Gekürzte Version erschienen in profil Nr. 29/2014, 34-36.
Im Salzkammergut verschwanden in den Kriegswirren von 1945 im großen Stil Raubkunst, Nazigold und Geheimdokumente. Am bekanntesten ist bis heute der „Schatz“ im Toplitzsee. Zeit, der Legende mit Hilfe offizieller Ermittlungsakten auf den Grund zu gehen.
Im Salzkammergut verschwanden in den Kriegswirren von 1945 im großen Stil Raubkunst, Nazigold und Geheimdokumente. Am bekanntesten ist bis heute der „Schatz“ im Toplitzsee. Zeit, der Legende mit Hilfe offizieller Ermittlungsakten auf den Grund zu gehen.
Es ist halb zwei
Uhr früh am 6. Oktober 1963 – an den Ufern des Toplitzsees wird ein Schlauchboot
zu Wasser gelassen. 60 Meter vom Ufer entfernt, unternimmt dann der 19jährige
Münchner Franz Egner einen illegalen Tauchgang, während ein Signalmann im Boot
zurückbleibt. Fünf weitere Helfer warteten die ganze Zeit über am Seeufer oder
behalten die Zufahrtswege im Auge. Mit Egner verständigt man sich über
Zugzeichen an der Sicherungsleine. Nach 20 Minuten kommt von Egner keine
Reaktion auf die Aufforderung zum Auftauchen. Ein Versuch, die Nylonschnur einzuholen,
scheitert. „Wir überlegten uns, was passiert sein konnte und hofften, dass sich
lediglich die Leine irgendwo festgehakt hatte, der Taucher aber noch die Möglichkeit
hatte, den Karabinerhaken von der Leine auszuklinken, um aufzusteigen. Wir
haben dann den See und das Ufer abgesucht, bis wir erkennen mussten, dass auch
diese Hoffnung vergeblich war“, gibt einer ein Beteiligter später zu Protokoll.
Weitere Rettungsversuche werden als „aussichtslos“ aufgegeben. Um der Festnahme
zu entgehen, wird das Unglück erst in Bayern Egners Eltern gemeldet, die dann
die Behörden einschalten.
Ufer des Toplitzsees: Von hier aus startete Franz Egner seinen Tauchgang (Quelle: Alle Fotos Autor) |
Erst am 30.
Oktober 1963 wurde die Leiche des vermissten Tauchers geortet. Die Obduktion
ergab, dass Egner einer tödlichen Mischung aus Leichtsinn und mangelnder
Erfahrung zum Opfer fiel. Sich alleine und in übermüdetem Zustand in die Tiefe
zu wagen, verstieß gegen alle Regeln des Tauchsports. Die ungenügende Ausrüstung
tat ihr übriges. Ohne Schwimmkörper hatten die schweren Pressluftflaschen Egner
immer weiter hinunter gedrückt, während sein „Nasstauchanzug“ keinen Schutz
gegen das 3 Grad kalte Wasser bot. Auf Grund von Sauerstoffmangel im Gehirn
verfiel Egner schließlich in „Tiefenrausch“: Halb bewusstlos riss er sich
selbst das Mundstück weg und ertrank. Seine deutschen Auftraggeber – der
ehemalige Spion des NS-Geheimdiensts und zeitweiliges Vorstandsmitglied in der
„Reichspartei“, Georg Freiberger, der Augenarzt Karl Heinz Schmidt und der Ingenieur
Gottfried Oswald wurden 1965 wegen fahrlässiger Tötung zu 5 Monaten bedingt
verurteilt. Egner habe einen „schönen, leichten Tod gefunden, für den die
Angeklagten aber nicht verantwortlich sind“, hatte die Verteidigung aufhorchen
lassen.
