Dienstag, 5. April 2016

„Das schlechteste Geschäft, das es gibt“: Die Waffendeals der österreichischen Verstaatlichten

Auf Twitter oder Youtube-Videos aus dem Nahen Osten sind in den letzten Monaten immer öfter Bilder des österreichischen Steyr AUG (Armeeuniversalgewehr) aufgetaucht – vor allem im Bürgerkriegsland Jemen sind mittlerweile große Mengen am Markt, sodass die Waffe inzwischen so billig zu haben ist wie eine Kalaschnikow. Wie das Steyr AUG in den Jemen gelangt ist, lässt sich einfach erklären: 1980 waren 50.000. Stück und 30.000 Maschinenpistolen für rund 500 Millionen Schilling von Österreich nach Saudi-Arabien exportiert worden. Nun warf die saudische Luftwaffe diese Waffen über dem Gebiet verbündeter Kräfte ab, die im Bürgerkrieg gegen die Houthi-Rebellen und die Truppen des ehemaligen jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh kämpfen. Darüber hinaus wurde kürzlich bekannt, dass zwischen 2006 und 2015 285.379 Granaten, 16.128 Panzerminen und 399 Gewehre aus Österreich an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert wurden – auch zwar auch nachdem Truppen der VAE an der Niederschlagung des Aufstands im benachbarten Bahrain (2011) beteiligt waren. Dass österreichische Waffen heute wieder vermehrt in Kriegsgebieten auftauchen, erinnert an eine unheilvolle Periode in der Geschichte der 2. Republik.
Exportschlager Steyr AUG, hier in Australien (Quelle: Wikimedia Commons)
In den 1970er und 1980er Jahre führten vor allem staatliche Unternehmen zahlreiche Waffenexporte durch, die schließlich 1985-1993 in den sogenannten Noricum-Skandal mündeten. Auslöser waren illegale Waffengeschäfte mit Irak und Iran während des 1. Golfkriegs (1980-1988). Geliefert hatte die Noricum Maschinenhandels GmbH – eine Tochterfirma der VOEST-Alpine, damals das Schwergewicht der Verstaatlichten Industrie. Das Geschäft umfasste insgesamt 353 Noricum-Haubitzen, Munition und Zubehör. Damit verstieß man gegen das Kriegsmaterialexportgesetz. Dieses untersagte den Waffenverkauf an kriegsführende Staaten. Nachdem die Geschäfte Ende der 1980er Jahre öffentlich wurden, stellte sich die Frage nach der Verantwortung. Diese wurde im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und mehrerer Prozesse gegen Manager und Ex-Politiker geklärt.

„Unter der Tuchent“
Die Ursachen des Noricum-Skandals liegen tief: Ab Mitte der 1970er Jahre geriet Österreich in eine Wirtschaftskrise. Der Ölpreisschock von 1973/74 hatte die Energiepreise verteuert. Das traf den Stahl- und Eisenbereich – die Schwergewichte der Verstaatlichten Industrie. Die darin zusammengefassten Betriebe zählten in den 1970er Jahren etwa 125.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Das waren rund 20 Prozent der Industriebeschäftigten. Im Winter 1980/81 sollte die Arbeitslosenzahl erstmals die symbolische Marke von 100.000 Personen überschreiten.

In dieser Situation wurde der „Kampf um Vollbeschäftigung“ zur „staatspolitischen Leitlinie“. So urteilt der Kreisky-Biograph Wolfgang Petritsch. Schon 1990 gab der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbund, Anton Benya, als Zeuge im Noricum-Verfahren an: „Die Regierung war daran interessiert, ganz gleich, ob das bei der VOEST-Alpine oder bei privaten Firmen war: Beschäftigung! Beschäftigung, Beschäftigung für die Menschen.“

