Hollywood
ist stets auf der Suche nach neuen Geschichten. Nun hat man eine der
erfolgreichsten Aktionen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus
adaptiert. Unter dem Titel Anthropoid
wird mit dem US-Kinostart am 12. August 2016 das Attentat
auf eine Schlüsselfigur des NS-Regimes thematisiert. Gegen Ende des Jahres
folgt dazu noch die französische Produktion HHhH.
Reinhard Heydrich
war am 27. Mai 1942 in Prag von eigens zu diesem Zweck „eingesickerten“
Fallschirmjägern so schwer verletzt worden, dass er acht Tage darauf verstarb.
Der Tod des maßgeblichen Organisators der „Endlösung“ trat eine Welle grausamer
Repressalien gegen die Zivilbevölkerung los. Die Attentäter – allen voran Jan
Kubiš und Jozef Gabčík – sollten schließlich durch Verrat auffliegen – wehrten
sich aber bis zum bitteren Ende. Während die Erinnerung an die beiden Feldwebel
während des Kommunismus eher verhalten war (die bürgerliche tschechoslowakische
Exilregierung hatte die Operation in Auftrag gegeben), ist Anfang der 1990er
Jahre wieder verstärktes Interesse zu bemerken. Zuletzt hat der junge
französische Autor Laurent Binet 2011 den vielbeachteten Tatsachenroman „HHhH“
vorgelegt, der auch einem der aktuellen Kinofilme als Grundlage dient. Die
Abkürzung geht auf einen angeblichen Ausspruch von Hermann Göring zurück, der
sich auf diese Weise über Heydrichs scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg innerhalb
des SS mokiert haben soll („Himmlers Hirn heißt Heydrich“). Heute, mehr als 70
Jahre nach dem Attentat in Prag, reizt an dem Stoff die moralische
Eindeutigkeit. Es ist ein klassischer Fall von Tyrannenmord, der hier begangen
wurde – ganz im Gegensatz zum heutigen religiös verbrämten, aber im Kern
nihilistischen Terrorismus.
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Reinhard Heydrich (li.) auf der Prager Burg 1941 (Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia Commons) |
Heydrich
geht in die Falle
Der 27. Mai 1942
ist ein sonniger Frühsommertag in Prag. Kurz vor 9 Uhr postieren sich in einer
Haarnadelkurve im Stadtteil Libeň zwei Männer. Rund 200 Meter weiter
bergaufwärts steht ein Dritter als Meldeposten. Das Trio wartet
nervenaufreibende eineinhalb Stunden. Dann ist es soweit – mit dem
Taschenspiegel gibt der Melder ein Zeichen, dass sich die offene Mercedes-Limousine
mit der Zielperson nähert. Es ist SS-Obergruppenführer und General der Polizei,
Reinhard Heydrich –
stellvertretender
Reichsprotektor in Böhmen und Mähren. Ihn zu töten, das ist die Mission der
beiden Männer, die sich nun in der Kurve der Klein-Holeschowitz-Straße bereit
machen. Jan Kubiš (28) und Josef Gabčík (29), zwei in Großbritannien
ausgebildete Feldwebel der tschechoslowakischen Exilarmee, waren vor fünf
Monaten mit dem Fallschirm über ihrer besetzten Heimat abgesprungen. Mit
Unterstützung durch einheimische Widerstandskämpfer stehen sie nun vor dem
letzten Akt der Operation Anthropoid.
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Jan Kubis (Quelle: Wikimedia Commons) |
Der 38jährige
Heydrich stand auf dem Gipfel seiner Macht. Im Auftrag von Reichsführer SS
Heinrich Himmler hatte der zuvor unehrenhaft entlassene Marineoffizier den
Sicherheitsdienst (SD) aufgebaut. Bald unterstand ihm nach Übernahme der
Polizeigewalt durch die SS der gesamte Terrorapparat des
Reichsicherheitshauptamts. Am 31. Juli 1941 wurde Heydrich von Hermann Göring
beauftragt, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der
Judenfrage“ zu treffen – zu diesem Zweck lud er am 20. Januar 1942 zur
Wannsee-Konferenz, wo konkretisiert wurde, was mit den deportierten Juden
geschehen würde: Systematische Vernichtung. Seit Ende September 1941 war
Heydrich darüber hinaus stellvertretender Protektor Reichsprotektor in Böhmen
und Mähren. Seine Aufgabe war es, die Bevölkerung der seit 1938 besetzten
„Resttschechei“ für die deutsche Kriegswirtschaft als Arbeitskraftreserve
nutzbar zu machen. Widerstand wurde drakonisch unterdrückt – bis Ende November
1941 verhaftete man 6.000 Menschen und vollstreckte 404 Todesurteile, was
Heydrich den Spitznamen „Henker von Prag“ einbrachte.
