolen, Bajonette und Stangenmagazine (von o. nach u. - Quelle: privat)<br />
<br />
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt; text-align: left;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Weiterführende Literatur:
</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt; text-align: left;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Walter
Blasi/Wolfgang Etschmann, „Überlegungen zu den britischen Waffenlagern in
Österreich“, in: Walter Blasi, Erwin A. Schmidl, Felix Schneider (Hg.),
B-Gendarmerie, Waffenlager und Nachrichtendienste. Der militärische Weg zum Staatsvertrag, Wien 2005, 139–153.<o:p></o:p></span></div>
<div style="text-align: left;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt; text-align: left;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Erwin A. Schmidl,
Österreich im frühen Kalten Krieg, in: Dieter Krüger, Felix Schneider (Hg.),
Die Alpen im Kalten Krieg. Historischer Raum, Strategie und Sicherheitspolitik,
München 2012, 109-129.<o:p></o:p></span></div>
</td></tr>
</tbody></table>
</div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-25840589498713690892016-01-04T01:21:00.000-08:002017-11-10T11:22:30.145-08:00„Macht’s es unter der Tuchent“: Der Noricum-Skandal und die Waffengeschäfte der österreichischen verstaatlichten Industrie (Auszug)<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der
sogenannte „Noricum-Skandal“ hat das politische System der Zweiten Republik
zwischen 1985 und 1993 nachhaltig erschüttert. Sieht man von journalistischen
und politikwissenschaftlichen Arbeiten ab, so hat eine quellengestützte
Aufarbeitung der Causa bislang nicht stattgefunden. Diese entzündete sich rund
um eine Reihe von illegalen Waffengeschäften mit Irak und Iran, während sich
diese Staaten im Ersten Golfkrieg (1980-1988) bekämpften. Die Lieferungen
wurden von der Noricum Maschinenhandels GesmbH, einer Tochterfirma der
Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke-Alpine Montan AG
(VOEST-Alpine AG), durchgeführt und umfassten insgesamt 353 weitreichende
Haubitzen (GHN-45), dazugehörige Munition und Zubehör. Dabei handelte es sich
um einen Verstoß gegen das österreichische Kriegsmaterialexportgesetz, dass den
Waffenverkauf an kriegführende Staaten untersagte. <o:p></o:p></span></b><br />
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></b>
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Es folgt ein Auszug aus dem gleichnamigen Artikel in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte Nr. 1/2016.</span></b><br />
<b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></b></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjj-qTkY7JI8ir9LRtWBvDTs3635nFSa8qR469efUwyRshF8ZHmMGiD-_iiUXh2R3Z1CNxQN_M8F_5Zv_fhwVxliPa0zUj0CJc5DN_tJ1d0MQyajv0QG4Hv6OB76dCvrAGggoU1loVljIk/s1600/GHN-45rear.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="197" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjj-qTkY7JI8ir9LRtWBvDTs3635nFSa8qR469efUwyRshF8ZHmMGiD-_iiUXh2R3Z1CNxQN_M8F_5Zv_fhwVxliPa0zUj0CJc5DN_tJ1d0MQyajv0QG4Hv6OB76dCvrAGggoU1loVljIk/s400/GHN-45rear.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Gun Howitzer Noricum (GHN-45) (Quelle: Wikimedia Commons/Sturmvogel 66)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Wie der damalige
freie Sozialwissenschaftler Peter Pilz in „Die Panzermacher“ (1982) betont, war
Rüstungsproduktion in Österreich Anfang der 1980er Jahre grundsätzlich „nichts
Neues“: „Schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde im Kernland der
damaligen Monarchie sukzessive mit der Produktion all dessen begonnen, was
später im Ersten und im Zweiten Weltkrieg, zu millionenfachem Einsatz kommen
sollte.“ Nach 1945 musste die Waffenproduktion eingestellt werden – bis mit der
Neugründung des Bundesheers 1955 auch wieder Kriegswaffen erzeugt wurden. Zu
Beginn der 1970er Jahre waren aber nur mehr zwei Betriebe – die
Steyr-Daimler-Puch AG und die Hirtenberger Patronenfabrik – stärker in diesem
Feld tätig. 1975 exportierte Österreich Kriegsmaterial im Ausmaß von 0,8
Prozent seiner Exporte. 1979, nachdem mit der VOEST-Alpine AG auch das
Schwergewicht der Österreichischen Industrieaktiengesellschaft (ÖIAG) das
Engagement massiv ausgeweitet hatte, sollten es bereits 1,2 Prozent sein.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Mitte der 1980er
Jahre waren rund 15.000 österreichische Arbeitsplätze direkt oder indirekt von
Waffenproduktion abhängig. </b>Die Branche wurde mehrheitlich von staatlichen
Unternehmen dominiert: Ende der 1980er Jahre entfielen bereits 86 Prozent der
Umsätze auf die VOEST-Alpine und die Vereinigten Edelstahlwerke (VEW) mit ihrer
Tochter Hirtenberger sowie die Steyr-Daimler-Puch-AG, die mehrheitlich der
Staatsbank Creditanstalt gehörte . Daneben waren unter anderem als „Player“
vertreten: Glock, Voere, die Südsteirische Metallindustrie, Dynamit-Nobel, die
Swarovski-Werke oder die Österreichische Automobilfabrik Gräf & Stift AG
(ÖAF). Von den Produkten her entwickelte sich der Steyr-Daimler-Puch-Jagdpanzer
„Kürassier“ zum Exportschlager in Staaten der „Dritten Welt“: „Die Wanne, die
vorne 2-cm-Panzersprenggranaten trotzt, liefert die VOEST. Ein 300 PS starker
Steyr-Dieselmotor macht den 17-Tonnen-Panzer, ‚der sich auch für alltägliche
militärische Aufgaben wunderbar eignet’ (Steyr-Werbung), 67 Stundenkilometer schnell“,
berichtete „profil“. Mit Handfeuerwaffen – Jagdgewehren und dem
Armee-Universal-Gewehr (Steyr AUG) – setzte Steyr-Daimler-Puch alleine im
ersten Halbjahr 1980 1,5 Milliarden Schilling um. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Der Rüstungssektor wurde als
wichtige Stütze des gesamten Konzerns angesehen: Der Umsatz mit Kriegsmaterial
war innerhalb von fünf Jahren von 100 Millionen auf drei Milliarden Schilling
(1980) gestiegen und machte somit 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Von den
23.000 Steyr-Daimler-Puch-Beschäftigten waren 2.000 direkt in die Erzeugung von
Gewehren, Militär-LKW und Panzern eingebunden. Im Vergleich mit den großen
Rüstungsexporteuren blieb Österreich freilich eine vernachlässigbare Größe:
1978 rangierte das Land mit 120 Millionen US-Dollar in Rüstungsexporten weit
hinter den USA (6.700 Millionen US-Dollar), Frankreich (1.350 Millionen
US-Dollar), Großbritannien (1.100 Millionen US-Dollar) und der Bundesrepublik
Deutschland (1.100 Millionen US-Dollar). Allerdings machte Österreich im
Unterschied zu anderen neutralen Rüstungsexporteuren wie Schweden (100
Millionen US-Dollar) und der Schweiz (40 Millionen US-Dollar) deutlich mehr Umsatz.
Während also die Produktion schrittweise ausgeweitet wurde, entwickelten sich
die Erträge rückläufig: Nach dem Boomjahr 1978 mit 7,8 Milliarden Schilling
Umsatz waren es 1984 unter vier Milliarden Schilling (im Vergleich zur gesamten
Industrieproduktion waren die Waffenschmiede zu diesem Zeitpunkt mit 0,7
Prozent „Umsatzzwerge“). . <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Der Hauptgrund für
die im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten relativ späte Etablierung
eines Rüstungssektors lag in der wirtschaftlichen Entwicklung: </b>Ab Mitte der
1970er Jahre wurde Österreich vom postindustriellen Wandel erfasst. Die
Wachstumsraten sanken jährlich von 5 Prozent in den 1960er Jahren auf niedrige
2,6 Prozent in den 1970er Jahren. Der Ölpreisschock von 1973/74 und die damit
verbundene Erhöhung der Energiepreise hatte gerade die grundstofferzeugenden
Zweige der Industrie und hier den Stahl- und Eisenbereich getroffen – Sektoren,
in denen die verstaatliche Industrie ihre traditionellen Schwerpunkte hatte .
Der Kapazitätsabbau war so umfassend, dass die Staaten der Europäischen
Gemeinschaft (EG) 1984 weniger Stahl produzierten als 30 Jahre zuvor. Angesichts
dieser massiven Verschlechterung der internationalen Konjunktur stieß der
Handlungsspielraum des „Austro-Keynesianismus“ an seine Grenzen: Unter
letzterem Begriff versteht man eine wirtschaftspolitische Kombination aus
expansiver Budgetpolitik, wirtschaftsfördernden Maßnahmen, Hartwährungspolitik
und sozialpartnerschaftlicher Lohn- und Preispolitik – um so die Kaufkraft zu
stärken und Arbeitsplätze zu erhalten, was sich jedoch zunehmend schwierig
gestaltete . <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Im Winter 1980/81
überschritt die Arbeitslosenzahl erstmals die symbolisch wichtige Marke von
100.000 Personen. Eine Serie von Firmenzusammenbrüchen brachte Österreichs
zweitgrößtes Kreditinstitut, die Länderbank, ins Wanken, während die
VOEST-Alpine 1981 das bis dahin schlechteste Betriebsergebnis schrieb. 1982/1983
sollten sich die Rahmenbedingungen durch den zweiten Ölschock zusätzlich
eintrüben – die Arbeitslosigkeit stieg 1982 auf 3,5 Prozent. Der „Kampf um
Vollbeschäftigung“ sei dementsprechend zur „staatspolitischen Leitlinie, ja
nachgerade zum Dogma geworden“, so der Kreisky-Biograph Wolfgang Petritsch. Diese
Priorität bestätigte auch der langjährige Präsident des Österreichischen
Gewerkschaftsbund (ÖGB), Anton Benya, 1990 als Zeuge im Zuge des Noricum-„Managerprozesses“: „Die Regierung war daran interessiert, ganz gleich, ob das
bei der Voest-Alpine oder bei privaten Firmen war: Beschäftigung!
Beschäftigung, Beschäftigung für die Menschen.“ Auf Nachfrage des vorsitzenden
Richters, ob diesbezüglich auch Druck seitens der Gewerkschaft ausgeübt wurde,
antwortete Benya: „Wenn man selbst einmal einige Male arbeitslos gewesen ist,
und zwar in der 1. Republik, und weiß, was es bedeutet, wenn die Leute arbeiten
wollen, um ihre Familien ernähren zu können, dann sagt man: Das Wichtigste ist,
den Leuten eine Arbeit zu geben ansonsten entstehen Notstandsgebiete.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Als die Stahlkrise
und der damit verbundene Nachfrageeinbruch ab Mitte der 1970er Jahre die
Strukturschwächen einzelner VOEST-Alpine-Standorte offenlegte, reagierte man
mit einer Diversifikationsstrategie – also dem Einstieg in neue
Produktionsbereiche und Technologien, darunter auch die Waffenproduktion. In
einem diesbezüglichen Vorstands-Dokument von 1979 heißt es: „Es hat sich
gezeigt, dass die Werke Ferlach, St. Aegyd, Eisenerz, Liezen und Kindberg auch
bei normalen Konjunkturverlauf nur mit relativ hohen Verlusten zu führen wären,
und wir waren daher gezwungen, eine Änderung der Produktionsstruktur dieser
Betriebe herbeizuführen.“ Das Werk Liezen galt als eines der „größten
Sorgenkinder“ – um den Standort und dessen Arbeitsplätze zu erhalten, wurde
Waffenherstellung als „optimale Lösung“ ins Auge gefasst: Darin wurde die
Möglichkeit gesehen, „Liezen langfristig zu sanieren und gleichzeitig durch
Abgabe der Gießerei den Standort Traisen abzusichern“ .</span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Schon ab 1978 begann
daher Generaldirektor Heribert Apfalter, den Rüstungsgüterverkauf auszuweiten.
</b>Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen bereits Sprenggranatkörper,
Panzerwannen, Panzer-Turmoberteile und –aufbauten, Kettenglieder und
verschiedene Lafettenkomponenten erzeugt. Nun wurde am 1. September 1979 ein
eigener Geschäftsbereich, die „Wehrtechnik“, installiert. Der Vorstand war
überzeugt, dass man als Hütten- und Verarbeitungsbetrieb produktionstechnisch
„beste Voraussetzungen“ mitbrächte. Außerdem würden sich besonders günstige
Marktchancen bieten, „sofern es gelingt, komplette Waffensysteme auf Basis
eigener Technologie zu fertigen und anzubieten“. Als Verkaufsschiene wurde die
„Noricum Maschinenhandels GesmbH in Liezen aufgebaut. Gemäß Vorstandsbeschluss
sollte die Noricum „a) den Vertrieb der wehrtechnischen Produkte des
VA-Konzerns an alle Kunden und b) den Vertrieb sonstiger Produkte des
VA-Konzerns an das Österr.[eichische] Bundesheer und ausländische Militärs
durchführen.“ Der Vorstand argumentierte seine Entscheidung grundsätzlich
damit, dass „die staatliche und geopolitische Situation Österreichs“ eine
eigenständige Produktion von „Verteidigungsgeräten“ erfordere und dies
„geradezu zwangsläufig Exportaktivitäten nach sich ziehen“ würde – „mit allen
volkswirtschaftlichen Auswirkungen (Arbeitsplätze, Handelsbilanz, Image:
Österreich als Lieferant hochtechnischer Geräte usw.).“ Die Sparte Wehrtechnik
ermögliche „einen indirekten Zugang zu modernster Anwendungstechnologie und
damit den Ausgangspunkt für Innovationen im zivilen Bereich (z.B. Mikroelektronik,
Präzisionstechnik)“. Eine „größere Programmbreite“ der Verstaatlichten würde
zudem den Vorteil bieten, „künftige Konjunkturschwankungen abzufangen“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Die Entscheidung für
die Wehrtechnik kam im Kontext der bis dahin überschaubaren Waffenproduktion
einem Kulturwandel gleich</b> – der in der pazifistisch geprägten und politisch
neutralen Zweiten Republik von Beginn an Widerspruch erregte. Selbst intern gab
es Widerstände: In einer Aufsichtsratssitzung von 1981 meinte etwa
ÖIAG-Vorstandsvorsitzender Oskar Grünwald, dass die Waffenproduktion
„wahrscheinlich einfach notwendig“ sei – allerdings müsse in einem Land „mit so
großer katholischer und sozialistischer Tradition getrachtet werden […], nur
soweit als unbedingt notwendig auf diesem Sektor tätig zu werden, im Übrigen
aber den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten in größtmöglichem Umfang
auf zukunftsträchtige zivile Produkte zu legen. Dies umso mehr, als die
Fertigung militärischer Produkte auf Grund des relativ geringen Eigenbedarfs
immer exportorientiert und damit auch außenpolitisch brisant sein wird.“ Die
Haltung der Regierungspartei SPÖ in der Rüstungsfrage war von Widersprüchen
gekennzeichnet. Im Parteiprogramm von 1978 fand sich die Forderung, dass die
„Macht der Rüstungsindustrie beseitigt“ und „Initiativen für Abrüstung“ gesetzt
werden sollten. Für die Regierung wog die arbeitsmarktpolitische Prämisse
dennoch mehr als ideologischer Vorbehalt. Handelsminister Josef Staribacher
beispielsweise vertrat die Ansicht, „dass wir so wie andere Staaten unbedingt
die Interessen der österreichischen Industrie bei Waffenverkäufen wahrnehmen
müssen. Ideologisch mag man als Sozialist und wie ich mich auch bezeichnen darf
als Pazifist zu diesen Problemen stehen, wie man will. Die wirtschaftliche Notwendigkeit
für die Steyrer-Werke und auch für andere Produzenten wie Hirtenberg, Assmann,
usw. entweder alte Absatzgebiete zu bewahren oder was noch wichtiger ist, neue
wie z.B. eben Tunesien dazuzugewinnen, sind aus arbeitsmarktpolitischen Gründen
unbedingt notwendig.“ Innerhalb der Partei gab es viele, die diese pragmatische
Sichtweise nicht teilten. Aber die innerparteilichen
Auseinandersetzungen rund um das Atomkraftwerk Zwentendorf (1978) und die
Besetzung der Hainburger Au (1984) waren „viel härter als rund um die
Waffengeschäfte“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Bei der kritisch
wichtigen Auswahl des Produkts ging man seitens der VOEST-Alpine davon aus,
dass gerade weitreichende Kanonen gute Absatzchancen haben würden. Im Mai und
November 1979 kam es zum Abschluss zweier entsprechender Lizenzverträge mit der
kanadischen Space Research Cooperation. Firmengründer Gerald Bull galt damals
als führende Autorität auf dem Gebiet der Artillerietechnologie. Die
VOEST-Alpine erwarb von Bull für zwei Millionen Dollar die Lizenz zur
Erzeugung der GHN-45 (Gun Howitzer Noricum-Kaliberlänge 45). Hierbei handelte
es sich um „die beste Kanone der Welt“ („profil“) – eine gezogene 155-mm
Haubitze, die sowohl mit konventioneller Munition als auch mit taktischen
Nuklearwaffen bestückt werden konnte. Mit einer Reichweite von 39 km übertraf
die GHN-45 um fast 10 km mehr die Schussweiten sämtlicher Konkurrenzprodukte. Mit
einer Spezialmunition („base bleed“) ließ sich die Reichweite sogar noch auf 45
km steigern. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Mit der Fertigung der
GHN-45 waren alleine in Liezen 1.600 Arbeiter beschäftigt. </b>Die zur Kanone passende
Spezialmunition, Treibladungen und Zünder wurde von der Hirtenberger
Patronenfabrik erzeugt, von der die VOEST-Alpine im Juli 1981 mehr als 73
Prozent der Aktien gekauft hatte. Seitens der politisch Verantwortlichen
erkannte Bundeskanzler Kreisky im Einstieg der VOEST-Alpine in die Wehrtechnik
eine „weitreichende unternehmerische Entscheidung, von der auch Rückwirkungen
für die österreichische Außen- und Außenhandelspolitik erwartet werden können“.
