Der Südtirolkonflikt zählt bis heute zu den größten internationalen
Auseinandersetzungen in Westeuropa seit dem Ende des 2. Weltkriegs. Zwei Wellen
von Attentaten (1961-1967 bzw. 1978-1988) forderten mindestens 35 Menschenleben
und zahllose Verletzte. Der vorliegende Beitrag
untersucht die substanzielle Rolle westlicher und östlicher Geheimdienste, vor
allem des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), in Südtirol.
Aufgrund der geopolitischen Bedeutung der Region zwischen den Machtblöcken des
Kalten Krieges und des zeitlichen Zusammenhangs mit der
Entkolonialisierungsphase der 1950er und 1960er Jahre war die Situation in Südtirol
von strategischem Interesse für das MfS. Einerseits hatte der jahrzehntelange
Konfliktherd das Potential, einen Keil zwischen die NATO-Mitgliedsländer
Italien/BRD zu treiben, andererseits ließen sich gesammelte Informationen über
die Rolle von rechtsextremistischen Organisationen und Individuen zur
„nazistischen“ Diffamierung der Bonner Republik instrumentalisieren. In diesem
Zusammenhang ergeben sich Parallelen zur Vorgangsweise der italienischen
Geheimdienste, insbesondere was deren „pangermanistische“ Charakterisierung der
Südtiroler Sezessionsbestrebungen angeht. Für die Untersuchung stützt sich der vorliegende
Beitrag neben Sekundärliteratur vor allem auf Primärquellen, die aus der Behörde des Bundesbeauftragten
für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik (BStU) sowie aus der Wiener Stiftung Bruno Kreisky Archiv (StBKA)
stammen.
Die erste
Phase des Südtirolterrorismus (1961-1969)
Die Wurzel des Konflikts rund um nationale
Selbstbestimmung und Minderheitenrechte in Südtirol bildete die Friedensordnung
nach Ende des 1.Weltkriegs: Das deutschsprachige Gebiet zwischen Brenner und
Salurner Klause war 1919 Italien zuerkannt worden. Unter dem faschistischen
Regime wurde Südtirol dann einer strengen Politik der „Italienisierung“
unterworfen – durch Förderung italienischer Zuwanderung, „Entnationalisierung“
der deutschsprachigen Bevölkerung sowie „Umsiedlung“ von Südtirolern (Option)
nach einem entsprechenden Abkommen mit Nazi-Deutschland (1939). Diese Erfahrung trug auch dazu bei, dass zahlreiche Südtirol-Aktivisten ihr
späteres gewaltsames Vorgehen als antifaschistischen Widerstand rechtfertigten.Nach Ende des zweiten Weltkriegs einigten sich
Österreich und Italien 1946 auf eine Autonomielösung für Südtirol, deren
Umsetzung jedoch verschleppt wurde. Hatten dagegen schon Ende der 1940er Jahre
vereinzelte Bombenanschläge stattgefunden, führte die weiter fortschreitende „Italienisierung“
Ende der 1950er Jahre zu einer allmählichen Radikalisierung des Protests.
Der 1958 gegründete „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) verschrieb sich der Forderung nach Selbstbestimmung und machte zunächst noch durch zivilen Ungehorsam auf sich aufmerksam. Das erste Attentat, zu dem sich der BAS bekannte, ereignete sich 1961. Die Anschläge in dieser Anfangsphase hatten „demonstrativen“ Charakter und richteten sich gegen Strommasten, Rohbauten und faschistische Denkmäler. Infolge der dadurch provozierten Repression, eskalierte der Südtirolterrorismus: Zwischen 1961 und 1967 wurden Sicherheitskräfte gezielt aus dem Hinterhalt erschossen oder mit Sprengfallen getötet, und es gab auch überregionale Anschläge auf italienische Fernzüge und Bahnhöfe. Insgesamt starben 15 Militärs, Polizisten und Zöllner. Weiters kamen zwei Zivilisten sowie vier Aktivisten ums Leben. Hatten einige der BAS-Aktivisten anfangs noch davon geträumt, Südtirol nach Vorbild des erfolgreichen antikolonialen Aufstands von General Georgios Grivas in ein „zweites Zypern“ zu verwandeln, mussten sie jedoch bald erkennen, dass hinter ihrer Organisation keine Massenbewegung stand. Die Situation blieb für Italien beherrschbar. Der Gegenoffensive, die gerade im nachrichtendienstlichen Bereich sehr effektiv geführt wurde, hatte der nach 1961 personell stark ausgedünnte BAS immer weniger entgegenzusetzen, und schließlich wurden 1967 auch die Verbindungs- und Rückzugslinien ins „Hinterland“ Österreich gekappt.
