Vor dem Hintergrund des
spannungsgeladenen frühen Kalten Krieges hatten sowohl die westlichen
Alliierten, und hier vor allem die USA, als auch österreichische
Entscheidungsträger Maßnahmen gegen eine befürchtete Invasion des Warschauer
Paktes bzw. gegen einen kommunistischen Putsch ergriffen. Ein Kernelement
dieser Strategien war die Aufstellung und Ausstattung von geheimen
Widerstandnetzen für den Ernstfall. Ab 1946/47 begonnen die
US-Nachrichtendienste dafür osteuropäische Kollaborateure bzw. Veteranen der
NS-Geheimdienste und der Waffen SS wegen deren ausgewiesenem Antikommunismus
anzuwerben. Einer der bekanntesten Fälle in Österreich war Wilhelm Höttl
(1915-1999), ehemals SS-Obersturmbannführer und 1938-1945 Referent im
Ausland-Sicherheitsdienst (SD).
Nach
Kriegsende 1945 machte Höttl eine erstaunliche zweite Karriere als Autor,
Schulgründer und, wegen seines Spezialwissens über Ungarn und den Balkanraum,
als Spion verschiedener Geheimdienste. Deswegen entließ die US-Armee Höttl im
Dezember 1947 und verweigerte seine Auslieferung an eines der österreichischen
Volksgerichte, die damals gegen NS-Täter vorgingen. Schon 1948/49 führte Höttl
im Auftrag des US-Militärgeheimdienstes Counterintelligence Corps (CIC) ein
großangelegtes Spionageunternehmen durch. Er installierte für das CIC Field
Office Gmunden Anfang Juli 1948 zwei Agenten-Netzwerke. Unter dem Codenamen
„Montgomery“ sollten in Ungarn Informationen beschafft werden – betreffend
militärische und kommunistische Aktivitäten sowie wirtschaftlich-industrielle
Entwicklungen. Verantwortlicher Operationschef war der ehemalige
SS-Hauptsturmführer Karoly Ney. Noch 1944 hatte der Budapester Anwalt Jagd auf
„Juden, Defätisten und Saboteure“ gemacht. Zwei Jahre später verurteilte ihn
ein US-Tribunal zum Tode – während drei Mitangeklagte gehenkt wurden,
begnadigte man Ney rasch. Rund um Ney bildeten mehrere Dutzend Agenten, vor
allem ungarische Kriegsveteranen und Emigranten, die Antibolschewistische
Magyarische Hauptkampflinie (AMA).
Guerillatraining im Toten Gebirge
Ihr
Hauptquartier hatte die Truppe in einem Gebäude des CIC in Lambach, 25 km von
Gmunden entfernt. Ausbildungsmaßnahmen wurden rund um eine Hütte des Alpenvereins
bei Grünau durchgeführt. Die abgelegene Gegend im Toten Gebirge eignete sich
für das Training im Partisanenkampf. Um die Aktivitäten zu finanzieren, stellte
der CIC monatlich 60.000 Schilling bereit. Als „Pressechef“ und Leiter der
„aktiven Erkundung bei der „AMA“ fungierte Höttls enger Vertrauter Erich
Kernmayer – dieser hatte die Aufgabe, sobald die gelieferten Informationen
aufzubereiten. Für diese Aufgabe empfahl Kernmayer seine Vergangenheit: „Bis
1934 war Kernmayr glühender Kommunist, von da an begeisterter Anhänger
Hitlers“, heißt es in seiner staatspolizeilichen Akte. Das illegale
NSDAP-Mitglied stieg nach dem Anschluss 1938 zum Gaupresseamtsleiter in Wien
auf und diente danach in der Waffen SS-Division „Das Reich“.