Er bat daher den Vorstand um Mitteilung, „wie sie das Risiko für einen
gesicherten Absatz in Anbetracht der Beschränkungen sehen, die sich aus dem
Status der immerwährenden Neutralität und den gegebenen gesetzlichen Normen in
Österreich ergeben“. Wie aus einem Protokoll einer VOEST-Alpine-Vorstandsitzung
hervorgeht, dürfte der Bundeskanzler die Weichenstellung zuvor schon gebilligt
haben – so hieß es 1978 über ein „Gespräch mit Bundeskanzler Dr. Kreisky zum
Thema Wehrtechnik“: Dieser „erachtet unsere Vorgangsweise als sinnvoll im Sinne
der Strukturbereinigung und weist darauf hin, daß bei unserem Vorgehen darauf
Bedacht genommen werden soll, den österreichischen Staatsvertrag nicht zu
verletzen und eine Kollision mit Hirtenberger und Steyr-Daimler-Puch zu
vermeiden.“ </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Kreiskys Zweifel wurden genährt, als ihn der damalige
österreichische Generalkonsul in New York, Thomas Nowotny, darüber informierte,
dass die Space Resarch Cooperation „international schwer kompromittiert sei“ –
und zwar wegen „Waffenschiebereien nach Südafrika“. Laut eigenen Angaben warnte
Kreisky den ÖIAG-Vorstand als auch Apfalter „eindringlich vor den Risiken
derartiger Geschäfte“. Verantwortliche der VOEST-Alpine versicherten daraufhin,
„dass die Pressemeldungen über Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Geschäften
mit Dr. Bull […] jeder Grundlage entbehrten“. Innerhalb der SPÖ-Führungsriege
waren die Wehrtechnik-Befürworter aber ohnehin in der Mehrzahl. Im Rahmen einer
Sitzung des erweiterten Parteipräsidiums brachte Kreisky Einwände vor –
allerdings erfolglos: „Vor allem die Oberösterreicher, die Steirer und die
Gewerkschafter habe ich gegen mich gehabt, die argumentiert haben, Liezen müsse
zusperren. Ich habe massiven Widerstand von denen gehabt, die gesagt haben,
nein, bitte, wir wünschen keine Einmischung. Die VOEST muss das selbst verantworten.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Das „grüne Licht“
seitens der Politik war später das Hauptargument in der Verteidigungslinie der
angeklagten Noricum-Manager. </b>Beim Wehrtechnik-Engagement sei „überhaupt kein
Politiker dagegen“ gewesen, „vom Betriebsrat bis zur Regierung“, gab etwa
Noricum-Gesamtprokurist Anton Elmer 1990 an: „Wenn ich jetzt höre, Kreisky war
dagegen, dann möchte ich ein Zitat wiedergeben, was er wirklich zum Schluss
gesagt hat: ‚Okay, macht’s es, aber macht’s es unter der Tuchent.“ Kreisky
bezeichnete dieses Zitat, das ihm Elmer in den Mund legte, als „Verleumdung“. Gegenüber
der „Arbeiter-Zeitung“ legte er Wert darauf, „nicht der Diktator der Industrie“
gewesen zu sein. Der parlamentarische Noricum-Untersuchungsausschuss, der
zwischen 1989/1990 die Causa untersuchte, konnte jedenfalls „keine
Einflussnahme“ von politischer Seite „gegen“ die Ausweitung der
Waffenproduktion feststellen: „Bei mehreren offiziellen Auslandsbesuchen von
Regierungsmitgliedern wurde sogar ausdrücklich auf diese Waffenproduktion
hingewiesen.“ </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">[....]</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-72934644727247786012015-12-26T23:38:00.000-08:002015-12-27T04:09:44.864-08:00"Kriegserklärung an die Menschheit": Der Schwechater Flughafen-Anschlag vor 30 Jahren<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Am 27. Dezember 1985 richteten Terroristen auf dem Wiener Flughafen
ein Blutbad an. In der „Kronen Zeitung“ meinte Ernst Trost: „Der Terror kennt
keine Grenzen, keine Neutralität, sein Kriegsschauplatz ist überall, sein Opfer
kann jeder sein.“ Vertraut klingt auch der Kommentar von Thomas Chorherr in der
„Presse“: „Wir haben die neue Kriegserklärung einer internationalen Mörderbande
miterlebt, gerichtet an die zivilisierte Menschheit.“ Jener schrankenlose Terrorismus hatte begonnen,
mit der wir auch heute konfrontiert sind.</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Getroffen wurde der
Ostteil des Terminals – um 9.07 Uhr war dort am Schalter 3 und 4 der Checkin
für den El-Al-Flug LY 364 nach Tel Aviv voll im Gang. In unmittelbarer Nähe wurden
am Schalter 7 und 8 Passagiere für einen Lauda Air-Flug nach Heraklion
abgefertigt. Circa 200 Menschen waren vor Ort. Die 25jährige Romana G. hörte
plötzlich „einen Krach, eine Detonation und einen Schuss. Danach viel schwarzen
Rauch. Die Leute sind zu Boden gefallen oder haben sich zu Boden geworfen, das
habe ich nicht unterscheiden können. Irgendjemand hat gerufen, ‚niederlegen’.
Ich habe mich hinter dem Schalter versteckt. Gesehen habe ich nicht sehr viel.
Ich blieb liegen, bis es ganz still war. Dann habe ich mich aufgerichtet und
habe gesehen, dass viele Leute verletzt waren.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ein Glück im
Unglück war, dass die nervösen Angreifer eine der Handgranaten geworfen hatten,
ohne vorher den Splint herauszuziehen. Es waren Terroristen der berüchtigten
palästinensischen Abu-Nidal-Organisation: Der 26jährige Abdel Aziz Merzoughi,
der 23jährige Mongi Ben Abdollah Saadaoui und der 25jährige Tawfik Ben Ahmed
Chaovali. Im Deckungsbereich eines Stiegenaufgangs griffen sie nach ihren
Kalaschnikow-Sturmgewehren, die sie in Reisetaschen verborgen mitgetragen
hatten. Dann feuerten sie in Richtung der sich beim El-Al-Schalter befindlichen
Personen und hinauf auf die Empore, wo sich Überwachungspersonal befand.
Saadaoui verschoss insgesamt ein Magazin, sein Kamerad Chavovali beide
Munitionsbehälter.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjd5_dZMlrTYX_K0wIVoubUVJXEWUv6oPrfTkU7PWpzLCPc5rGvTqgYUI_vpmrw2ZsX1aJxyspAlwAp1ht9hgf1ezVnk9ZTcH_RirlvD54sveYg8UJEFojcIqKn1Ch-tFeI71Gcun2scEQ/s1600/CIMG4767.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="265" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjd5_dZMlrTYX_K0wIVoubUVJXEWUv6oPrfTkU7PWpzLCPc5rGvTqgYUI_vpmrw2ZsX1aJxyspAlwAp1ht9hgf1ezVnk9ZTcH_RirlvD54sveYg8UJEFojcIqKn1Ch-tFeI71Gcun2scEQ/s400/CIMG4767.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ort des Anschlags im Jahr 2010 (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
26jährige Elisabeth Kriegler wurde tödlich getroffen – ebenso wie der
burgenländische Lehrer Eckehard Karner (50) und der 25jährige Israeli Ely Jana</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">. Insgesamt mussten 39 Personen im
Krankenhaus behandelt werden. Da man gesetzlich nur zur Einrichtung einer
Erste-Hilfe-Station verpflichtet gewesen sei, gab es in Schwechat keine
Rettungsstation für eine schnelle Versorgung der vielen Verletzten. Lediglich
drei Krankenschwestern – eine davon im fünften Monat schwanger – standen
unmittelbar zur Verfügung. Erst nach 12 Minuten nach der Schießerei kamen die
ersten Ambulanzwagen aus Schwechat. Knapp vorher waren zwei Ärzte, ebenfalls
von dort, zur Stelle. Es dauerte insgesamt eine Dreiviertelstunde bis alle
Verletzten in Spitäler gebracht oder ärztlich behandelt worden waren.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Dass der Anschlag
nicht noch weitere Opfer forderte, war vor allem der raschen Reaktion der
El-Al-Sicherheitsleute zu verdanken, die mit ihren Dienstpistolen sofort
zurückschossen. Während Saadaoui in die linke Brustseite getroffen wurde,
erlitt Chaovali einen Bauchdurchschuss und eine Oberschenkelverletzung.
Merzoughi bekam schon auf der Stiege einen Treffer in den Hals, worauf er zu
Sturz kam. Einer der El-Al-Sicherheitsleute gab an, eineinhalb Magazine
verschossen zu haben (ein Magazin fasst 13 Patronen): „Während ich auf die
Angreifer schoss, bemerkten mich diese und schossen in meine Richtung. […]
Während ich das Feuer erwiderte hatte ich den Eindruck, dass ich zumindest
einen der Angreifer getroffen habe.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Für ausreichend
Polizeipräsenz am Flughafen war eigentlich gesorgt: Ein Alarmzug der
Sondereinheit „Kranich“ war über das gesamte Gebäude verteilt, ferner noch drei
Hundeführer. Außerdem waren mehrere Kriminalbeamte in Zivil dort postiert. Als
dann die Handgranten plötzlich detonierten und die Schießerei losging, war nur
ein Polizist in der Lage zurückzuschießen. Gedeckt hinter einem Pfeiler schoss
der Beamte das Magazin seiner FN-Dienstwaffe auf die Angreifer leer.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7yb6zBLkTxj0PvXs6ulcXnh0jwb4wHC_9zgNmDZO_jnf49aneShSdK3WK1rxNAtg1h4tuW-9e6qSHFFhsuGDxfwn2OAumFck9hP7LRIL3C43qVrLrDrcgsZJRlK_Qn9abLnb6qB35Fc0/s1600/DSCF2851.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7yb6zBLkTxj0PvXs6ulcXnh0jwb4wHC_9zgNmDZO_jnf49aneShSdK3WK1rxNAtg1h4tuW-9e6qSHFFhsuGDxfwn2OAumFck9hP7LRIL3C43qVrLrDrcgsZJRlK_Qn9abLnb6qB35Fc0/s400/DSCF2851.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Von diesem Stiegenaufgang aus eröffneten die Terroristen das Feuer (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Obgleich
unkoordiniert, ließ das heftige Abwehrfeuer die Terroristen schnell den Rückzug
antreten</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;">. „Woher
die Schüsse kamen, weiß ich nicht“, berichtete Saadaoui später: „Doch wurde ich
bereits zu diesem Zeitpunkt im Bereich der linken Brustseite von einem
Projektil getroffen. Auch die beiden anderen wurden in diesem Moment durch
Schüsse verletzt. Wir nahmen die Maschinenwaffen samt den Magazinen vollends
aus den Reisetaschen und verzogen uns über die Treppe wieder zurück zur Ankunftshalle.“
Wie die überlebenden Attentäter später gegenüber der Polizei angaben, hatten
sie eigentlich beabsichtigt, „möglichst viele Israelis umzubringen und dabei
eigene Verletzungen oder gar den Tod in Kauf zu nehmen“ – „sie hätten auch mit
dieser Einstellung die Tat durchgeführt, jedoch sei es in Folge von
Panikreaktionen zu dem Fluchtversuch gekommen. Grundsätzlich sei eine Flucht
keinesfalls vorbereitet oder auch nur geplant gewesen.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Wie sich der langjährige Leiter der Kriminalabteilung am Flughafen Schwechat, Alfred Rupf, erinnert, hatte vor dem Anschlag niemand mit so einer Bedrohung gerechnet:</b> </span><i><span style="font-family: "Times New Roman",serif;">„Natürlich kann jeden Tag etwas passieren. Aber konkrete Hinweise gab
es keine. Es war so ähnlich wie 1975, als die OPEC-Minister entführt worden
sind. Da hat ja auch vorher niemand daran geglaubt. Die Terroristen suchen sich
Ziele aus, wo es am leichtesten geht und die den größtmöglichen Erfolg
versprechen. Und da waren Rom und wir prädestiniert. Der Punkt, wo die El-Al
abgefertigt wurde, war sehr ungünstig, weil ein Stiegenaufgang in der Nähe war,
über den die Terroristen dann auch gekommen sind. Oben war eine Rampe, über die
ein Fahrzeug durch die Fassade hätte krachen können. Und es gab eine Empore,
von der man aus beobachten konnte, wo die Leute standen. Wir waren damals der
Meinung, uniformierte Beamte wären für die Terroristen leicht auszuschalten,
weshalb wir Kriminalbeamte in Zivil eingereiht haben. Was wir nicht bedacht
haben, die Terroristen haben nur die Uniformierten gesehen und gedacht, es wäre
einfach. Das Problem war auch, dass man in der Halle nicht zurückschießen
konnte, ohne jemanden zu gefährden. </span></i><i><span style="font-family: "Times New Roman",serif;">Sowohl die Kriminalbeamten als auch
die El Al-Sicherheitsleute hatten Kleinkaliberpistolen. Das war eine
unzureichende Bewaffnung. Es hat sich gezeigt, dass die Terroristen so in Rage
waren, dass sie ihre zahlreichen Verletzungen zunächst gar nicht bemerkt haben."</span></i><br />
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
Attentäter flüchteten nun rechtsseitig durch einen Ausgang, der zum Parkplatz
vor dem Sondergastraum führte.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">
In der nahegelegenen Tiefgarage hielt Chaovali einen ihm entgegenkommenden
schwarzen Mercedes an, setzte sich auf den Beifahrersitz und bedrohte den
Lenker durch das Vorzeigen einer entsicherten Handgranate. „Ich nötigte ihn zu
fahren und glaube dies in arabischer Sprache getan zu haben. Er setzte seine
Fahrt fort, sprang aber kurz danach für mich überraschend aus dem Fahrzeug und
ich rutschte infolge auf den Fahrersitz und chauffierte den Wagen weiter. Dabei
hielt ich in einer Hand immer noch die entsicherte Handgranate. Nach kurzer
Fahrt bemerkte ich meine beiden Mitkämpfer und nahm sie in das Fahrzeug auf.“ Man
saß zu dritt auf den vorderen Sitzen – Chaovali am Steuer, Saadaoui in der
Mitte und Merzoughi in der Nähe der Beifahrertür. Sie wollten das
Flughafengelände so rasch als möglich verlassen, aber das gelang ihm nicht auf
Anhieb – Chaovali fuhr einmal im Kreis und fand dann die Ausfahrt Richtung
Nordost. Währenddessen wurden sie von der Flughafenrampe aus von den nachgeeilten
El-Al-Sicherheitsleuten beschossen. Außerdem nahmen drei Polizeiwagen ihre Fährte
auf und schlossen rasch auf.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
erste Wagen wurde von Gruppeninspektor Peter P. gesteuert. Im Interview mit dem
Autor schilderte er die Erlebnisse: </span></b><i><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">„Ich
befand mich gerade auf Streifenfahrt, da kam der Alarmruf. Zwei andere Polizeiautos
waren hinter mir. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, was sich abspielt.
Auf der Rampe zur Abflughalle angekommen, sind mir die El-Al-Sicherheitsleute
entgegengekommen. Die wollten den Terroristen schon mit ihren Privatautos
nachfahren. Ich habe ihren Chef gekannt, und er ist sofort zu mir reingesprungen
und hat gesagt. Go, Go!</span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Wir
fahren die Rampe runter und da sehe ich wie ein Fahrzeug vom C-Parkplatz herauskommt
und sich querstellt. Der Israeli hat gesagt: This car! This car! Die
Terroristen haben auf uns das Feuer eröffnet. Warum mein Wagen nicht getroffen
wurde, weiß ich nicht. Ich vermute, weil es ein verdecktes Fahrzeug ohne
Blaulicht war und deshalb nicht als Polizeiauto wahrgenommen worden war. Die
Terroristen sind dann weitergefahren. In der Kurve sehe ich, wie aus dem Taxi
etwas rausfliegt und herumkullert. Es war eine Handgranate. Ich bin nach rechts
in eine BP-Tankstelle eingebogen, um der Explosion auszuweichen.<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Bei
der fünf bis sechsminütigen Verfolgung auf der B9 hat ein ständiger
Schusswechsel stattgefunden. Als der israelische Sicherheitsmann neben mir
seine Waffe leergeschossen hatte, habe ich ihm meine FN gegeben. Auch die hat
er verfeuert, inklusive Reservemagazin. Tatsache ist, dass aus meinem Wagen
zusammen 50 Schuss rausgegangen sind. An dem Mercedes der Terroristen haben wir
später 18 Einschüsse gezählt.<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Wir
sind mehrfach beschossen, weshalb ich im Zick-Zack gefahren bin. Das Gute war,
die Täter sind vorne in einer Reihe gesessen und waren dementsprechend
eingeengt. Außerdem hatten sie nur mehr eine Kalaschnikow. Dafür brauchte sich
der Schütze nicht rauszubeugen. Er hat sich einfach umgedreht und durch die kaputte
Heckscheibe gefeuert. Mein Glück war, dass die Terroristen nur mehr wenig
Munition und deswegen auf Einzelfeuer umgestellt hatten. Ich habe das
Mündungsfeuer immer wieder aufblitzen sehen.<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<i><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Plötzlich
sind die Täter stehen geblieben, und sie sind links und rechts rausgesprungen.
Sie sind auf die gegenüberliegende Seite gerannt, haben zwei Fahrzeuge gestoppt
und Geiseln genommen. Wir haben ebenfalls angehalten, der Israeli ist raus und
war weg. Munition hatte ich keine mehr. Ich habe mich mit meinem Diensthund
vorgetastet und gesehen, wie einer der Palästinenser einer Frau das Messer angehalten
hat. Der andere hat die Insassen mit der Kalaschnikow bedroht. In der
Zwischenzeit ist ein Mann mit einem Sturmgewehr als Verstärkung nachgekommen.
Ich habe gesagt: „Gib her.“ Da steigt plötzlich der dritte, schon schwer
verletzte Terrorist [Merzoughi], aus und kommt auf mich zu. Da er keine aggressive Handlung
gesetzt hat, habe ich einen Feuerstoß ins Parkett reingelassen. Daraufhin ist
er in die Knie gegangen. Da sehe ich, dass er in der rechten Hand eine Granate hält. Einer meiner Kollegen ist sofort nach vorne und hat den
Palästinenser mit einem Tritt in die Halsgegend niedergestreckt. Fünf Minuten
später war der Mann tot. Seine Mitkämpfer haben sich zur selben Zeit ergeben,
sie waren von den Verletzungen geschwächt.“<o:p></o:p></span></i></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Auf Nachfrage, wie
er das Erlebte verkraftet habe, antwortete P.:<b> </b><i>„Sie brauchen für das Ganze
ausgesuchte Leute, die eine gewisse Einstellung zu dem Beruf mitbringen. Nachdenken,
was passieren kann, darf man nicht, sondern man muss reagieren, wenn es kracht
und scheppert. Dafür sind wir da. Mir persönlich ist das Zimperlein erst am
nächsten Tag gekommen, als das Erlebte 100fach vor mir abgelaufen ist. Ich
hatte großes Glück und bin dem Tod mehr als einmal von der Schaufel gesprungen.“</i><b><o:p></o:p></b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
genauen Hintergründe des Schwechater Anschlags sind bis heute nicht wirklich
geklärt.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"> Am
selben Tag des Schwechater Anschlags griff ein weiteres Abu-Nidal-Kommando den
Flughafen Rom an. Hier verübten die Terroristen ein wahres Massaker. Es gab 16
Tote und 99 Verletzte, vor allem US-Passagieren gegolten. Von daher lag ein
Zusammenhang mit akuten Spannungen zwischen der Reagan-Administration und dem
libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi auf der Hand. Letzterer galt als
Sponsor von Terroristen wie Abu Nidal, war aber dem österreichischen
Altbundeskanzler Bruno Kreisky freundschaftlich verbunden. Wie passte da die
Tragödie von Schwechat ins Bild? Antworten gibt ein Dokument in der Stiftung
Bruno Kreisky Archiv. Demnach gab es „hausgemachte“ Gründe: Und zwar hatte Abu
Nidal schon 1981 Terror in Österreich verbreitet. Der Wiener Verkehrsstadtrat
Heinz Nittel wurde vor seiner Wohnung erschossen; wenige Monate später wurde
die Wiener Synagoge überfallen. Es gab zwei Tote und 21 Verletzte. Grund dafür
war Kreiskys Unterstützung für die Palästinensische Befreiungsorganisation
(PLO), von der sich der radikale Abu Nidal abgespalten hatte. Zwei Killer und
der „Führungsoffizier“ Bahij Y. konnten verhaftet werden. Vor allem letzteren
wollte Abu Nidal freibekommen. Als Geheimverhandlungen Ende 1985 zu nichts
führten, drohte seine Organisation mit Vergeltung. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Das veranlasste
Kreisky, sich persönlich einzuschalten. Am 12. Dezember 1985, etwas mehr als
zwei Wochen vor dem Anschlag in Schwechat, rief er einen Vertrauten an – den
damaligen OECD-Botschafter in Paris, Georg Lennkh. Diesen beauftragte er mit
einer streng vertraulichen Mission – nämlich Abu Nidals „Dienstherrn“ Gaddafi
um Hilfe zu bitten. Das Treffen fand am 16. Dezember 1985 um 11.15 Uhr statt –
nicht wie üblich im Beduinenzelt des Staatschefs, sondern im Tiefparterre einer
Kaserne in Tripolis. Gaddafi erschien im „olivgrünen Fliegerkampfanzug“. Lennkh
bat ihn laut Gesprächsnotiz, „seinen Einfluss geltend zu machen“. Ansonsten
würde sich der als palästinenserfreundlich geltende Kreisky in einer
„schwierigen Situation“ wiederfinden und kaum mehr im Nahostkonflikt Partei
ergreifen können – „aber auch die österr. Bundesregierung befinde sich in einer
gefährlichen Lage […].“ Dieser versprach, alles zu unternehmen, „was in seiner
Macht stehe“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
</div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Anschlag
ereignete sich trotzdem. Anfang Jänner 1986 – wenige Tage nach den Schüssen in
Schwechat – erhielt Kreisky eine „Botschaft der libysch-arabischen Führung“.