Der 1958 gegründete „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) verschrieb sich der Forderung nach Selbstbestimmung und machte zunächst noch durch zivilen Ungehorsam auf sich aufmerksam. Das erste Attentat, zu dem sich der BAS bekannte, ereignete sich 1961. Die Anschläge in dieser Anfangsphase hatten „demonstrativen“ Charakter und richteten sich gegen Strommasten, Rohbauten und faschistische Denkmäler. Infolge der dadurch provozierten Repression, eskalierte der Südtirolterrorismus: Zwischen 1961 und 1967 wurden Sicherheitskräfte gezielt aus dem Hinterhalt erschossen oder mit Sprengfallen getötet, und es gab auch überregionale Anschläge auf italienische Fernzüge und Bahnhöfe. Insgesamt starben 15 Militärs, Polizisten und Zöllner. Weiters kamen zwei Zivilisten sowie vier Aktivisten ums Leben. Hatten einige der BAS-Aktivisten anfangs noch davon geträumt, Südtirol nach Vorbild des erfolgreichen antikolonialen Aufstands von General Georgios Grivas in ein „zweites Zypern“ zu verwandeln, mussten sie jedoch bald erkennen, dass hinter ihrer Organisation keine Massenbewegung stand. Die Situation blieb für Italien beherrschbar. Der Gegenoffensive, die gerade im nachrichtendienstlichen Bereich sehr effektiv geführt wurde, hatte der nach 1961 personell stark ausgedünnte BAS immer weniger entgegenzusetzen, und schließlich wurden 1967 auch die Verbindungs- und Rückzugslinien ins „Hinterland“ Österreich gekappt.
Vom "Aluminium-Duce" in Waidbruck blieb nach einem BAS-Anschlag 1961 nur der Sockel (Quelle: Wikimedia Commons) |
Auf politischer
Ebene jedoch hatten die ersten BAS-Attentate, vor allem die „Feuernacht“ vom
11. auf den 12. Juni 1961, nicht nur Dynamik in die bilateralen italienisch-österreichischen
Verhandlungen gebracht, sondern auch dazu beigetragen, dass die Südtiroler
Volkspartei (SVP) erstmals in inneritalienische Gespräche eingebunden wurde. Ob
und in wieweit durch die Anschläge eine politische Lösung „herbeigebombt‘
wurde, ist aber bis heute umstritten. Der langjährige Südtiroler
Landeshauptmann Silvius Magnago etwa rückte die „Feuernacht“ in ursächlichen
Zusammenhang mit der Entscheidung der römischen Zentralregierung, die
Südtirolfrage zu prüfen. Der Zeithistoriker Rolf Steininger dagegen konstatiert
eine „weggebombte Selbstbestimmung“: „Die Attentäter haben das Gegenteil von
dem erreicht, was sie wollten. Im Bestreben nach Selbstbestimmung waren ihre
Anschläge kontraproduktiv.“ Ein namhafter Vertreter der gegenteiligen Meinung ist der Journalist Hans Karl
Peterlini: Für ihn ist die spätere Autonome Südtirols „kein Kind der Anschläge,
aber die Anschläge gehören zu ihrer Geschichte, sind ein Kind des Ringens um
Autonomie, das auch beigetragen hat zum Autonomieprozess. Die Attentäter mögen
alles andere gewollt haben, aber sie haben sich in diese Geschichte
eingetragen."
