Hardy
Eisenstädter, heute Brigadier im Ruhestand, war als Sohn einer Österreicherin
in Ägypten geboren worden. Mit 16 Jahren kam er nach Österreich und machte an
der Militärakademie die Ausbildung zum Offizier. Danach war er an der Landesverteidigungsakademie
in der Grundlagenforschung für den Nahen Osten zuständig. „Als gerichtlich
beeideter Dolmetscher habe ich immer wieder Bundeskanzler Kreisky sowie andere
Mitglieder der Bundesregierung begleitet. Sie alle waren immer sehr dankbar,
wenn ich dabei gewesen bin. Als Offizier, Sprachkundiger und jemand, der die
Mentalität im arabischen Raum kennt, war es mir möglich, schnell eine
Vertrauensbasis zum Gegenüber herzustellen.“
In
den Vormittagsstunden des 28.September 1973 wurde der damalige Hauptmann Eisenstädter
von der Polizei abgeholt und zum Flughafen Schwechat gebracht, wohin sich die
Araber mit ihren Geiseln in einem VW-Kombi hatten fahren lassen: „Dort befand
sich schon Innenminister Rösch und weitere hohe Beamte des Innenministeriums
sowie des Sicherheitsdiensts. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, was die
Geiselnehmer begehren. Minister Rösch gab mir den Auftrag, auf das Flugfeld
hinauszufahren und herauszufinden, was die Geiselnehmer fordern. Aus dem
Beifahrerfenster des VWs ragte der Lauf einer Maschinenpistole. Weil ich in
Zivil war, vermuteten die Terroristen zunächst, dass es sich bei meiner Person
um einen Angehörigen des israelischen Geheimdienst Mossad handle. Ich habe
ihnen dann mitgeteilt, dass ich zum Bundesheer gehöre und ihnen meinen Militärausweis
gezeigt. Und wie die Terroristen dann mein Bild in Uniform gesehen haben, waren
sie bereit, mit mir zu reden. Ich habe gefragt, was sie wollen – die Antwort
war, dass Schönau geschlossen wird und eine diesbezügliche Vereinbarung mit der
österreichischen Regierung. Weiters sollten arabische Botschafter in Wien das
Ganze bestätigen.“
Die
Terroristen, Mitglieder der pro-syrischen Gruppe ‚Adler der palästinensischen
Revolution‘ forderten darüber hinaus die unbehelligte Ausreise mit den Geiseln
in ein arabisches Land, um sie gegen palästinensische Gefangene auszutauschen.
Als
Eisenstädter Minister Rösch darüber informierte, waren die anwesenden Beamten dagegen,
weil man angeblich keinen Botschafter erreichen würde: „Es war Wochenende und
da sei niemand da. Aber ohne die Botschafter hätten wir das Problem sicher
nicht gelöst, weil die Terroristen sehr misstrauisch waren und daher einen
Botschafter wollten, der ihnen garantiert, dass 1.) die Versprechen der
österreichischen Regierung eingehalten werden. Und 2.), dass sie wirklich
wegfliegen dürfen.“
Das
Krisenmanagement erlebte der Zeitzeuge überhaupt als chaotisch: „Die Vertreter
der zuständigen Ministerien waren weder über die weitere Vorgangsweise, noch
über ihre Kompetenzen einig. Ich meinte, dass meines Wissens, das
Außenministerium über entsprechende Listen zur Erreichbarkeit der Botschafter
außerhalb der Dienstzeiten verfügte. Minister Rösch nahm daraufhin mit
Bundeskanzler Kreisky Kontakt auf und erstattete einen Situationsbericht.
Dieser ordnete an, dass alle arabischen Botschafter, die erreichbar wären von
der Polizei abzuholen und zum Flughafen zu bringen wären.“
Die
beiden Terroristen erlebte Eisenstädter zuerst „sehr aufgeregt und aggressiv“:
„Im Laufe der Gespräche hat sich das beruhigt und die Lösungsfindung stand im
Vordergrund. Am Ende war eine amikale, problemlose Gesprächsbasis gegeben.
Ich war der
einzige vor Ort, der mit ihnen Arabisch sprechen konnte. Wenn es notwendig war,
habe ich gedolmetscht.“
Die
Verhandlungen in Anwesenheit der Botschafter dauerten etwa dreizehn Stunden und
man gelangte zu einem Kompromiss. Das Transitlager Schönau wurde geschlossen,
die Geiselnehmer erhielten freies Geleit und ließen dafür ihre Geiseln zurück. „Federführend
beteiligt am Verhandlungserfolg war neben dem libanesischen Botschafter der
libysche Botschafter Mahmud Al-Ghadsmi, denn er hatte die Ausreise der Terroristen
nach Libyen arrangiert“, so Eisenstädter.
Trotz
seiner wichtigen Rolle im Verlauf der Geiselkrise wurde Eisenstädter weder im offiziellen
Bericht der Bundesregierung erwähnt, noch erhielt er eine Auszeichnung, so wie
alle anderen Beteiligten: „Die Beamten haben meine Rolle als Einmischung
betrachtet. Sie wollten das alles über ihre Schiene läuft, egal ob das jemand
bringt oder nicht.“
1974: H. Eisenstädter (Mitte) mit Bundeskanzler Bruno Kreisky (links) und syrischem Staatsgast (rechts) |
Diese
negative Haltung bekam Eisenstädter auch später noch zu spüren: Vor allem
Bundeskanzler Kreisky hatte ihn immer wieder – zur Verärgerung der offiziellen
diplomatischen Kanäle – für Vermittlungsmissionen im Nahen Osten eingesetzt. So
etwa, als es um Spannungen zwischen den österreichischen UN-Truppen am Golan
und der dortigen Bevölkerung ging. Zuletzt hatte Eisenstädter im Jahr 2000
schon einen Kontakt zu Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah hergestellt, um die
Freilassung von vier Israelis zu erreichen: „Allerdings wurde in der Folge der
Auftrag vom Außenministerium ‚storniert‘, woraufhin Deutschland die Mission
übernahm. Dem Ansehen Österreichs war das jedenfalls nicht förderlich.“