Die Stahlkrise und der damit verbundene Nachfrageeinbruch legten die Strukturschwächen einzelner VOEST-Standorte offen. Da Massenentlassungen nicht in Frage kamen, wählte man eine andere Strategie: Den Einstieg in neue Bereiche und Technologien. Darunter Waffenproduktion. Am 1. September 1979 wurde ein eigener Geschäftsbereich, die „Wehrtechnik“, installiert. Als Verkaufsschiene diente hierfür die Firma „Noricum “, die man im steirischen Liezen aufbaute. Von dem kanadischen Ingenieur Gerald Bull erwarb die VOEST für zwei Millionen Dollar die Lizenz zur Erzeugung des Gun Howitzer Noricum – kurz GHN-45. Hierbei handelte es sich angeblich um „das beste Geschütz der Welt“– die sowohl mit konventioneller Munition als auch mit taktischen Nuklearwaffen bestückt werden konnte. Die Reichweite von 39 km übertraf sämtliche Konkurrenzprodukte. Mit einer Spezialmunition ließ sich diese sogar auf 45 km steigern.

Bundeskanzler Bruno Kreisky erkannte das Risiko. Allerdings waren die Wehrtechnik-Befürworter innerhalb der SPÖ-Führungsriege in der Mehrzahl. Das „grüne Licht“ seitens der Politik bildete später das Hauptargument in der Verteidigung der angeklagten Manager. Bei der Wehrtechnik sei „überhaupt kein Politiker dagegen“ gewesen, „vom Betriebsrat bis zur Regierung“, gab etwa Noricum-Prokurist Anton Elmer an: „Wenn ich jetzt höre, Kreisky war dagegen, dann möchte ich ein Zitat wiedergeben, was er wirklich zum Schluss gesagt hat: ‚Okay, macht’s es, aber macht’s es unter der Tuchent.“ Kreisky bezeichnete dieses Zitat, das ihm Elmer in den Mund legte, als „Verleumdung“.
Gerald Bull (ganz li.) 1964 in Kanada - der Techniker wurde 1990 unter ungeklärten Umständen in Brüssel ermordet (Quelle: Wikimedia Commons/WordClerk)
Waffenindustrie als Wirtschaftsfaktor
Anfang der 1980er Jahre war Rüstungsproduktion in Österreich grundsätzlich nichts Neues. Nach 1945 war die Waffenproduktion aufgegeben worden – bis mit der Neugründung des Bundesheers 1955 auch wieder Kriegswaffen erzeugt wurden. Zu Beginn der 1970er Jahre waren aber nur mehr zwei Betriebe stärker in diesem Feld tätig: Die Steyr-Daimler-Puch AG und die Hirtenberger Patronenfabrik. 1975 exportierte Österreich gerade einmal Kriegsmaterial im Ausmaß von 0,8 Prozent seiner Exporte. 1979, nachdem die VOEST-Alpine das Engagement massiv ausgeweitet hatte, sollten es bereits 1,2 Prozent sein. Mitte der 1980er Jahre waren rund 15.000 Arbeitsplätze von der Waffenproduktion abhängig.

Die Branche wurde mehrheitlich von Unternehmen der Verstaatlichten dominiert. Ende der 1980er Jahre entfielen bereits 86 Prozent des Umsatzes auf die VOEST-Alpine mit ihren Tochtergesellschaften – der Noricum Maschinenhandels GmbH, der Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik AG, den Österreichischen Schiffswerften AG Linz-Korneuburg, der Ennstaler Metallwerke GmbH und der Vereinigten Edelstahlwerke AG (VEW). Ein weiterer gewichtiger Faktor war die eisenverarbeitende Steyr-Daimler-Puch AG, Anfang der 1980er Jahre das drittgrößte Industrieunternehmen Österreichs und mehrheitlich im Besitz der Staatsbank Creditanstalt. Daneben traten folgende Mitspieler auf: Glock, Voere, die Südsteirische Metallindustrie, Dynamit-Nobel, die Swarovski-Werke und die ÖAF-Gräf & Stift AG. Insgesamt gesehen entwickelte sich die österreichische Waffenindustrie rückläufig: Nach dem Boomjahr 1978 mit 7,8 Milliarden Schilling waren es 1984 nur mehr knapp vier Milliarden Schilling Umsatz. Hauptgründe dafür waren die Übersättigung des Marktes in Westeuropa und Schwierigkeiten beim Export in Entwicklungsländer.