Darin stand zu lesen: „Als ihr Gesandter österreichische Informationen
überbracht hatte, dass die Gruppe Abu Nidal Anschläge in Wien plant, sind wir
unmittelbar danach von dem Ereignis auf dem Wiener Flughafen überrascht worden,
bevor ein Kontakt mit ihm zustande gebracht werden konnte.“ Tatsächlich hatten
sich die Terroristen vom syrischen Bekaa-Tal aus auf den Weg gemacht. Denn auch
das Regime von Hafiz al-Assad zählte damals zu den Unterstützern von Abu Nidal.
Wien hatten die Attentäter erst wenige Tage vor dem Anschlag erreicht – daher
war es gut möglich, dass sie nicht mehr zurückzupfeifen waren. <o:p></o:p></span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-15739403847637363002015-12-21T01:12:00.000-08:002015-12-21T04:44:38.434-08:00Tage des Schreckens: 40 Jahre nach der OPEC-Geiselnahme in Wien<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Nie zuvor
und nie wieder danach befanden sich so viele hochrangige Politiker in den
Händen von Terroristen: Die Geiselnahme während der Ministerkonferenz der
Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) in Wien am 21. Dezember 1975
nimmt bis heute eine Sonderstellung in der Geschichte des modernen Terrorismus
ein. Ein sechsköpfiges Kommando, angeführt von dem damals 26jährigen
Venezolaner Ilich Ramirez Sanchez (besser bekannt als „Carlos“), hatte
insgesamt 62 Geiseln genommen, darunter 11 Erdölminister. Es gab drei Tote zu
beklagen – einen österreichischen Polizisten, einen irakischen Leibwächter und
einen libyschen Delegierten. Bundeskanzler Bruno Kreisky<sup> </sup>handelte
schließlich die Ausreise des Terrorkommandos und eines Teils der Geiseln nach
Algerien aus, wo die Minister nach einem nervenaufreibenden Hin- und Herflug
zwischen Tripolis und Algier am 23. Dezember 1975 auch freikamen. Der „Coup“
von Wien erregte damals weltweite Aufmerksamkeit. Kürzlich meinte der
Journalist und zeitweilige Agent des Bundesnachrichtendiensts (BND), Wilhelm
Dietl: „Der Terroranschlag auf die OPEC-Konferenz war eine der größten
Medienkampagnen aller Zeiten – also, man kann das vergleichen mit 9/11.“</span></b></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhW83iB64TCZshG8Iw35O7ZNozCvJv42vOk4jKk9-zYjQJTrRbmVJ0eDacvO7V4BHx1P6YO8hHZmEJiH8yFJRkN6MeirYltr9JxpTPR5qHNfbvIp2c1md-gtH2pdx9f_ILJULpY391xHnM/s1600/IMG_6822+%25282%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="261" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhW83iB64TCZshG8Iw35O7ZNozCvJv42vOk4jKk9-zYjQJTrRbmVJ0eDacvO7V4BHx1P6YO8hHZmEJiH8yFJRkN6MeirYltr9JxpTPR5qHNfbvIp2c1md-gtH2pdx9f_ILJULpY391xHnM/s320/IMG_6822+%25282%2529.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ehemaliger Sitz des OPEC-Generalsekretariats (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Die OPEC-Geiselnahme war eine
bedeutende Wegmarke in der Entwicklung moderner terroristischer Gewalt: Im
Unterschied zum „älteren“ Terrorismus mit seinen primär nationalen Bezügen wurde
der Anschlag in Wien transnational vorbereitet, organisiert und durchgeführt. Verantwortlich
zeichnete das PLFP-Special Command, eine palästinensische Splittergruppe unter
dem Kommando von Wadi Haddad, der heute als „Pate“ des modernen Terrorismus
gilt. Neben Carlos und zwei eigenen Leuten hatte Haddad zwei deutsche
Linksextremisten – Gabriele Kröcher-Tiedemann und Hans Joachim-Klein –
angeworben. Hinzu kam noch Carlos Stellvertreter Anis Naccache, der eigentlich
zur „Fatah“ von Jassir Arafat gehörte und diese insgeheim auf dem Laufenden
hielt. Haddad wollte mit der Aktion mediale Aufmerksamkeit auf das
„Palästinenserproblem“ lenken. Noch wichtiger waren allerdings geheime
Machenschaften: Einerseits ging es um Geldbeschaffung, andererseits war die
Geiselnahme eine Folge des Machtkampfes innerhalb der OPEC. Denn der
eigentliche Auftraggeber und Initiator war der libysche Staatschef Muammar
al-Gaddafi. Dieser wollte die Preispolitik des Kartells beeinflussen und benutzte
Haddads PLFP-Special Command als Stellvertreterstreitmacht, um Druck auf seine
Gegner – Saudi-Arabien und den Iran –auszuüben.</span><br />
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Das
Terrorkommando kam mit der Straßenbahn</span></b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Kurz vor 11.30 Uhr langten die
Terroristen mit der Ring-Straßenbahn fast direkt vor den Sitz des
OPEC-Generalsekretariats am Dr. Karl-Lueger-Ring Nr. 10 (seit 2012
Universitätsring) an. Gut, dass die Tram an diesem Sonntagvormittag fast leer
war. Denn die Gruppe bot ein „lustiges Bild“, erinnerte sich Hans
Joachim-Klein: Carlos mit seinen lateinamerikanischen Zügen und der in Wien
gekauften Baskenmütze auf dem Kopf, der kleingewachsene „Jussef“, ein
„Vollblutaraber“, und der Rest in dicken Jacken, um darunter Waffen zu
verbergen: „Wir konnten uns deshalb kaum bewegen, und genauso sah es aus.“ In
Adidas-Sporttaschen wurden Maschinenpistolen, Handgranaten, Plastiksprengstoff,
Sprengkapseln und für jeden eine Packung Amphetamine zum Wachbleiben
mitgeführt. Es war also kein Wunder, dass nicht nur der Schaffner „guckte“. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Die OPEC war im Juli 1965 von
Genf nach Wien übersiedelt – man hatte sich in den ersten zwei Stockwerken
eines Hochhauses direkt gegenüber der Hauptuniversität eingemietet. Die
Ministerkonferenz war bereits seit einer Stunde im Gange. Da am Ergebnis der
Besprechungen großes Medieninteresse herrschte, befanden sich ca. 30
Journalisten vor Ort. Das machte die Situation vor dem Gebäude und im Hausflur
„sehr unübersichtlich“ und erleichterte den Terroristen ihr Vorgehen. Vor allem
spielte ihnen in die Hände, dass die Sicherheitsvorkehrungen generell lax
gehandhabt wurden. Bundeskanzler Kreisky räumte Anfang 1976 vor dem Nationalrat
ein, dass man auf österreichischer Seite einen „entscheidenden Fehler“ gemacht
habe: Die OPEC wurde für die am „wenigsten gefährdete Institution“ gehalten,
weil damals bereits bekannt war, dass einige der Mitgliedsstaaten zu den
Förderern des internationalen Terrorismus zählten. „Wir sind zu dem Schluss
gekommen, dass diese Organisation – auch sie selber kam übrigens zu dem Schluss
– kein Sicherheitsrisiko darstellt. Da haben wir geirrt“, so Kreisky. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjgj453GfIQ3evBwOf-XHcQg8pVaj4n_L04QFhDjZLg84uMrDaB8sjzuONEidwLadXcX7LJnm6qALmOZldPvMDboOifEuvhpp2J5rRriTvzRV0K6UxqlqSc7GIak828ztCfcViyp3ffAIk/s1600/Foyer+%25282%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="281" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjgj453GfIQ3evBwOf-XHcQg8pVaj4n_L04QFhDjZLg84uMrDaB8sjzuONEidwLadXcX7LJnm6qALmOZldPvMDboOifEuvhpp2J5rRriTvzRV0K6UxqlqSc7GIak828ztCfcViyp3ffAIk/s400/Foyer+%25282%2529.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Heutige Ansicht des Foyers (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">An jenem Sonntagvormittag war
direkt vor dem Eingang in das OPEC-Gebäude ein einzelner Polizeibeamter
positioniert, der aber nur die Zu- und Abfahrt regelte. In den Räumlichkeiten
der OPEC versahen zwei Staatspolizisten Dienst: Der 60jährige Anton Tichler,
der zwei Monate vor der Pensionierung stand und der 59jährige Josef Janda. Die
Anweisung an sie lautete, im Gefahrenfall möglichst nicht von der Schusswaffe
Gebrauch zu machen, sondern Meldung zu machen. Mit Funkgeräten dafür waren sie
allerdings nicht ausgestattet. Der einzige zusätzliche Sicherheitsmann, ein
gebürtiger Iraker, war bei der OPEC beschäftigt und versah den Dienst
unbewaffnet.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span lang="EN-GB" style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-ansi-language: EN-GB; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">„Is the conference still
working?“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Unter den genannten Gegebenheiten
war es für die Terroristen ein leichtes, ein Treffen von hochrangigen – teils
hochgefährdeten – Persönlichkeiten zu überfallen. An dem Posten vor dem Gebäude
war das Kommando zielstrebig vorbeigegangen: „Die Herrschaften haben freundlich
gegrüßt, ich glaube, sie haben Grüß Gott gesagt oder Guten Tag, Herr Inspektor.
Ich hatte keinen Auftrag, die Leute zu kontrollieren. Das ist ja auch so
schnell gegangen.“ Im Foyer passierten die Terroristen dann eine wartende
Journalistenrunde. Jemand fragte: „Is the conference still working?“ Ein
französischer Reporter erinnerte sich: „Ich habe gesagt: ‚Ja’; da sind sie
hineingegangen, und einige Sekunden später habe ich Schüsse gehört.“ Im
Konferenzsaal dachte der saudische Erdölminister Ahmed Yamani zuerst, die
unbekannten Angreifer müssten Europäer sein, die gewaltsam gegen die Erhöhung
der Ölpreise protestierten: „Ich dachte, sie kommen, um an uns Rache zu nehmen.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_R5793Orn5M1yQ2LkSQ3nb20icDPD7wQSB2YNWzP7CyH8SsK1erky8eTLIiCNRpkeGbXcfl657hpXxwu-qFZwjBYnQZOCZWE8-hkF6mBz9QwyHtHsy7ZzvUkCmIr0NZlir5w8UGvKa5Q/s1600/IMG_6820+%25282%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="253" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_R5793Orn5M1yQ2LkSQ3nb20icDPD7wQSB2YNWzP7CyH8SsK1erky8eTLIiCNRpkeGbXcfl657hpXxwu-qFZwjBYnQZOCZWE8-hkF6mBz9QwyHtHsy7ZzvUkCmIr0NZlir5w8UGvKa5Q/s320/IMG_6820+%25282%2529.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Im Stiegenhaus des ehemaligen OPEC-Gebäudes (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Der genaue Ablauf der
nachfolgenden Ereignisse ist bis heute umstritten – fest steht nur, dass es den
Terroristen gelang, die Räumlichkeiten unter ihre Kontrolle zu bekommen und
dabei 62 Geiseln – darunter 11 Erdölminister – zu nehmen. Die Attacke wurde
brutal durchgeführt. Wovon mit einiger Sicherheit ausgegangen werden kann, ist,
dass „Nada“ – also Gabriele Kröcher-Tiedemann – den Staatspolizisten Tichler
erschoss, als dieser Hilfe holen wollte. Laut Zeugenaussagen tötete Kröcher-Tiedemann
kurz darauf auch den Leibwächter des irakischen Erdölministers Saces al
Khafazi. Dieser hatte die zierliche Frau in ein Handgemenge verwickelt. Die
Leiche des dritten Opfers – das libysche Delegationsmitglied Jussuf Izmirili –
wurde erst im Zuge der Tatbestandsaufnahme am 22. Dezember 1975 im Zimmer Nr.
105 aufgefunden. Der Vater zweier kleiner Kinder war durch zwei Einschüsse in
den Kopf und fünf Einschüsse in den Rücken getötet worden. In diesem Fall war
Carlos der Täter – als er das Bürozimmer kontrollieren wollte, hatte er sich
plötzlich Izmirili gegenüber gesehen und nach einer kurzen Rangelei geschossen.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">„Das war
eine Anti-Geisel-Truppe“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Insgesamt drei Notrufe waren aus
dem OPEC-Gebäude abgesetzt worden. Um 11.50 Uhr traf das Einsatzkommando (EKO)
der Bundespolizeidirektion Wien am Schauplatz ein. Das EKO bestand gerade
einmal aus acht Beamten, die mit Stahlhelmen aus Wehrmachtsbeständen,
Maschinenpistolen und zwei schusssicheren Westen ausgerüstet waren. Es handelte
sich durchwegs um ältere, beleibte Männer. Man hatte sie bewusst ausgewählt,
weil sie als erfahren galten. Deshalb würden sie in gefährlichen Situationen
ruhig bleiben und nicht gleich den Abzug ihrer Waffe bedienen. Moderne
Bedrohungen wie Geiselnahmen durch Terroristen hatten bei der Konzeption des
EKO noch keine Rolle gespielt.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Die Polizisten stürmten über die Treppe in den
ersten Stock und versuchten von dort aus in das Foyer einzudringen. Angeführt
wurden sie von dem 52jährigen Großvater und zu 42 Prozent kriegsversehrten Kurt
Leopolder. Bei ihrem Vorgehen machten die Polizisten solchen Lärm, dass die
Geiselnehmer auf den Vorstoß längst vorbereitet waren. Terrorist Klein nannte
sie später in seinen Memoiren „Wiener Djangos“: „Das war keine
Anti-Terrorismus-Truppe, das war eine Anti-Geisel-Truppe mit Suizidabsichten.“
Beim anschließenden kurzen, aber intensiven Feuergefecht erhielt Klein einen
Bauchschuss, während Leopolder einen Treffer im Gesäß abbekam („In Oasch hobn’s
mi gschossn. Oba den Hund hob i dawischt“). Der Polizist sollte sich von der
Verletzung nicht mehr erholen und blieb teilweise gelähmt. 1976 bekam Leopolder
eine Medaille, 5.000 Schilling Überbrückungshilfe und wurde pensioniert. Die
OPEC bezahlte ihm monatlich 2.600 Schilling. Am 15. Juli 1984 verstarb er 61jährig
an den Spätfolgen. Weitere Vorstöße unterblieben. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Die Polizei beschränkte sich
infolge darauf, das Gebäude hermetisch abzuriegeln. Das war auch notwendig,
denn in unmittelbarer Nähe versammelten sich rasch mehrere Hundert
Schaulustige. Ein anwesender Reporter von „profil“ registrierte bald gereizte
Stimmung: „Die Kälte macht die Menge unruhig und ungläubig. Ein Schreier meint:
‚Vielleicht san de hinten bei dem Haus wieda außegangan und mir woatn
umasunst.“ Bei einer anderen Absperrung bei der Mölkerbastei schwang ein
weißhaariger Mann große Reden: „Geht’s loßts mi durch, damit endlich a Ruah is.
I wor bei de Husarn. I weiß, wie mas mocht.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiaDnwE45OyNQEUjHJNS1LBRPv_GmEDmazf5EywjTDQJF8DvFhhjgMb5qcvS_EnU-MVndc1REsCfK2YYWZygxqEvkb46260LA8QiiePxe8kI2IJZ6OLoSHiadBVU9Pfnrdqtw3EXDpTkn8/s1600/IMG_6816+%25282%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="244" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiaDnwE45OyNQEUjHJNS1LBRPv_GmEDmazf5EywjTDQJF8DvFhhjgMb5qcvS_EnU-MVndc1REsCfK2YYWZygxqEvkb46260LA8QiiePxe8kI2IJZ6OLoSHiadBVU9Pfnrdqtw3EXDpTkn8/s320/IMG_6816+%25282%2529.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Schauplatz des Feuergefechts zwischen Terroristen und Polizei (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">„Das
Spiel der Mächtigen“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Um 16.27 Uhr – fanden sich im
Bundeskanzleramt die Mitglieder der Bundesregierung zu einem
„Sonderministerrat“ ein. Kreisky befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf der
Rückreise aus seinem Winterurlaub, den er eben erst angetreten hatte: Am Morgen
des 21. Dezember 1975 war er mit dem Schlafwagen aus Wien in Lech am Arlberg
eingetroffen. Kaum hatte er sich dort zum Frühstück gesetzt, kam ein Anruf. Es
war Pressesprecher Johannes Kunz, der über die Ereignisse informierte. „Da hab
ich mir halt gleich einen Hubschrauber bestellt und bin nach Salzburg geflogen.
Die Dinger sind ja saukalt, und laut war’s auch und windig. Dös is nix für mich
mit so nem Radl in der Luft. Von da bin ich mit einer richtigen Maschine nach
Wien geflogen. Der Urlaub jedenfalls war hin“, erzählte Kreisky später einem
Reporter des „Stern“.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Gleich zu Beginn wurde der
„Sonderministerrat“ informiert, dass anders als ursprünglich entschieden, die
Vorstellung „Das Spiel der Mächtigen“ wie geplant stattfinden könne – weil das
Burgtheater weit genug vom Tatort entfernt sei. Dringender stand eine andere
Frage im Raum: Sollte das Kommuniqué der Geiselnehmer wie gefordert über den
ORF veröffentlicht werden? Kreisky wurde nicht vor 18.00 Uhr zurückerwartet und
man wollte seine Ankunft eigentlich abwarten. Die Forderung der Terroristen
lautete aber, ihre Botschaft müsse um 17.30 Uhr gesendet werden – ansonsten
würden weitere Menschen sterben. Herta Firnberg war schließlich die erste, die
offen ihre Meinung sagte: „Ich bin dafür, dass die Proklamation im ORF verlesen
wird.“ Und so geschah es auch – mit etwas Verzögerung ging Kreiskys Kabinettschef
Friedrich Gehart um 18.22 Uhr auf den Radioprogrammen Ö1 und Ö3 auf Sendung und
verlas den in Französisch abgefassten Text, was fast zwanzig Minuten dauerte. Ansonsten
verlangten die Terroristen, dass am Folgetag um 07.00 Uhr eine DC-9
bereitstehen solle. Ein Bus mit geschlossenen Vorhängen müsse sie und die
Geiseln zum Flughafen bringen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">In der Zwischenzeit war Kreisky
eingetroffen und wurde im Bundeskanzleramt von einem Knäuel von Journalisten
empfangen. „Wie sehen Sie die Lage?“, wurde der Bundeskanzler gefragt. Dutzende
Mikrophone waren auf ihn gerichtet, während Staatspolizisten mühsam einen Weg
bahnten. „Ich muss erst prüfen“, hieß es von Kreisky kurz, dann verschwand er
im Sitzungssaal. Dort gab er die Linie vor: „Ich möchte […] jetzt schon sagen,
dass es für mich klar ist, dass morgen früh alle ausgeflogen werden. Eine
andere Lösung hat überhaupt keinen Sinn. Wie sollte die denn ausschauen? Was
will man noch riskieren?“ Als Zieldestination für die Terroristen kam bereits
Algerien in Betracht: Außenminister Abd al-Aziz Bouteflika hatte sich „zu einem
frühen Zeitpunkt“ aus Paris gemeldet und Landegenehmigung erteilt. Auf Basis
der Gegebenheiten umriss Kreisky die weitere strategische Vorgangsweise:
„Erstens müssen die Geiseln ihrer Teilnahme an dieser Expedition zustimmen.
