Mittwoch, 13. Mai 2015

„Ständige Partnerschaft“ – zur Kooperation zwischen NSA und österreichischen Diensten

Neue Dokumente geben Auskunft über die insgeheime Zusammenarbeit zwischen österreichischen Nachrichtendiensten und der NSA: Diese begann kurz nach Abschluss des Staatsvertrags (1955) und wird bis heute fortgeführt.

Dass die US-amerikanische National Security Agency (NSA) Ziele in Österreich ausspäht, ist seit den Enthüllungen durch den „Whistleblower“ Edward Snowden von 2013 bekannt. Neben in Wien ansässigen internationalen Organisationen wie der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) sollen der Webknoten Vienna Internet eXchange (VIX) sowie Kunden des Internetproviders UPC ins Visier genommen worden sein. Wien ist für die NSA „sehr wichtig“, betonte nicht umsonst Thomas Drake, der bereits vor Snowden Datenschutzverstöße durch die NSA angeklagt hatte. Die vielen internationale Organisationen seien „ein kaum zu unterschätzender Informationspool“: „Ich kann gar nicht genug betonen, wie extrem verlockend es für Geheimdienste ist, alles aufzusaugen. Hier werden keine Kosten und Mühen gescheut, das gilt freilich auch für Österreich“, so der ehemalige NSA-Softwareentwickler.
Am Dach des IZD-Towers neben dem Vienna International Center soll eine NSA-Lauschstation untergebracht sein (Foto: Autor)
Lauschangriff auf Österreich
2013 soll der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) über seine Abhörstation im bayerischen Bad Aibling im US-Auftrag unter anderem „gov“, „diplo“ und „bundesamt“ abgefragt haben – wobei sich letzterer Suchbegriff gegen Österreich richtete und höchstwahrscheinlich das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bezeichnet. Mehr als zehn Anfragen der NSA bezogen sich darauf. Grund war angeblich, dass innerhalb der ausländischen Dienste Misstrauen gegenüber den österreichischen Sicherheitsbehörden vorherrscht – zu oft seien sensible Informationen nach deren Weitergabe an Wiener Stellen „durchgesickert“.

Der Lauschangriff bedeutete eine neue Qualität. Bislang war nur gesichert, dass die NSA zwar in Österreich spionierte, aber heimische Stellen außen vorließ. Auf diese Differenz kommt es an – denn laut einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 20. April 1956 wird Spionagetätigkeit erst dann geahndet, wenn diese sich unmittelbar gegen Österreich richtet (höchstens drei Jahren Haft). Innenministerin Mikl-Leitner reagierte jedenfalls ungewöhnlich direkt: „Diese Vorwürfe stehen im Raum, und wenn derartige Vorwürfe im Raum stehen, dann gehören sie auch aufgeklärt. Dazu haben wir jetzt auch alle notwendigen Maßnahmen gesetzt. Zum einen ist unser Verfassungsschutz mit den deutschen Sicherheitsbehörden in Kontakt. Zum zweiten haben wir eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht.“ Letztere ermittelt bereits seit Juli 2013 – nachdem das BVT wegen Spionageverdacht Anzeige gegen unbekannt erstattet hatte.
Das Vienna International Center auf der Donauplatte befindet sich im Visier der NSA (Foto: M. Sibrawa)
Third-Party-SIGNIT-Partner
In den offiziellen Stellungnahmen und der Diskussion rund um den Lauschangriff wird jedoch ausgeklammert, dass Österreich seit dem Kalten Krieg mit den US-Diensten zusammenarbeitet. So wird das Land in den von Snowden geleakten Geheimdokumenten als Third-Party-Signals Intelligence (SIGNIT)-Partner bezeichnet, die der NSA bei ihrer Fernmelde- und elektronischen Aufklärung assistieren. Der US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald hielt dazu fest: „Allgemein lässt sich sagen, dass die NSA mit Österreich genau wie mit anderen Ländern in diesen Kategorien zusammenarbeitet: für spezifische Ziele und diskret. Man sammelt vielleicht gemeinsam Daten aus Afghanistan oder nimmt bestimmte Organisationen ins Visier. […] Ich kann keine Details zu Dokumenten verraten, die noch nicht veröffentlicht wurden, aber: Es gibt eine Partnerschaft zwischen der NSA und Österreich, und zwar nicht nur gelegentlich, sondern ständig.“