Waffenverkauf war für ein neutrales Land wie Österreich nicht unproblematisch – aus ethisch-moralischen, aber vor allem aus rechtlichen Gründen. So verbot der § 320 des Strafgesetzbuchs unerlaubte Waffenexporte als „Neutralitätsgefährdung“. Weiters war nach §1 des 1977 beschlossenen Kriegsmaterialgesetzes die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial bewilligungspflichtig. 1982 wurde das Gesetz novelliert: Exporte durften nicht bewilligt werden, wenn es in dem Bestimmungsland zu Menschenrechtsverletzungen kam. Auch Kriegsgefahr, bewaffnete Konflikte und gefährliche Spannungen wurden als Exporthindernisse festgelegt.

Die Anwendung des Gesetzes war jedoch schwierig – es untersagte praktisch den Rüstungsgüter-Verkauf „an Staaten, die das Zeug auch wirklich verwenden“. So drückte es der damalige Nationalratspräsident Leopold Gratz aus. Übertretungen wurden geradezu herausgefordert. Der „Noricum“-Untersuchungsausschuss erkannte im Nachinhein ein weiteres „Spannungsfeld“: „Dem Sinn des Gesetzes standen wirtschaftliche Überlegungen auf bzw. von Seiten der Verstaatlichten Industrie, Arbeitsplätze zu sichern und positiv zu bilanzieren, gegenüber.“ So überrascht es auch nicht, dass zwischen 1978 und 1982 in 873 Fällen positiv entschieden wurde. Nur in 28 Fällen legte sich das Bundeskanzleramt quer; das Außenministerium in 25 Fällen und das Innenministerium in vier Fällen.

Letztendlich stand die österreichische Waffenproduktion spätestens in den 1980er Jahren vor einer Grundsatzentscheidung: Den Waffenhandel zu liberalisieren – und damit auch an Diktatoren und kriegsführende Länder zu liefern. Oder die Waffenproduktion weitgehend einzustellen. Man verblieb beim status quo. So wurde der Konflikt zwischen restriktiven Bestimmungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten auf die lange Bank geschoben. Und dies sollte schließlich in den Noricum-Skandal münden.

Exporte in Diktaturen
Im Juni 1977 besuchte Kenneth Kaunda, Präsident von Sambia, Österreich. Unter vier Augen erzählte er Kreisky, dass ein „Überfall“ auf den afrikanischen Staat erwartet werde. Er sei deshalb an österreichischen Waffen interessiert. Konkrete Verhandlungen wollte man aber erst beginnen, nachdem Kaunda Gelegenheit hatte, sich von den Waffen in der „Praxis“ zu überzeugen. Handelsminister Josef Staribacher verständigte „sofort“ Verteidigungsminister Otto Rösch, „dass am Montag eine Demonstration in der Heereskraftfahrschule Baden erfolgen soll“. Als Rösch „mit Recht“ einwandte, dass wenig Zeit zur Vorbereitung gegeben sei, waren Kreisky und Außenminister Willibald Pahr der Meinung, „das Militär müsste sowieso scheinbar in ständiger Alarmbereitschaft sein und [es] könnte überhaupt kein Problem darstellen, eine solche Veranstaltung zu organisieren“.

Überliefert ist diese Episode im Tagebuch von Staribacher. Verdeutlicht wird eines: Weil der Markt in Europa gesättigt war, war die sogenannte „Dritte Welt“ wichtigster Handelspartner für die österreichische Waffenindustrie. Zahlreiche Geschäfte waren problematisch: 1976 schickte die Patronenfabrik Hirtenberger zehn Millionen Zündhütchen nach Chile. Dort herrscht seit drei Jahren die Junta von Augusto Pinochet. Als „Neutralitätsbruch“ befunden wurde dagegen 1977 ein Export von „Sportgewehren“ und Munition an Syrien. Die Causa führte zum Rücktritt von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf.