Zweitens steht als Ort der Destination Algerien fest und drittens werden die
österreichischen Staatsbürger freigelassen.“ Die Tatsache, dass das
OPEC-Generalsekretariat exterritoriales Gelände war, ermöglichte es Kreisky die
Krise zu „internationalisieren“. Durch Einbeziehung der diplomatischen Vertreter
der OPEC-Mitgliedstaaten wurde die Verantwortung für das Leben der Geiseln
möglichst breit gestreut und so Druck von Österreich weggenommen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgbVvW2LkcGomQAFZIDikt2zePUGZwmTI_S_TLoKFzNEO93oAlu6iZFVd2cLuqLCCCIMKGGIIIkJePyChzlIU4SBUE7-QOenFP9d_LFvJG_fzjHio8zbNEM7F6xJRFVrDpQvz_jMXXelW8/s1600/Konferenzsaal+%25283%2529.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="241" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgbVvW2LkcGomQAFZIDikt2zePUGZwmTI_S_TLoKFzNEO93oAlu6iZFVd2cLuqLCCCIMKGGIIIkJePyChzlIU4SBUE7-QOenFP9d_LFvJG_fzjHio8zbNEM7F6xJRFVrDpQvz_jMXXelW8/s320/Konferenzsaal+%25283%2529.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der ehemalige Konferenzsaal, in dem die Geiseln festgehalten wurden (Foto: Autor)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Die praktischen Details der
Abwicklung der Geiselkrise hielt die Runde bis spätnachts in Atem. Hinsichtlich
des Transports zum Flughafen Schwechat war es nicht so leicht, den Bus mit
Vorhängen zu beschaffen. Der Generaldirektor der Post, Alfred Schlegel,
erklärte Verkehrsminister Erwin Lanc, keinen solchen Bus zu haben: „Meine
Antwort darauf: dann lassen sie halt welche montieren – und wenn sie es selber
machen müssen. Und so geschah es.“ Außerdem musste das Schicksal des im Wiener
AKH schwer verletzt liegenden Terroristen Klein in die Überlegungen
miteinbezogen werden. Carlos hatte ultimativ seine Mit-Ausreise am nächsten Tag
gefordert, obwohl dies nach Auskünften der Ärzte für den jungen Mann den Tod
bedeutete. Kleins Zustand stabilisierte sich schließlich und der kurdische Arzt
Wiriya Rawenduzy erklärte sich bereit, den Verletzten während des Flugs nach
Algier zu betreuen. Die Sauerstoff-Flaschen, die man für das Beatmungsgerät mit
an Bord nehmen musste, waren alles andere als ungefährlich: Im Grunde war damit
eine „Sechshunderter-Sauerstoffbombe“ an Bord, wie die AUA warnte.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">„Mehr
erreicht, als angenommen“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Nach Mitternacht stellte Kreisky
fest, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen waren. Auch die Botschafter der
OPEC-Staaten hatten noch einmal, jeder auf seine Art, eine Erklärung abgegeben,
„in der sie sich ihrerseits nicht nur bereit erklären, unseren Vorschlägen
zuzustimmen, sondern deren Realisierung wünschen.“ Die Sitzung wurde vom
Bundeskanzler schließlich um 01.07 Uhr geschlossen.</span><span lang="DE" style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"> Pünktlich um 01.10 Uhr kam
Kreisky zum letzten Mal in den kleinen Ministerratssaal, wo die Journalisten
versammelt waren. Mit vor Müdigkeit roten Augen verkündete er: „Wir haben eine
einvernehmliche Lösung gefunden, die die Zustimmung der Bundesregierung sowie
die Zustimmung aller OPEC-Führer hat.“ Zufrieden meinte Kreisky in Hinblick auf
die freizulassenden OPEC-Angestellten: „Da haben wir doch mehr erreicht, als
wir angenommen haben.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span lang="DE" style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Am nächsten
Morgen, dem 22. Dezember 1975, war in Schwechat eine DC-9 mit der Flugnummer OS
5950 bereitgestellt. Es handelte sich um das dienstälteste Flugzeug der
AUA-Flotte, um den Schaden bei etwaigem Verlust so gering, als möglich zu
halten. Um 08.45 Uhr traf der Bus ein – die in Österreich ansässigen Angestellten
waren zuvor, wie gefordert, freigegangen. Aber Carlos und sein Kommando hatten
immer noch 35 Personen – 11 Minister sowie 19 Delegierte und Mitarbeiter – in
seiner Gewalt. Das Einsteigen in die DC-9 zog sich bis um 09.06 Uhr hin. Q</span><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">uasi zum Abschluss ging Carlos noch einmal die
Gangway herunter und streckte dem anwesenden Innenminister Rösch die Hand hin; </span><span lang="DE" style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">„Es tut mir
leid, dass ich Österreich als Schauplatz wählen musste. Lassen Sie
Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky schön grüßen…“<sup> </sup></span><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Rösch ergriff die ausgestreckte Hand, und der
Skandal war perfekt. </span><span lang="DE" style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;"><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Damit war die weitere Lösung des
Geiseldramas zumindest kein österreichisches Problem mehr. In Algier angekommen,
gab Carlos die Direktive aus, weiter nach Tripolis zu fliegen. Doch offenbar
galt die Abmachung mit Gaddafi nicht mehr – die Terroristen wurden nicht willkommen
geheißen und mussten schließlich am 23. Dezember 1975 nach Algier
zurückfliegen. Der Mord an dem libyschen Delegierten soll Gaddafi verärgert
haben. Der algerische Außenminister Bouteflika wiederum machte klar, dass die
Maschine gestürmt werden würde, wenn die Terroristen jetzt nicht aufgäben. Gegen
Zahlung eines Lösegelds – die Schätzungen reichen bis 50 Millionen Dollar – war
Carlos letztlich bereit, die verbliebenen 12 Geiseln freizulassen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Ungenügende
Aufarbeitung<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Eine effektive Strafverfolgung
der Terroristen wurde vernachlässigt. Nach einem Auslieferungsbegehren an
Algerien, erhielt Österreich am 9. Jänner 1976 die Antwort, das Terrorkommando habe
das Staatsgebiet bereits verlassen. Kreisky gab sich damit zufrieden: Die
algerische Seite habe selbst Bedingungen akzeptieren müssen und verlangt, „dass
man das in Österreich verstehe“. Und das tat man – denn die Regierung war zu
sehr besorgt, das Land könnte als Standort für internationale Organisationen
Schaden erleiden. War doch der Spatenstich zum Bau der UNO-City erst 1973
erfolgt. Von daher wollte man die guten Beziehungen zu arabischen Staaten nicht
aufs Spiel setzen – etwa in der Auslieferungsfrage oder durch zu eifrige Nachforschungen.
<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">1989 kam es zum ersten Verfahren
mit Bezug auf die Geiselnahme: In Köln wurde Kröcher-Tiedemann der Prozess
gemacht – dieser endete mit einem blamablen Freispruch, unter anderem deswegen
weil die Tatortaufnahme in Wien hastig verlaufen war. Grund für die Eile war
damals Druck seitens der OPEC gewesen: Das Kartell war an Ermittlungen gegen
einige seiner wichtigsten Mitgliedstaaten nicht wirklich interessiert. Denn bis
heute halten sich Gerüchte, wonach Libyen auch vom Irak und Algerien indirekt
unterstützt wurde. 2000 folgte ein weiteres Verfahren gegen Klein in
Deutschland – zu neun Jahren Haft verurteilt, konnte dieser bereits 2003 wieder
das Gefängnis verlassen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Österreich dagegen hatte es stets
vermieden, ein OPEC-Verfahren an sich zu ziehen. Als Carlos 1994 im Sudan
verhaftet und an Frankreich ausgeliefert wurde, flog lediglich ein
Untersuchungsrichter zu einer Vernehmung nach Paris. Diese musste aber gleich
nach Beginn wegen der unkooperativen Haltung von Carlos abgebrochen werden. Als
dieser dem österreichischen Richter zum Abschied die Hand hinstreckte, weigerte
sich dieser zuzugreifen. Er wolle sich nicht derselben Kritik aussetzen, wie
Innenminister Rösch fast 20 Jahre zuvor. Jedenfalls wurde Carlos wegen
terroristischer Vergehen in Frankreich zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt
– die OPEC-Geiselnahme spielte dabei keine Rolle. Stellvertreter Naccache saß
in den 1980er Jahren ebenfalls in französischer Haft, ehe ihm ein Deal mit dem
Iran die Freiheit brachte. Er lebt heute als Geschäftsmann in Beirut. Von den
übrigen zwei palästinensischen Kommandomitgliedern hatte man nicht einmal die
wirklichen Namen ermitteln können.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Konsequenzen<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "Times New Roman","serif"; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE-AT;">Als Antwort auf die zunehmende terroristische
Bedrohung reagierte Österreich mit einem Bündel an Maßnahmen, die
polizeilicher, aber vor allem außenpolitischer Natur waren. Letztere zielten
darauf ab, den Nahostkonflikt präventiv zu entschärfen. Denn aufgrund seiner Rolle
als Schleuse bei der jüdischen Emigration von Osteuropa nach Israel war
Österreich zwangsläufig involviert. Im Nachhinein bestand für Kreisky der
Beweis für die Richtigkeit seiner Politik darin, dass 15 Jahre hindurch 300.000
russische Juden über Österreich nach Israel ausgewandert seien – „ohne, dass
jeden Monat in Schwechat eine Bombe explodiert ist“. Auch das Manko im
Sicherheitsapparat konnte Ende der 1970er Jahre mit der Aufstellung des
Gendarmerieeinsatzkommandos (heute EKO Cobra) behoben werden.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Freilich gelang es nicht, den
nahöstlichen Terror von Österreich fernzuhalten. Entscheidend dafür war, dass
die guten Kontakte zur Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und radikale
Kräfte wie die Abu-Nidal-Gruppe auf den Plan riefen. Diese wollte moderierende
Einflüsse von außen mit Terror abschrecken. 1981 und 1985 kam es insgesamt zu
drei blutigen Attentaten in Wien. Es spricht für Kreiskys Standfestigkeit, dass
er seine Linie auch gegen diesen Druck beibehielt. Spätestens Ende der 1980er
Jahre erfolgte mit dem Wechsel des Außenamts zur ÖVP eine grundsätzliche
Neuorientierung hin zu europäischen Belangen. Und mit dem Ende des Kalten
Krieges endete auch die Welle jenes Terrors, in die die OPEC-Geiselnahme
einzuordnen ist. Heute sieht sich Österreich, so wie andere westliche Staaten
auch, mit der Herausforderung durch den radikal-islamistische Terrorismus
konfrontiert. Aber wie das historische Beispiel zeigt, war schon vieles damals
angelegt: Die Medienfixierung des Terrorismus und seine zunehmende
Internationalisierung. Im Unterschied zu 1975 braucht es heute keine
Organisationen oder S<span id="goog_1817296922"></span><span id="goog_1817296923"></span><a href="https://www.blogger.com/"></a>ponsoren mehr. Es genügt bereits ein „lone wolf“, und die
Möglichkeiten der Massenkommunikation haben sich exorbitant gesteigert. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;"><b>Literaturtipp: </b></span><br />
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">"Tage des Schreckens. Die OPEC-Geiselnahme 1975 und der moderne Terrorismus"</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;"><a href="http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_i88Cwb141G8T0">http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_i88Cwb141G8T0</a></span><br />
<br />
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Siehe dazu auch:</span><br />
<span style="font-family: 'Times New Roman', serif;">Markus Sulzbacher, 40 Jahre OPEC-Überfall: Terror auf der Insel der Seligen", in: Der Standard, 21. 12. 2015, </span><a href="http://derstandard.at/2000027845448/40-Jahre-OPEC-Ueberfall-Terror-auf-der-Insel-der-Seligen">http://derstandard.at/2000027845448/40-Jahre-OPEC-Ueberfall-Terror-auf-der-Insel-der-Seligen</a></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-82467975808268585582015-12-09T07:00:00.002-08:002015-12-09T07:01:40.931-08:00Neues Buch: „Tage des Schreckens: Die OPEC-Geiselnahme 1975 und die Anfänge des modernen Terrorismus“<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nie
zuvor und nie wieder danach befanden sich so viele hochrangige Politiker in den
Händen von Terroristen: Die Geiselnahme während der Ministerkonferenz der
Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) in Wien am 21. Dezember 1975
nimmt bis heute eine Sonderstellung in der Geschichte des modernen Terrorismus
ein. Ein sechsköpfiges Kommando, angeführt von dem damals 26jährigen
Venezolaner Ilich Ramirez Sanchez (besser bekannt als „Carlos“), hatte
insgesamt 62 Geiseln genommen, darunter 11 Erdölminister. Es gab drei Tote zu
beklagen – einen österreichischen Polizisten, einen irakischen Leibwächter und
einen libyschen Delegierten. Thomas Riegler rekonstruiert anhand von Dokumenten
und Zeitzeugeninterviews den spektakulären Fall und setzt diesen in den Kontext
österreichischer Sicherheitspolitik bzw. heutiger Bedrohungen.<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">LINK zum Buch: </span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><a href="http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_2-dAwb1KB5EKY">http://www.amazon.de/dp/B018NX2AHQ/ref=cm_sw_r_tw_dp_2-dAwb1KB5EKY</a></span></b><br />
<b><br /></b></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjV9-ZWRfes3_LdP44X6a1AO3HstMgIdu7At29clGwKQbkfHVyohrV2TrGa4wwtZYx0r7vH7gW2T2AFJgAb8tyOoZKzj8eQsurDpXkqblIxetgqnd01q3GYT37Ik8HJqSDf23iP-2ac1yI/s1600/Tage+des+Terrors_Cover_2_klein.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjV9-ZWRfes3_LdP44X6a1AO3HstMgIdu7At29clGwKQbkfHVyohrV2TrGa4wwtZYx0r7vH7gW2T2AFJgAb8tyOoZKzj8eQsurDpXkqblIxetgqnd01q3GYT37Ik8HJqSDf23iP-2ac1yI/s320/Tage+des+Terrors_Cover_2_klein.jpg" width="199" /></a></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Auszug aus der Einleitung</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der „Coup“ von Wien
erregte weltweite Aufmerksamkeit. Bezugnehmend auf andere
Terroranschläge und Geiselnahmen in den Jahren davor, meinte das deutsche
Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Eine israelische Olympiamannschaft in
München, ein amerikanischer Botschafter in Khartum, ein deutscher Lufthansa-Jet
in Aden – o.k., das waren bei einiger Gedankenakrobatik Feindobjekte. Aber elf
Ölminister, am 4. Advent im molligen Wien am Konferenztisch von Arabern
kollektiv gekapert – das war Aberwitz-Kidnapping, Fantasia, trotz blutigem
Anfang und kläglichem Ende.“ Dem
britischen Journalisten David A. Yallop zufolge hatte Carlos, gemessen an der
Finanzkraft, die die 11 Erdölminister repräsentierten, „die reichste Gruppe von
Geiseln der bisherigen Weltgeschichte in seine Gewalt gebracht.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
OPEC-Geiselnahme war in vielerlei Hinsicht eine bedeutende Wegmarke in der
Entwicklung moderner terroristischer Gewalt:</span></b><span style="font-family: "times new roman" , serif;"> Im Unterschied zum „älteren“ Terrorismus mit seinen
primär nationalen Bezügen wurde der Anschlag in Wien als „Joint Venture“
grenzübergreifend vorbereitet, organisiert und durchgeführt. Ganz bewusst wurde
mediale Aufmerksamkeit auf das „Palästinenserproblem“ gelenkt. Noch wichtiger
waren allerdings geheime Machenschaften: Einerseits ging es um Geldbeschaffung
für palästinensische Gruppen, andererseits war die Geiselnahme eine Folge des
Machtkampfes innerhalb der OPEC. Vor allem Libyen unter Muammar al-Gaddafi
wollte die Preispolitik beeinflussen und benutzte die Terroristen als
Stellvertreterstreitmacht, um Druck auf seine Gegner – Saudi-Arabien und den
Iran –auszuüben. Insofern steht die OPEC-Geiselnahme für instrumentalisierten
Terrorismus, der vor allem eine Botschaft zwischen staatlichen Akteuren
kommunizierte. </span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Während sich die
Bedeutung staatlicher Sponsoren im gegenwärtigen radikal-islamistischen
Terrorismus deutlich verringert hat, haben sich Aspekte der „Transnationalität“
weiter herauskristallisiert: Internationale Agenda und Ideologie,
multinationale Mitgliedschaft, Einbindung in globale Netzwerkstrukturen und
medial gesteigerte Schockeffekte. Vieles kann allerdings als Weiterentwicklung
älterer Medienstrategien und Kooperationsmechanismen begriffen werden. Zwar ist
es richtig, dass der Islamische Staat (IS), der spätestens seit 2014 große
Teile des Irak und Syriens kontrolliert, frühere Gruppen in Sachen
territorialer Kontrolle, militärischer Stärke, Gewaltintensität, Inszenierung
und eigenen Einkommensquellen übertrifft. Aber dieser Vorsprung stellt, wie
Loretta Napoleoni betont, „keine genetische Mutation dar“, sondern resultiert
aus der Fähigkeit des IS, „sich dem schnell verändernden Umfeld in einer
globalisierten Welt anzupassen“. Schon
in den 1970er und 1980er Jahren bildeten die palästinensischen Organisationen
ein transnationales Netzwerk, das verschiedenste Gruppen mit unterschiedlicher
Agenda unter dem Deckmantel des „Antiimperialismus“ verband. In vielerlei Hinsicht waren die 1970er Jahre
sogar ein „goldenes Zeitalter“ des Terrorismus – während etwa in den USA in
dieser Zeitspanne 184 Menschen getötet und 600 verletzt wurden, gab es zwischen
2001 und Mitte 2015 74 Todesopfer. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der
größte Unterschied zwischen dem „alten“ und „neuen“ Terrorismus besteht jedoch
in den völlig veränderten Rahmenbedingungen:</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"> „Der ‚alte’ Terrorismus“, so der deutsche
Zeithistoriker Wolfgang Kraushaar, „war zweifellos ein Terrorismus im Zeitalter
des Kalten Krieges. Er ist jedoch nicht nur allgemein vom Kontext des
Ost-West-Konflikts, sondern in einer besonders zugespitzten Form vom
Spannungsfeld des Nahen Ostens geprägt worden.“
Anders als bei den heutigen amorphen Netzwerken dominierten in den
1970er und 1980er Jahren durchorganisierte Kaderorganisationen mit fixen Basen
und abgestuften Hierarchien.