Der Tauchunfall
vor etwas mehr als 50 Jahren ist fester Bestandteil des Mythos um den
Toplitzsee – in dem kleinen, aber stellenweise bis zu 103 Meter tiefen See im
Salzkammergut, werden seit Kriegsende „Nazigold“ und geheime Dokumente
vermutet. Genau deswegen war auch Egner angeworben worden, aber die Schatzsuche
endete tragisch. Eben weil es bis heute an harten Fakten mangelt, wird hier die
Geschichte der Schatzsuche anhand bislang unveröffentlichter Akten aus dem Wiener
Staatsarchiv rekonstruiert. Daraus geht hervor: Der See war schon 1963, kurz
nach dem Tode Egners, im Rahmen einer offiziellen Bergeaktion „abgegrast“
worden – ohne dass sich irgendwelche Reichtümer gefunden hätten. Dass sich die
Faszination vom Nazigold als stärker erweisen sollte, hing auch damit zusammen,
dass sich der Toplitzsee-Mythos im Kalten Krieg perfekt für politische
Intrigenspiele eignete.
Pittoresker und geheimnisvoller Alpensee |
Die
Hinterlassenschaft der Nazizeit im Salzkammergut ist ein aktuelles Thema
geblieben: Kürzlich erinnerte George Clooneys Film „Monuments Men“ an die
Rettung des „Kunstschatz“ im Bergwerk von Altaussee. In den dortigen Stollen
konnten 6.500 Gemälde und andere Raubkunst
vor der Zerstörung bewahrt werden. Auch die Kunstsammlung der Familie Gurlitt sorgte für hiesige Kontroversen: Wolfgang Gurlitt besaß unter
anderem ein Haus in Bad Aussee, das im Dritten Reich als Tummelplatz für Kunsthändler
galt. Ob somit auch hier Bilder aus dubioser Provenienz aufbewahrt wurden,
konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Experten bezweifeln letzteres.
Zugang zum Salzbergwerk von Altaussee |
Flucht in die „Alpenfestung“
Begonnen hatte
alles mit dem Drama der letzten Kriegstage: Der Talkessel des Ausseerlands
zwischen Dachsteinmassiv und Totem Gebirge war 1945 zum Fluchtpunkt der
Nazi-Elite sowie zerschlagener SS- und Heeresverbände geworden. Das Gebiet
befand sich im Herzen der sogenannten „Alpenfestung“. Seit 1943 hatte es
Planungen gegeben, in den Gebirgsregionen Bayerns, Tirols und Westösterreichs ein
„nationales Bollwerk“ zu errichten. Die Alliierten nahmen die Berichte darüber
so ernst, dass Oberbefehlshaber Eisenhower Ende März 1945 starke Verbände nach
Süden umdirigierte. Dabei war die „Alpenfestung“ über das Planungsstadium nur
ansatzweise hinausgekommen. Aber die Schimäre übte auch umgekehrt auf
hochrangige Nazi-Führer eine große Anziehungskraft aus – während es Hitler
abgelehnt hatte, sich dorthin zu retten, quartierten sich spätestens im April
1945 der stellvertretende SS-Führer Ernst Kaltenbrunner, der Organisator der
Endlösung, Adolf Eichmann, und Kommandoführer Otto Skorzeny im Ausseerland ein.
Als „eiserne Reserve“
mitgebracht wurden jene Reichtümer, deren Verbleib bis heute den Stoff für Schatzgeschichten
liefert: Eichmann beispielsweise soll auf der Blaa-Alm 22 Kisten mit geraubten
jüdischen Wertgegenständen verscharrt haben. Geschätzter Wert: 8 Millionen
Dollar. Doch Bettina Stangneth, Autorin einer aktuellen Eichmann-Biografie,
winkt ab. Solche „Geschichten“ hätten den Mythos einer im Untergrund
operierenden Nazi-Verschwörung genährt und zur Vorstellung gepasst, „dass der
Krieg den Nationalsozialismus nicht vollständig besiegen konnte“. Tatsächlich sichergestellt
wurde im Mai 1945 der „Salatbeetschatz“ Kaltenbrunners – im Garten seines
Fluchtquartiers, der Villa Kerry in Altaussee: Mehrere Kassetten mit
Goldstücken, deren genauer Wert sich nicht mehr beziffern lässt. Weiters stieß
man im Herbst 1945 zufällig auf Geld und Dokumente rumänischer
NS-Kollaborateure in einem Versteck im Rettenbachtal. Und welche Rolle spielte in
diesem Zusammenhang der Toplitzsee? Anfang Mai 1945 wollen Augenzeugen
beobachtet haben, wie SS-Männer rund 60 Holzkisten zum See transportierten.