II. Die zweite
Phase des Südtirolterrorismus (1978-1988)
Als die entscheidenden inneritalienischen Verhandlungen
zwischen 1967 und 1969 über die Bühne gingen, war die erste Welle des
Südtirolterrorismus bereits zu Ende gegangen. Es sollte aber bis 1992 dauern,
ehe die Autonomie der Provinz vollständig umgesetzt war.Bis es soweit war, sollte sich die Gewalt noch ein weiteres Mal entzünden: Diese zweite Welle, die ab 1978 einsetzte,
unterschied sich von der vorangegangenen in mehrfacher Weise.
Hinsichtlich der
Akteure traten mit dem Movimento Italiano
Alto Adige (Mia – Bewegung der Italiener in Südtirol) und Associazione Protezione Italiani (Api –
Vereinigung zum Schutz der Italiener) erstmals zwei italienische Gruppen auf
den Plan. Sie unternahmen u. a. Anschläge gegen sechs Seilbahnen (1979), die
Zugstrecke Meran-Bozen (1980) sowie auf den Landtag, die Villa des damaligen
Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago, das Regierungskommissariat und den
Sitz der Democrazia Cristiana in Bozen
(1981). Die Terrorakte von Mia und Api richteten sich somit einerseits
gegen die Südtiroler Autonomie und andererseits gegen jene Kräfte, die auf
italienischer Seite als zu weitgehend empfundene Zugeständnisse gemacht hatten.
Auf Südtiroler Seite waren noch in den Jahren 1978 bis
1982 Täter aus dem Personenkreis des BAS der 1960er Jahre aktiv. Danach – von 1986
bis 1988 – war die obskure Organisation Ein
Tirol für zahlreiche Attentate verantwortlich. Insgesamt wurden 46
Anschläge, darunter gegen den Bahnhof Burgstall (1986), den Sitz des Rundfunks
RAI, eine italienische Schule und die Banco di Roma in Bozen sowie gegen ein
Kraftwerk in Waidbruck, die Dominikanerkirche in Eppan und die Wasserleitung in
Lana (1988) verübt. Der Terror von Ein
Tirol hatte eine ähnliche, wenn gleich gegensätzliche Leseart wie die Aktionen
von Mia und Api: Hier richtete sich die Unzufriedenheit gegen die
Kompromissbereitschaft der Südtiroler Volkspartei – statt weiter eine Autonomie
auszuverhandeln, wollte Ein Tirol
gleich eine Volksabstimmung über ein generelles „Los von Rom“ herbeibomben.Es war, schreibt der Südtiroler Journalist Hans Karl Peterlini, ein „Dialog mit
Detonationen“: „Anschläge auf ‚italienische Ziele’ wechselten sich mit
Anschlägen auf ‚deutsche Ziele’ ab.“Im Unterschied zur ersten Phase des Südtirolterrorismus verursachten die
Attentate zwar erhebliche Sachschäden, kosteten aber glücklicherweise keine
Menschenleben. 1984 wurden aber zwei Südtiroler Schützen bei einer Explosion
getötet, als sie vermutlich einen Sprengkörper vorbereiteten. Ein weiterer
Schützenfähnrich starb 1982 nach Misshandlungen in Polizeigewahrsam. Abgesehen von diesen Opfern führte die terroristische
Offensive zu beträchtlicher Unruhe – vor allem gegen Ende der 1980er Jahre war
die Lage in Südtirol angespannt, wie der Spiegel
berichtete: „Tausende Polizisten mussten aus anderen Regionen angefordert
werden, um gefährdete Politiker und Gebäude zu bewachen. Italiens
Staatspräsident Cossiga sagte einen geplanten Meran-Urlaub aus
Sicherheitsgründen ab. Nachts erinnert Südtirol heute an Spanien während der
letzten Jahre der Franco-Diktatur: Militärjeeps patrouillieren durch die engen
Gassen, Hubschrauber kreisen über den Städten, Geheimpolizisten kontrollieren
die Gästelisten der Hotels."
