Vor 50
Jahren wurde das Mitglied im „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS), Luis Amplatz,
in Saltaus bei Meran erschossen. Sein Weggefährte Georg Klotz überlebte das
Attentat schwer verletzt und konnte nach Tirol fliehen. Der Schütze,
Christian Kerbler, stellte sich zunächst der Polizei, konnte aber unter
mysteriösen Umständen fliehen. Seit damals ist der gebürtige Nordtiroler auf
der Flucht.
Klotz
und Amplatz waren am 22. August 1964 in
einem Leihwagen aus Wien verschwunden, wo sie bis dahin interniert gewesen
waren. Ihr Versuch, in Italien
„einzusickern“ endete tragisch: Als Klotz und Amplatz die Nacht vom 6. auf den
7. September 1964 in einer Heuhütte am „Brunner Mahder“ verbrachten, eröffnete ihr
Begleiter Kerbler gegen 02.30 Uhr mit einer Beretta-Pistole das Feuer. Kerbler,
ein Spitzel des italienischen Militärgeheimdiensts SIFAR, hatte sich zuvor als
Journalist ausgegeben – gemeinsam mit seinem Bruder Franz schaffte er es,
Amplatz und Klotz wieder nach Südtirol zu locken, wo diese dann in eine Falle
der italienischen Sicherheitskräfte stolpern sollten. Nachdem dieser ursprüngliche Plan nicht
aufging, erhielt Kerbler, der zwischenzeitlich ins Tal abgestiegen war, bei einer abendlichen Besprechung in der Bozener Quästur den Auftrag, „die zwei Terroristen physisch zu
eliminieren“. Als Tatwaffe wurde ihm die Dienstwaffe eines Carabinieri-Hauptmanns ausgehändigt. Hauptorganisatoren der ganzen Tat waren laut einem Zeugen der Bozner Quästor Ferruccio Allito-Bonanno sowie einige Carabinieri- und Polizeioffiziere. Der SIFAR hielt sich heraus, weil er mit der "schmutzigen Aktion" nichts zu tun haben wollte.
15 Stunden nachdem er die Waffe erhalten hatte und zur Heuhütte zurückkommen war, entschied sich Kerbler schließlich, zu handeln - schaffte es aber nur, Amplatz zu töten. Wäre Klotz nicht verletzt entkommen, hätte man die Mordaktion als Ergebnis eines Schusswechsels zwischen "Terroristen" und Sicherheitskräften darstellen können.
15 Stunden nachdem er die Waffe erhalten hatte und zur Heuhütte zurückkommen war, entschied sich Kerbler schließlich, zu handeln - schaffte es aber nur, Amplatz zu töten. Wäre Klotz nicht verletzt entkommen, hätte man die Mordaktion als Ergebnis eines Schusswechsels zwischen "Terroristen" und Sicherheitskräften darstellen können.
Luis Amplatz 1959 (Quelle: Wikimedia Commons) |
In einem
Verschlussakt des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten heißt es,
Kerbler habe „durch Abgabe von 3 Schüssen auf den schlafenden Louis Amplatz
diesen ermordet und ihn (Klotz) durch Abgabe von 3 Schüssen, von denen einer
sein Ziel verfehlt habe, zu ermorden versucht […]. Während der Abgabe der
Schüsse habe Christian Kerbler mit einer Taschenlampe den Georg Klotz
abgeleuchtet. Georg Klotz wies nach seiner Rückkehr nach Österreich tatsächlich
2 Verwundungen auf, und zwar einen Steckschuss in die Brust und einen
Streifschuss an der Oberlippe.“
Kerbler war für 18 Stunden in der Carabinieri-Kaserne in Meran in Haft. Dann soll ihm bei einem Transport nach Bozen die Flucht gelungen sein. 1971
wurde er in Peruggia in Abwesenheit wegen Mordes und Mordversuchs zu 22
Jahren Haft verurteilt. Auch die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte gegen den
Tiroler ein Verfahren eingeleitet und einen internationalen Haftbefehl
erlassen. Doch Kerblers Spuren verloren sich - selbst nachdem er 1976 unter dem
Aliasnamen Christian Eschenberg in London wegen Ladendiebstahls kurzzeitig festgenommen
wurde. Wie der Südtiroler Journalist Christoph Franceschini festgestellt hat, intervenierte die italienische Regierung "direkt", woraufhin Kerbler auf freien Fuß gesetzt wurde und untertauchen konnte. Über seinen weiteren Verbleib gibt es nur Anhaltspunkte: Am 18. Juni
1991 berichtete die Bozner italienische Tageszeitung „Alto Adige“, dass sich
Christian Kerbler wahrscheinlich in Durban in Südafrika aufhalte. Am 15.
November 1991 meldete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“, dass ein in
Durban lebender 57 Jahre alter Südafrikaner namens Richard Kaplan in Wahrheit der
gesuchte Kerbler sein könnte. Dieser dementierte.