Dort war seit 1943 eine Versuchsstation der Kriegsmarine eingerichtet, die Unterwasserraketen
und Sprengstoffe erprobte. Nicht mehr verwertbare Bestände der Station wurden
unmittelbar vor Kriegsende im See versenkt – so wie auch jene Kisten, deren
genauer Inhalt bis heute die Fantasie der Schatzsucher anregt.
Hinterlassenschaft der Marine-Versuchsstation: Deutsche Seemine wurde aus dem Toplitzsee geborgen |
Schon 1946 soll der
amerikanische Militärgeheimdienst Tauchgänge durchführen haben lassen, die aber
rasch abgebrochen wurden. „Beweise für derartige Tauchversuche sind allerdings
nicht vorhanden“, heißt es in einem Dokument von 1971 aus dem Toplitzseeakt des
Innenministeriums. Und weiter: „Tatsache jedenfalls aber ist, dass im Laufe der
Jahre immer wieder in den Massenmedien von einem ‚Schatz im Toplitzsee’
berichtet worden ist und dass sich auf diese Weise im Laufe der Zeit eine
Legende gebildet hat, deren Ergebnis dass von verschiedensten Personen
bewiesene Bestreben war, eine Bergung dieses ominösen Schatzes vorzunehmen.“
Wahrer Kern der Legende – das
„Unternehmen Bernhard“
Schon 1959
schien eben diese Sensation perfekt. Eine vom deutschen Nachrichtenmagazin „Der
Stern“ finanzierte Expedition stieß in 80 Meter Tiefe auf den wahren Kern der
Toplitzsee-Legende. Gefunden wurden „weder Wertgegenstände noch historisch oder
sonstwie bedeutsame Dokumente“ hielt man im Innenministerium fest: „Es ist
lediglich gelungen, eine größere Anzahl von Kisten, die gefälschte Pfundnoten
enthielten zu heben sowie eine Kiste zu bergen, in der sich u. a. verschiedenes
Fälschungsmaterial und auch eine Häftlingsliste vom ehemaligen
Konzentrationslager Sachsenhausen befunden haben.“ Als „Andenkenjäger“
versuchten, noch weitere Blüten aus dem See zu fischen, wurde „veranlasst“,
„eventuell noch vorhanden gewesene Pfundnoten in tiefere Seegründe“ abzuspülen,
„wo sie durch Amateurtaucher nicht mehr erreichbar sind“. Das geborgene
Falschgeld, schätzungsweise 3.200.000 Scheine, wurde in insgesamt 64 Kisten
umgepackt. Es gehörte zu einer Operation des SS-Geheimdiensts, dem „Unternehmen
Bernhard“: Zwischen 1942 und 1945 hatten 142 jüdische Häftlinge des KZ
Sachsenhausen etwa 134 Millionen Pfundnoten hergestellt, von denen 8 Prozent in
Umlauf kamen. Das ursprüngliche Ziel, damit die britische Wirtschaft zu
destabilisieren, wurde nie realisiert. Stattdessen wickelte man Waffen- und
Rohstoffkäufe sowie die Bezahlung von Agenten ab. Um alle Spuren zu verwischen,
wurden die verbliebenen Blüten, Produktionsmaterial und Unterlagen im
Toplitzsee beseitigt – aber nicht für alle Ewigkeit: Eine der geborgenen Kisten
war über ein Stahlseil mit einem Schwimmer verbunden, der unter der
Seeoberfläche trieb: „Durch diese Vorrichtung hätte es möglich gemacht werden
sollen, dass ohne jeglicher weiterer optischer oder akustischer Mittel die Ortung
der versenkten Kisten möglich ist“, so der Bericht. Der Versenkungsort war also
für eine spätere Bergung „markiert“ worden – mit der Zeit waren Seil und
Schwimmer allerdings auf den Grund gesunken.