Geheimer Verbündeter im Kalten Krieg
Tatsächlich reicht diese Kooperation lange zurück und ist im Wesentlichen dem Kalten Krieg geschuldet. Wie Herbert Lackner in „profil“ betont, tauschen die Geheimdienste Österreichs und der USA seit fast 50 Jahren Informationen aus – „dass damit flagrant gegen die Bundesverfassung konkret gegen das Neutralitätsgesetz verstoßen wurde, kümmerte nie einen der Beteiligten. Jahrzehntelang horchte das Bundesheer etwa den Telefon- und Funkverkehr im Ostblock und auf dem Balkan ab.“ 1958 wurde auf der Königswarte bei Hainburg in unmittelbarer Nähe des Eisernen Vorhangs eine Abhörstation eingerichtet. Die technischen Einrichtungen wurden von der US-Armee auf den Heeresflughafen Hörsching bei Linz eingeflogen und dann ins östliche Niederösterreich weitertransportiert. Man sorgte auch für die technische Ausbildung des Personals. Denn betrieben wurde die Station von der Gruppe für das Nachrichtenwesen, dem 1955 gegründeten Nachrichtendienst des Bundesheers. Dieser wurde 1972 in Heeresnachrichtenamt (HNaA) umbenannt (1985 wurde das Abwehramt als eigener Dienst vom HNaA abgespalten und ist seitdem für den Eigenschutz des Bundesheeres zuständig).

Neben der Königswarte wurden weitere, kleinere Stationen in Neulengbach und Großharras (Niederösterreich), Gols (Burgenland), Pirka bei Graz und Stockham bei Wels eingerichtet. Diese waren Teile einer Peilkette, die sich von Norwegen über Deutschland bis nach Italien zog. Während letztere Staaten NATO-Mitglieder waren, galt Österreich zumindest auf dem Papier als „neutral“. Die Anlagen wurden anfangs auf Kosten der USA erneuert und waren laut „profil“ so leistungsstark, dass Tischgespräche in dem wenige Kilometer von Hainburg entfernten Bratislava belauscht werden konnten. Allerdings konnte das HNaA mit den abgefangenen Daten selbst nicht viel anfangen. Die Aufzeichnungen wurden zur Auswertung in eine US-Station nahe Frankfurt am Main transportiert, mitunter sogar mit Linienmaschinen der Austrian Airlines. Innerhalb der letzten Jahre soll die Königswarte mit Ausgaben von bis zu 150 Millionen Euro für neue Aufgaben aufgerüstet worden sein. Zum Einsatz kommt die Station nun für die Überwachung von Kommunikationssatelliten. Zur Luftraumüberwachung dienen bis heute Radaranlagen auf dem Kolomannsberg (Salzburg), dem Steinmandl (Niederösterreich) und der Koralpe (Kärnten) unter der Sammelbezeichnung „Goldhaube“.
Ansicht der Funkhorchstation Königswarte (Quelle: Doronenko/Wikimedia Commons)
Neutralität „systematisch verletzt“
Wie aus Unterlagen der DDR-Staatssicherheit hervorgeht, war der Ostblock über diese Vorgänge gut im Bilde. Laut einem Dokument von 1984, das der Kärntner Historikerbericht „Titos langer Schatten“ (2015) zitiert, wurde den NATO-Nachrichtendiensten die Möglichkeit eingeräumt, auf österreichischem Boden „Maßnahmen ihrer Organe zu realisieren“. Gleichzeitig führten die heimischen Dienste für ihre Partner zahlreiche Aufklärungs-, Abwehr- und Polizeimaßnahmen durch. Die Kontakte zu den jeweiligen Diensten lag in den Händen eines Verbindungsoffiziers, der „direkt in der entsprechenden diplomatischen Vertretung des jeweiligen […] Landes in Wien“ saß. Das HNaA habe einerseits in Abstimmung mit der US-amerikanischen Defense Intelligence Agency (DIA) die gesamte Staatsgrenze zur Tschechoslowakei kontrolliert. Andererseits bearbeitete das HNaA alle akkreditierten Mitarbeiter der diplomatischen Vertretungen der sozialistischen Staaten, insbesonders jene der UdSSR, der CSSR, Ungarns, der DDR und Jugoslawiens. Das Fazit der DDR-Staatssicherheit: „Offiziell – nach den Prinzipien der österreichischen Neutralität – ist es verboten, gegen die Staaten der sozialistischen Gemeinschaft zu arbeiten. Doch diese offizielle Festlegung wird in der praktischen Tätigkeit nicht eingehalten, sondern systematisch verletzt.“