Von Beginn an gab es allerdings Vermutungen, dass der Terrorismus
von italienischer Seite geheimdienstlich manipuliert war. So berichtete beispielsweise
der „Spiegel“ über die Attentate von Ein
Tirol: „Den Terroristen gelang es immer wieder auf unerklärliche Weise,
durch die dichten Polizeisperren zu schlüpfen. Eine freiwillige Bürgerwache
stieß kurz vor der Sprengung der Rohrleitung bei Lana auf zwei verdächtige
Männer, die sich als Carabinieri in Zivil auswiesen.“ Eine „geheimnisvolle
Hand“ habe offenbar bei den Vorgängen Regie geführt: „Wie auf Knopfdruck
explodierten serienweise Bomben, wenn sich Südtirols Regierung bei den
Verhandlungen mit Rom wieder einmal querlegte. Ging es voran, herrschte
Terrorpause.“ Schon bei der Bekämpfung des BAS in den 1960er Jahren
hatten nachrichtendienstliche Methoden – Infiltration, Provokation,
Gegenterrorismus und „effektive“ Verhörmethoden – eine wesentliche Rolle
gespielt. So ist die Urheberschaft einiger Attentate, besonders in den Jahren
1966 und 1967, bis heute umstritten. Beispielsweise mehren sich Hinweise, dass
die mysteriöse Ermordung des Carabinieri Vittorio Tiralongo (1964) den
„Pusterer Buam“, einer besonders aktiven BAS-Einheit, untergeschoben wurde.
Tatsächlich dürfte Tiralongo nach einem Streit von einem Vorgesetzten
erschossen worden sein. Bereits 1965 gestand Robert
K. in Innsbruck, im Auftrag des italienischen Geheimdiensts in einem Bozener
Wohnhaus eine Bombe für Propagandazwecke platziert zu haben.Weiters begingen 1963 italienische Neofaschisten Vergeltungsattentate in Tirol
und Oberösterreich, die ein Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Offenbar
wollte man auf diese Weise Druck auf Österreich ausüben, die beträchtliche
Unterstützung für den BAS von Nordtiroler Seite her zu unterbinden. Sämtliche Täter waren „schillernde Figuren der rechtsradikalen Terrorszene
Italiens und hatten beste Kontakte zum italienischen Geheimdienst“, so das
Fazit des Historikers Christoph Franceschini.
Was die Attentate in den 1980er Jahren angeht, so
wurden 1990 geheimdienstlich-militärische Strukturen bekannt, die seitdem in
Verdacht stehen, am „Anheizen“ der letzten Phase des Südtirolterrorismus zumindest
beteiligt gewesen zu sein. Das sogenannte Stay
Behind-Programm der NATO, das in Italien den Decknamen Gladio trug, war 1950 in Zusammenarbeit zwischen dem Office of
Policy Coordination (OPC) der CIA und des britischen MI6 formuliert und zur
praktischen Umsetzung in die westliche Verteidigungsallianz eingebettet worden.
Die Stay Behind-Kräfte sollten im
Falle einer sowjetischen Invasion in Westeuropa lokale Widerstandseinheiten
aufbauen, die Flucht von abgeschossenen Piloten, NATO-Personal und wichtigen
Persönlichkeiten organisieren sowie Widerstand und Sabotage gegen die
Besatzungsarmee durchführen. Dieser konkrete Anlassfall trat nie ein, dafür wurden
die Stay Behind-Einheiten in einigen
NATO-Mitgliedsländern im Inneren aktiv,
meistens gegen linke oder kommunistische Oppositionelle. In der Türkei
bekämpften die dortigen „Kontras“ kurdische Nationalisten, während
portugiesische Stay Behind-Kräfte an der
Verteidigung des afrikanischen Kolonialreichs teilnahmen. Sowohl in Griechenland
als auch in Italien, beides Länder mit starken linken Parteien, war eine
Involvierung von Stay Behind-Personal
in Staatsstreiche und Militärputsche gegeben.