Der
„Reichsprotektor“ fühlte sich absolut sicher – und war deshalb oft im offenen
Auto und ohne Eskorte unterwegs – ungeachtet zahlreicher Warnungen der Gestapo.
Einmal darauf angesprochen meinte er nur: „Warum sollten denn meine Tschechen
auf mich schießen?“ Heydrich verzichtete auch an diesem schicksalhaften Vormittag
auf Begleitung. Aufgrund der Informationen von einem Beschäftigten in Heydrichs
Amtssitz, dem Prager Hradschin, wussten Kubiš und Gabčík Bescheid und legten
sich auf die Lauer – an einem guten Platz für einen Hinterhalt.
In der besagten
Kurve muss Heydrichs Fahrer, der SS-Oberscharführer Johannes Klein, der
durchschnittlich 20 km pro Stunde unterwegs ist, noch zusätzlich abbremsen –
und ist zwischen den Attentätern sowie einer herankommenden Straßenbahn
eingeklemmt. Genau in diesem Moment lässt Gabčík den Regenmantel, den er bis
dahin über eine britische Sten-Maschinenpistole gelegt hatte, fallen. Die Sten
Gun ist eine ikonische Waffe, die von Spezialeinheiten und dem
antifaschistischen Widerstand vielerorts verwendet wurde. Aber das einfach
herzustellende Fabrikat gilt auch als unzuverlässig. Aus einer Entfernung von
zwei bis drei Meter legt Gabčík auf den an ihm im Schritttempo vorbeikutschierten
Heydrich an. In seinem Roman beschreibt Binet diesen Moment wie ihn die
Insassen des Mercedes erlebt haben könnten: „Was macht dieser Idiot da? Er
bleibt mitten auf der Straße stehen. Vollführt eine Vierteldrehung, um den
Wagen gegenüberzustehen. Blickt Ihnen direkt in die Augen. Wirft den Regenmantel
weg. Enthüllt eine Maschinenpistole. Richtet sie auf Sie. Zielt. Und drückt
ab.“
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Josef Gabcik (Quelle: Wikimedia Commons) |
Heydrich wäre von
den 32 Schuss der Sten wohl durchsiebt worden. Aber nichts passiert, als Gabčík
den Abzug betätigt. Bis heute ist unbekannt, warum die Sten Gun beim Attentat
auf Heydrich versagte. War es ein technischer Defekt? Wie dem auch sei – es kommt
noch ein anderer Faktor ins Spiel. Mit Klein saß ein Chauffeur ohne
Fahrsicherheitstraining am Lenkrad. Ein entsprechend geschulter Mann hätte auf
das Gaspedal getreten, um den Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Klein
sagte im Verhör aus, Heydrich hätte ihm den Befehl gegeben anzuhalten – was
mangels anderer Zeugen auch eine Schutzbehauptung sein könnte. Jedenfalls
stoppt der Wagen und Heydrich greift in die Seitentasche der Autotür, wo eine
Pistole steckt. Der „Reichsprotektor“ will sich den Angreifer persönlich
greifen. Aber Heydrich übersieht dabei den zweiten Attentäter, der sich in
Reserve gehalten hatte. Kubiš hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine
panzerbrechende Granate entsichert und wirft diese nun in Richtung des
stehenden Wagens. Die Bombe detoniert mit großer Wirkung unter dem rechten
Hinterrad. Splitter aus der Karosserie durchschlagen die Rückenlehne, reißen
Teile der Polsterung mit und fügen dem aufrecht stehenden Heydrich innere
Verletzungen zu. Trotzdem legt er noch auf die fliehenden Attentäter an. Aber
auch dieses Mal löst sich kein Schuss – die Pistole war nicht geladen gewesen.