„Kostenintensiv und weitgehend veraltet“
In der Stiftung Bruno Kreisky Archiv (StBKA) befindet sich eine „streng vertrauliche“ Information der SPÖ-Fraktion an Bundeskanzler Bruno Kreisky zu „Veränderungen“ im HNaA. Darin wird über die scharfen parteipolitischen Auseinandersetzungen rund um die Besetzung von HNaA-Spitzenposten Mitte der 1970er Jahre Auskunft gegeben. Aus Sicht der SPÖ war der Dienst nämlich „nahezu reinrassig mit ÖVP-nahestehenden Personen besetzt“. Darüber hinaus wird der status quo bewertet. So heißt es unter Punkt 2: „Die Bedeutung des Heeresnachrichtenamtes liegt einerseits in der offenen Nachrichtenbeschaffung und Auswertung, andererseits in den Aufklärungsergebnissen des Fernmelde- Aufklärungsbataillons, welches immer wieder von der kommunistischen Presse angegriffen wird und in welches seitens der Kommunisten versucht wird, Personal im Wege von Wehrpflichten einzuschleusen. Die geheime Nachrichtenbeschaffung ist nicht zuletzt aus finanziellen Gründen eher von untergeordneter Bedeutung.“ Laut Punkt 4 ist das HNaA „trotz aller Schwächen insbesondere durch die Mittel der Fernmeldeaufklärung in der Lage oft wesentliche Beiträge zur Erstattung eines Lagebildes zu geben, wobei es in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit und dem Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten periodische Lagedarstellungen liefert.“ Das Dokument hält weiter fest, dass technische Gerät für die Fernmeldeaufklärung „sehr kostenintensiv und weitgehend veraltet“ sei: „Im vergangenen Jahr wurde eine Erneuerung und Verbesserung (Automatisierung) der Fernmeldeaufklärung durch eine erhebliche Beschaffung (Generalunternehmer Fa. Kapsch) in die Wege geleitet.“

Geheimverträge zwischen USA/Österreich
Festgelegt wurde die Kooperation USA/Österreich in streng geheimen Verträgen, deren genauer Inhalt bis heute Anlass für Spekulationen bietet. Laut Hans Wolker (Schatten über Österreich, 1993) wurde 1984 ein Vertrag über die „Allgemeine Sicherheit militärischer Informationen – General Security of Military Information Agreement“ (GSOMIA) abgeschlossen. Dieses Abkommen regelt den Schutz „aller zwischen den Regierungen (USA/Österreich) ausgetauschten geheimen militärischen Informationen“. Eine der Bestimmungen hält fest: „Die österreichische Regierung wird den Sicherheitsexperten der amerikanischen Regierung regelmäßige Besuche in ihrem Hoheitsgebiet gestatten“ und diese zudem „unterstützen“.

Die Zusammenarbeit zwischen HNaA und westlichen Diensten ist abgesehen vom Neutralitätsgesetz noch aus einem anderen Grund problematisch. Laut §319 des Strafgesetzbuchs ist die Unterstützung eines fremden militärischen Nachrichtendiensts strafbar: „Wer im Inland für eine fremde Macht oder eine über- oder zwischenstaatliche Einrichtung einen militärischen Nachrichtendienst einrichtet oder betreibt oder einen solchen Nachrichtendienst wie immer unterstützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“ Die kritische Frage, ob die Kooperation zwischen österreichischen und ausländischen Diensten gegen diese Bestimmung verstößt, klärte ein Gutachten des Justizministeriums von 1993: „Ein bloß gelegentlicher Austausch von Nachrichten erfüllt die Qualifikation eines Nachrichtendienstes nicht.“ Rechtlich gehe alles in Ordnung, „jedenfalls soweit der Informationsaustausch der Beschaffung von Nachrichten dient.“
Die angebliche NSA-"Hütte" am IZD-Tower ist vom Boden aus nur schwer erkennbar - siehe rechter Bildabschnitt (Foto: Autor)
Gefragte Expertise des HNaA
Heute zählt das HNaA zählt laut unterschiedlichen Angaben zwischen 750 und 500 Mitarbeiter (zum Vergleich: Die NSA beschäftigt 40.000, der BND 7.000 Mitarbeiter). Ausländische Dienste haben dennoch Interesse an „Expertise“ aus Österreich. Laut „Presse“ ist der Westbalkan eine Region, in der HNaA-Leute vor Ort aufklären und über Know-how verfügen: „Das Gleiche gilt für Zentralafrika. Dort bringt sich das Amt mit Übersetzern ein, die abgefangene Gespräche zwischen Warlords mit den ausgefallensten Dialekten entschlüsseln.“