"Anitbolschewistische Nachrichtenorganisation"
Parallel zu „Montgomery“ lief noch ein zweites Unternehmen: „Mount Vernon“. Ziel war hier, eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufzubauen, „die im Ernstfall als antibolschewistische Untergrundbewegung funktionieren soll.“ Vor allem aber ging es um Informationsbeschaffung – so war als Mission definiert: “Penetration of the Central KPOe Comitee, the KPOe itself, the Cominform and all other Communist organizations, espionage of all Soviet activities to include industrial, scientific and military information.” Die anfänglichen Kosten betrugen 25.000 Schilling im Jahr (es sollten schließlich mehr als 30.000 Schilling sein). Die Leitung lag bei Karl Kowarik, der 1934 Führer der gesamten Hitlerjugend Österreichs gewesen war. 1939 der SS beigetreten, wurde Kowarik Stadtrat in Wien und Mitglied des Deutschen Reichstag. Nun in US-Diensten richtete er sein Hauptquartier in der Villa Bauer in Orth bei Gmunden ein. Das CIC stellte für seine Truppe, „vorwiegend Leute aus der früheren Hitler-Jugend“, „reichlich“ Finanzmittel zur Verfügung: „Die Organisation ist zugleich Untergrund-Kader für den Kriegsfall und Nachrichtennetz.“ Kowarik reiste auch nach Bayern, um eine Funk- und Sabotageausbildung zu organisieren. Was die nachrichtendienstliche Ebene betraf, so befanden sich unter den acht „Quellen“ von „Mount Vernon“ zwei frühere SS-Geheimdienstoffiziere und ein SS-Untersturmführer. Um seine Berichte per Bahn durch die sowjetische Zone zu schleusen, versteckte eine der „Quellen“ diese kurzerhand im Wassertank der Herrentoilette.
Österreichische Staatspolizei - "ausgesprochene Nepochanten"
1996 erinnerte sich Höttl im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" an die Anbahnung des Unternehmens: „Da ist ein Herr Ringer von CIC Salzburg gekommen. Ich weiß natürlich nicht, ob das sein richtiger Name war. Der hat mich gebeten, meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und aktiv mitzuarbeiten. Er hat mich angewiesen, mit dem CIC Gmunden Kontakt aufzunehmen. Das habe ich dann auch getan, und habe dann von Gmunden aus ein regelrechtes Nachrichtennetz aufgezogen. Dort habe ich Mitstreiter gefunden. Dort sind aber nicht nur ehemalige Nazis, sondern auch Neonazis, wie man sie heute nennt, aufgeschienen. Erich Kernmayr, der unter dem Pseudonym Kern als Schriftsteller bekannt geworden ist und in der heute sogenannten rechtsradikalen Szene in Deutschland aktiv wurde, als Chefredakteur der Deutschen Wochenzeitung und bei der Nationalzeitung, die jetzt ja auch noch existieren und von Dr. Frey geführt werden.“ Die österreichische Staatspolizei war über die Vorgänge im Bild, konnte aber nichts machen: "Diese Kriminalbeamten, die da von der Staatspolizei da eingesetzt worden sind, waren Nieten, ausgesprochene Nepochanten. Was aber entscheidend war: Wenn sie einen Vorstoß unternommen haben und Kontakt aufnehmen wollten, haben ihnen Amerikaner auf den Schädel geklopft. Wir waren tabu für österreichische Behörden. Die haben nichts machen können."
Almhütte im Toten Gebirge, die für Ausbildungszwecke genutzt wurde (Standbild aus ORF-Inlandsreport "Easeful", 1991) |
"Anitbolschewistische Nachrichtenorganisation"
Parallel zu „Montgomery“ lief noch ein zweites Unternehmen: „Mount Vernon“. Ziel war hier, eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufzubauen, „die im Ernstfall als antibolschewistische Untergrundbewegung funktionieren soll.“ Vor allem aber ging es um Informationsbeschaffung – so war als Mission definiert: “Penetration of the Central KPOe Comitee, the KPOe itself, the Cominform and all other Communist organizations, espionage of all Soviet activities to include industrial, scientific and military information.” Die anfänglichen Kosten betrugen 25.000 Schilling im Jahr (es sollten schließlich mehr als 30.000 Schilling sein). Die Leitung lag bei Karl Kowarik, der 1934 Führer der gesamten Hitlerjugend Österreichs gewesen war. 1939 der SS beigetreten, wurde Kowarik Stadtrat in Wien und Mitglied des Deutschen Reichstag. Nun in US-Diensten richtete er sein Hauptquartier in der Villa Bauer in Orth bei Gmunden ein. Das CIC stellte für seine Truppe, „vorwiegend Leute aus der früheren Hitler-Jugend“, „reichlich“ Finanzmittel zur Verfügung: „Die Organisation ist zugleich Untergrund-Kader für den Kriegsfall und Nachrichtennetz.“ Kowarik reiste auch nach Bayern, um eine Funk- und Sabotageausbildung zu organisieren. Was die nachrichtendienstliche Ebene betraf, so befanden sich unter den acht „Quellen“ von „Mount Vernon“ zwei frühere SS-Geheimdienstoffiziere und ein SS-Untersturmführer. Um seine Berichte per Bahn durch die sowjetische Zone zu schleusen, versteckte eine der „Quellen“ diese kurzerhand im Wassertank der Herrentoilette.