Ebenfalls geborgen: Ein "Röchling-Geschoss" |
Der im Grunde
profane Falschgeldfund wurde in den Medien gründlich aufgebauscht, wie die Behörden
registrierten: „So wurde von der Auffindung eines Tagebuches des Reichsführers
SS Himmler berichtet, obgleich ein solches niemals auch nur andeutungsweise
gefunden worden wäre. Auch über die angeblichen Sabotageakte wurde mehrfach
berichtet, die jeglicher Grundlage entbehrten. Es ereignete sich lediglich ein
Fall, bei welchem sich ein Halteseil des Floßes entweder selbst löste oder aus
Bosheit gelöst wurde. In der Presse wurde dieses Vorkommnis als Sabotage und schwere
Gefährdung der sich am Floss befindlichen Personen dargestellt.“ Dass ein
wachsames Netzwerk ehemaliger SS-Offiziere den Schatzsuchern nach dem Leben
trachte, war auch der Stoff des Films „Der Schatz vom Toplitzsee“, den Franz
Antel noch 1959 ins Kino brachte. Ebenso erklärte man eine Serie von
Todesfällen in der Umgebung des Sees zwischen 1945 und 1953 mit den
Machenschaften dunkler Mächte. Tatsächlich handelte es sich um Alpinunfälle –
weder waren einige der Toten, wie behauptet, frühere Mitarbeiter der
Marineversuchsstation noch standen sie miteinander in Verbindung. Auch der Tod
des Tauchers Egner 1963 wurde von der Boulevardpresse sofort zum hinterlistigen
Mord stilisiert. „Bild“ titelte nicht umsonst in dicken Lettern: „Wer das Gold
holt – der riskiert sein Leben.“ Zur Schauerromantik passten auch Geschichten
von „Autos mit verhängten Nummerntafeln und abgeblendeten Scheinwerfern“, die
nächtens „geheimnisvolle Besucher“ zum See brachten.
Info-Tafel bei Fischerhütte am Toplitzsee (Stern-Expedition 1959) |
„Der Banditenschatz“ – der Toplitzsee und
der Kalte Krieg
Die
Sensationslust wurde zum Teil gezielt angeheizt. Beispielsweise behauptete die sowjetische
„Prawda“ 1963, dass der Toplitzsee ein schmutziges Geheimnis berge: Dokumente
des SS-Geheimdienstes, deren Bekanntwerden viele hochstehende Persönlichkeiten
in Westdeutschland als Nazis belasten würde. In der DDR wiederum
veröffentlichte der als Enthüllungsjournalist getarnte Stasimajor Julius Mader 1965
„Der Banditenschatz“. Mader ging es dabei nicht um Fakten, sondern darum, einen
Beitrag zum Propagandakrieg zwischen Ost und West zu leisten. Der Toplitzsee
sei zum „Tresor“ umfunktioniert worden, damit die „Reste des Nazischatzes“ und
„die Schlüssel zu den in Depots verlagerten Reichtümern“ in den Händen der
„Erben hitlerscher Raubpolitik“ blieben. Diese waren für Mader niemand anderer
als die Führungselite der gegnerischen Bundesrepublik. Schon 1962 hatte er Kontakte
zur „Forschungsgemeinschaft Toplitzsee“ (FGT) geknüpft, die sich mehrfach um
Bergegenehmigungen bei der österreichischen Regierung bemüht hatte. Erster
Vorsitzender der FGT war bezeichnenderweise der ehemalige SS-Sturmbannführer
Friedrich Schwend, der Vertriebsleiter des „Unternehmen Bernhard“. Sein
Generalbevollmächtigter und später dritter Vorsitzender, der Karlsruher
Pharmahändler Heinz Riegel, führte eine jahrelange Kampagne: „Wir wollen
tauchen, dafür gehe ich bis in die Hölle.“ Um Druck auszuüben, behauptete
Riegel, die Behörden würden bewusst einen Deckel über den See halten, damit
keine Kontonummern oder Namenslisten ans Tageslicht gelangen. Das war ganz im
Sinne der Stasi, die angeblich die FGT finanziell unterstützte. Laut dem
Berliner Journalisten Andreas Förster plante der DDR-Geheimdienst sogar eigene
Erkundungen: Örtlichkeiten wurden von „Touristen“ ausgekundschaftet,
Spezialtaucher trainierten das Bergen aus großer Tiefe – ehe politische
Überlegungen das Manöver stoppten.