1980 putschte in Bolivien das Militär. Dabei kamen 17 ausgelieferte Steyr-„Kürassier“-Jagdpanzer zum Einsatz. 17 ausgelieferte Panzer kamen im Rahmen des sogenannten Kokain-Putschs von Oberst Luis Garcia Meza im Juni 1980 zum Einsatz, um den letzten Widerstand der Bergarbeiter in Oruro, La Paz und Santa Cruz niederzuschlagen. Noch bevor die zweite „Kürassier“-Tranche unterwegs war, wurde die Exportgenehmigung zurückgezogen. Dafür bildete die Firma Hirtenberger seit August 1980 21 bolivianische Armeetechniker in der Munitionserzeugung aus. „Das is so a Art Entwicklungshilfe“, erklärte der Hirtenberger-Generaldirektor Herbert Hadwinger. Den „Kürassier“-Export vermittelt hatte ausgerechnet der nach Bolivien geflohene NS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie. Er kassierte dafür eine monatliche Aufwandspauschale von 800 US-Dollar und Provisionen.

1978, auf dem Höhepunkt eines Grenzkonflikts zwischen Chile und Argentinien, lieferte Steyr-Daimler-Puch für 800 Millionen Schilling „Kürassier“-Panzer nach Argentinien. Als Chile daraufhin ebenfalls Panzer beziehen wollte, verlangte Kreisky eine schriftliche Garantie. Nämlich, dass „diese Geräte nicht für Auseinandersetzungen im Inneren verwendet werden“. Das geplante Chile-Geschäft spaltete die SPÖ: 1980 demonstrierten Tausende vor dem Bundeskanzleramt.

Am 20. August 1980 informierte Kreisky den Ministerrat. Er stellte klar, dass nichts gegen die Lieferung sprechen würde, allenfalls „politische Gründe“. Anschließend forderte Kreisky die versammelten Minister auf, ihre Meinung zu äußeren. Verteidigungsminister Rösch sprach „ein deutliches Ja zu den Lieferungen aus“, weil er auch das Bundesheer betroffen sah. Innenminister Erwin Lanc dagegen betonte: „Sozialistische Vertrauensleute fragen rund heraus: Was ist in uns gefahren?“ Kreisky unterbrach ihn an dieser Stelle. Es gäbe eben verschiedene Einstellungen auch in der Arbeiterschaft“. Zu einem „klaren Nein“ bekannte sich Justizminister Christian Broda. Auch Wissenschaftsministerin Herta Firnberg erklärte sich „außer Stand, dem Geschäft zuzustimmen“. Damit platzte der Deal. Aber die österreichische Linie blieb widersprüchlich. Bereits 1981 wurde ein weiteres umstrittenes Geschäft genehmigt: 108 „Kürassier“ wurden erneut an Argentinien verkauft, wo ebenfalls eine brutale Junta an der Macht war. Kreisky kam nicht umsonst zum Schluss: „Der Export von Waffen ist das schlechteste Geschäft, das es gibt. Warum? Wenn nämlich diese Waffen verschlissen und gebraucht werden, dürfen wir sie nicht liefern. Und wenn sie nicht gebraucht werden, verrotten sie in irgendwelchen Magazinen.“

Der Noricum-Skandal
Zwischen dem 2. und 5. Oktober 1980 war Kreisky auf Staatsbesuch – und zwar in Jordanien. Auf einer Pressekonferenz meinte er, dass er prinzipiell nicht über Waffenexporte verhandle. Das sei Sache der jeweiligen Firmen. Wenige Monate später, am 8. Februar 1981 schlossen die VOEST-Alpine und das jordanischen Verteidigungsministerium einen Vertrag ab. Es ging um die Lieferung von 200 Noricum-Haubitzen. Erst später wird sich herausstellen, dass ein Großteil gleich direkt in den Irak gebracht wurde. Diktator Saddam Hussein hatte 1980 seinen Nachbarn Iran angegriffen. Dieser wiederum wollte ebenfalls Haubitzen beziehen, weil sich diese für den Stellungskrieg eigneten. Es soll massive Drohungen in Richtung Wien gegeben haben. Weil direkte Lieferungen verboten waren, blieb nur der Umweg über ein Drittland. Als Scheinadressat sprang Muammar al-Gaddafis Libyen ein. 1984 kaufte sein Regime für 10 Milliarden Schilling 200 Noricum-Haubitzen. Tatsächlich geliefert wurde in den Iran. 1986 musste nach Kriegsspannungen zwischen Libyen und den USA ein Stopp verhängt werden. Mittels falscher Papiere für lateinamerikanische und osteuropäische Staaten schaffte es die VOEST aber, bis 1987 140 Noricum-Haubitzen und 80.000 Granaten an den Iran zu liefern.