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Fantasievolle Darstellung des Attentats durch einen Künstler 1942 (Quelle: Wikimedia Commons) |
Kubiš und Gabčík
entkommen vom Schauplatz. Klein, der sie verfolgt, wird niedergeschossen. Das
Opfer dagegen bleibt zurück und gelangt erst auf umständliche Art und Weise ins
eigentlich nahgelegene Krankenhaus. Dort wird er bald unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen
von SS-Ärzten behandelt. Man entfernt die zerfetzte Milz, weil sich darin ein
Splitter und ein Stück Filz aus der Polsterung befindet. Die daraus
resultierende Blutvergiftung dürfte schließlich am 4. Juni 1942 zum Tod von
Heydrich geführt haben. Noch am selben Abend um 18 Uhr sendet das tschechoslowakische
Exil eine deutschsprachige Rundfunksendung aus: „Heydrich trug mehr als
irgendein anderer die persönliche Verantwortung für die Schreckensherrschaft im
unterdrückten Europa. Nun hat ihn die gerechte Strafe für seine bestialischen
Grausamkeiten ereilt.“
Der
Preis für den Tyrannenmord
Der Anschlag in
Prag kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Als Kubiš und Gabčík ihr Unternehmen
starteten, waren die USA gerade erst in den Krieg eingetreten. Die Wehrmacht
stand vor Moskau und Großbritannien kämpfte mit dem Rücken zur Wand. Und nun
war wenige Monate später eine Schlüsselfigur des NS-Regimes auf offener Straße
liquidiert worden. Adolf Hitler fand Heydrichs Leichtsinn „dumm und idiotisch“.
Aber der Tod des SS-Führers wurde nach allen Maßstäben propagandistisch
ausgeschlachtet: Heydrichs Leiche wurde zuerst in Prag aufgebahrt und dann nach
Berlin überführt, wo ein Staatsakt stattfand – die größte Totenfeier während
des 3. Reichs. Die Tat selbst wollte Hitler mit größtmöglicher Härte vergolten
wissen. Das Dorf Lidice, das man fälschlicherweise einer Komplizenschaft mit
den Attentätern beschuldigte, wurde am 9./10. Juni 1942 niedergebrannt. Alle
172 Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden erschossen. Die meisten der
105 Kinder aus Lidice starben in Vergasungsautos im Vernichtungslager Chelmno.
Nur 17 überlebten den Krieg. Von den 184 Frauen des Dorfes kehrten 41 aus dem
Konzentrationslager Ravensbrück nicht zurück. Weniger bekannt ist die Tragödie
des kleinen Dorfes Lezáky: Hier wurden am 24. Juni 1942 alle 33 Einwohner –
Männer wie Frauen – ermordet. In der Zeit vom 28. Mai bis zum 1. September 1942
verurteilten außerdem die Standgerichte Prag und Brünn 1.357 Tschechen zum
Tode.
Die Opfer dieser
von den Tschechen nach dem Terror Ende 1941 als „zweiten Heydrichiade“
bezeichneten Schreckenszeit hatten die Planer von Operation Antropoid in Kauf
genommen. Seit 1940 befand sich die tschechoslowakische Exilregierung in London
und koordinierte von dort aus den Widerstand im besetzten Böhmen und Mähren (in
der Slowakei war zwischen 1939 und 1945 ein diktatorisches Regime an der Macht,
das mit Nazi-Deutschland kollaborierte). Anfang Oktober 1941 bestellte Präsident
Edvard Beneš seinen Verteidigungsminister nach Aston Abotts bei London und
erteilte ihm Weisung, den Geheimdienst-Chef, Oberst František Moravec,
folgenden Auftrag zu erteilen. Es sei an der Zeit, die Deutschen „bezahlen zu
lassen“ – durch den Tod eines führenden Funktionärs. Noch stand freilich nicht
fest, wer die Zielperson sein sollte. Folgende Namen wurden genannt: Heydrich
und sein engster Vertrauter, der Staatsminister Karl Hermann Frank. In die Tat
umsetzen sollten das Kubiš und Gabčík, die sich bereits bewährt hatten. In
einer Special Training School im schottischen Nordwesten wurden sie von
Experten des Special Operations Executive
(SOE) im Fallschirmspringen, Schießen und Überleben gedrillt. Wie ein
tschechischer Historiker 2012 nach Recherchen in britischen Archiven
herausgefunden hat, war die Rolle des SOE größer, als bis dahin bekannt: „Das
waren absolute Spitzenleute, die unsere Soldaten in irregulärer Kriegsführung
geschult haben. Zum Beispiel Anthony Sykes und William Fairbairn. […] Noch vor
dem Zweiten Weltkrieg haben sie eine Reihe von Fachpublikationen verfasst. Zu
den Ausbildern der Tschechen gehörten auch Sprengstoffexperten. Einer von
ihnen, Cecil Clarc, hat die Bombe hergestellt, die beim Anschlag auf Heydrich
verwendet wurde.“ Die Briten hätten Heydrich „wegen seiner hohen Position in
der reichsdeutschen Hierarchie für ein legitimes Ziel gehalten“.
