Udo Albrecht, rechte Schlüsselfigur in der BRD, plante
in den 1970er Jahren mit österreichischen Neonazis die Ermordung Simon
Wiesenthals – und den Schulterschluss mit palästinensischen Terroristen.
Der Mann mit dem blassen
Gesicht und der auffällig hohen Stirn war kein gewöhnlicher Häftling. Es handle
sich um einen „kriminell mehrfach vorbestraften Menschen, mit gefährlicher,
nicht durchschaubarer, radikaler, nationalistischer Einstellung und Überzeugung“,
notierte ein Beamter nach dem Verhör. Wenig später wurde der Gefangene in den
Hochsicherheitstrakt der Strafanstalt Stein verlegt. Es hieß, palästinensische
Terroristen würden seine Befreiung vorbereiten. Wer war der Deutsche, der die
österreichischen Sicherheitsbehörden Anfang der 1970er Jahre in nervöse Unruhe
versetzte? Auf Basis neuer Dokumente aus dem Wiener
Staatsarchiv und von der Stasi-Behörde wird die abenteuerliche Geschichte des
deutschen Neonazis Udo Albrecht und seiner Terrorverbindungen nach Österreich erstmals rekonstruiert.
Albrecht, 1940 in Ostdeutschland
geboren und später in den Westen geflohen, war seit seinem 16. Lebensjahr in
kriminelle Machenschaften verstrickt: Diebstahl, Bankraub und Waffenhandel. Gefängnismauern
hielten ihn nie zurück – insgesamt sieben Mal brach Albrecht aus diversen
Anstalten aus. Willi Voss, ein früher
Mitstreiter, der sich später vom Rechtsextremismus lossagte,
charakterisierte den schillernden Desperado so: „Was Albrecht kennzeichnete,
war sein starres Denken und Beharren auf einmal gemachte Aussagen. Auch sein
extrem ausgebildetes Geltungsbedürfnis, das jedoch leicht mit fundierter Kritik
erschüttert werden konnte.“
Offizier im PLO-Geheimdienst
Der Schwerkriminelle war darüber
hinaus ein radikaler Neonazi, der eine Vision verfolgte: An der Seite der
Palästinenser den Kampf gegen den „Zionismus“ und Israel zu führen. Es blieb
nicht bei Tagräumereien. Schon seit Mitte der 1960er Jahre versuchte Albrecht
Freiwillige für ein „Hilfscorps Arabien“ zu rekrutieren. 1970 ging er dann für fünf
Monate nach Beirut, wo ihn die PLO mit offenen Armen aufnahm. Unter dem
Kampfnahmen „Hermann Hell“ wurde Albrecht Offizier im PLO-Geheimdienst. Ein
Foto, das er stolz in österreichischer Haft vorwies, zeigte ihn auf einem
eroberten Panzer. Der Deutsche war mitten in die Wirren des „schwarzen
September“ geraten, die in der Vertreibung der PLO aus Jordanien gipfelten. Auch
danach übernahm Albrecht immer wieder „Jobs“ für die Palästinenser, so etwa die
Vorbereitung von Anschlägen in Europa.
Albrecht steht wie kein
anderer steht Albrecht für die auf den ersten Blick bizarr anmutende Achse
zwischen Rechtsradikalen und palästinensischen Terroristen. Doch so
unterschiedlich die ideologischen Zugänge sein mochten, Antisemitismus einte
die ungleichen Partner. Albrecht sei der Auffassung, „dass der Zionismus der
‚Weltfeind Nummer eins’ sei und gewaltsam bekämpft werden müsse.“ Ausgehend
davon habe er sich entschlossen, „Verbindungen zu verschiedenen gegen Israel
tätigen Kräften in arabischen Ländern aufzunehmen.“ Das war die Einschätzung
der DDR-Staatssicherheit, die Albrecht nach seiner Flucht 1981 hinter den
Eisernen Vorhang ausführlich verhörte.
1971 in Österreich inhaftiert und nach Drohungen freigelassen
Gegenüber der Stasi gab Albrecht auch an, wie es ihn in eine österreichische Gefängniszelle verschlagen hatte: Im Dezember 1970 hatte er im Auftrag der „El Fatah“, Jassir Arafats eigener Gruppe im Rahmen der PLO, Sprengstoff nach Zürich geschmuggelt. Dieser sollte für ein Attentat auf die israelische Botschaft verwendet werden. Noch in einem Züricher Hotel erfolgte die Festnahme, doch bereits vier Wochen später gelang Albrecht die Flucht. Er passierte die österreichische Grenze bei Hohenems und versuchte sich weiter durchzuschlagen. Am 8. Februar 1971 wurde Albrecht nach einem PKW-Diebstahl und einem Tankstelleneinbruch in Pressbaum bei Wien verhaftet. Man verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft. Um der Auslieferung an die BRD zu entgehen, stellte Albrecht einen Asylantrag, der freilich abgelehnt wurde. Den Bekundungen des Häftlings wurde kein Glauben geschenkt – vielmehr könne gesagt werden, „dass Udo Albrecht mit allen Mitteln versucht, seinem kriminellen Vorleben einen politischen Anstrich zu verleihen“. Darüber hinaus sei Albrecht gefährlich, weil er das bestehende Regierungssystem mit Gewalt ändern wolle. Zu diesem Zweck habe er vor außerhalb Deutschlands „eine Organisation, die durch Sprengungen und andere Gewaltakte die Öffentlichkeit auf sich lenkt, aufbauen“.
