Vor einem Jahr, am 11. Jänner 2014, verstarb Fritz
Molden 90jährig. Der ehemalige Widerstandskämpfer und Sekretär von Außenminister
Karl Gruber war auf dem Höhepunkt seiner Karriere nicht nur der einflussreichste
Verleger Österreichs („Die Presse“, „Die Wochen-Presse“, „Abend-Presse“,
„Express“), sondern auch tief in den Kampf für Selbstbestimmung in Südtirol
involviert. Erst nach seinem Tod wurden Vernehmungsprotokolle der Staatspolizei
mit Molden von 1961 für die Forschung zugänglich. Hier werden diese erstmals
vorgestellt.
Letzte Ruhestätte von Fritz Molden am Wiener Zentralfriedhof (Foto: Autor) |
Molden unterhielt von
Beginn an enge Kontakte zum Befreiungsausschuss Südtirol (BAS), einer
Untergrundorganisation, die Mitte der 1950er Jahre gegründet worden war. Bis
zum Frühjahr 1959 entstand in Nordtirol eine eigene BAS-Gruppe, der neben
Molden der Ex-Widerstandskämpfer Wolfgang Pfaundler, Gerd Bacher (damals Chefredakteur
von „Express“), der Innsbrucker Kaufmann Kurt Welser und der
Reiseschriftsteller Heinrich Klier angehörten.
Molden sorgte nicht nur
für mediale Unterstützung, sondern war auch einer der wichtigsten Finanziers. Wie
aus staatspolizeilichen Protokollen hervorgeht, erklärte Molden 1959 bei einer
Besprechung dem BAS-Gründer Sepp Kerschbaumer, „dass er an der Sache Südtirols
großen Anteil nehme und dass ein Teil des zur Verfügung gestellten Geldes von
ihm stamme. Er erklärte Kerschbaumer, dass er die Absicht habe, als Journalist
für die Sache Südtirols entsprechend einzutreten. Dazu sei es jedoch
erforderlich, dass er über die Verhältnisse ziemlich genau informiert werde.
Auf die Frage Kerschbaumers, ob man den Familien von Südtirolern helfen werde,
wenn sich die Männer in Haft befinden, erklärte Molden dass dies sicherlich der
Fall sein werde. […] Pfaundler hat Kerschbaumer bei diesem Besuch einen Betrag
von 100.000 Lire übergeben.“
Vorbild Zypern
Der Südtirolkonflikt fiel
damals in die Zeit der Entkolonialisierung: Bereits in den 1940er Jahren hatten
jüdische Gruppen einen erfolgreichen Kampf gegen die britische
Mandatsverwaltung in Palästina geführt. 1954 entzündete sich der Algerienkrieg,
der sich bis 1962 hinziehen sollte und in einem Sieg der Nationalen
Befreiungsfront (FLN) endete. Die größte Wirkung auf den BAS übte aber das
Beispiel Zypern aus: Zwischen 1955 und 1959 erkämpfte die „Nationale
Organisation zyprischer Kämpfer“ (EOKA) unter General Georgios Grivas das Ende
der britischen Kolonialherrschaft auf der Mittelmeerinsel. Das Modell Zypern
wurde innerhalb des BAS vor allem von Molden beworben. Der Verleger hatte 1958
an einer Journalistenreise nach Zypern teilgenommen und dort miterlebt, „wie
sowohl die zypriotischen Freiheitskämpfer, aber noch viel brutaler die
britische Armee, ihren Kolonial- oder Befreiungskrieg führten, […].“ Im „Spiegel“ erschien am 21. Dezember 1960 eine vielbeachtete
Reportage, die Molden gar zum heimlichen Anführer der Südtirol-Aktivisten
stilisierte. Seit Winter 1958, schrieb die Korrespondentin Inge Cyrus, habe
sich Molden insgeheim bemüht, „für den künftigen Partisanenkrieg südlich des
Brenners nach dem Vorbild der erfolgreichen zyprischen Untergrundbewegung Eoka
des griechischen Obersten Grivas – eine kleine schlagkräftige Truppe zu
rekrutieren. Sie sollte für den ‚Tag X’ bereitstehen und die Rückkehr Südtirols
zu Österreich beschleunigen, falls einmal alle Möglichkeiten einer friedlichen
Einigung mit Italien erschöpft wären.“ Auch wenn Molden dementierte, in Südtirol wurde der Artikel als Signal zum baldigen Handeln aufgefasst - ein BAS-Mann erzählte später: "Wir sind wirklich erschrocken, und haben uns gesagt, wenn die da draußen schon so viel reden, dann müssen wir losschlagen, bevor man uns verhaftet und wir überhaupt nichts getan haben. Sicher war der Spiegel-Artikel entscheidend dafür, dass wir anfingen loszuschlagen."