Selbstmordattentate kamen erst im libanesischen Bürgerkrieg in den
1980er Jahren auf und blieben bis zum 11. September 2001 vereinzelt. Der
neuartige Terrorismus, der sich nach den Anschlägen in New York und Washington
herauskristallisierte, ist einerseits ein „Produkt“ der Globalisierung, was
sich in seiner multinationalen Ausrichtung, der Rolle des Internets als
virtuelle Rekrutierungs- und Ausbildungsstätte sowie der Medienfixierung seiner
Aktionsformen widerspiegelt; andererseits dominiert radikaler Fundamentalismus,
wo vor einigen Jahrzehnten noch säkulare Orientierung vorherrschte. Auch hat
der moderne radikal-islamische Terrorismus demonstriert, dass er kaum mehr
Sponsoring benötigt. Ausbildungslager befinden sich in Bürgerkriegsgebieten,
anstatt wie noch in den 1970er und 1980er Jahren von gewissen Staaten
protegiert oder geduldet zu werden. Und schließlich haben sich die
Kommunikationsmöglichkeiten potenziert: Die OPEC-Geiselnehmer mussten noch die
Verlesung einer maschinengetippten Botschaft im Radio erzwingen. Diese
Differenzen machen deutlich, dass die Vergleichsmöglichkeiten mit der Gegenwart
begrenzt sind.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Der Überfall auf
die OPEC-Ministerkonferenz ist im historischen „Gedächtnis“ der Zweiten
Republik haften geblieben – auch weil es sich bei Carlos um einen der
„schillerndsten“ terroristischen Gewalttäter der 1970er und 1980er Jahre
handelte. Sein Gesicht stand für den Terror jener Jahre, der sich vor allem in
Flugzeugentführungen und Anschlägen von palästinensischen Gruppen in Westeuropa
ausdrückte. Über Carlos, der 1994 im
Sudan verhaftet wurde, sind gerade im deutsch- und englischsprachigen Raum
zahlreiche Biografien veröffentlicht
worden. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Im
Rahmen von „Tage des Schreckens“ werden die Hintergründe und der Ablauf der
Ereignisse auf Basis von Primärquellen rekonstruiert.</span></b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"> Der wichtigste Bestand hierzu
befindet sich in der 1984 gegründeten Wiener Stiftung Bruno Kreisky Archiv
(StBKA), das den politischen und persönlichen Nachlass von Bruno Kreisky
umfasst. Abgesehen von polizeilichen Ermittlungsakten und außenpolitischen
Dokumenten befindet sich darunter auch das detaillierte Tagebuch von Josef
Staribacher (1921-2014), das dieser über seine Amtszeit als Bundesminister für
Handel, Gewerbe und Industrie (1970 bis 1983) führte. Aus diesen Aufzeichnungen
eröffnet sich ein subjektiver, aber auch einzigartiger Einblick in das innere
Funktionieren der Regierung Kreisky. Schon 1976 hatte das Bundeskanzleramt das
Weißbuch „Die Vorfälle vom 21/22. Dezember 1975. Ein Dokumentationsbericht“
veröffentlicht. Dieses enthält neben der offiziellen Erklärung Kreiskys zur
OPEC-Geiselnahme vor dem Nationalrat (27. Jänner 1976) eine detaillierte
Chronologie sowie Berichte zu den Verhandlungen am Schauplatz und der
Tatbestandsaufnahme. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Von besonderer
Bedeutung sind weiters Erkenntnisse aus drei bundesdeutschen Gerichtsverfahren
gegen Beteiligte an der OPEC-Geiselnahme – Gabriele Kröcher-Tiedemann (Köln,
1990), Hans-Joachim Klein (Frankfurt am Main, 2000/2001) sowie Sonja Suder
(Frankfurt, 2012/2013). Relevante Dokumente aus dem Archiv der Behörde des
Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR (BStU) bzw.
aus dem Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik (ÖSTA/AdR) runden das
Bild ab. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Zeitzeugenberichte: Für dieses Buch
berichtete unter anderem der Bundesminister außer Dienst, Erwin Lanc, über
seine Teilnahme am Sonderministerrat zur OPEC-Geiselnahme. Erstmals ausführlich
äußerte sich der Sohn des getöteten Staatspolizisten, Gerhard Tichler, über
seinen jahrzehntelangen Kampf für Gerechtigkeit. Und mit dem ehemaligen Leiter
des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Gert Rene
Polli, stellte ein ausgewiesener Experte Bezüge zur aktuellen Situation her. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Zu
den wichtigsten Ergebnissen zählen:<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1. Die Geiselnahme
der Erdölminister war eine komplexe Operation, die von terroristischen Kräften
im Verbund mit staatlichen Akteuren geplant und durchgeführt wurde. Neben
Libyen dürften weitere arabische Staaten eine wichtige Rolle im Hintergrund
gespielt haben. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">2. Die Tatsache,
dass die Terroristen relativ einfach in das OPEC-Generalsekretariat eindringen
konnten, offenbart gravierende Schwächen und Fehleinschätzungen auf Seiten der
Behörden – und dass obwohl Österreich in den Jahren davor bereits mit terroristischer
Gewalt konfrontiert war. Das Fehlen eines polizeilichen Spezialverbandes wirkte
sich nachteilig aus. Auch bei der abschließenden Tatortaufnahme und
Spurensicherung unterliefen Fehler, die die gesamte weitere Aufklärung negativ
beeinflussen sollten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">3. Das politische
Krisenmanagement von Bruno Kreisky verlief im Großen und Ganzen erfolgreich.
Allerdings zeigt sich die übergeordnete Priorität, so rasch als möglich zur
Tagesordnung zurückzukehren: Alle Forderungen der Geiselnehmer wurden erfüllt,
bei der Abwicklung kam es mehrmals zu Pannen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">4. Eine effektive
Strafverfolgung der Terroristen wurde vernachlässigt. Österreich war vor allem
besorgt, als Standort für internationale Organisationen Schaden zu erleiden.
Von daher wollte man die guten Beziehungen zu arabischen Staaten nicht aufs
Spiel setzen – etwa in der Auslieferungsfrage oder durch weitere
Nachforschungen. Bis heute hat kein Verfahren zur OPEC-Geiselnahme vor einem
österreichischen Gericht stattgefunden.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">5. Schon vor dem
Anschlag hatte Österreich wirtschaftliche Kontakte zu Libyen geknüpft, die sich
Ende der 1970er Jahre weiter vertieften. Daran änderten auch Hinweise, wonach
das Regime von Muammar al-Gaddafi in die OPEC-Geiselnahme verwickelt war,
nichts. Im Gegenteil, Kreisky sollte den libyschen Machthaber stets in Schutz
nehmen, wenn es um die Terrorismusproblematik ging.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 11pt; line-height: 115%;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 11pt; line-height: 115%;">6. Als Antwort auf die terroristische Bedrohung
reagierte Österreich mit einem Bündel an Maßnahmen, die polizeilicher, aber vor
allem politischer Natur waren – um den Nahostkonflikt präventiv zu entschärfen
und so für mehr Sicherheit zu sorgen.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-9041469045963945122015-11-30T06:16:00.004-08:002015-11-30T06:18:41.259-08:00Als der „Prinz von Marbella“ im 1. Bezirk mit Waffen dealte<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Wer würde gleich
hinter noblen Wiener Ringstraßen-Palais Hansen, unweit von der Börse, ein
Zentrum des internationalen Waffenhandels vermuten? Genauso war es, als ab Mai
1983 in der Zelinkagasse Nr. 2 die „Alkastronic Handelsgesellschaft m.b.H“ residierte.
Laut Registereintrag war der Firmenzweck: „Handel mit Waren aller Art,
insbesondere mit elektronischen Bauelementen.“ Tatsächlich handelte es sich um
einen Umschlagplatz für Waffen – betrieben vom damals führenden „Lord of War“, Monzer
Al-Kassar. Eng mit dem Assad-Clan verbunden, war der 1945 geborene Syrer eine
der schillerndsten Figuren der Waffenhändlerszene. Wegen seiner dortigen millionenteuren
Villa war er auch als „Prinz von Marbella“ bekannt.</b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Vor 30 Jahren, am 10.
Dezember 1985, läutete eine Razzia das Ende der Alkastronic ein. Die
Staatspolizei fand genug Belege, dass die Firma „hauptsächlich in der
Vermittlung von Waffengeschäften tätig ist“. Und diese Deals, die Al-Kassar von
Wien aus einfädelte, hatten es in sich: Zu seinem Kundenkreis zählte beispielsweise
die portugiesische Firma „Defex“, die zu einem Netzwerk gehörte, das auf dem
Höhepunkt des ersten Golfkriegs den Iran mit Waffen belieferte. Die
Machenschaften kosteten US-Präsident Ronald Reagan beinahe die zweite Amtszeit.
Die illegalen Irangeschäfte hatten einerseits dazu gedient, Geiseln aus Teheran
freizubekommen – andererseits wurden Gewinne daraus an die nicaraguanischen
„Contras“ weitergeleitet, um so den Kommunismus in Lateinamerika
zurückzudrängen. Die Wiener Alkastronic hatte ihren Teil dazu beigetragen: So
waren Anfang 1985 1.024 Kisten per Luftfracht von Warschau an die Defex in
Lissabon gegangen. Darin befanden sich 1.000 Panzerabwehrraketen und Munition.
Ein kurz danach abgeschlossener Vertrag mit einem „Mohammed Merbati“ sah vor,
5.000 TOW-Lenkraketen zum Stückpreis von 9.000 Dollar gleich „bis iranischen
Flughafen“ zu liefern. Zum Kundenkreis der Alkastronic zählten weiters die Pariser
Firma „Luchaire“ sowie der britische Waffenhändler John Knight, die ebenfalls
den Iran aufrüsteten. Resümee der Staatspolizei: „Ein Großteil der Lieferungen
ging in den Iran, wobei dies jedoch durch ein anderes Abnehmerland verschleiert
wurde. Weitere Abnehmer waren Panama, Honduras, Ägypten und Yemen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Aber auch der
internationale Terrorismus profitierte: Zwei Rechnungen, vom 9. März und vom 3.
April 1984, betrafen Geschäfte mit der Warschauer SAS Trading Company. Ohne
dass es die Ermittler wussten, handelte es sich um den kommerziellen „Arm“ der Abu
Nidal Organisation (ANO). Diese hatte 1981 zwei blutige Anschläge in Österreich
verübt. Am 9. März 1984 wurden der SAS Company 553 Pistolen sowie eine „größere
Anzahl Munition“ in Rechnung gestellt. Der Gesamtbetrag machte 228.560 Dollar
aus. Eine zweite Rechnung vom 3. April 1984 lautete auf 20.000 Stück 7,65
mm-Munition und 20 Pistolen mit Gold- und Silbergravur. In diesem Fall war der
Gesamtbetrag 9.980 Dollar.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>All diese Waffengeschäfte
Al Kassars waren legal – denn die Ware war nicht physisch aus oder durch
Österreich gegangen. </b>Herkunftsland war vielmehr das kommunistische Polen. Dort
hatte sich die vom militärischen Geheimdienst kontrollierte Firma MSH Czenzin
nach neuen Absatzmärkten umgesehen. Ihr wichtigster privater Geschäftspartner war
Al Kassar, der gleichzeitig auch als Verkaufsagent fungierte. 1983 begründete
man gemeinsam die Alkastronic – das neutrale Österreich mit seinem liberalen
Handelsrecht war dafür die perfekte Plattform. In Wien gehörte Al Kassar eine zweistöckige
Wohnung in der Döblinger Kaasgrabenstraße. „Sein unübersehbarer Reichtum und
seine oft bekundete Absicht, viel Geld in Österreich zu investieren, öffneten ihm
die Herzen der Prominenz“, befand damals „profil“. Das ging so weit, dass Vizekanzler
und Handelsminister Norbert Steger (FPÖ) mit Verweis auf Empfehlungsschreiben
von Steyr und Hirtenberger die Verleihung der österreichischen
Staatsbürgerschaft unterstützte. Daraus wurde aber nichts. „Hände weg von
Al-Kassar“, warnte Innenminister Karl Blecha und begründete dies mit „gewissen
Indizien“ gegen den Syrer. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Anteilseigener bei
der Alkastronic waren neben Al Kassar und seinem Bruder Ghassan die polnischen
Militärgeheimdienstler Henryk Majorczyk und Tadeusz Koperwas. Die Recherchen
des Historikers Przemysław Gasztold-Seń vom Warschauer Institute of National
Rememberance zeigen, dass diese bald dahinter kamen, dass Al Kassar auch in den
Drogenhandel verstrickt war. Zumindest zahlte sich das Ganze für sie persönlich
aus: Während das Monatsgehalt in Polen Anfang der 1980er Jahre 20-30 US-Dollar
betrug, verdienten Majorczyk und Koperwas im selben Zeitraum 1.030 Dollar. Kein
Wunder also, dass sie sich mit dem Spionieren in Österreich zurückhielten und
lieber Informanten unter den Waffenhändlern rekrutierten. Beide kauften sich
teure Autos und nahmen diese später nach Polen mit. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Ende 1985 wurde es
für die Alkastronic eng – Al Kassar wurde bei seinen Aufenthalten in Wien auf
Schritt und Tritt beschattet.</b> Die Maßnahme war aber nicht wirklich erfolgreich,
wie sich ein Zeitzeuge, der langjährige Leiter der Kriminalpolizei am Flughafen
Wien Schwechat, Alfred Rupf, erinnert: „Al Kassar war sich der Überwachung
bewusst, dies ist so weit gegangen, dass er sich den Spaß gemacht hat und uns
angerufen und seine Ankunft mitgeteilt hat, um uns seine Observierung zu erleichtern.“
Einige der zuständigen Beamten kleideten sich nach dem Vorbild des von Al
Pacino verkörperten New Yorker Cops in „Serpico“ (1973). Was für Ermittlungen
im Drogenmilieu passte, war nicht zwangsläufig die beste Wahl für das
Beschatten eines Mannes, der in Luxushotels abstieg. Nach einem Monat
Telefonüberwachung kam es am 10. Dezember 1985 schließlich zu der eingangs erwähnten
Hausdurchsuchung. Der Verdacht bestand, Al Kassar und seine Geschäftspartner würden
unter Deckmantel der Alkastronic einer palästinensischen Terrorgruppe „Waffen
beschaffen und diese Waffengeschäfte durch Suchtgifthandel finanzieren“. Die
zuständige Untersuchungsrichterin meinte jedoch im Nachhinein: „Die ganze Sache
hat viel gekostet wegen der Übersetzungen. Einen Beweis für eine strafbare
Handlung haben wir nicht gefunden.“ Die Alkastronic wurde trotzdem geschlossen.
Konsequenzen für die Beteiligten gab es keine. Allerdings hatten die beiden
Polen Probleme zurück in der Heimat. Laut den Recherchen von Gasztold-Seń wurde
Majorczyk zur Last gelegt, dass er zu wenige Informationen geliefert hatte und
der Geheimdienst brach seine Beziehung zu ihm ab. Koperwas wiederum wurde unter
Beobachtung gestellt – wegen des Verdachts, die österreichische Seite könnte
ihn als „Quelle“ rekrutiert haben. Später nahm er seine Tätigkeit für Czenzin
wieder auf.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Trotz des Aus für die
Alkastronic war Al-Kassar gleich wieder im Geschäft – diesmal mit der
verstaatlichten Industrie. </b>Die VOEST-Alpine war 1979 umfassend in die
Waffenproduktion eingestiegen. Auf der Suche nach Absatzmärkten für das
Vorzeigeprodukt, die Noricum-Haubitze (GHN-45), hatte man sich im Konfliktherd Nahost
verstrickt. An Jordanien verkauften Haubitzen waren in den kriegsführenden Irak
gelangt. 1984 erzwang auch der Iran, beliefert zu werden. Da diese Exporte nach
geltender Rechtslage illegal waren, musste zunächst Libyen als Scheinabnehmer herhalten.
Als es auch hier einen Lieferstopp gab, suchte man nach Alternativen. Und in
dieser Situation wurden die Verstaatlichten-Manager bei dem ausgezeichnet
vernetzten Al Kassar vorstellig, um falsche Endverbraucher-Papiere zu besorgen.
„Gebeten ist untertrieben. Sie haben mich angefleht – bei Ihnen sagt man: Auf
den Knien sind sie gekommen mit der Bitte, zu helfen, ihre marode Industrie
wieder in Schwung zu bringen. Von Tausenden Arbeitslosen war die Rede“,
erzählte Al Kassar 1990 der Illustrierten „Basta“. Gegen Bezahlung einer fünf
prozentigen Provision vermittelte Al-Kassars in Warschau angesiedelte „Overseas
Company“ Anfang 1986 das „Argentiniengeschäft“ über 18.000 Granaten, die in
Wirklichkeit in den Iran gingen. Weitere 41,7 Millionen Schilling kassierte die
Firma für ein argentinisches Endverbraucherzertifkat, das eine Kanonenlieferung
an den Iran verschleierte. Und schließlich schob Al Kassar 1986/87 Czenzin als
Abnehmer für 50.000 Sprenggranaten, Treibladungssätze und Treibpatronen vor.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;">Als der Noricum-Skandal
publik wurde, blieb Al-Kassar unbehelligt. Die für ihn zuständige Einsatzgruppe
für die Bekämpfung des Terrorismus (EBT) berichtete 1988: „Von Seiten des
Gerichtes sind trotz ausführlicher Information keine Schritte gegen Al Kassar
Monzer beabsichtigt.“ Sein Verhalten sei das eines „Ausländers im Ausland und
fällt aus diesem Grund nicht unter die österr. Strafgerichtsbarkeit“. Obwohl seit
Anfang 1988 ein Aufenthaltsverbot gegen ihn bestand, war der Syrer ab und zu
nach Wien gekommen. Dort feierte er Feste im legendären „Club 45“ von Udo
Proksch, den er als „lustigen Kautz“ schätzte. In dessen Schlepptau schaffte es
Al-Kassar sogar an das Spitalsbett von Außenminister Leopold Gratz. Zu holen
war in Österreich freilich nichts mehr. Al-Kassar musste sich anderweitig umsehen.