Jedenfalls legte Moravec
Kubiš und Gabčík Anfang Dezember 1941 ein Foto Heydrichs vor: „Sehen Sie sich
dieses Bild sehr genau an. Dieser Mann soll getötet werden!“ Mit dem Attentat
verfolgte Beneš mehrere Ziele: Zunächst wollte er das angeschlagene Prestige
der Exilregierung bei den Alliierten aufwerten. Weiters ging es darum, die von
der Sowjetunion unterstützten Kommunisten ins Hintertreffen zu führen. Und
schließlich wollte man den Widerstandsgeist neu entfachen – denn Heydrich hatte
diesen mit aller Härte unterdrückt, gleichzeitig aber versucht, die
Arbeiterschaft ruhigzustellen, indem etwa die Lebensmittelrationen erhöht
wurden. Der Anschlag auf den „Reichsprotektor“ würde diese Doppelstrategie
durchkreuzen, indem man die deutschen Besatzer so zu Vergeltungsmaßnahmen
provozierte. Laut Oberst Moravec habe Beneš das Kalkül hinter Operation
Anthropoid so argumentiert: „Zum einen werde es ein machtvolles Zeichen des
Widerstands sein, welches das Stigma der Passivität verwischen und der Tschechoslowakei
international von Nutzen sein würde; zum anderen werde es zur Erneuerung der
Widerstandsbewegung dadurch beitragen, dass daraus ein Funke entspränge, der
die Volksmassen in Bewegung setzen sollte … Der Preis für Heydrichs Leben wird
hoch sein, sagte ich zu Beneš, als ich eine Bewertung der Angelegenheit traf;
er hörte aufmerksam zu und meinte dann, dass er als oberster Befehlshaber der
Armee zu diesem festen Entschluss gekommen wäre, denn die Aktion, auch wenn sie
sicherlich Menschenleben kosten werde, sei für das Wohl des Vaterlandes
unerlässlich.“
In der Nacht zum
29. Dezember 1941 startete ein viermotoriger Halifax-Bomber vom südenglischen
Flugplatz Tangmore und nahm Kurs auf Pilsen. Dort in der Nähe sollten Kubiš und
Gabčík plangemäß mit dem Fallschirm abspringen. Aufgrund von
Navigationsproblemen wurde dieses Ziel aber weit verfehlt. Die beiden Feldwebel
setzten in der Nähe von Prag auf. Mit örtlicher Hilfe verbargen sie sich in
einem Steinbruch und schlugen sich dann zu der Widerstandsorganisation „Jindra“
durch, die der Gestapo bis dahin entgangen war. Der Anführer Ladislav Vaněk war
Chemielehrer eines mährischen Gymnasiums gewesen. Er erschrak, als er vom Ziel
der Operation Anthropoid erfuhr: „Das wird den Terror der SS zu einem
Blutrausch steigern.“ Vaněk
versuchte daher, dass Attentat zu verhindern. Ende April 1942 trafen sich Vertreter
der noch agierenden Gruppen trotz größtem Risiko in Prag. Man kam überein, Kubiš
und Gabčík das Vorhaben auszureden. Als diese in der Diskussion auf ihren
Befehlen beharrten, rief ein Anwesender: „Sie sind hier an der Front, und hier
haben Sie die Befehle auszuführen, die Sie von Offizieren der Heimatfront
erhalten!“ Letztendlich wurde entschieden, mit Beneš in London per Funk Kontakt
aufzunehmen: „Dieses Attentat würde den Alliierten nicht nützen, für unser Volk
aber hätte es unübersehbare Folgen. Es würde nicht nur unsere Geiseln und
politischen Gefangenen bedrohen, sondern Tausende weiterer Leben fordern ...
Wenn ein Attentat aus politischen Gründen nötig ist, soll es auf jemand anderen
verübt werden.“ Aber es kam keine Antwort.
Das
Ende in der St. Cyrill und Method-Kirche
Während sich der
Terror der „Heydrichiade“ entfaltete, können die Attentäter mit Hilfe zweier
Familien untertauchen. Zuletzt finden sie in der St. Cyrill und Method-Kirche
in der Prager Neustadt Unterschlupf. Als Kubiš und Gabčík vom Massaker in
Lidice erfahren, sind sie tief erschüttert – „sie haben das Gefühl, die
Einwohner von Lidice mit eigenen Händen getötet zu haben. Und solange Hitler
nicht von ihrem Tod unterrichtet wurde, werden die Vergeltungsmaßnahmen kein
Ende finden“, schreibt Binet in „HHhH“. Nur mit großer Mühe wird ihnen
ausgeredet, dass sie sich stellen.