Meldung der Arbeiter-Zeitung, 9. 9. 1964 (Quelle: www.arbeiter-zeitung.at) |
Akt Kerbler geschlossen
Der
österreichische Haftbefehl war bis 1977 aufrecht, danach wurde dieser in eine Ausschreibung
zur Aufenthaltsermittlung umgewandelt. Am 5. September 2013 beantwortete Justizministerin
Beatrix Karl eine parlamentarische Anfrage zu den Fahndungsanstrengungen folgendermaßen:
„Die
Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck hat – weisungsgemäß – ein Rechtshilfeersuchen
an die italienischen
Justizbehörden zur Beischaffung der dortigen Erhebungsergebnisse in der genannten
Sache gerichtet. Dazu hat der Appellationsgerichtshof von Perugia bekannt gegeben,
dass am 3. Juni 2008 die Einstellung des Verfahrens gegen C. K. verfügt wurde.
Da die
verhängte 30-jährige Freiheitsstrafe seit Rechtskraft des Urteils nie verbüßt
wurde, sei Vollstreckungsverjährung
eingetreten. Da im Hinblick auf diesen Beschluss eine inländische Gerichtsbarkeit
gemäß § 65 Abs. 4 Z 3 StGB seit 3. Juni 2008 nicht mehr vorlag, wurde das Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Innsbruck nach § 190 Z 1 StPO eingestellt und die
Ausschreibung des Beschuldigten zur Aufenthaltsermittlung widerrufen. […] Es
sind keine Veranlassungen zur Beischaffung der italienischen
Verfahrensergebnisse beabsichtigt,
weil dafür mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit keine Rechtsgrundlage
besteht.“
Wie der
Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck
2013 bestätigte, ist der Akt Kerbler damit geschlossen: „Unser
Rechtssystem kennt die Verjährung in Abwesenheit nicht. Aber aufgrund der Vollstreckungsverjährung in Italien mussten wir unsere Ermittlungen
einstellen.“ Auch die Aufenthaltsermittlung wurde widerrufen.
Kreisky und das „Amplatz-Testament“
Bevor er von Wien aus nach Südtirol zurückkehrte und dort den Tod fand, ließ Amplatz sein Testament notariell beglaubigen. Darin nahm er in einer eidesstattlichen Erklärung Bezug auf das Treffen zwischen dem damaligen Außenminister Bruno Kreisky und den BAS-Führungsleuten 1960 in Wien (Amplatz selbst hatte aus Krankheitsgründen daran nicht teilnehmen können): „Die drei Männer haben ihren Standpunkt dargelegt und mit offenen Karten gespielt. Sie haben auch gesagt, dass es demnächst in Südtirol ‚schnöllen’ wird. Kreisky hat aufmerksam zugehört und war mit, was die Männer gesagt haben, auch einverstanden.“ Der Außenminister habe sogar ausdrücklich festgehalten: „Es ist gut, wenn es in Südtirol einmal bumst, denn nur so wird die Welt auf dieses Problem aufmerksam.“
Kreisky und das „Amplatz-Testament“
Bevor er von Wien aus nach Südtirol zurückkehrte und dort den Tod fand, ließ Amplatz sein Testament notariell beglaubigen. Darin nahm er in einer eidesstattlichen Erklärung Bezug auf das Treffen zwischen dem damaligen Außenminister Bruno Kreisky und den BAS-Führungsleuten 1960 in Wien (Amplatz selbst hatte aus Krankheitsgründen daran nicht teilnehmen können): „Die drei Männer haben ihren Standpunkt dargelegt und mit offenen Karten gespielt. Sie haben auch gesagt, dass es demnächst in Südtirol ‚schnöllen’ wird. Kreisky hat aufmerksam zugehört und war mit, was die Männer gesagt haben, auch einverstanden.“ Der Außenminister habe sogar ausdrücklich festgehalten: „Es ist gut, wenn es in Südtirol einmal bumst, denn nur so wird die Welt auf dieses Problem aufmerksam.“
Als das Testament kurz nach der Ermordung von Amplatz öffentlich wurde, stellte Kreisky fest, dass er dem
BAS-Mann niemals begegnet sei: „Ich habe immer und überall in Gesprächen mit
Südtirolern und anderen Personen die terroristische Aktivität verurteilt und
dabei auch auf ihre Gefährlichkeit und Nutzlosigkeit für die Sache Südtirols
hingewiesen, insbesondere habe ich die großen persönlichen Gefahren dargelegt
und das Unglück, das die Angehörigen der Beteiligten an solchen Aktionen
zwangsläufig treffen muss, vor Augen geführt.“
Im Rahmen einer ORF-Diskussion zur Südtirolproblematik unterstrich
Kreisky 1965 nochmals: „Ich habe mit Südtiroler Terroristen nie gesprochen. Als
ich mit Südtirolern sprach, wusste ich nicht, dass dies Leute seien, die einmal
Terroristen werden würden. Ich habe mich nie geweigert, mit anständigen Leuten
zu sprechen.“ Eduard Wildmoser, Obmann
des Bergiselbundes und mit dem Nordtiroler BAS verbunden, äußerte die
Vermutung, dass die Kreisky betreffende Passage in dem Testament Amplatz in
Wirklichkeit von „gewissen Kreisen in der ÖVP in Wien“ diktiert worden sei, um
so die SPÖ in die Nähe von „Terroristen“ zu rücken.