Gegenüber der Stasi gab Albrecht auch an, wie es ihn in eine österreichische Gefängniszelle verschlagen hatte: Im Dezember 1970 hatte er im Auftrag der „El Fatah“, Jassir Arafats eigener Gruppe im Rahmen der PLO, Sprengstoff nach Zürich geschmuggelt. Dieser sollte für ein Attentat auf die israelische Botschaft verwendet werden. Noch in einem Züricher Hotel erfolgte die Festnahme, doch bereits vier Wochen später gelang Albrecht die Flucht. Er passierte die österreichische Grenze bei Hohenems und versuchte sich weiter durchzuschlagen. Am 8. Februar 1971 wurde Albrecht nach einem PKW-Diebstahl und einem Tankstelleneinbruch in Pressbaum bei Wien verhaftet. Man verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft. Um der Auslieferung an die BRD zu entgehen, stellte Albrecht einen Asylantrag, der freilich abgelehnt wurde. Den Bekundungen des Häftlings wurde kein Glauben geschenkt – vielmehr könne gesagt werden, „dass Udo Albrecht mit allen Mitteln versucht, seinem kriminellen Vorleben einen politischen Anstrich zu verleihen“. Darüber hinaus sei Albrecht gefährlich, weil er das bestehende Regierungssystem mit Gewalt ändern wolle. Zu diesem Zweck habe er vor außerhalb Deutschlands „eine Organisation, die durch Sprengungen und andere Gewaltakte die Öffentlichkeit auf sich lenkt, aufbauen“.
Da schlug plötzlich auch noch
Interpol Alarm: Aus Wiesbaden kam die Meldung, „dass Albrecht Verbindungen zur
Terrororganisation ‚El Fatah’ hat und von Mitglieder dieser Organisation aus
der Haft befreit werden soll“. Daraufhin wurde Albrecht am 1. August 1972 von
Garsten nach Stein überstellt. Die Haftbedingungen wurden erheblich verschärft,
sodass er selbst ein halbes Jahr nicht wusste, wo er sich eigentlich befand. Währenddessen schritten die Befreiungspläne
voran. Albrechts gute Verbindungen nach Beirut machten sich jetzt bezahlt. Abu
Daoud, Spitzenmann des PLO-Geheimdienstes für internationale Einsätze, traf
sich mit Willi Voss, in einem Dortmunder Hotel. Angesprochen auf Albrechts
missliche Lage, lächelte Daoud „sybillinisch“ und verwies auf die nahe Zukunft,
„die die Lösung auch für dieses Problem bringen würde“. Daoud befand sich
damals noch aus einem anderen Grund in Deutschland: Er bereitete den Anschlag
auf die Olympischen Spiele in München vor. Voss, der Daoud als Fahrer diente
und logistisch unterstützte, vergaß darüber nicht auf Albrecht. Als dieser verlegt
wurde, war klar, dass eine Befreiung nur „von außen“ erfolgen konnte: „Das ließ
sich aber nur machen, wenn an Ort und Stelle die Bedingungen recherchiert
wurden.“ Anfang August 1972 legte Voss dem PLO-Geheimdienstchef Abu Iyad den entsprechenden
Plan vor: „Ich bat ihn, mir die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Er
willigt ein.“
Wie Albrecht später erfuhr,
waren diese Absprachen „unter nicht bekannten Umständen“ verraten worden. Zumindest
mit der Haft in Stein war es vorbei – die österreichischen Behörden, so Albrecht
später gegenüber der Stasi, wollten ihn nach den Drohungen „so schnell wie
möglich loszuwerden“. An die BRD ausgeliefert, gelang Albert aber schon 1974
die Flucht.
Geplantes Attentat auf Simon Wiesenthal
Während dieser Zeit
unterhielt Albrecht Verbindungen zu Rechtsextremisten in ganz Europa – so auch
nach Österreich. Ein wichtiger Grund hierfür war, wie Albrecht selbst der Stasi
erzählte, dass ein Anschlag auf „Nazijäger“ Simon Wiesenthal geplant wurde.
Dies habe seinen Vorstellungen über „einen weltweiten antizionistischen Kampf“
entsprochen. Albrecht traf sich 1976 in Wien mehrmals mit Norbert Burger, Schlüsselfigur
der österreichischen Rechten und Gründer der Nationaldemokratischen Partei
(NDP). Dieser brachte Albrecht mit dem Leiter einer Wehrsportgruppe bekannt.