Aktion Tarnvorhang
In Österreich
wiederum war nach dem eingangs erwähnten Tauchunfalls Egners die Forderung nach
einer umfassenden Suche unüberhörbar geworden. „Die Tragödie im Toplitzsee
sollte ein weiterer Grund dafür sein, endlich eine offizielle Bergungsaktion
einzuleiten, die dem Spuk ein Ende macht“, befand etwa der „Kurier“. In die
Diskussion schaltete sich auch „Nazijäger“ Simon Wiesenthal ein: Dieser hatte,
wie sein Biograph Tom Segev vermerkt, „eine große Schwäche für Geheimnisse“ und
ließ sich von den Gerüchten rund um den Toplitzsee „gefangen nehmen“. In der
dicken Akte, die Wiesenthal dazu anlegte, findet sich auch ein Brief an
Innenminister Franz Olah vom 23. Oktober 1963. Darin äußert Wiesenthal Überzeugung,
„dass im Toplitzsee Dokumente über die Verlagerung deutschen Kapitals befinden,
das heißt die sogenannte Liste der Depositare.“ Damit meinte Wiesenthal die Verfügungsberechtigten
der Auslandskonten, auf die die Nazi-Fluchtgelder transferiert worden waren. Beleg
war das Protokoll einer Geheimkonferenz: Am 10. August 1944 sollen Vertreter
der SS und der deutschen Industrie in Straßburg abgemacht haben, Devisen und
Goldschätze in Sicherheit zu bringen, um damit später ein „viertes Reich“ zu
finanzieren. Aber auch diese Spur führt ins Leere – die Authentizität des
Dokuments gilt als umstritten.
Relikte aus dem Toplitzsee (Museum Bad Aussee) |
Noch lebende
NS-Täter dagegen winkten von Beginn an ab. Auf den Toplitzsee angesprochen,
sagte Otto Skorzeny der „Kronen Zeitung“: „Nein, da ist nichts drin. Höchstens
ein Haufen gefälschter Pfundnoten und Waffen.“ Nicht viel anderes lautete die
Antwort des SS-Geheimdienstmanns und späteren honorigen Privatschuldirektors in
Bad Aussee, Wilhelm Höttl: „Wer würde auch so dumm sein, Gold in einen
abgrundtiefen See zu werfen? Gold vergräbt man.“ Höttl wusste offenbar, von was
er sprach: Stand er doch seit 1949 in Verdacht, bei Kriegsende rund um Bad
Aussee „größere Mengen von Opium und eine Kiste mit Gold und Preziosen“ versteckt
zu haben. Um die ausufernden Spekulationen zu beenden, wurde schließlich zwischen
23. Oktober und 6. Dezember 1963 die „Aktion Tarnvorhang“ durchgeführt. Zum
Ärger von rund 150 angereisten Journalisten aus dem In- und Ausland wurde das
gesamte Gebiet um den See zur Sperrzone erklärt und zeitweise von 130 Gendarmen
bewacht. Unterstützt von einer Wiener Spezialfirma verbrachten Taucher des
Entminungsdiensts insgesamt 302 Stunden unter Wasser. Nach einer Woche wurde,
wie eingangs erwähnt, die Leiche Egners lokalisiert. Über die weiteren Ergebnisse
heißt es in den Ermittlungsakten: „Mehr als die Hälfte des Seegrundes wurde mit
einer Förster-Sonde abgesucht und mittels Unterwasserfernsehkamera geortet.
Geborgen wurden folgende Gegenstände: Verschiedenes Kriegsgerät der
seinerzeitigen Marineversuchsstation Toplitzsee; falsche Pfund-Noten im Werte
von 5, 10, 20 und 50 Pfund; 44 Druckstöcke zur Herstellung von Pfund-Noten; 236
Einsätze für Druckstöcke; Druckstöcke für verschiedene falsche Ausweise; 10
Nummeratoren groß und 20 Nummeratoren klein; 6 Druckplatten für verschiedene
Ausweise; 74 Probeplatten aus Zink, 14 Probeplatten aus Messing (sie dienten
zur Herstellung der Drucklettern auf den Druckstöcken). Das geborgene
Falschgeld wurde am 28. 4 1964 in der Verbrennungsanlage der Österreichischen
Nationalbank in Wien im Beisein von zwei Beamten der Bank von England
verbrannt. Das drucktechnische Material wurde von den Beamten der Bank von
England gegen Bestätigung übernommen.“
„Reine Erfindung“
Die Kosten der
„Aktion Tarnvorhang“ beliefen sich auf rund zwei Millionen Schilling. Nicht
ohne gewissen Stolz wurde abschließend verlautbart: „Wir haben unser Ziel
erreicht und bewiesen, dass der See leer ist.“ Zu diesem Zeitpunkt war das Gros
der Journalisten aus Protest gegen die rigiden Absperrmaßnahmen längst
abgereist. In den Wochen davor waren die Wellen noch hochgegangen: Wie selbst
die „Kronen Zeitung“ kritisch anmerkte, hatten zahlreiche „Großsprecher“ die
„weit verbreitete Toplitzitis“ ausgenützt. Auch die Glaubwürdigkeit der
„Forschungsgemeinschaft“ erhielt Risse. Man hatte ihren Generalbevollmächtigten
Riegel hinzugezogen, aber an den von ihm bezeichneten Stellen nichts gefunden.