Anfang der 1990er Jahren schmuggelte er trotz UN-Embargo Waffen in die
Bürgerkriegsstaaten am Balkan. Danach wurde es längere Zeit still um ihn. Doch
2007 ging Al-Kassar in eine gut vorbereitete Falle: Jene kolumbianischen Guerilleros,
denen er in Madrid Boden-Luft-Raketen und Granatwerfer verkaufen wollte,
stellten sich als verdeckte US-Fahnder heraus. Ein New Yorker Gericht
verurteilte ihn anschließend zu 30 Jahren Haft. Die so erfolgreiche „Operation
Legacy“ war ein Warnsignal an all die Waffenhändler vom Schlag Al-Kassars: Ihr
seid nicht länger unantastbar!</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Hinweis: Eine gekürzte Version ist am 29. November 2015 in "Die Presse" erschienen</b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b><a href="http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/4876654/Als-der-Prinz-von-Marbella-im-1-Bezirk-mit-Waffen-handelte?_vl_backlink=/home/index.do">http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/4876654/Als-der-Prinz-von-Marbella-im-1-Bezirk-mit-Waffen-handelte?_vl_backlink=/home/index.do</a></b></span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-42140434331209198342015-11-23T00:14:00.000-08:002015-11-23T00:14:41.384-08:00Terror bekämpft man, „indem man seine Ursachen beseitigt“: Bruno Kreiskys präventive Antiterror-Politik<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<b><span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Nach den Anschlägen von
Paris im November 2015 wurde dem Terrorismus von neuem der Krieg erklärt – obgleich
sich der 2001 proklamierte US-amerikanische „Global War on Terror“ in einer
Sackgasse verfahren hat. Umso wichtiger erscheint daher die Diskussion
alternativer Strategien – ein bemerkenswertes Beispiel stellt die präventive
Antiterrorpolitik von Bruno Kreisky (österreichischer Bundeskanzler 1970-1983) dar, wenn gleich sich diese nur beschränkt
auf die aktuelle Situation umlegen lässt. Auf den Punkt gebracht, ging es
Kreisky darum, Terror zu bekämpfen, indem man der Gewalt die politischen und
sozialen Wurzeln entzieht. <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<b><span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Das Übel an der
„Wurzel“ packen<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Kreisky hat Terrorismus stets in Hinblick auf diese Ursachen
analysiert. Er folgte einer wertfreien Definition durch den kenianischen Autor
Ali Mazrui (1933-2014) aus dem Jahr 1985, wonach Terrorismus eine Form der
Kriegsführung sei, die entweder durch Individuen oder durch Regierende ausgeübt
wird, um politische Ziele zu erreichen. Kreisky hielt diese Definition für
richtig – Terrorismus diene dem Ziel „sich Gehör zu verschaffen, wenn man
anderswo ungehört bleibt; er leistet einen gewissen Beitrag dazu, eine Sache zu
fördern. Die unmittelbare Absicht des Terrors ist es, in Verbindung mit der
Öffentlichkeit, Angst zu verbreiten.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Für Kreisky gab es zwei Arten solcher Gewalt: Den „Terrorismus
um seiner selbst willen“ – <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">bezogen beispielsweise auf den westdeutschen oder
italienischen Linksextremismus – lehnte er ab: „Mit dem Terror provoziert man
in der Demokratie nur den Terror von der anderen Seite. Wenn man das will, dann
muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man die Demokratie beseitigen
und eine Diktatur haben will.“ Auf der anderen Seite gab es für Kreisky eine
Form von Terrorismus, die er zwar auch nicht billigte, aber mit einem gewissen
Maß an Verständnis begegnete. „Terror ist eine der politischen Waffen des
Untergrunds, der Illegalität. Sie sind grausam, ich lehne sie ohne
Einschränkungen ab. […] Es gibt aber Diktaturen, in denen Untergrundbewegungen
um die Freiheit und die Demokratie kämpfen, und das auch gelegentlich mit dem
Mittel des Terrorismus.“ Diese Gewalt, so Kreisky, stehe oft „am Anfang“ einer
späteren politischen Bewegung oder einer danach respektablen staatsmännischen
Karriere. An dieser Stelle erinnerte Kreisky immer wieder gerne an den
Friedennobelpreisträger Menachem Begin und dessen Zeit als jüdischer
Untergrundkämpfer. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;"><br /></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;"><b>Vergeltungsstrategie hat Eskalation gebracht</b></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">In der Frage, wie man der terroristischen Bedrohung am
effektivsten begegnen solle, vertrat Kreisky konsequent den Standpunkt, dass
man diese eben präventiv an der „Wurzel“ anpacken müsse. Dies hätte sich vor
allem in Bezug auf den nationalistisch-separatistisch Terrorismus gezeigt. </span><span style="font-size: 11pt; line-height: 150%;">Eine rein auf polizeiliche/militärische Gegengewalt hin
ausgerichtete Antiterrorstrategie lehnte er dagegen ab. Die Rettung von
Menschenleben bei Geiselnahmen hatte für Kreisky absoluten Vorrang - auch
gerade nach der Erfahrung jenes Blutbads, das die Befreiungsaktion für die
israelischen Sportler bei der Olympiade in München 1972 gefordert hatte. Ein
Jahr später, als Österreich zum ersten Mal direkt mit dem Nahostterrorismus
konfrontiert wurde, erlaubte Kreisky den Abflug von zwei palästinensischen
Attentätern, um das Leben von drei russischen Juden zu retten. Auch 1975
stellte Kreisky dem Terrorkommando von Carlos Ramirez Sanchez, genannt „der
Schakal“, eine AUA-Maschine zur Verfügung, um die Sicherheit der der als
Geiseln genommenen Erdölminister und OPEC-Angestellten nicht zu gefährden. Vor
dem Nationalrat hielt Kreisky danach fest: „Die Bekämpfung des Terrors durch
absolute Verweigerung der Forderungen der Terroristen hat in den seltensten
Fällen zur Kapitulation der Terroristen geführt, vielmehr oft zu schweren und
furchtbaren zusätzlichen Opfern. Im Übrigen hat die Vergeltungsstrategie gegen
den Terrorismus sogar seine Eskalation gebracht.“</span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Konträr zu Kreisky steht beispielsweise das Handeln von
Helmut Schmidt im Falle der Konfrontation mit der RAF. 1977 blieb Schmidt hart,
als die Gruppe den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführte. Und
er ließ eine entführte Lufthansa-Boeing im somalischen Mogadischu gewaltsam
befreien. Kreisky billigte letzteres Vorgehen nicht – wegen des Risikos für die
Geiseln. Überhaupt stellte er zur Diskussion, ob eine Regierung das Recht habe,
„das Leben von Geiseln zu gefährden, indem sie gegenüber Forderungen von
Terroristen hart bleibt beziehungsweise gegen die Terroristen mit Gewalt
vorgeht“. Kreisky hielt in diesem Zusammenhang fest: „Meiner Überzeugung nach
hat keine Regierung dieses Recht.“ <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<b><span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Gibt es Grundursachen
für Terrorismus oder nicht?<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Mit seiner Ablehnung von Gegengewalt/Kompromisslosigkeit
zugunsten von Prävention hat Kreisky in einem „verminten“ Diskurs Stellung
bezogen. Im Wesentlichen prallen hier, damals wie heute, zwei Schulen
aufeinander: Auf der einen Seite jene, die wie Kreisky ökonomische, politische
und soziale Grundursachen für Terrorismus betonen – und auf der anderen Seite jene
Debattenteilnehmer, für die Terror quasi losgelöst von objektiven Ursachen
existiert und die sich primär mit der Bekämpfung des Phänomens beschäftigen.
Letztere Schule hat in den vergangenen drei Jahrzehnten stetig an Überhand
gewonnen.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Im Widerspruch dazu sucht eine zweite Denkrichtung die
Debatte über das Verhältnis von Grundursachen und Terrorismus. Die britische
Forscherin Louise Richardson etwa betonte 2007: „Die häufigsten Erklärungen für
Terrorismus lauten, er sei entweder das Werk von verrückten Einzelgängern oder
von kriegslüsternen Staaten, aber die besten Erklärungen liegen nicht auf
diesen Ebenen, sondern auf der der Gesellschaften, die Terrorismus
hervorbringen.“ Terroristische Handlungen können demnach am Besten in ihrem
spezifischen Kontext erklärt werden - jenen politischen, sozialen und
ökonomischen Umständen, die als „Nährboden“ die Anwendung von Gewalt im Namen
von Nationalismus, Revolution oder Religion legitimieren bzw. ein
radikalisierendes Gesamt-Klima schaffen. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Kreiskys Herangehensweise ist in diesem Zusammenhang ein
ausgezeichnetes Beispiel dafür, Terrorismus primär als Ausdruck politischer und
sozialer Missstände aufzufassen. Anstatt jede Wechselbeziehung von vornherein
in Abrede zu stellen, begriff Kreisky terroristische Gewalt und Politik als
voneinander abhängig. Für ihn waren die Vertreibung der Palästinenser, die
Zustände in den Flüchtlingslagern, die militärischen Vorstöße Israels in das
Nachbarland Libanon und das Fehlen einer international anerkannten Vertretung
der Palästinenser verantwortlich für die Entstehung, Eskalation und Fortdauer
des Nahostterrorismus. Als der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi 1982
Österreich als erstes westliches Land besuchte, hielt Kreisky beim Empfang im
Bundeskanzleramt am 11. März 1982 eine Tischrede: „Es ist ohne Zweifel richtig,
dass wir in einer Zeit leben, in der politisch motivierte Terroraktionen immer
wieder stattfinden. Wir verabscheuen diese Aktionen zutiefst und bekämpfen sie
mit allen Mitteln. Ein Mittel, sie zu verhindern, besteht darin, dass man die
Ursachen, die zum Terror führen, beseitigt. Man bekämpft also das Phänomen des
Terrors am wirksamsten mit politischen Mitteln, indem man seine Ursachen
beseitigt. Wir verstehen darunter, dass die legitimen Rechte von Völkern und
Minderheiten, so auch die der Palästinenser, Anerkennung finden müssen.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Legitime Sicherheitsinteressen Israels mag Kreisky vergleichsweise
vernachlässigt haben. Auch konnte er mit seiner Initiative keine De-Radikalisierung
erreichen, da beim Nahostterrorismus weitere Faktoren ins Spiel kamen, die er
nicht in der Hand hatte: Die Machtinteressen lokaler Akteure wie Irak, Libyen
und Syrien sowie der übergeordnete Konflikt zwischen West und Ost im Kalten
Krieg. An diesem Punkt zeigt sich, wie schwierig ein solches Eingehen auf
Grundursachen tatsächlich ist – weil dadurch immer auch größere
Machtzusammenhänge und Interessen berührt werden, die jeder Veränderung des
Status Quo feindlich gegenüberstehen. Dies mag auch der Hauptgrund sein, warum
eine solche Vorgangsweise kaum gewählt, sondern Terrorismus mit dem
traditionellen Arsenal der Sicherheits- und Verteidigungspolitik beantwortet
wird. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;"><br />
<b>Kreisky, Arafat und die PLO</b><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Kreiskys präventives Vorgehen war keineswegs erfolglos: Als
Leiter der Fact Finding Mission der Sozialistischen Internationale hatte
Kreisky als erster westlicher Staatsmann festgehalten, dass eine Friedenlösung
im Nahen Osten ohne Einbeziehung der Palästinensischen Befreiungsorganisation unmöglich
sei. Er erkannte der PLO eine politische Dimension zu und öffnete wichtigen
Raum und Möglichkeiten zur Entfaltung der moderaten Kräfte innerhalb der
Organisation. Auf lange Sicht gesehen, schwächte das den Einfluss der Radikalen
und trug wesentlich dazu bei, dass Jassir Arafat nach seinem Auftritt vor der
UNO 1974 weiter politisch anerkannt wurde. Kreisky ging noch einen Schritt
weiter: 1979 sollte Österreich als erster Staat die PLO diplomatisch
legitimierten. Im selben Jahr empfing Kreisky Arafat in Wien und es kam zum
legendären gemeinsamen Treffen mit Willy Brandt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Der überwiegende Teil von Kreiskys Vermittlungsbemühungen
spielte sich diskret hinter den Kulissen ab. So fungierte der Bundeskanzler ab
1976 als Schirmherr von zunächst geheimen Gesprächen zwischen israelischen
Friedensaktivisten und dem PLO-Sondergesandten Issam Sartawi. Im Jahr darauf
war Kreisky Gastgeber für ein Geheimtreffen: Sartawi und der berüchtigte „rote
Prinz“, Ali Hassan Salameh, diskutierten mit einem westdeutschen Behördenvertreter
u. a. eine mögliche palästinensische Hilfeleistung bei der Fahnung nach
RAF-Mitgliedern, die sich in den Nahen Osten zurückgezogen hatten. Im Mai 1979
gelang es Kreisky weiters, einen geheimen Kanal zwischen der PLO und der
amerikanischen Regierung herzustellen, indem er Sartawi mit dem US-Botschafter
in Österreich, Milton A. Wolf, zusammenbrachte. Ein weiteres Zeichen setzte
Kreisky, indem Österreich als erster westlicher Staat die PLO 1980 offiziell
anerkannte.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Kreisky ließ auch keine Gelegenheit aus, vor allem Arafat vor
den negativen Auswirkungen des Terrorismus zu warnen: Die Gewalt würde den
Palästinenser die mühsam aufgebaute Sympathie rauben. So ermahnte Kreisky den
PLO-Führer 1979: „Ich finde diesen plötzlichen Anstieg in palästinensischer
Terroraktivität äußerst schädlich für die palästinensische Sache. Es macht es
schwieriger für mich, den Kreis der palästinensischen Unterstützer zu erweitern
und meine vorangegangenen Anstrengungen schon jetzt zunichte.“ Das
Vertrauensverhältnis zu Arafat wurde immer wieder auch schweren
Belastungsproben unterzogen: 1981 flog ein illegaler Waffenschmuggel der PLO
auf. Zwei Jahre später wurde Issam Sartawi von der gegnerischen Abu
Nidal-Gruppe ermordet – was nach Kreiskys Empfinden nur möglich war, weil
Arafat seine schützende Hand zurückgezogen hatte.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">International hatte Kreiskys Nahostpolitik Ende der 1970er Jahre
und Anfang der 1980er Jahre einen schweren Stand. Im Kontext des Kalten Krieg
sperrten sich etwa die USA gegen Verhandlungen, selbst innerhalb der
Sozialistischen Internationale war die Unterstützung bestenfalls verhalten.
Allerdings gelang es, die Europäische Gemeinschaft mit der Erklärung von
Venedig (1980) als Akteur im Nahostkonflikt einzubringen. Der israelische
Präsident Shimon Peres, der Kreisky zeitlebens hart kritisierte, lobte diesen
rückblickend im Jahr 2010: Der Bundeskanzler habe dazu beigetragen, dass sich
Arafat konzilianter verhalten habe. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<b><span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Sicherheit für
Österreich<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Das wichtigste Motiv der präventiven Anti-Terrorpolitik war
jedoch, Sicherheit für Österreich zu schaffen. 1981 argumentierte Kreisky, dass
das Land eben wegen der guten Kontakte zur PLO lange vom Terror verschont
geblieben sei – obwohl Österreich wegen seiner Transitfunktion für die jüdische
Emigration aus Osteuropa immer besonders gefährdet war. Über Österreich
emigrierte mehr als eine Viertelmillion sowjetischer Juden und der Großteil
begab sich nach Israel, was wiederum in der arabischen Welt als demographische
Stärkung der israelischen Position angesehen wurde - und extremistischen
Gruppen ein Motiv lieferte, Anschläge in Österreich zu begehen (so etwa im
Falle der Geiselnahme von Marchegg/Schönau 1973). Kreisky ließ damals zwar das
Transitlager Schönau schließen, aber die Emigration ging weiter.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Österreich sollte vom Nahostterrorismus nicht verschont
bleiben, wenn gleich die Intensität im Vergleich zu anderen Ländern niedriger
blieb. Der Mord an Stadtrat Heinz Nittel und die Anschläge gegen die Wiener
Synagoge im Jahr 1981 sowie gegen El-Al-Passagiere auf dem Flughafen Schwechat im
Jahr 1985 zielten nicht mehr direkt gegen die Emigration. Vielmehr handelte es
sich um einen innerpalästinensischen Konflikt, der auch auf österreichischem
Boden ausgetragen wurde. Die für die Terrorakte verantwortliche Gruppe Al
Assifa („Der Sturm“) unter Führung von Sabri al-Bana, genannt „Abu Nidal“
(„Vater des Kampfes“), bekämpfte nämlich die aus ihrer Sicht zu
kompromissbereite Führung der PLO. Eben weil Österreich Arafats Linie
unterstützte, wurde es wie andere PLO-freundliche Länder vom Terror der Al
Assifa heimgesucht. Letztere bediente damit auch die Interessen ihrer
staatlichen Sponsoren – Irak, Syrien und Libyen – die die westliche
„Einmischung“ in den Nahostkonflikt aus den unterschiedlichsten Motiven
zurückdrängen wollten. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Es ist nicht so, dass Kreisky mit seiner Nahostpolitik
Österreich eine Welle von Attentaten bescherte, wie etwa die ÖVP damals
behauptete – stattdessen trifft es zu, von einem Fall von „Blowback“ zu
sprechen. Dieser Terminus, aus der Fachsprache von Geheimdiensten, bezeichnet
negative, unbeabsichtigte und unvorhergesehene Konsequenzen, die sich aus einer
bestimmten politischen Vorgangsweise ergeben können. Im österreichischen Fall
bestand der Blowback darin, dass das Land von einer Terrorkampagne der
extremistischen Hardliner getroffen wurde – denen zudem die enge
Sicherheits-Kooperation zwischen der PLO und den österreichischen Behörden ein
Dorn im Auge war. Darüber hinaus mag Kreiskys jüdische Identität und die
Tatsache, dass er für das Existenzrecht Israels eintrat, die vehemente Gegnerschaft
Abu Nidals hervorgerufen haben.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<b><span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">„Der Terror denkt nicht
so wie in den Wirtshäusern“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="line-height: 150%;">
<span style="font-size: 11.0pt; line-height: 150%;">Als der „Kurier“ einige Wochen nach dem Schwechater Anschlag
etwas provokant fragte, ob seine „Befassung mit dem Nahost-Problem“ erst die „Flügelkämpfer
der Palästinenser“ nach Österreich „gezogen“ habe, antwortete dieser: „Unsinn.