Der Umzug in ein neues,
sicheres Quartier steht bevor. Da werden die Widerstandskämpfer verraten. Von
einem der ihren: Karel Čurda war mit einer weiteren Truppe zur Verstärkung wenige
Wochen zuvor mit dem Fallschirm abgesprungen. Gegen alle Absprachen setzte er
sich aus Prag ab und fuhr zu seiner Mutter. Am 16. Juni 1942 verlor er
angesichts des zunehmenden Terrors die Nerven und stellte sich der Gestapo (für
seine Aussage sollte Čurda 1947 hingerichtet werden). Beim Verhör gab er die
Adressen einiger „safe houses“ bekannt, wo man den Attentätern geholfen hatte.
Darunter war das Haus der Familie Moravec in Prag-Žižkov. Als es hier zur
Razzia kam, nahm Marie Moravec eine Zyankalikapsel – aber der minderjähriger
Sohn, den man folterte und den in Formalaldehyd konservierten Kopf seiner
Mutter vorführte, nannte schließlich die St. Cyrill und Method-Kirche.
Diese wurde am 18.
Juni 1942 von einem Großaufgebot der SS abgeriegelt. Den darauffolgenden
Sturmangriff wehren insgesamt sieben Widerstandskämpfer stundenlang hartnäckig ab.
Abgesehen von Kubiš und Gabčík handelt es sich dabei um die zu ihnen gestoßenen
Soldaten Adolf Opálka, Josef Valčík, Jaroslav Švarc, Josef Bublik und Jan Hrubý.
Nachdem der Kampf im Kirchenschiff mit dem Tod dreier Kämpfer (Kubiš, Opálka,
Bublik) entschieden war, wird der Rest in der gerade einmal 15 m langen Krypta
belagert. Alle Versuche der SS dorthin vorzudringen scheitern. Schließlich
werden Prager Feuerwehrleute herangezogen: Ein Schlauch wird in den schmalen
Lichtschacht gesteckt die Krypta so langsam unter Wasser gesetzt. Auch jetzt verweigern
die verbliebenen vier Kämpfern die Kapitulation. Gegen 12 Uhr ertönen vier
gedämpfte Schüsse, woraufhin sich die SS-Leute über eine Treppe nach unten
wagen. Was sie vorfinden beschreibt Binet in seinem Roman so: „Auf dem Wasser
treiben die vier Leichname: Gabčík, Valčík, Švarc und Hrubý, die sich selbst
getötet haben, um ihren Feinden nicht in die Hände zu fallen. […] Überall
Patronenhülsen, aber keine einzige Patrone. Die jeweils letzte haben sie für
sich selbst aufgehoben. Es ist Mittag. Das Aufgebot von siebenhundert Männern
der Waffen-SS und Gestapo brauchte fast acht Stunden, um mit den sieben Männern
fertig zu werden.“
Die Kirche heute (Foto: Autor) |
Das kommunistische
Regime hatte kein Verständnis dafür, das Andenken an die Heydrich-Attentäter
wachzuhalten. Schon Beneš, der sich nur bis 1948 als Staatspräsident halten
konnte, hatte sich distanziert, indem er behauptete, von den Planungen nichts
gewusst zu haben. Erst nach der Wende wurde am 28. September 1995 eine
Gedenkstäte in der Krypta eröffnet, die jährlich von rund 25.000 Menschen
besucht wird. 67 Jahre nach der Tat wurde den Widerstandskämpfern auch ein Denkmal
am Schauplatz des Attentats errichtet – dieser hat sich in der Zwischenzeit
völlig verändert. Aktuell sind Bestrebungen im Gange, die Überreste von Kubiš,
Gabčík und ihrer fünf Kameraden zu finden. Diese werden so wie viele Opfer der „Heydrichiade“
in einem Massengrab auf dem Friedhof von Dablice vermutet.
Filmisch wurde
schon früher an Operation Anthropoid erinnert: Basierend auf einer Geschichte
von Bertolt Brecht drehte der gebürtige Wiener Fritz Lang schon 1943 Hangman also die. Das Drehbuch nahm lose
auf den tatsächlichen Vorkommnissen Bezug. Anders war es 1964 bei dem
tschechischen Schwarzweiß-Film Atentát von
Jiří Sequens. 1975 war es dann sogar möglich, die US-amerikanische Produktion Operation Daybreak in Prag an den
Originalschauplätzen zu drehen. Nun kommt die Geschichte erneut auf die
Kinoleinwand – Anthropoid, der
bereits Anfang Juli Premiere hatte, musste freilich Kritik einstecken: Zu
forcierte slawische Akzente der englischsprechenden Schauspieler, hölzernes
Ausstattungskino, flache Charakterzeichnung. Aber es wird eine konkrete Vorstellung
von der Tragödie vermittelt, die sich 1942 ereignet hat – und somit war es
nicht umsonst.