Was den italienischen Fall, Gladio, so speziell macht, ist die politische Instrumentalisierung
von Terrorismus. Zwischen 1969 und 1987 wurden bei acht größeren
Sprengstoffanschlägen 419 Menschen getötet und 1.181 verletzt. Wie nach einem Drehbuch verfolgten die Behörden nach diesen wahllosen
Attentaten zunächst immer eine „anarchistische“ oder linke Spur, während das im
Hintergrund hörbare „Säbelgerassel“ des Militärs zum geflügelten Wort wurde.
Für die Anschläge waren letztendlich Bombenleger aus dem neofaschistischen
Lager, von Organisationen wie Ordine Nuovo
und Avanguardia Nazionale verantwortlich.
Aber darüber hinaus gab es ein erstaunliches Ausmaß an „stillem“ Komplizentum seitens
des Sicherheitsapparats: Verschiedene Geheimdienste förderten nachweislich die
Aktivitäten der Neofaschisten, manipulierten sie mittels eingeschleuster
Provokateure und verwischten Spuren im Nachhinein. Dieses hochkomplexe Netz an
Verbindungen reichte bis hin zu den italienischen Ablegern der Gladio-Struktur und zu Militärgeheimdiensten
der NATO. Alles in allem zielte die
so vorangetriebene „Strategie der Spannung“ im Italien der 1960er und 1970er
darauf ab, bestehende Konflikte zu verschärfen, gewissen politischen Protest zu
kriminalisieren und die Öffentlichkeit generell in Unruhe zu versetzen, um so
den status quo zu legitimieren.Südtirol bildete in diesem Zusammenhang einen
Präzedenzfall: In den frühen 1960er Jahren dienten dort zahlreiche Offiziere,
die sich in den darauffolgenden Jahren für die „unkonventionellen“ Operationen
verantwortlich zeichneten. Südtirol sei insofern eine „Trainingshalle“ gewesen,
„in der man alle jene Methoden teste, die später unter dem Signum ‚strategia
della tensione’ (Strategie der Spannung) zur blutigen und traurigen Realität
Italiens werden sollten. Dazu gehören Unterwanderung genauso wie hausgemachte
Anschläge, Entführungen und Desinformation oder die physische Eliminierung der
Gegner.“
Was die zweite Welle des Südtirolterrorismus, vor
allem Ende der 1980er Jahre, angeht, so gibt es laut dem Journalisten Hans Karl
Peterlini „direkte Spuren“ von den bereits erwähnten italienischen Gruppen Mia und Api zu Gladio. Auf einem Flugblatt der Mia von 1988
war bereits das erst 1990 bekannt gewordene Gladio-Symbol
aufgemalt: Ein römisches Kurzschwert. „Das kann nur bedeuten, dass die
Terroristen von Mia genau um Gladio Bescheid wussten. Und weil Gladio zu diesem
Zeitpunkt striktes Staatsgeheimnis war, bleibt fast nur die Schlussfolgerung
übrig, dass es eine direkte Verbindung vom staatlichen Geheimdienst Gladio zum
italienischen Südtirol-Terrorismus von Mia gibt“, so Peterlini. Außerdem sei 1980 der Agent Francesco Stoppani in einer Carabinieri-Kaserne mit
dem Auftrag vorstellig geworden, „den Südtirol-Terrorismus mit allen Mitteln zu
stoppen“. Stoppani untermauerte das mit der Aussage, er kenne den „Chef von
Mia“. Bereits im Herbst 1966 sollen weiters Oberst Mario Monaco und Hauptmann Vito
Formica, zwei wichtige Entscheidungsträger innerhalb der Gladio-Struktur, in Südtirol eingesetzt worden sein: Monaco war Kommandant
des Gladio-Trainingszentrum auf
Sardinien, Formica der verantwortliche Ausbildungsoffizier. Wie General Manilo Capriata 1992 vor einem