Literatur:
Florian Horcicka, Lauschangriff auf falsche Freunde, in: Format Nr. 19/2015, 12 f.
Fabian Schmid, Enthüllungsjournalist Greenwald: „Österreich ist ständiger und diskreter Partner der NSA“, in: derstandard.at, 26. 5. 2014.
Andreas Wetz, Benedikt Kommenda, NSA: Die Wiener Geheimdienstdeals, in: Die Presse, 4. 5. 2015.
Herbert Lackner, Der geheimste Dienst, in: profil, Nr. 9/1989, 24-28.
Herbert Lackner, Der geheimste Dienst, in: profil, Nr. 29/2013, 14-19.
Thomas Drake: Natürlich ist Wien wichtig für die NSA, in: profil, Nr. 36/2013, 70 f.
Fabian Schmid, Markus Sulzbacher, Wie Bundesheer und NSA kooperieren, in: derstandard.at, 17. 10. 2014.
Hans Wolker, Schatten über Österreich. Das Bundesheer und seine geheimen Dienste, Wien 1993.
Alfred Estle, Wilhelm Wadl, Titos langer Schatten. Bomben- und Geheimdienstterror im Kärnten der 1970er Jahre, Klagenfurt 2015.
Im Westen was Neues, in: profil, Nr. 37/1994, 25.
Staatsanwaltschaft Wien ermittelt doch wegen NSA-Spionage, in: derstandard.at, 5. 5. 2015.
„Ich fühle mich unwohl“, in: profil, Nr. 20/2015, 26-29.

Sonntag, 3. Mai 2015

Otto Skorzeny und das „Schutzkorps Alpenland“

Erst am 13. Mai 1945, fünf Tage nach Ende des Zweiten Weltkriegs, kapitulierte die letzte SS-Einheit in Österreich: Das Schutzkorps Alpenland (SKA). Vieles von dem, was sich nach tagelangem Verwirrspiel auf abgelegenen Almen abgespielt hat, ist bis heute ungeklärt. So soll es zu Fememorden an kapitulationswilligen SS-Männern gekommen sein. Angeblich verschwanden auch Reichtümer spurlos.

Kommandeur des SKA war niemand geringerer als Otto Skorzeny: Der damals 37jährige Obersturmbannführer, ein gebürtiger Wiener, befand sich am Höhepunkt seiner Karriere. Aufgrund seiner guten Beziehungen zu Ernst Kaltenbrunner, Stellvertreter von SS-Reichsführer Heinrich Himmler, hatte Skorzeny 1943 die Chance erhalten, sich zu profilieren – er baute für die Auslandsabteilung des Sicherheitsdiensts (SD) einen Verband für Spezialoperationen auf, mit dem die SS den Sondereinheiten von Wehrmacht und Luftwaffe Konkurrenz machen wollte. Im selben Jahr nahm Skorzeny an einem Kommandounternehmen zur Befreiung des Diktators Benito Mussolini aus italienischer Haft teil. Obwohl er „Unternehmen Eiche“ am 12. September 1943 nur als Beobachter mitmachte, begründete der erfolgreiche Abschluss Skorzenys Ruf als „gefährlichster Mann Europas“.
Skorzeny in Schwedt an der Oder, Februar 1945 (Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia Commons)
„Von einem Armeekorps nur der Name“
Ende Februar 1945 wurde Skorzeny nach schweren Kämpfen an der Schwedt an der Oder nach Berlin befohlen und begab sich Anfang März ins Salzkammergut nach Bad Aussee. Im Herzen der sogenannten „Alpenfestung“, die zum Fluchtpunkt eines Teils der NS-Elite wurde, zog Skorzeny zwischen 250 und 300 Mann von verschiedenen SS-Sonderverbänden zusammen. Rund um den 28. April 1945 gab er der Truppe den Namen „Schutzkorps Alpenland“ – obwohl wie er selbst einräumte, das SKA „von einem Armeekorps aber nicht mehr als den Namen besaß“.