Weil sich diese konspirativ verhielt, erfuhr Albrecht weder den Namen des Manns
noch den seiner Einheit. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es sich bei
letzterer um die „Kameradschaft Babenberg“ handelte, die mit Burgers NDP eng
verbunden war. Vor der behördlichen Auflösung 1980 führte die Neonazitruppe bei
Rapottenstein paramilitärische Übungen durch – die als „knallharte
Freizeitbeschäftigung“ verharmlost wurden. Die „Babenberger“, zu denen damals
auch ein junger Gottfried Küssel zählte, forderten die „nationale Revolution“
und trainierten für eine Zukunft, „die zeigen wird, wer der Stärkere ist“.
Albrecht und seine
Kontaktleute vereinbarten, „dass er in Österreich eine Gruppe zusammenstellt,
die geschlossen auf Seiten der PLO gegen Israel kämpfen soll“. Der Deutsche übergab
einen Maschinenpistole, mehrere Pistolen, „eine oder mehrere amerikanische
Handgranaten“ sowie eine Anzahl von Passvordrucken. Waffen und Dokumente wurden
anschließend in der Nähe des Ortes Kirchberg am Wechsel, wo Burger damals
wohnte, versteckt: „Der Leiter der österreichischen Gruppe wurde von mir
aufgefordert, zu Dr. Burger zu kommen, und ich zeigte ihm dann die Stelle, an
der die Waffen und Dokumente von uns vergraben worden waren.“
Wie Albrecht von Burger und
dem anderen Neonazis erfuhr, waren bereits „konkrete Vorbereitungen und
Erkundungen“ für ein Attentat auf Wiesenthal durchgeführt worden. Albrecht war
jedenfalls bereit für diesen Fall die Waffen zur Verfügung zu stellen und auf
sie in der Folgezeit zu verzichten. Aus dem geplanten Einsatz der
österreichischen Gruppe im Libanon wurde zu Albrechts Bedauern nichts: Noch
1976 wurde er wieder einmal verhaftet und erst drei Jahre später entlassen. In
der Folgezeit unterhielt er keine Verbindung mehr zu den Österreichern.
Simon Wiesenthal dagegen
geriet sehr wohl ins Fadenkreuz der Rechtsextremisten: Am 11. Juni 1982 explodierte
ein mit Schwarzpulver gefüllter Druckkochtopf vor seiner Wohnung in Wien-Döbling.
Es entstand beträchtlicher Sachschaden, aber niemand wurde verletzt. Als
Attentäter wurde der westdeutsche Rechtsextremist Ekkehard Weil angeklagt, der
schon 1975 im Auftrag Albrechts ausrangierte Bundeswehr-Lkws an die PLO
geliefert hatte. Weil wurde 1983 wegen anderer Anschläge gegen Schöps-Filialen
in Salzburg und Wien zu drei Jahren verurteilt.
Albrecht wiederum lenkte 1980
seine krummen Nahostgeschäfte in neue Bahnen: Um den weiteren Verkauf
ausgemusterter Militärfahrzeugen an die PLO zu organisieren, gründete in Beirut
die Firma „Special Car Service“. Dafür brachte er auch die berüchtigte „Wehrsportgruppe
Hoffmann“ mit den Palästinensern zusammen. Die rechtsextremistische Vereinigung
steht bis heute im Verdacht, die Bombe auf dem Münchner Oktoberfest gelegt zu
haben. Nachdem Karl-Heinz Hoffmann und seinen Gefährten der Boden in der BRD zu
„heiß“ geworden war, setzten sie sich ganz in den Libanon ab. Doch aus den
Geschäften wurden nichts – Albrecht hatte sich rasch mit Hoffmann überworfen
und das Nahost-Abenteuer der Wehrsportgruppe endete im Desaster: Es kam zu
grausamen Folterungen und einem Fememord, viele Mitglieder desertierten. Hoffmann
selbst wurde 1981 auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet.
Im Nahen Osten untergetaucht
Albrecht wiederum saß schon
seit 1980 wieder in deutscher Haft – wegen einer Reihe von Banküberfällen. Am 29.
Juli 1981 schaffte er sein letztes Glanzstück als Ausbrecher – während eines
Lokalaugenscheins an der innerdeutschen Grenze, wo er ein Waffenversteck
benennen sollte, lief Albrecht ganz einfach über die Staatsgrenze. Die
DDR-Grenzer stoppten die Verfolger und eskortierten den Flüchtling durch ein
Loch im Zaun. Die Stasi schöpfte soviel Information wie möglich über die rechte
Szene ab und ließ sich von den palästinensischen Verbündeten Angaben
bestätigen. Am 8. August 1981 übergab man Albrecht zwei Vertretern des
PLO-Geheimdienstes. Mit einem libyschen Reisepass ausgestattet flog dieser
anschließend „ohne Zwischenfälle“ nach Damaskus. Über seinen weiteren Verbleib ist
nichts bekannt. Udo Albrechts Spuren haben sich im Nahen Osten verwischt.