„Er hat dann damals zugeben müssen, dass er sein angebliches Wissen nicht aus
eigenen Wahrnehmungen besitze, sondern aus verschiedenen dubiosen Quellen
beziehe. Dass er ungeachtet dieses damaligen Eingeständnisses schon kurze Zeit
später wieder mit seinen alten Behauptungen an die Öffentlichkeit getreten,
gibt wohl ein eindeutiges Urteil über seine Seriosität ab“, fasst ein Bericht
von 1971 zusammen. Darin ist auch festgehalten, dass für die amtlichen Stellen
„die Angelegenheit der angeblich im Toplitzsee befindlichen Schätze und
Dokumente“ mit der Suche von 1963 „abgeschlossen“ war: Es sei der Beweis
erbracht, dass die Mutmaßungen „um ein im Toplitzsee verschlossenes Geheimnis
reine Erfindung sind“. Ungeachtet dessen würden sich immer Leute finden, die
„Legendenbildung“ betreiben – dagegen könne nichts unternommen werden: „Es
besteht aber Grund zur Annahme, dass Triebfeder all dieser Publikationen nur
Sensationslust oder aber ein gewisses Profitstreben sein können.“
Der Toplitzsee
verlor jedenfalls nichts von seiner Anziehungskraft: Nach 1963 fanden
zahlreiche Tauchgänge des Entminungsdiensts sowie mehrere internationale
Expeditionen statt. Am erfolgreichsten war der deutsche Meeresbiologe Hans
Fricke, der dreimal mit den Forschungs-U-Booten „GEO“ und „JAGO“ den Alpensee
erkundete. Seine Entdeckung des Toplitzsee-Wurms „Willi“, der in einer
Schwefelwasserstoff-Substanz ganz ohne Sauerstoff auskommt, fand wenig
Resonanz. Interessierter waren die Medien an den Relikten, die Fricke bei
seiner ersten Expedition 1983 in 80 bis 103 Metern Tiefe am Seegrund gesichtet
hatte – „vor allem Metallteile und Raketentreibsätze, zwei Fliegerbomben sowie
Funkgeräte und Messinstrumente“. Die Frage, „ob hinsichtlich des georteten
Falschgelds und der noch ungeöffneten Kisten, die eventuell geheimes
Aktenmaterial beinhalten könnten, weitere Aktivitäten erfolgen sollen,“ wurde
Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Robert Danzinger, zunächst noch
negativ beschieden. Doch schon 1984 bargen Heerestaucher unterstützt von Fricke
die ausgemachten Kriegsrelikte und das Falschgeld.
Peinlich endete dagegen
ausgerechnet die bislang technische aufwendigste Aktion: Ein vom amerikanischen
TV-Sender CBS finanziertes Unternehmen barg im Jahr 2000 eine Kiste, die statt
Gold nur die gesammelten Kronenkorken einer Stammtischrunde enthielt. Zuletzt
wurde 2009 ein mehrmals verschobenes Projekt von Seiten des Tauchteams
abgesagt. Zunehmend hatte sich bestätigt, was der „Spiegel“ schon 1963 befunden
hatte: Der Toplitzsee war doch nur der „Mülleimer des Dritten Reiches“. Klar
ist aber auch, die Schatzsuche wird weitergehen…
"Schatzkiste" - von der CBS-Expedition geborgen |