Sonntag, 12. April 2015

Eine Explosion in Tel Aviv: Der unfreiwillige Selbstmordattentäter Bernd Hausmann

Das Aufkommen des Selbstmordattentats wird in der Geschichte des modernen Terrorismus oft mit dem libanesischen Bürgerkrieg Anfang der 1980er Jahre in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich gab es aber bereits frühere Vorkommnisse, die heute in Vergessenheit geraten sind – so etwa der Fall des jungen Deutschen Bernd Hausmann. Ohne es selbst zu wissen, hatten ihn seine Auftraggeber zum Überbringer einer Bombe „umfunktioniert“. Seinen Ausgang nahm dieses tödliche Drama in Wien – Hintergründe und Ablauf lassen sich auf Basis von Dokumenten der Stiftung Bruno Kreisky Archiv rekonstruieren.

Der Name Bernd Hausmann findet in den zahlreichen Publikationen zum deutschen Linksterrorismus praktisch keinen Niederschlag. Zu seiner Person ist wenig bekannt. Er war 25 Jahre alt, als er starb und gehörte zur Sympathisantenszene des internationalen Terrorismus in der BRD. Manchmal heißt es, Hausmann wäre Mitglied der „Revolutionären Zellen“ gewesen – einer Organisation, die eng mit palästinensischen Gruppen kooperierte. Am bekanntesten ist noch das Foto seines von der Bombenexplosion brutal verstümmelten Gesichts. Wie hatte es nur soweit kommen können?

Mit Plastiksprengstoff präpariert
Mit einem falschen holländischen Pass auf den Namen „Hugo Müller“ ausgestattet war Hausmann am 25. Mai 1976 mit Austrian Airlines (AUA) aus Wien kommend in Tel Aviv gelandet. Es war 13.30 Uhr, er hatte die Passkontrolle schon hinter sich. Da forderte ihn eine Sicherheitsbeamtin auf, ihr in einen separaten Raum zur Gepäckskontrolle zu folgen. Hausmanns „Gammlerkleidung“ war Marguerite Ben Yishy verdächtig vorgekommen. Sie vermutete, einen Drogenschmuggler vor sich zu haben. Hausmann zeigte keinerlei Anzeichen von Nervosität. Doch als er seinen Koffer öffnete, erfolgte im selben Augenblick eine Detonation, die ihn und Ben Yishy tötete. Sechs weitere Personen wurden verletzt. Auch in Hausmanns zweitem Gepäckstück wurde eine Sprengladung festgestellt – diese wurde kontrolliert zur Explosion gebracht, ohne dass es weiter Opfer gab.

Die Untersuchungen ergaben, dass beide Fieberglaskoffer mit Plastiksprengstoff präpariert gewesen waren. Das erstmalige Öffnen beim Einchecken in Wien-Schwechat dürfte den Zünder aktiviert haben, um dann beim zweitmaligen Öffnen die Explosion auszulösen. Die Beamten der Flughafeninspektion hatten in den Gepäcksstücken nur alte Wäsche, Schuhe und Toilettenartikel festgestellt – aber nicht hinterfragt, warum die beiden Koffer trotzdem 13 kg Übergewicht hatten. Die AUA-Hostess empfahl Haussmann noch, das Gepäck per Luftfracht nach Tel Aviv zu schicken. Doch dieser lehnte ab und bezahlte stattdessen die hohe Gebühr für das Übergewicht.

Das Vorspiel in Wien
Hausmann war auf perfide Weise getäuscht worden: Sein Auftrag lautete, einen Koffer in Israel zu überbringen. In Wirklichkeit hatte man ihn aber auf eine Selbstmordmission geschickt. Dazu war Hausmann Mitte Mai 1976 nach Amsterdam bestellt worden, wo er den Pass erhielt. Nächste Station war Wien: Von 24. auf den 25. Mai 1976 stieg er im Hotel „Wolf“ in der Josefstadt ab. In seiner Begleitung befand sich ein Araber, dessen kuwaitischer Pass ihn als „Kahled Mohamed Al-Katami“ auswies. Obwohl nur mehr Doppel- und Dreibettzimmer freigewesen waren, hatten es die „vermutlich befreundeten“ Männer abgelehnt, sich ein Zimmer zu teilen. Noch am 24. Mai hatte Hausmann im Reisebüro „Südring“ ein Ticket für den Flug Wien-Tel Aviv-Teheran-Athen gelöst. Er wollte ursprünglich mit einem Traveller-Scheck bezahlen, was abgelehnt wurde. Innerhalb von nur fünf Minuten kam Hausmann wieder retour und legte die erforderlichen 18.000 Schilling auf das Pult. Naheliegender Schluss: Al-Katami hatte in der Nähe gewartet und das nötige Bargeld übergeben. Tags darauf, um 9 Uhr, nahm Hausmann ein Taxi zum Flughafen und trat seine letzte Reise an. Al-Katami wiederum hatte das Hotel schon früher verlassen – die Fahndung nach dem Araber sollte erfolglos verlaufen.

Drahtzieher Wadi Haddad
Geplant und in Auftrag gegeben worden war der unfreiwillige Selbstmordanschlag von dem damals wohl gefährlichsten internationalen Terroristen: Wadi Haddad von der Palästinensischen Volksbefreiungsfront (PLFP). Haddad, der 1978 wahrscheinlich vom Mossad vergiftet wurde, hatte immer wieder mit neuen Ideen und Techniken überrascht. Zu seinen „Innovationen“ gehörte der Plan, ein mit Sprengstoff gefülltes Leichtflugzeug in das höchste Gebäude von Tel Aviv, den Shalom Tower, stürzen zu lassen. Doch das Vorhaben wurde nach einem missglückten Übungsflug des Piloten aufgegeben. Dennoch sollte wenig später eine Bombe in Israel detonieren: Indem man einen idealistischen und wohl auch naiven Jugendlichen auf teuflisch anmutende Art und Weise missbrauchte.

„Kontrollen oberflächlich“
Hätte der Anschlag verhindert werden können? Unmittelbar nach dem Ereignis wurde in der israelischen Presse kritisiert, dass die Kontrollen in Wien-Schwechat lax gehandhabt würden. Darüber hinaus ermögliche die tolerante Haltung Österreichs gegenüber der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) den Terroristen „große Aktionsfreiheit“. Die Vorwürfe wurden vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Robert Danzinger, zurückgewiesen. Nur zehn Passagiere seien an Bord des besagten Flugs und die Kontrollen genau gewesen.

Die Reputation blieb trotzdem beschädigt: Im Juli 1976 wurden in Geheimdienstkreisen Befürchtungen laut, palästinensische Gruppen stünden vor einer Flugzeugentführung in Westeuropa. Als mögliche Tatorte wurde neben Italien auch Österreich genannt – wegen der „weiche[n]“ Haltung der Wiener Regierung bei Geiselnahmen und weil „die Kontrollen in Schwechat nach weitverbreiteter Ansicht als eher oberflächlich gelten“. Das geht aus einem Botschaftsbericht aus London an das Außenamt hervor, der auch Kreisky in Kopie vorgelegt wurde. Die rote Unterstreichung der zitierten Passage und die hinzugefügten Ruf- und Fragezeichen dürften von ihm stammen.