Sonntag, 8. Dezember 2013

„Ergiebigste Nachrichtenquelle würde vollends versiegen" - Konflikt um Bundesheergeheimdienst

Zufallsfund bei Recherche in der Stiftung Bruno Kreisky Archiv (StBKA, VI.4 Landesverteidigung, Waffenproduktion, Exporte, Box 18): Eine „streng vertrauliche“ Information der SPÖ-Fraktion an Bundeskanzler Bruno Kreisky zu „Veränderungen“ im Heeresnachrichtenamt. Diese gibt Auskunft über die parteipolitischen Auseinandersetzungen rund um die Besetzung von Spitzenposten im Bereich der Geheimdienste Mitte der 1970er Jahre.

„1. Die frühere Gruppe Nachrichtenwesen bzw. das derzeitige Heeresnachrichtenamt[1] war bis zu Diensteinteilung des Obstlnt Dipl. Vw. Walter Matal[2] nahezu reinrassig mit ÖVP-nahestehenden Personen besetzt.

2. Die Bedeutung des Heeresnachrichtenamtes liegt einerseits in der offenen Nachrichtenbeschaffung und Auswertung, andererseits in den Aufklärungsergebnissen des Fernmelde- Aufklärungsbataillons, welches immer wieder von der kommunistischen Presse angegriffen wird und in welches seitens der Kommunisten versucht wird, Personal im Wege von Wehrpflichten einzuschleusen. Die geheime Nachrichtenbeschaffung ist nicht zuletzt aus finanziellen Gründen eher von untergeordneter Bedeutung.

3. Das Heeresnachrichtenamt gliedert sich derzeit in 3 Abteilungen: Informationsabteilung […] Abwehrabteilung […] und Auswerteabteilung […]. Daneben gab es zahlreiche direkte Aufträge des Amtsleiters im Bereich der Informationsabteilung, von welchen der Leiter [der] Informationsabteilung nicht Kenntnis erlangen sollte und erlangte.

4. Das Heeresnachrichtenamt ist trotz aller Schwächen insbesondere durch die Mittel der Fernmeldeaufklärung in der Lage oft wesentliche Beiträge zur Erstattung eines Lagebildes zu geben, wobei es in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit und dem Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten periodische Lagedarstellungen liefert.

5. Das Gerät der Fernmeldeaufklärung ist sehr kostenintensiv und weitgehend veraltet. Im vergangenen Jahr wurde eine Erneuerung und Verbesserung (Automatisierung) der Fernmeldeaufklärung durch eine erhebliche Beschaffung (Generalunternehmer Fa. Kapsch) in die Wege geleitet.

6. BMfLV [Bundesministerium für Landesverteidigung] verfolgt den Plan, für den Bereich der Fernmeldeaufklärung eine eigene Abteilung zu errichten und diese mit dem ObstdG […] (ÖVP-nahestehend) zu besetzen. Damit würde der ohnedies relativ geringe Einblick des Obstlnt Matal in die Ergebnisse der Fernmeldeaufklärung und damit in die ergiebigste Nachrichtenquelle vollends versiegen. […]

7. Aus fraktioneller Sicht kann dieser Maßnahme nicht zugestimmt werden, weil die mühsam erkämpfte Besetzung eines Abteilungsleiters mut einem Genossen dadurch jetzt und in Zukunft zur Wertlosigkeit absinken würde. Abgesehen von diesen politischen Überlegungen ergibt sich auch noch die Problematik einer entsprechenden Dienstpostenvermehrung, welche sicherlich zum Teil in der eingeleiteten Beschaffung begründet ist, zum anderen Teil aber die Abschirmung des Genossen Matal zur Folge hätte.“




[1] Das Heeresnachrichtenamt, heute der Auslandsgeheimdienst des Bundesheeres, umfasste bis 1985 auch das Abwehramt, das für den „Eigenschutz“ zuständig ist.
[2] Werner Matal amtierte bis 1981 als Chef der Informationsabteilung.