Der Skandal blieb nicht aus: Erste Hinweise darauf, dass die Noricum den Iran belieferte, recherchierte im Juli 1985 der Botschafter in Athen, Herbert Amry. Er sandte vier Fernschreiben an Regierungsstellen und warnte. Kurze Zeit später erlitt Amry einen Herzinfarkt. Am 30. August 1985 verschafften sich dann zwei Journalisten im jugoslawischen Hafen Kardeljevo Zugang zu einem für Libyen bestimmten Noricum-Container. Die darin enthaltene Bedienungsanleitung, war aber nicht in Arabisch, sondern in Persisch abgefasst. Erste Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft wurden noch eingestellt. Doch Enthüllungen eines „Kronzeugen“, des Verstaatlichten-Managers Gernot Preschern, brachten 1987 wieder Bewegung in die Sache. Es folgten ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, ein Verfahren gegen 18 Manager und 1993 schließlich der „Politikerprozess“.

Innenpolitisch war die Causa Noricum ein Symptom des politischen und wirtschaftlichen Krisenjahrzehnts nach 1980 und trug mit dazu bei, dass Österreich den zweifelhaften Beinamen „Republik der Skandale“ erhielt: Der Skandal um den Bau des AKH (1980), die internationale Isolation Österreichs durch die Bundespräsidentschaftskandidatur Kurt Waldheims (1986), der „Wein-Skandal“ (1985), Wohnbauskandale (1982, 1989) oder der „Lucona-Skandal“ erschütterten das Vertrauen in die etablierten Parteien und förderten die Hinwendung zu rechtspopulistischen Politikangeboten. Der Verlust der absoluten Mehrheit 1983 bedeutete das Ende der sozialdemokratischen Hegemonie, die mit dem Wahlsieg von 1970 begonnen hatte. Die Parteienlandschaft sollte sich 1986 durch den erstmaligen Einzug der Grünen Alternative und den Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider überhaupt grundlegend verändern.

Hierzu hatte neben den Korruptionsskandalen auch der Niedergang der Verstaatlichten beigetragen: Anfang der 1990erJahre wurde die ÖIAG einer Privatisierungswelle unterworfen. Vollständig abgeschlossen wurde diese de facto 2005. Anfang 2015 hielt die Staatsholding unter anderem noch 52,85 Prozent an der Post AG, 31,50 Prozent an der OMV und 28,42 Prozent an der Telekom Austria. Schon 1998 sollten nur noch 50.000 Arbeitnehmer im Rahmen der ÖIAG beschäftigt sein. Zum Vergleich: Noch 1980 waren in den 6.846 Industrieunternehmen der Verstaatlichten insgesamt 630.000 Menschen beschäftigt – 22 Prozent aller Arbeitnehmer in ganz Österreich, die 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschafteten. Im Fall der VOEST-Alpine war der ÖIAG-Eigentumsanteil bis 2004 auf 2,25 Prozent zusammengeschrumpft. Ende August 2005 wurden die verbliebenen Anteile vollständig abgegeben; seither befindet sich die nunmehrige „voestalpine“ in privatem Besitz. 
Die 1982 entwickelte Glock 17 gilt als "America's Gun" (Quelle: Wikimedia Commons/Sprenger)
Und die Waffenproduktion? Anfang der 2000er Jahre gab es hier gerade ein paar hundert Beschäftigte. Die jährlichen Exporte schrumpften von ehemals bis zu 500 Millionen Euro auf ein Zehntel. Trotzdem gilt Österreich immer noch als eine „Heimat großer Waffen“ – wenn man an die Hersteller Glock oder Steyr Mannlicher denkt. Einer von vielen typisch österreichischen Widersprüchen.