Der Terror kennt andere Gesetze, der denkt nicht so wie in den Wirtshäusern.“
Der Beweis für die Richtigkeit seiner Politik sei, dass 15 Jahre lang 300.000
russische Juden über Österreich nach Israel ausgewandert seien – „ohne, dass
jeden Monat in Schwechat eine Bombe explodiert ist“. Überhaupt helfe Gewalt
gegen diese Gruppe nichts, „man muss eine Gesprächssituation herbeiführen“. Auf
den ungläubigen Einwand des Journalisten, dass mit „manchen Leuten“ offenbar
nicht vernünftig geredet werden könne, entgegnete Kreisky: „Ich rede mit dem
Teufel, wenn ich dadurch etwas Positives erreiche."</span><br />
<span style="font-size: 11pt; line-height: 150%;"><br /></span>
<span style="font-size: 11pt; line-height: 150%;">Auch wenn die Bilanz letztlich gemischt bleibt, so verdient
die präventive Ausrichtung der österreichischen Antiterrorpolitik Beachtung:
Bruno Kreisky hat das Eingehen auf die politischen und sozialen Ursachen von
terroristischer Gewalt betont und ist dieser Devise mit seiner Nahostpolitik
gefolgt. Eine Rückbesinnung auf diese Form der Terrorbekämpfung – nämlich der
Gewalt den Nährboden und damit auch die Legitimation zu entziehen – ist
angesichts der Krise militärisch dominierter Antiterrorpolitik aktueller denn
je. Konkret wäre es in Europa notwendig, nicht nur bloße Symptombekämpfung vorzunehmen, sondern Maßnahmen für mehr Chancengleichheit und für bessere Bildung marginalisierter Bevölkerungsgruppen zu setzen. Genauso geht es um mehr Fokus auf verdeckte Ermittlungen, Infiltration, Aussteiger-Programme und Deradikalisierung statt auf Massenüberwachung und Militarisierung der öffentlichen Sicherheit.</span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-56648023241428398892015-11-11T01:28:00.000-08:002015-11-11T01:38:09.963-08:00Die „Netze“ des Dr. Höttl<div class="MsoNormal">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Vor dem Hintergrund des
spannungsgeladenen frühen Kalten Krieges hatten sowohl die westlichen
Alliierten, und hier vor allem die USA, als auch österreichische
Entscheidungsträger Maßnahmen gegen eine befürchtete Invasion des Warschauer
Paktes bzw. gegen einen kommunistischen Putsch ergriffen. Ein Kernelement
dieser Strategien war die Aufstellung und Ausstattung von geheimen
Widerstandnetzen für den Ernstfall. Ab 1946/47 begonnen die
US-Nachrichtendienste dafür osteuropäische Kollaborateure bzw. Veteranen der
NS-Geheimdienste und der Waffen SS wegen deren ausgewiesenem Antikommunismus
anzuwerben. Einer der bekanntesten Fälle in Österreich war Wilhelm Höttl
(1915-1999), ehemals SS-Obersturmbannführer und 1938-1945 Referent im
Ausland-Sicherheitsdienst (SD). <o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Nach
Kriegsende 1945 machte Höttl eine erstaunliche zweite Karriere als Autor,
Schulgründer und, wegen seines Spezialwissens über Ungarn und den Balkanraum,
als Spion verschiedener Geheimdienste. Deswegen entließ die US-Armee Höttl im
Dezember 1947 und verweigerte seine Auslieferung an eines der österreichischen
Volksgerichte, die damals gegen NS-Täter vorgingen. Schon 1948/49 führte Höttl
im Auftrag des US-Militärgeheimdienstes Counterintelligence Corps (CIC) ein
großangelegtes Spionageunternehmen durch. Er installierte für das CIC Field
Office Gmunden Anfang Juli 1948 zwei Agenten-Netzwerke. Unter dem Codenamen
„Montgomery“ sollten in Ungarn Informationen beschafft werden – betreffend
militärische und kommunistische Aktivitäten sowie wirtschaftlich-industrielle
Entwicklungen. Verantwortlicher Operationschef war der ehemalige
SS-Hauptsturmführer Karoly Ney. Noch 1944 hatte der Budapester Anwalt Jagd auf
„Juden, Defätisten und Saboteure“ gemacht. Zwei Jahre später verurteilte ihn
ein US-Tribunal zum Tode – während drei Mitangeklagte gehenkt wurden,
begnadigte man Ney rasch. Rund um Ney bildeten mehrere Dutzend Agenten, vor
allem ungarische Kriegsveteranen und Emigranten, die Antibolschewistische
Magyarische Hauptkampflinie (AMA). <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Guerillatraining im Toten Gebirge</b></span></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Ihr
Hauptquartier hatte die Truppe in einem Gebäude des CIC in Lambach, 25 km von
Gmunden entfernt. Ausbildungsmaßnahmen wurden rund um eine Hütte des Alpenvereins
bei Grünau durchgeführt. Die abgelegene Gegend im Toten Gebirge eignete sich
für das Training im Partisanenkampf. Um die Aktivitäten zu finanzieren, stellte
der CIC monatlich 60.000 Schilling bereit. Als „Pressechef“ und Leiter der
„aktiven Erkundung bei der „AMA“ fungierte Höttls enger Vertrauter Erich
Kernmayer – dieser hatte die Aufgabe, sobald die gelieferten Informationen
aufzubereiten. Für diese Aufgabe empfahl Kernmayer seine Vergangenheit: „Bis
1934 war Kernmayr glühender Kommunist, von da an begeisterter Anhänger
Hitlers“, heißt es in seiner staatspolizeilichen Akte. Das illegale
NSDAP-Mitglied stieg nach dem Anschluss 1938 zum Gaupresseamtsleiter in Wien
auf und diente danach in der Waffen SS-Division „Das Reich“. <o:p></o:p></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi9EyGDq_Klgy7etmn8KxyhIFswrewSHD-dzeCNCZIZxuCrcdaZDk517HX9bydaq3Aa58LKScGDycbgbKsbnrsZOI7QOdORXkHtIO_6sSH7EJgYhUJEqYGlzIojKoJxerTgiB2fmGSqQSo/s1600/Report_StayBehind.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="166" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi9EyGDq_Klgy7etmn8KxyhIFswrewSHD-dzeCNCZIZxuCrcdaZDk517HX9bydaq3Aa58LKScGDycbgbKsbnrsZOI7QOdORXkHtIO_6sSH7EJgYhUJEqYGlzIojKoJxerTgiB2fmGSqQSo/s400/Report_StayBehind.JPG" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Almhütte im Toten Gebirge, die für Ausbildungszwecke genutzt wurde (Standbild aus ORF-Inlandsreport "Easeful", 1991)</td></tr>
</tbody></table>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>"Anitbolschewistische Nachrichtenorganisation"</b></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Parallel
zu „Montgomery“ lief noch ein zweites Unternehmen: „Mount Vernon“. Ziel war
hier, eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufzubauen, „die im
Ernstfall als antibolschewistische Untergrundbewegung funktionieren soll.“ </span><span lang="EN-GB" style="font-family: "times new roman" , "serif"; mso-ansi-language: EN-GB;">Vor
allem aber ging es um Informationsbeschaffung – so war als Mission definiert:
“Penetration of the Central KPOe Comitee, the KPOe itself, the Cominform and
all other Communist organizations, espionage of all Soviet activities to
include industrial, scientific and military information.” </span><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die anfänglichen Kosten betrugen
25.000 Schilling im Jahr (es sollten schließlich mehr als 30.000 Schilling
sein). Die Leitung lag bei Karl Kowarik, der 1934 Führer der gesamten
Hitlerjugend Österreichs gewesen war. 1939 der SS beigetreten, wurde Kowarik
Stadtrat in Wien und Mitglied des Deutschen Reichstag. Nun in US-Diensten
richtete er sein Hauptquartier in der Villa Bauer in Orth bei Gmunden ein. Das
CIC stellte für seine Truppe, „vorwiegend Leute aus der früheren
Hitler-Jugend“, „reichlich“ Finanzmittel zur Verfügung: „Die Organisation ist
zugleich Untergrund-Kader für den Kriegsfall und Nachrichtennetz.“ Kowarik
reiste auch nach Bayern, um eine Funk- und Sabotageausbildung zu organisieren. Was
die nachrichtendienstliche Ebene betraf, so befanden sich unter den acht
„Quellen“ von „Mount Vernon“ zwei frühere SS-Geheimdienstoffiziere und ein
SS-Untersturmführer. Um seine Berichte per Bahn durch die sowjetische Zone zu
schleusen, versteckte eine der „Quellen“ diese kurzerhand im Wassertank der
Herrentoilette. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><b>Österreichische Staatspolizei - "ausgesprochene Nepochanten"</b></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">1996 erinnerte sich Höttl im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" an die Anbahnung des Unternehmens: </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">„Da ist
ein Herr Ringer von CIC Salzburg gekommen. Ich weiß natürlich nicht, ob das
sein richtiger Name war. Der hat mich gebeten, meine Erfahrungen zur Verfügung
zu stellen und aktiv mitzuarbeiten. Er hat mich angewiesen, mit dem CIC Gmunden
Kontakt aufzunehmen. Das habe ich dann auch getan, und habe dann von Gmunden
aus ein regelrechtes Nachrichtennetz aufgezogen. Dort habe ich Mitstreiter
gefunden. Dort sind aber nicht nur ehemalige Nazis, sondern auch Neonazis, wie
man sie heute nennt, aufgeschienen. Erich Kernmayr, der unter dem Pseudonym
Kern als Schriftsteller bekannt geworden ist und in der heute sogenannten
rechtsradikalen Szene in Deutschland aktiv wurde, als Chefredakteur der
Deutschen Wochenzeitung und bei der Nationalzeitung, die jetzt ja auch noch
existieren und von Dr. Frey geführt werden.“ </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Die österreichische Staatspolizei war über die Vorgänge im Bild, konnte aber nichts machen: "Diese
Kriminalbeamten, die da von der Staatspolizei da eingesetzt worden sind, waren
Nieten, ausgesprochene Nepochanten. Was aber entscheidend war: Wenn sie einen
Vorstoß unternommen haben und Kontakt aufnehmen wollten, haben ihnen Amerikaner
auf den Schädel geklopft. Wir waren tabu für österreichische Behörden. Die
haben nichts machen können."</span><br />
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><o:p></o:p></span></div>
</div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Aus der Zeitung abgeschrieben</b></span></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Die
Geheimdienstaktivitäten in Ungarn wurden von Kernmayer übernommen, dem man auch
Kowarik unterstellte. Der neue Chef arbeitete daran, die bisherige
Erkundungstätigkeit von „Mount Vernon“, die sich auf militärische Belange und
KPÖ-Aktionen beschränkt hatte, „auf die gesamte Innenpolitik und auf die
Wirtschaft auszudehnen“. Kernmayer hatte weitfliegende Pläne: Ihm schwebte die
Einrichtung einer „amerikanischen antikommunistischen Propagandastelle“ in
Österreich vor, die vor allem „Zersetzungspropaganda“ unter den Kommunisten und
unter den russischen Truppen betreiben sollte. Eine eigene Agentur sollte zu
diesem Zweck „Material gegen den Bolschewismus“ zuliefern. Doch habe er seinen
Vorschlag „nicht durchbringen“ können. Bald kam es zu internen Spannungen und
das CIC war mit der Qualität der Informationen unzufrieden. „Mount Vernon“ habe
Kennzeichen-Beobachtungen aus der sowjetischen Zone übermittelt, die sich immer
als falsch herausgestellt hätten. Über Monate seien keine Information
übermittelt worden, die sich nicht als unrichtig, als Gerücht oder als aus
Zeitungen abgeschrieben erwiesen. Dementsprechend wurden Höttls Netzwerke am 1.
September 1949 aufgelöst. Beim CIC war es zu einer „allgemeinen
Neuorientierung“ gekommen. Neun Beamte, die mit Höttl eng zusammengearbeitet
hatten, wurden abgelöst. Höttl soll von den „neuen Männern“ des CIC-Linz „nicht
einmal empfangen“ worden sein. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Höttl: "Extremely dangerous"</b></span></div>
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">CIC-Operationschef
in Salzburg, Major James Milano, meldete, warum man „Mount Vernon“ und
„Montgomery“ fallen gelassen hatte: Höttl sei ein „exzellenter“ Nachrichtendienstler,
aber auch „extrem gefährlich“ („extremely dangerous“). Einer Verurteilung als
Kriegsverbrecher sei Höttl nur deshalb entkommen, weil er sich im Nürnberger
Kriegsverbrecherprozess als Zeuge für die Anklage zur Verfügung stellte.
Entgegen anderslautender Warnungen hatte er dann die Spionagearbeit mit der
lokalen Politik vermischt und die eigentliche Aufgabe vernachlässigt. Und zwar förderten Höttl, Kernmayer und Kowarik nach Kräften die Gründung des Verbands der Unabhängigen (VdU), der Vorgängerorganisation der heutigen FPÖ. Die an das CIC gelieferten Berichte seien dagegen „extrem schlecht“ („extremely
poor“) und die monatliche Kosten von 2.600 Dollar nicht wert gewesen. In einem
persönlichen Schreiben versicherte Höttl Milano, dass sich seine
Einstellung zur USA trotz der Abfuhr nicht geändert habe und er die
Anstrengungen zur Mobilisierung gegen den „bolschewistischen Weltfeind“
(„Bolshevist world-enemy“) fortsetze. Doch die erst kurz nach Ende des Zweiten
Weltkriegs gegründete CIA, die ab 1949 die Arbeit des CIC übernahm, wusste mit
Höttl nichts mehr anzufangen. </span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span>
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><b>Spion im "kanari-gelben Ledermantel"</b></span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Laut John Richardson wurde dieser 1953 bewusst
„verbrannt“, indem man Medien Informationen zuspielte. </span><span style="font-family: "times new roman" , serif;">So wurde
Höttl in einem wenig schmeichlerischen Artikel des „Spiegel“ vom 22. April 1953
als einer der „raffiniertesten Nachrichten-Händler in Europa“ enthüllt: „Es
gibt zur Zeit in Europa kaum eine geheime Nachrichten-Organisation, zu der
dieser Mann nicht auf geraden oder ungeraden Wegen Kontakte hätte und von der
er direkt oder indirekt nicht auch Tantiemen in verschiedener Höhe bezöge.“ In
diesem Bericht wird auch auf die Rolle von Höttls Geheimstrukturen eingegangen:
„Aufgabe dieser Gruppe: im Falle von Feindseligkeiten zwischen den Russen und
Amerikanern die im Alpen-Massiv stationierten US-Truppen nachrichtendienstlich
abzuschirmen, vor kommunistischen Sabotage-Akten zu schützen und selbst mit
Sabotage-Aktionen beim Gegner aktiv zu werden. Und schon vor dem Tage X:
nachrichtendienstliche Erkundung der kommunistischen Bewegung in Österreich. Mehrere
tausend Dollar monatlich erhielt Höttl für diese Tätigkeit vom US-Geheimdienst
in Salzburg. Aus einem ranken SS-Musterjüngling wurde dabei eine Figur im
kanari-gelben Ledermantel und mit Palmen-Krawatte um den Hals.“ Nach dieser Veröffentlichung war es mit Höttls Agentenkarriere endgültig vorbei - er gründete ein Privatgymnasium in Bad Aussee, erhielt 1995 das Goldene Ehrenkreuz des Landes Steiermark und verstarb 1999. </span><br />
<div class="MsoNormal">
<span style="font-family: "times new roman" , serif;"><o:p></o:p></span></div>
</div>
<div class="MsoNormal">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";"><br /></span></b></div>
<div class="MsoNormal">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif";">Weitere Infos: „Strukturen für den
geheimen Krieg: Die CIA-Waffenlager, die Netzwerke des Dr. Höttl und das
„Sonderprojekt““, erschienen in: Bananen, Cola, Zeitgeschichte: Oliver Rathkolb
und das lange 20. Jahrhundert, Wien 2015.</span></b></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5303113733646088858.post-76985172466821843072015-10-29T02:11:00.001-07:002015-11-08T02:00:01.322-08:00Exkurs: „Meinen Körper in den Kampf werfen“ – der ungeklärte Mordfall Pier Paolo Pasolini<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Vor 40 Jahren, in den frühen
Morgenstunden des 2. November 1975, wurde Pier Paolo Pasolini ermordet – der damals
52jährige Publizist, Dichter, Regisseur und bekennende Homosexuelle hatte wie
kein anderer Intellektueller das Nachkriegs-Italien polarisiert und
aufgeschreckt. Vier Jahrzehnte später wirft sein Tod viele Fragen auf: Wurde
der streitbare Geist Opfer eines Komplotts?</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Es
war kein Mord, sondern eine grausame Hinrichtung: „Als Pasolini tot aufgefunden
wurde, lag er auf dem Bauch mit dem Gesicht zu Boden, der blutige Arm vom Leib
abgewinkelt, der andere unterm Körper. Die blutverkrusteten Haare fielen über
seine aufgeschürfte und aufgeplatzte Stirn. […] Zehn Rippen waren gebrochen,
ebenso das Brustbein. Die Leber war an zwei Stellen auseinander gerissen. Sein
Herz war geplatzt.“ So lautete der Bericht einer Tageszeitung – man hatte den
geschundenen Leichnam in der Nähe des Idroscalo (Wasserflughafen) von Ostia, 28
km von Rom entfernt, gefunden – zwischen Werften und Lagerschuppen. Die Anwohnerin,
die Leiche fand, dachte zunächst, es wäre Müll und wollte diesen in die Tonne
werfen.</span><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgvjL0BaTi9e9ymi0x3LG04YX_HfSQ6CHQrUDzqyVwvSmCnviYU2dib-jntOFhECP1kl25naA0dhpQmH-gK1v4DYIg2K3Ui1DF9dS2rJxvNggzu_xnuqZpVE4HRW1tnb0q6PoZvIWos0JI/s1600/pasolini.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="260" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgvjL0BaTi9e9ymi0x3LG04YX_HfSQ6CHQrUDzqyVwvSmCnviYU2dib-jntOFhECP1kl25naA0dhpQmH-gK1v4DYIg2K3Ui1DF9dS2rJxvNggzu_xnuqZpVE4HRW1tnb0q6PoZvIWos0JI/s320/pasolini.JPG" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Meldung der Arbeiter-Zeitung vom 4. 11. 1975 (Quelle: www.arbeiter-zeitung.at)</td></tr>
</tbody></table>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;"><br /></span></b>
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">„Er wollte die Rollen tauschen“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Nur
Stunden zuvor, in einer kalten und regnerischen Nacht, hatte Pasolini mit
Freunden in einer Gaststätte zu Abend gegessen. Er war gerade eben aus
Stockholm zurückgekommen. Dort hatte er Ingmar Berman getroffen und andere aus
der schwedischen Avantgarde-Filmszene. Und er hatte dem Magazin „Espresso“ ohne
es zu wissen, sein letztes Interview gegeben. Darin bekannte Pasolini, die
Konsumgesellschaft für eine schlimmere Form des Faschismus zu halten, als die
„klassische“ Variante. Beim Essen war er dann schweigsam, verabschiedete sich
früh und setzte sich ans Steuer seines Alfa Romeo 2000. Im Bahnhofsviertel, an
der Piazza Cinquecento, las Pasolini den 17jährigen Guiseppe Pelosi auf – der
schmächtige Junge wurde „Pino la rana“ (Pino, der Frosch) genannt. Nach einem Zwischenstopp
brachen sie um 23.30 Uhr zum Strand von Ostia auf. Dort soll es dann zu einem
folgenschweren Streit gekommen sein. „Er wollte die Rollen tauschen. Ich
weigerte mich. Er hat mich geschlagen und mich Schwein geschimpft. Ich Schwein.
Und was war er? Und dann wurde mir schwarz vor den Augen, und ich habe mit
aller Kraft zugeschlagen“, sagte Pelosi dem Untersuchungsrichter. Nachdem
Pasolini am Boden lag, habe er die Flucht ergriffen und das Opfer ohne es zu
wissen mit dem Auto überrollt. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;"><br /></span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgu9DO25srKnEZjD0rXifkIRCsCzbZqrAZ_NfalRim28ALd-HJ2uWesKToG_Gnh0FldyY7-xKhYbZkdbgYf1HSway8ccuzKgz5VEWSYoalLILaTLgs68YweOrS_PyK2HIeZp88PCvlH4tE/s1600/Monumento_alla_memoria_di_Pasolini_-_Lido_di_Ostia_-_Lug_07.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgu9DO25srKnEZjD0rXifkIRCsCzbZqrAZ_NfalRim28ALd-HJ2uWesKToG_Gnh0FldyY7-xKhYbZkdbgYf1HSway8ccuzKgz5VEWSYoalLILaTLgs68YweOrS_PyK2HIeZp88PCvlH4tE/s400/Monumento_alla_memoria_di_Pasolini_-_Lido_di_Ostia_-_Lug_07.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Denkmal für Pasolini am Schauplatz des Mords in Ostia (Quelle: Wikimedia Commons/Stef48)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12pt;">Pelosi
wurde kurze Zeit später völlig verwirrt aufgegriffen. Von Anfang an gab es
Zweifel, ob er Alleintäter war. Der Jugendliche hatte kaum Blutspuren an sich
gehabt. Auch war der Körper Pasolinis mit schwereren Waffen verletzt worden, als
den sichergestellten Tischbeinen. Die Liste der Fragezeichen war jedenfalls lang,
wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 1985 zusammenfasste: „Auf dem
Idroscalo waren Fußspuren gefunden worden, die jedenfalls von den erst am
Sonntag Fußball spielenden Jungen nicht herrühren konnten. Wem gehörten der
Pullover und die abgelöste Schuhsohle in Pasolinis Auto, die sich weder dem
Täter noch seinem Opfer zuordnen ließen? Wie waren die Spuren von Pasolinis
Blut auf das Dach über der Beifahrertür gelangt, wenn der Mörder, wie er
behauptet, allein den Wagen bestieg? Was hatte es mit jenem mit vier Mann
besetzten und in Catanzaro zugelassenen Auto auf sich, das – einem anonymen
Briefeschreiber zufolge - Pasolinis Alfa Romeo nach der Wegfahrt vom Restaurant
am Tiber verfolgte? War es vorstellbar, dass der muskulöse, durch regelmäßiges
Fußballspiel austrainierte Pasolini im Zweikampf mit einem Siebzehnjährigen
unterlag?“ So sprach das Gericht in erster Instanz von unbekannten Mittätern. Die
Spuren wurden aber nicht weiterverfolgt, und das Kassationsgericht erklärte
Pelosi schließlich zum Einzeltäter. Dieser saß sieben Jugendhaft ab und schwieg
– auch als er erneut eingesperrt wurde, diesmal wegen eines Raubüberfalls. Erst
2005 erklärte der nunmehr 47jährige „Frosch“ im Interview mit dem Sender „Rai
Tre“: „Ich habe ihn nicht umgebracht, sie waren zu dritt, ich habe ihn
verteidigt.“ Es seien drei ihm unbekannte Süditaliener gewesen, einer habe ihn
festgehalten, die anderen beiden hätten auf Pasolini eingeprügelt. Dabei hätten
sie gebrüllt: „Bastard“, „Drecksschwuchtel“ und „dreckiger Kommunist“. Einer
der Mörder habe gedroht, ihn und seine Eltern umzubringen, falls er gesprochen
hätte. Pelosi hielt also dicht, bis seine Eltern nicht mehr lebten – in der
Zwischenzeit sollen auch zwei der angeblichen Mörder, die Neofaschisten Franco
und Guiseppe Borselino, gestorben sein.</span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Pelosis
Angaben ähneln der Beobachtung eines Zeugen – dieser hatte Sergio Citti, einem
engen Freund Pasolinis, zehn Tage nach dem Mord ein Interview gegeben: „Ich
habe zwei Autos gesehen. Vier oder fünf Männer stiegen aus. Sie zerrten
Pasolini aus dem Wagen und schlugen sofort zu. Er schrie und schrie. Dann fiel
er zu Boden. Die Männer ließen von ihm ab und gingen zu dem Wagen. Dann aber
kam ein Wagen zurück. Er leuchtete mit den Scheinwerfern auf Pasolini. Dieser
war aufgestanden und versuchte zu entkommen. Er hatte sich wohl tot gestellt.