Österreichische Staatspolizei - "ausgesprochene Nepochanten"
1996 erinnerte sich Höttl im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" an die Anbahnung des Unternehmens: „Da ist ein Herr Ringer von CIC Salzburg gekommen. Ich weiß natürlich nicht, ob das sein richtiger Name war. Der hat mich gebeten, meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und aktiv mitzuarbeiten. Er hat mich angewiesen, mit dem CIC Gmunden Kontakt aufzunehmen. Das habe ich dann auch getan, und habe dann von Gmunden aus ein regelrechtes Nachrichtennetz aufgezogen. Dort habe ich Mitstreiter gefunden. Dort sind aber nicht nur ehemalige Nazis, sondern auch Neonazis, wie man sie heute nennt, aufgeschienen. Erich Kernmayr, der unter dem Pseudonym Kern als Schriftsteller bekannt geworden ist und in der heute sogenannten rechtsradikalen Szene in Deutschland aktiv wurde, als Chefredakteur der Deutschen Wochenzeitung und bei der Nationalzeitung, die jetzt ja auch noch existieren und von Dr. Frey geführt werden.“ Die österreichische Staatspolizei war über die Vorgänge im Bild, konnte aber nichts machen: "Diese Kriminalbeamten, die da von der Staatspolizei da eingesetzt worden sind, waren Nieten, ausgesprochene Nepochanten. Was aber entscheidend war: Wenn sie einen Vorstoß unternommen haben und Kontakt aufnehmen wollten, haben ihnen Amerikaner auf den Schädel geklopft. Wir waren tabu für österreichische Behörden. Die haben nichts machen können."
Aus der Zeitung abgeschrieben
Die
Geheimdienstaktivitäten in Ungarn wurden von Kernmayer übernommen, dem man auch
Kowarik unterstellte. Der neue Chef arbeitete daran, die bisherige
Erkundungstätigkeit von „Mount Vernon“, die sich auf militärische Belange und
KPÖ-Aktionen beschränkt hatte, „auf die gesamte Innenpolitik und auf die
Wirtschaft auszudehnen“. Kernmayer hatte weitfliegende Pläne: Ihm schwebte die
Einrichtung einer „amerikanischen antikommunistischen Propagandastelle“ in
Österreich vor, die vor allem „Zersetzungspropaganda“ unter den Kommunisten und
unter den russischen Truppen betreiben sollte. Eine eigene Agentur sollte zu
diesem Zweck „Material gegen den Bolschewismus“ zuliefern. Doch habe er seinen
Vorschlag „nicht durchbringen“ können. Bald kam es zu internen Spannungen und
das CIC war mit der Qualität der Informationen unzufrieden. „Mount Vernon“ habe
Kennzeichen-Beobachtungen aus der sowjetischen Zone übermittelt, die sich immer
als falsch herausgestellt hätten. Über Monate seien keine Information
übermittelt worden, die sich nicht als unrichtig, als Gerücht oder als aus
Zeitungen abgeschrieben erwiesen. Dementsprechend wurden Höttls Netzwerke am 1.
September 1949 aufgelöst. Beim CIC war es zu einer „allgemeinen
Neuorientierung“ gekommen. Neun Beamte, die mit Höttl eng zusammengearbeitet
hatten, wurden abgelöst. Höttl soll von den „neuen Männern“ des CIC-Linz „nicht
einmal empfangen“ worden sein.
Höttl: "Extremely dangerous"
CIC-Operationschef
in Salzburg, Major James Milano, meldete, warum man „Mount Vernon“ und
„Montgomery“ fallen gelassen hatte: Höttl sei ein „exzellenter“ Nachrichtendienstler,
aber auch „extrem gefährlich“ („extremely dangerous“). Einer Verurteilung als
Kriegsverbrecher sei Höttl nur deshalb entkommen, weil er sich im Nürnberger
Kriegsverbrecherprozess als Zeuge für die Anklage zur Verfügung stellte.