„1,000.000 Schilling zur Verfügung gestellt“
Kernstück der nach
dem Vorbild Zypern ausgelegten Strategie war es, mediale Aufmerksamkeit auf das
Südtirolproblem zu lenken. Kleinere Sprengstoffanschläge, so wie es sie in
Südtirol seit den 1940er Jahren immer wieder sporadisch gegeben hatte,
erschienen in diesem Zusammenhang als zu wenig spektakulär. Der Südtiroler
„Schützenmajor“ Georg Klotz und Wolfgang Pfaundler schwebte die Bildung von kleinen Kampfeinheiten
vor, die einen regelrechten Guerillakrieg führen sollten. Das man
zu dieser Eskalation bereit war, geht wiederum aus Berichten der Staatspolizei
hervor. Demnach wurden Klotz und Pfaundler am 27. Jänner 1960 nach einer
Vorsprache bei Außenminister Bruno Kreisky auch bei Molden vorstellig. Bei
dieser Gelegenheit zeigte Pfaundler eine Maschinenpistole vor: „Er erklärte,
dass er derartige Waffen bereits in der Umgebung von Wien lagernd habe. Sie
seien für die Südtiroler angekauft worden. Weiters sei es Pfaundler gelungen,
eine größere Menge Zeitzünder in Griechenland zu kaufen. Fritz Molden
versicherte Klotz dazu, dass er mit allem einverstanden sei und dass er zur
Finanzierung der Südtirolangelegenheit bereits 1,000.000 Schilling zur Verfügung
gestellt habe.“
Der Südtiroler BAS
konnte bis auf wenige Ausnahmen mit diesen Planspielen wenig anfangen. Der überzeugte Katholik Kerschbaumer lehnte die Steigerung auf ein
Gewaltniveau, das Menschenleben gefährden konnte, ab. Außerdem wollte er keine
italienische Überreaktion provozieren und plädierte daher für eine Taktik der
„Nadelstiche“, die er auch erfolgreich durchsetzen konnte. Nun rückte die
Frage, wann genau der BAS auf diese Weise losschlagen sollte, in den
Mittelpunkt. Am 25. Juli 1960 fand eine diesbezügliche
Besprechung des Führungsgremiums des BAS, darunter Klotz, Amplatz, Pfaundler
und Molden statt: „Die Südtiroler wurden aufgefordert sich auf ein Losschlagen
im September vorzubereiten. Pfaundler führte dazu aus, dass sicherlich
anlässlich der UNO-Debatte viele internationale Journalisten nach Südtirol
kommen werden. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Lage so ruhig ist wie bisher, wird
man bei diesen Leuten kaum den erforderlichen Eindruck hinterlassen können.“
Pfaundler informierte die Runde weiters über die unerfreuliche Tatsache, „daß
die Innsbrucker Polizei über alle Vorgänge beim BAS informiert sei und dieses
Wissen nach Wien berichte. Molden wie auch Pfaundler erklärten, daß sie sich
aus der Organisation zurückziehen werden und jede finanzielle Unterstützung
einstellen müssten, wenn dies nicht anders werde.“
Moldens Rückzug aus dem BAS
Am 13. November 1960
fand eine Nachfolgebesprechung in Innsbruck statt. Molden, der auf Aktion gedrängt
hatte, ruderte zurück: „Es wurde beschlossen, die beabsichtigten Aktionen bis
zum Frühjahr zu verschieben, um alles besser zu organisieren und die Bewegung
besser aufzubauen. Dies vor allem mit Rücksicht auf die UNO-Vollversammlung.