Die Männer verfolgten ihn zu Fuß. Sie schlugen ihn mit einem Holzknüppel
nieder. Dann fuhr das Auto absichtlich mehrere Male über den am Boden liegenden
Körper.“ Citti wollte den Mann dazu bewegen, seine Aussage vor der Polizei zu
wiederholen. Dieser weigerte sich aber. Citti, der mittlerweile ebenfalls
verstorben ist, vermutete, dass Pasolini in eine Falle gegangen war – mit
Pelosi als Köder. Schließlich mache es keinen Sinn, den langen Weg nach Ostia
zurückzulegen, nur um Sex zu haben. Vielmehr habe Pasolini in seiner Todesnacht
versucht, eine gestohlene Arbeitskopie seines letzten Films zurückzukaufen. Ein
anderer Autor wiederum ordnete die Mörder der „Banda della Magliana“ zu, der
römischen Mafia. Und natürlich gibt es Stimmen, die den Staat und die
Geheimdienste direkt bezichtigen.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiqyO-wGVmQ79EDw2MeuVsj0E8v8qxTQ5AIlom-KKh0GonCIj-oTzjZvCTKOs2Ao0WuVHWQumhBQ50Bgr8SEjwDg8dA0lWJdSkPohbGCQKe3np-CmBr9-OzcX0bqzLhOtwFrgN9mIlEmbc/s1600/Ostialido23.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiqyO-wGVmQ79EDw2MeuVsj0E8v8qxTQ5AIlom-KKh0GonCIj-oTzjZvCTKOs2Ao0WuVHWQumhBQ50Bgr8SEjwDg8dA0lWJdSkPohbGCQKe3np-CmBr9-OzcX0bqzLhOtwFrgN9mIlEmbc/s400/Ostialido23.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Schauplatz in Ostia heute (Quelle: Wikimedia Commons/Mac9)</td></tr>
</tbody></table>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">„Ich danke den Teufelsjungen“</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Pasolini
wurde 1922 in Bologna als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Bauerntochter
geboren. Früh hatte er traumatische Erlebnisse zu verkraften: Sein Bruder Guido
wurden 1945 bei einer Auseinandersetzung verfeindeter antifaschistischer
Partisanengruppen erschossen; der Vater war gewalttätig. Nach dem Studium von Kunstgeschichte
und Literaturwissenschaft lebte Pasolini zunächst im ländlichen Friaul, der
Heimatgegend seiner Mutter. Dort trat er 1947 in die Kommunistische Partei
Italiens (KPI), betätigte sich im Bezirk Casarsa als Parteisekretär und schrieb
erste Dialektgedichte. Pasolini, damals als Volksschullehrer tätig, war konservativen
Kreisen rasch ein Dorn im Auge und wurde des Missbrauchs Minderjähriger
beschuldigt. Zu Unrecht, wie sich vor Gericht herausstellte. Trotzdem wurde
Pasolini suspendiert und aus der KPI ausgeschlossen: „Auf mir lastet das
Schandmal von Rimbaud oder von Dino Campana oder auch von Oscar Wilde, ob ich will
oder nicht, ob die anderen es akzeptieren oder nicht.“ Aufgrund der politischen
Ausgrenzung sah Pasolini seinen Platz zeitlebens außerhalb der KPI – als unbequemer
Dissident. Das änderte aber nichts an seiner Überzeugung, dass nur diese Partei
zu einem grundlegenden Wandel der italienischen Verhältnisse imstande war. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Als
er 28 Jahr war, verzogen Pasolini und seine Mutter nach Rom – dort fand er 1951
eine Lehrer-Anstellung und wohnte eine Zeitlang in Ponte Mammolo. Es war eine
prägende Zeit, die er im dortigen Milieu der „borgate“, der Vorstadtjugend
verbrachte: Arbeitslose, entwurzelte Zuwanderer aus Süditalien, Zuhälter und
Kleinkriminelle. „Die jungen Kerle“, meinte ein Freund Pasolinis später, „machten
ihm im zunehmenden Alter zwar Angst, aber zugleich fühlte er sich von ihren
archaischen Instinkten und Gedanken fast magisch angezogen.“ In zwei Romanen –„Ragazzi
di vita“ (Kerle des Lebens, 1955) und „Una vita violenta“ (Ein gewaltsames
Leben, 1959) – beschrieb Pasolini den gewalttätigen, aber auch ungezähmt-freien
Alltag in den „borgate“ mit dokumentarischer Präzision. „Ich danke all den
‚Teufelsjungen‘“, schrieb er in einer Nachbemerkung des zweiten Buchs. Aber
nicht nur in Romanen setzte Pasolini den „borgate“ ein Denkmal, sondern vor
allem als Regisseur von schockierenden Sozialdramen wie „Accatone“ (1961) und
„Mamma Roma“ (1962), die in den Baracken am Rande der Ewigen Stadt spielen.
Weiters setzte sich Pasolini in „Edipo Re“ (1967) mit den bedrückend spießbürgerlichen
Verhältnissen in Italien auseinander oder benutzte antike Mythen und
Literaturvorlagen als Folien für gesellschaftskritische Aussagen („Edipo Re“,
1968 oder „Medea“, 1969). Bis heute heftig umstritten ist Pasolinis letzter
Film von 1975: „Salò o le 120 giornate di Sodoma“. Darin foltern, missbrauchen und
töten Kader der untergehenden faschistischen Republik von Salò eine Gruppe von
verschleppten Jugendlichen. In einem Interview führte Pasolini aus, dass es ihm
vorrangig um die Beziehung zwischen Mächtigen und Machtlosen gegangen sei – und
wie sich diese körperlich-sexuell auswirke.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Kein
Wunder, dass Pasolinis Werk nicht nur viel Widerspruch, sondern blanken Hass
hervorrief. In 33 Jahren wurde ihm aufgrund von Anzeigen wegen „Blasphemie“,
„Pornografie“, „Diffamierung“, „Hausfriedensbruch“ oder „Obszönität“ 33mal der
Prozess gemacht. Obwohl in zweiter oder höherer Instanz stets freigesprochen,
nahm Pasolinis Image stets Schaden. Immer wieder wurde er auch physisch angegriffen.
Schon 1964 versuchten Neofaschisten Pasolini mit einem Auto zu überfahren. Nur
wenige Tage vor dem Mord in Ostia wollten ihn zwanzig Rechtsextreme von einer
Brücke werfen. Als der Unruhstifter dann schließlich sein schreckliches Ende
fand, meinte niemand Geringerer als der damalige Minister Giulio Andreotti: „Er
hat es doch so gewollt“ (wofür er sich später entschuldigte). Ein anderer
Kommentator, der Regisseur Bernardo Bertolucci, erklärte erst 2005: „Wer ihn
getötet hat, der fühlte sich nicht nur im Recht, sondern glaubte auch, das Land
gesäubert zu haben.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Gegen die Diktatur des Konsums<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Anfang
der 1970er Jahre war Pasolini zweifellos einer der einflussreichsten
Intellektuellen Italiens. Vor allem weil er sich mit allen gesellschaftlichen
Kräften anlegte – der Rechten wie der Linken. In dem 1964 veröffentlichten Gedicht
„Una disperata vitalità“ (Eine verzweifelte Vitalität) heißt es fast
programmatisch: „Man muss den Bürger lauter denn je die Verachtung erklären,
anschreien gegen ihre Primitivität, spucken auf die Unwirklichkeit, die sie
sich zur Wirklichkeit wählten, in keinem Akt und keinem Wort ablassen vom
totalen Hass gegen sie und ihre Polizei, ihre Justiz, ihr Fernsehen, ihre
Presse...“ Ein anderes Mal bekannte Pasolini: „Ich möchte mich durch Beispiele
ausdrücken. Meinen Körper in den Kampf werfen. Doch wie die Taten des Lebens
Ausdruck sind, ist auch der Ausdruck Tat.“<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Pasolini
war gnadenlos in seiner Kritik von „Konsumismus“, „Amerikanisierung“,
„Verbürgerlichung“ und „zur Ware verkommene Erotik“. Der postindustrielle Wandel
hatte selbst vor den „borgate“ nicht Halt gemacht – für Pasolini verloren die
Vorstädter dadurch jedes revolutionäres Potential und zielten nur mehr
Konsumgüter ab. „In wenigen Jahren sind die Italiener zu einem
heruntergekommenen, lachhaften, monströsen, kriminellen Volk geworden“, ärgerte
sich Pasolini. Ein anderes Mal meinte er gar: „Was für ein wunderbares Land war
Italien während des Faschismus und unmittelbar danach.“ Damit brachte Pasolini
seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Diktatur des Konsums über die Macht
des Fernsehens alles gleichschalte und jeden Widerstand eingemeinde. 1974
schrieb er: „<i>Die kulturelle Durchdringung
der Welt durch ein konsumorientiertes, alles assimilierendes Zentrum hat die
verschiedenen Kulturen der Dritten Welt zerstört (ich spreche hier noch im Weltmaßstab
und beziehe mich daher auf die Kulturen der Dritten Welt, denen die bäuerliche
italienische Kultur im Grunde gleicht). Das Kulturmodell, das den Italienern
(und im Übrigen allen Menschen der Erde) angeboten wird, ist nur ein einziges.
Die Angleichung an dieses Modell erfolgt vor allem im Gelebten, in der
Existenzweise, infolgedessen im Körper und im Verhalten. Hier werden bereits
die Werte der neuen Kultur der Konsumzivilisation gelebt, das heißt des neuen
und repressivsten Totalitarismus, den man je gekannt hat – auch wenn diese
Werte noch nicht ganz ihren Ausdruck gefunden haben.“</i> Wenige Monate später
legte Pasolini nach: <i>„Alle Hindernisse
sind aus dem Wege geräumt. Die neuen Mächte brauchen keine Religionen mehr,
keine Ideale und ähnliches, um das zu verhüllen, was Marx enthüllt hatte. Wie
Legehühner haben die Italiener sofort die neue, irreligiöse und gefühllose
Ideologie dieser Herrschaft geschluckt: So groß ist die Anziehungs- und
Überzeugungskraft der neuen Lebensqualität, die von den Herrschenden
versprochen wird, und so groß ist die geballte Macht der Massenmedien (vor
allem des Fernsehens), die den Herrschenden zu Gebote stehen. Wie Legehühner
haben die Italiener das neue Heiligtum der Ware und des Konsums, das nie mit
Namen genannt wird, angenommen.“</i><o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">„Ich weiß“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Wenige
Monate vor seinem Tod erreichte Pasolinis kritische Auseinandersetzung mit den
Verhältnissen einen Höhepunkt. Er griff vehement den „Palazzo“, das seit 1946 durchgängig
bestehende Herrschaftssystem der Democrazia Cristiana (DC) an – konkret die Verstrickungen
in Korruption, in mafiöse Umtriebe und in den Terrorismus. Denn Italien – das
Land mit der stärksten kommunistischen Partei Westeuropas – war ab 1969 von
einer Reihe besonders blutiger Terroranschläge erschüttert wurde, die stets mit
Richtungsentscheidungen zusammenfielen. „Keine andere westliche Demokratie hat
auch nur annähernd vergleichbar schwere und zahlreiche, politisch motivierte
Attentate erlebt wie Italien. In keiner anderen westlichen Demokratie ist der
Mordanschlag in diesem Ausmaß zu einem Instrument im politischen Kampf geworden
wie in Italien“, betont Alessandro Silij in seiner Studie „Verbrechen, Politik,
Demokratie in Italien“. Insgesamt wurden bei acht größeren
Sprengstoffanschlägen zwischen 1969 und 1987 419 Menschen getötet und 1.181
wurden verletzt. Dabei handelte sich um völlig „wahllose“ Terrorakte, jeder
konnte sich als potentielles Opfer fühlen, weshalb auch von einer „Strategie
der Spannung“ gesprochen wird. Wie nach einem Drehbuch verfolgten die Behörden
nach diesen Massakern zunächst eine „anarchistische“ Spur. Tatsächlich
verantwortlich waren Bombenleger aus dem neofaschistischen Lager, von
Organisationen wie „Ordine Nuovo“, „Avantguardia Nationale“ und „Fronte
Nationale“. Aber darüber hinaus gab es ein erstaunliches Ausmaß an „stillem“
Komplizentum seitens des Macht- und Sicherheitsapparates: Verschiedene
Geheimdienste förderten nachweislich die Aktivitäten der Neofaschisten,
manipulierten sie mittels eingeschleuster Informanten und verwischten im Nachhinein
Spuren. Das Kalkül der „Strategie der Spannung“ war offenbar, den konservativen
status quo abzusichern und einen Linksruck in Italien zu verhindern. <o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Am
14. November 1974 erschien im „Corriere della Sera“ eine Kolumne Pasolinis mit
dem Titel „Der Roman von den Massakern“: „<i>Ich
weiß. Ich weiß die Namen der Verantwortlichen für das, was man Putsch nennt
(und was in Wirklichkeit von einer ganzen Serie von Putschen besteht, die zu
einem System der Herrschaftssicherung geworden sind). Ich weiß die Namen der
Verantwortlichen für die Bomben von Mailand am 12. Dezember 1969. Ich weiß die
Namen der Verantwortlichen für die Bomben von Brescia und Bologna von Anfang
1974. Ich weiß die Namen des Spitzengremiums, das sowohl die alten Faschisten –
die Planer der Putsche – steuerte, als auch die Neofaschisten, die mit eigener
Hand die ersten Bomben legten und schließlich die unbekannten Urheber der
jüngsten Anschläge. […] Ich weiß. Aber mir fehlen die Beweise. Ich habe nicht
einmal Indizien.“ </i>Manche Beobachter orten in diesen verklausulierten Sätzen
bereits ein Motiv für einen politischen Mord. Pasolini sei mächtigen Kreisen so
unbequem geworden, dass man ihn zum Schweigen brachte. 1975, als er sich auf dem
Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens befand und Gerüchte über eine
bevorstehende Ehrung mit dem Literaturnobelpreis kursierten, erzielte die KPI
33 Prozent in den Umfragen. Pasolini selbst forderte zu diesem Zeitpunkt einen
öffentlichen Prozess gegen die politische Elite. Von anderen Intellektuellen
erntete er aber nur vielsagendes Schweigen: <i>„Ohne
einen derartigen Strafprozess wird es keine Hoffnung für unser Land geben. Aber
warum muss ich allein diese Anklage vorbringen? Warum interveniert ihr nicht:
Branca, Petuccioli, Zanetti, Bocca, Moravia? Alle Politiker und alle Parteien
teilen mit den Christdemokraten Blindheit und Verantwortung. Schweigen auf der
einen und Ignoranz auf der anderen Seite, ein Pakt der Macht: eine Diplomatie
des Schweigens. Wovor haben wir Angst?“</i> Letztendlich hatte Pasolini die „Tangentopoli“-Korruptionsprozesse
der Jahre 1992/93 vorweggenommen – erst an diesem Punkt kollabierte das System
der „ersten Republik“ endgültig.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">„Petrolio“<o:p></o:p></span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Ein
weiteres Indiz, dass für einen politischen Mord ins Feld geführt wird, ist das
Romanfragment „Petrolio“, das 1992 posthum erschien. Darin klagt Pasolini die wirtschaftliche
und politische Korruption an – allerdings konnte nur knapp ein Drittel des
umfassenden Werks nach seinem Tod sichergestellt werden. „Petrolio“ weist
zahlreiche „Anmerkungen“ auf – eine davon, die Nr. 22 – bezieht sich auf ein
ungelöstes Rätsel der italienischen Nachkriegsgeschichte: Den Tod des
Vorsitzenden des damals noch verstaatlichten Erdölunternehmens ENI, Enrico
Mattei. Dieser war 1962 beim Absturz seines Privatflugzeugs ums Leben gekommen.
Ursprünglich als Unfall abgetan, ist mittlerweile nachgewiesen, dass eine Bombe
an Bord explodiert war. Mattei hatte sich zahlreiche Feinde gemacht: Dazu
zählten das anglo-amerikanische Erdölkartell (auch „sieben Schwestern“ genannt)
und der französische Nachrichtendienst, der an der Unterstützung des
ENI-Vorsitzenden für algerische Rebellen Anstoß nahm. Die Verantwortung für den
Mord konnte bislang nicht geklärt werden. In „Petrolio“ nennt Pasolini Mattei „Ernesto
Bonocore“ und skizziert die engen Verflechtungen der Großindustrie mit der DC.
Die Namen von Matteis Nachfolger Eugenio Cefis und des langjährigen
Ministerpräsidenten Giulio Andreotti finden sich in einem Organigramm der
wichtigsten italienischen Machtblöcke. Von „Anmerkung 21“ mit dem Titel „
Blitzartige Beleuchtung der ENI“ existiert dagegen nur ein Deckblatt – was
Spekulationen nährt, es würde Hinweise auf Schuldige im Mordfall Mattei
enthalten.<o:p></o:p></span></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<br /></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Am
2. März 2010 überraschte der Senator der Berlusconi-Partei, Marcello Dell’Utri,
mit der Ankündigung, er sei im Besitz dieses fehlenden Abschnitts und würde diesen
auf der Mailänder Buchmesse präsentieren. Umgehend berichten Medien, die Seiten
wären aus der Wohnung Pasolinis gestohlen worden und enthielten den Schlüssel
zum Rätsel seiner Ermordung. Gegen Dell’Utri liefen damals umfangreiche
Ermittlungen wegen Verstrickungen mit der Mafia. Als es dann soweit war,
enttäuschte der Senator: Der Kontaktmann, der ihm knapp 80 Seiten Notizen
angeboten hatte, sei nicht wieder aufgetaucht – offenbar verschreckt vom
Medienrummel. Bemerkenswerterweise erhielt Dell’Utri drei Monate später um zwei
Jahre weniger Haftstrafe, als in der ersten Instanz verhängt worden waren.</span><br />
<span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;"><br /></span></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
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<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<b><span style="font-family: "times new roman" , "serif"; font-size: 12.0pt;">Zu den Akten gelegt</span></b></div>
<div class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0.0001pt;">
<span style="font-family: "times new roman" , serif; font-size: 12pt;">Ebenso
merkwürdig war schon 2009 ein Brandanschlag auf die Bar Necci gewesen, wo „Accattone“
gedreht worden war. Die unbekannten Täter nahmen das Pasolini-Foto in der Bar
ab, verbrannten diese und hängten zuletzt das Bild wieder in der Ruine auf. Das
geschah am selben Tag, als die römische Staatsanwaltschaft auf Druck von Pasolinis
Angehörigen die Ermittlungen wieder aufnahm. 2014 wurden auf Kleidern des
Mordopfers DNA-Spuren von mindestens fünf verschiedenen Personen nachgewiesen.
Im selben Jahr stellte Abel Ferrara seinen Spielfilm „Pasolini“ mit William
Dafoe in der Hauptrolle vor. Der Regisseur bekundete vollmundig: „Ich weiß, wer
Pasolini getötet hat, aber ich werde seinen Namen nicht nennen.“ Im Film
dagegen bleibt der Schlussakt schemenhaft. Zuletzt entschied die zuständige
Richterin Maria Agrimi im März 2015, die Akten wieder zu schließen. Aus Sicht
des Gerichtes hatten sich keine belastbaren neuen Beweise ergeben. Der Tod
Pasolinis bleibt also ungeklärt, aber sein Werk und sein leidenschaftlicher,
kompromissloser Widerspruch sind aktueller denn je. </span></div>
Thomashttp://www.blogger.com/profile/18074173272883601750noreply@blogger.com