Entgegen anderslautender Warnungen hatte er dann die Spionagearbeit mit der
lokalen Politik vermischt und die eigentliche Aufgabe vernachlässigt. Und zwar förderten Höttl, Kernmayer und Kowarik nach Kräften die Gründung des Verbands der Unabhängigen (VdU), der Vorgängerorganisation der heutigen FPÖ. Die an das CIC gelieferten Berichte seien dagegen „extrem schlecht“ („extremely
poor“) und die monatliche Kosten von 2.600 Dollar nicht wert gewesen. In einem
persönlichen Schreiben versicherte Höttl Milano, dass sich seine
Einstellung zur USA trotz der Abfuhr nicht geändert habe und er die
Anstrengungen zur Mobilisierung gegen den „bolschewistischen Weltfeind“
(„Bolshevist world-enemy“) fortsetze. Doch die erst kurz nach Ende des Zweiten
Weltkriegs gegründete CIA, die ab 1949 die Arbeit des CIC übernahm, wusste mit
Höttl nichts mehr anzufangen.
Spion im "kanari-gelben Ledermantel"
Laut John Richardson wurde dieser 1953 bewusst „verbrannt“, indem man Medien Informationen zuspielte. So wurde Höttl in einem wenig schmeichlerischen Artikel des „Spiegel“ vom 22. April 1953 als einer der „raffiniertesten Nachrichten-Händler in Europa“ enthüllt: „Es gibt zur Zeit in Europa kaum eine geheime Nachrichten-Organisation, zu der dieser Mann nicht auf geraden oder ungeraden Wegen Kontakte hätte und von der er direkt oder indirekt nicht auch Tantiemen in verschiedener Höhe bezöge.“ In diesem Bericht wird auch auf die Rolle von Höttls Geheimstrukturen eingegangen: „Aufgabe dieser Gruppe: im Falle von Feindseligkeiten zwischen den Russen und Amerikanern die im Alpen-Massiv stationierten US-Truppen nachrichtendienstlich abzuschirmen, vor kommunistischen Sabotage-Akten zu schützen und selbst mit Sabotage-Aktionen beim Gegner aktiv zu werden. Und schon vor dem Tage X: nachrichtendienstliche Erkundung der kommunistischen Bewegung in Österreich. Mehrere tausend Dollar monatlich erhielt Höttl für diese Tätigkeit vom US-Geheimdienst in Salzburg. Aus einem ranken SS-Musterjüngling wurde dabei eine Figur im kanari-gelben Ledermantel und mit Palmen-Krawatte um den Hals.“ Nach dieser Veröffentlichung war es mit Höttls Agentenkarriere endgültig vorbei - er gründete ein Privatgymnasium in Bad Aussee, erhielt 1995 das Goldene Ehrenkreuz des Landes Steiermark und verstarb 1999.
Spion im "kanari-gelben Ledermantel"
Laut John Richardson wurde dieser 1953 bewusst „verbrannt“, indem man Medien Informationen zuspielte. So wurde Höttl in einem wenig schmeichlerischen Artikel des „Spiegel“ vom 22. April 1953 als einer der „raffiniertesten Nachrichten-Händler in Europa“ enthüllt: „Es gibt zur Zeit in Europa kaum eine geheime Nachrichten-Organisation, zu der dieser Mann nicht auf geraden oder ungeraden Wegen Kontakte hätte und von der er direkt oder indirekt nicht auch Tantiemen in verschiedener Höhe bezöge.“ In diesem Bericht wird auch auf die Rolle von Höttls Geheimstrukturen eingegangen: „Aufgabe dieser Gruppe: im Falle von Feindseligkeiten zwischen den Russen und Amerikanern die im Alpen-Massiv stationierten US-Truppen nachrichtendienstlich abzuschirmen, vor kommunistischen Sabotage-Akten zu schützen und selbst mit Sabotage-Aktionen beim Gegner aktiv zu werden. Und schon vor dem Tage X: nachrichtendienstliche Erkundung der kommunistischen Bewegung in Österreich. Mehrere tausend Dollar monatlich erhielt Höttl für diese Tätigkeit vom US-Geheimdienst in Salzburg. Aus einem ranken SS-Musterjüngling wurde dabei eine Figur im kanari-gelben Ledermantel und mit Palmen-Krawatte um den Hals.“ Nach dieser Veröffentlichung war es mit Höttls Agentenkarriere endgültig vorbei - er gründete ein Privatgymnasium in Bad Aussee, erhielt 1995 das Goldene Ehrenkreuz des Landes Steiermark und verstarb 1999.
Weitere Infos: „Strukturen für den
geheimen Krieg: Die CIA-Waffenlager, die Netzwerke des Dr. Höttl und das
„Sonderprojekt““, erschienen in: Bananen, Cola, Zeitgeschichte: Oliver Rathkolb
und das lange 20. Jahrhundert, Wien 2015.