Dr. Molden erklärte, man würde sich dzt. durch solche Aktionen vor der ganzen
Welt in ein nicht mehr gutzumachendes Unrecht setzen; er könne daher einen
sofortigen Aktionsbeginn nicht verantworten.“ Auch bei einer nachfolgenden
Sitzung am 8. Dezember 1960 plädierten Molden und Bacher dafür, noch zuzuwarten, fanden aber keinen Rückhalt: „Wir
konnten uns nicht durchsetzen, und wie sich in den folgenden Jahren und
Jahrzehnten herausstellte, war die Entscheidung, loszuschlagen richtig und hat
schließlich – wie ich heute überzeugt bin – nicht nur den Südtirolern ein
großes Maß an zusätzlicher Freiheit und Selbstbestimmung gebracht, sondern auch
Italien einen Krisenherd erspart, der langfristig wohl nicht zu vermeiden
gewesen wäre.“
Jedenfalls wurde es mit
den „Nadelstichen“ in Südtirol ernst: Ende 1960 wurde eine Sprengladung in
einem Rohbau für italienische Zuwanderer in Bozen gelegt. Anfang 1961 folgten
weitere aufsehenerregende Schläge: Gegen den „Aluminium Duce“ von Waidbruck,
gegen die unbewohnte Villa eines faschistischen Senators sowie gegen Bauten für
Zuwanderer in Bozen, Meran und Sarntheim. Diese punktuellen Attentate
bereiteten die „Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961 vor: 37
Hochspannungsmasten wurden gesprengt, einige beschädigt, was die
Stromversorgung in einigen Teilen Südtirols zusammenbrechen ließ „Damit“, so
der „Spiegel“, „schien sich ein mitteleuropäisches Ferienparadies über Nacht in
einen Partisanenkriegsschauplatz zu verwandeln.“
In den neuen Dokumenten, die nun für die Forschung
zugänglich sind, stellt Molden jede Involvierung in solche Aktionen in Abrede.
So gab er in der Vernehmung am 24. Februar 1961 an:
- „Ich bin von Beruf Journalist und
Zeitungsherausgeber und als solcher – wie schon erwähnt – an der
politischen Entwicklung für ein freies Südtirol sehr interessiert. Es ist
jedoch niemals meine Aufgabe gewesen, noch verfüge ich in diesem
Zusammenhang über irgendwelche Vorkenntnisse, mich mit dem Transport oder
der Anwendung von Sprengstoffen in Südtirol zu beschäftigen oder etwa
solche Transporte zu finanzieren. Als Kulturmensch lehne ich im Übrigen
Gewalttaten ab.“
- „Ich weiß, dass von Seiten des ‚Berg
Isel-Bundes’ im Einvernehmen mit dem Generalsekretär der Südtiroler
Volkspartei hie und da politisch-propagandistische Funktionärs-Schulungen
für Südtiroler SVP-Funktionäre in Innsbruck stattfinden. Es könnte sein,
dass diese politischen Schulungen mit irgendwelchen organisatorischen
Schulungskursen verwechselt wurden. Ich selber habe auch an solchen Schulungskursen niemals
teilgenommen. Ich wiederhole und betone ausdrücklich, dass mir von
Schulungskursen für Sabotage, Anschläge usw. in diesem Zusammenhang nichts
bekannt ist, und ich persönlich glaube auch nicht an die Richtigkeit
solcher Gerüchte.“
- Molden zitierte im Rahmen der Vernehmung
aus einer Richtigstellung, die er 1960 an eine italienische Zeitung geschickt
hatte: „Richtig ist ferner, dass sich seit Jahren bemüht war und weiterhin
bemüht sein werde, der – wie es mir scheint – außerordentlich gerechten
Sache Südtirols, sei es nun publizistisch, sei es auch durch allerdings
recht bescheidene Hilfeleistung jede nur mögliche Unterstützung zu
gewähren.“
- Die Darstellung im „Spiegel“ wies Molden
zurück: „Ich bin lange genug im 2. Weltkrieg in der Wehrmacht und in der
Widerstandsbewegung tätig gewesen, um zu wissen, dass ein solches
Freikorps, das allerdings nur in der Fantasie einiger unterbeschäftigter
Auslandsjournalisten besteht, falls es existieren würde, bei Gott völlig
anders aussehen müsste als so, wie es sich der ‚Spiegel’ vorstellt.“
- „Ich möchte abschließend noch einmal
festhalten, dass sich nicht glaube, dass das Südtirolproblem durch
Gewalttaten gelöst werden kann. Es ist jedoch klar darauf hingewiesen,
dass wenn es überhaupt in Südtirol zu solchen bedauerlichen Aktionen immer
wieder – und nicht erst seit einem Jahr – kommt, dies meiner Auffassung nach
nicht auf irgendwelche geheimnisvollen österreichischen Organisationen,
sondern, im ganzen genommen, auf die völlig falsche Politik Italiens in
Südtirol und die damit verbundene Verbitterung weiter Kreise des
Südtiroler Volkes zurückzuführen ist. Wenn Italien den Südtirolern endlich
wenn schon nicht die Selbstbestimmung, so doch die Autonomie gewähren
würde, wäre meiner Auffassung nach auch die Voraussetzung für eine
friedliche Atmosphäre geschaffen und niemand müsste sich mehr länger mit
unsinnigen Kombinationen über Attentate, Sabotageakte oder
Untergrundbewegungen beschäftigen.“
Hinweis: Artikel zur Rolle Österreichs im Südtirolkonflikt