Senatsuntersuchungsausschuss aussagte, wurde Gladio während dieser Jahre in Südtirol auch aktiv eingesetzt. Im
April 1962 hatte der Befehlshaber des militärischen Nachrichtendienstes SIFAR (Servizio Informazioni Forze Armate),
General Giovanni De Lorenzo die paramilitärischen Einheiten in Südtirol
aktiviert: „He told me that the means availble in this area had been
insufficent … and that thus one had to draw upon particular forces." Angeblich befand sich „in den Gängen von Schloß Siegmundskron ein Gladio-Waffenlager, während in den
Sarntaler Alpen Waffen- und Sprengstoffausbildungen abgehalten wurden. Welche strategische Bedeutung Südtirol/Trentino
innerhalb der Gladio-Struktur zukam,
lässt sich auch daran ablesen, dass die dortige Stärke einschließlich des
Unterstützungspersonals ungefähr 2.600 Mann betrug. Mit 200 von insgesamt 622 Zellen
bildete die Region überhaupt das Schwerpunktgebiet von Gladio in Italien – laut eines anonymen Experten „auf Grund der
Topographie und des Auftrags zur nachhaltigen Kleinkriegsführung“. 1991 wurden zudem die Namen von 21 Angehörigen von Gladio in Südtirol bekannt: Sie waren von Guiseppe Landi, dem
Präsidenten des Bozner Fallschirmspringerklubs, seit Beginn der 1970er Jahre vor
allem aus dem Klub rekrutiert worden. Landi bestritt, daß Gladio etwas mit den Südtirol-Anschlägen zu tun gehabt habe. Die
Organisation sei vielmehr nur „gegen die kommunistischen Feinde“ gerichtet
gewesen.
Die Verbindungen der pro-italienischen Gruppen zu den
Geheimdiensten und Gladio mögen
umstritten sein, aber der Hintergrund von Ein
Tirol wirft genauso Fragen auf. Die Gruppe war nämlich von Mitgliedern der sogenannten
Obermaiser Bande durchsetzt, die noch in den 1970er Jahren im Gebiet von Meran Überfälle,
Einbrüche und Erpressungen beging. Darüber hinaus gab Ein Tirol-Mitglied
Karl Zwischenbrugger vor Gericht Kontakte zum italienischen Geheimdienst zu. Die terroristischen
Aktionen von Ein Tirol erwiesen sich
als kontraproduktiv, denn politischen Profit aus dem Chaos zog alleine die
pro-italienische Rechte. So wurde die post-faschistische Partei MSI in Südtirol
von Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre mehr als dreimal stärker, die
Zustimmung stieg von 6,28 Prozent (1974) auf 22,6 Prozent (1985). Bezugnehmend auf sieben
„antiitalienische“ Attentate im Jahr 1987 meinte daher Alexander Langer,
Gründer der italienischen Grünen, „daß der Staat über die Geheimdienste seine
Hand im Spiel hat“. Die Gewalt sei praktisch „eine Wahlkampfhilfe für die MSI“
gewesen. Gerade hinsichtlich
dieser ausgesprochen negativen Konsequenzen für die Autonomiebewegung offenbarte
sich hier das stabilisierende Kalkül hinter der „Strategie der Spannung“ am
deutlichsten. „Das Ziel der italienischen Geheimdienste“, so der Journalist
Markus Perner, „war offensichtlich die Stärkung jener Partei, die am
konsequentesten für einen starken italienischen Staat eintrat. Die
neofaschistische MSI wurde durch die Ein Tirol-Attentate von Wahlerfolg zu Wahlerfolg
gebombt.“ Die Vorgänge wurden von Silvano
Russomanno, einer der wichtigsten Fachleute des italienischen Innenministeriums
und der Geheimdienste für Südtirol, so zusammengefasst: „Die Terroristen und
uns, die sie bekämpften, eint am Ende eines: beide haben wir uns die Hände
schmutzig gemacht.“
Fortsetzung folgt....