In einer Kupfermine in Mitterberghütten wurde ein größeres Waffen-, Munitions- und Sprengstoffdepot angelegt. Zehn Tonnen Nachschub, genug für eine kleine Guerillaarmee, transportierte man ins Achthal. Ende April 1945 war das SKA emsig an der Arbeit, Verteidigungsstellungen, Nachschubdepots und Verbandsplätze anzulegen.Schließlich wurde der Verband in kleine Einheiten in Zugsstärke (40-50 Mann) aufgebrochen. Diese wurden dann auf höherliegende Almen verteilt. Untereinander war man per Funkgerät mit der zentralen Station „Brieftaube“ verbunden. Die Führungsgruppe (10 Mann) befand sich in Annaberg, die weiteren Detachements in Hochfilzen (Hauptsturmführer Fucker), Lofer (Hauptsturmführer Grig), Altenmarktthal (Hauptsturmführer Streckfuss), Bischofshofen (Untersturmführer Wilscher), Maishofen-Saalbach (Obersturmführer Ludwig), nördlich von Kitzbühl (Untersturmführer Bihrer), Bad Mitterndorf (Hauptsturmführer Winter) und Bad Aussee (Obersturmführer Schürmann).

„Bolschewisierung“ verhindern
Was genau die strategische Intention hinter dem SKA war, ist bis heute unklar: Skorzeny hatte im Wesentlichen aus Eigeninitiative gehandelt und sich im Nachhinein bei seinen Vorgesetzten abgesichert. Aufgrund von Instruktionen Kaltenbrunners, der sich ebenfalls nach Altaussee geflüchtet hatte, befahl Skorzeny die Einstellung der Kampfhandlungen gegen westalliierte Truppen. Der Widerstand sollte nur mehr gegen die Rote Armee fortgesetzt, die Zivilbevölkerung vor Marodeuren beschützt und den Bauern bei der Landwirtschaft sowie beim Wiederaufbau geholfen werden. Tatsächlich waren es aber die Zivilisten, die in den letzten Kriegstagen am meisten unter Übergriffen des SKA zu leiden hatten. Skorzenys Männer drangen in Gehöfte ein und machten Jagd auf Deserteure. Es sollen auch einige Erschießungen durchgeführt worden sein. Ähnlich brutal verhielt man sich gegenüber den Bauern, die man zur Hilfe beim Stellungsbau zwang. Alle Vorbereitungen liefen darauf hinaus, einen Guerillakrieg gegen die Rote Armee zu führen und eine „Bolschewisierung“ zu verhindern. Skorzeny bereitete Sabotageaktionen und den Kampf in feindlichen Uniformen sowie in Zivilkleidung vor.
Die Befehle an das SKA lt. Befragung von Karl Radl durch das CIC (Quelle: foia.cia.gov)
Das Geheimnis des Ödensees
Am 27. April 1945 soll Skorzenys Adjutant Karl Radl von einem SS-General als „Kriegskasse“ noch eine größere Menge an Gold und Wertpapieren erhalten haben: 50.000 Franken in Goldmünzen, 10.000 schwedische Kronen, 5.000 Dollar, 5.000 Schweizer Franken und fünf Millionen Reichsmark. Es handelte sich um Gelder, die von der SS zuvor aus der Berliner Reichsbank gestohlen worden waren. Die Beute wurde danach im Gebirge versteckt und blieb bis heute verschollen. Einige Experten vermuten den „Schatz“ auf dem Boden des Ödensees. Dort hatte sich ein SKA-Offizier Anfang Mai 1945 die Seealmhütte aufsperren lassen, die danach bis oben hin mit Kisten vollgestopft wurde. Schließlich wurden diese mit dem Forstboot 50 bis 100 m auf den See hinausgefahren und anschließend versenkt. In jener Bucht, wo sich damals die Seealmhütte befand, fanden Taucher später den SS-Ring eines der Adjutanten Skorzenys. Alle weiteren Geheimnisse hat der Ödensee bislang bewahrt.
Die Umrisse der Seealmhütte am Ödensee lassen sich heute noch erkennen (Foto: Autor)
 „In die Berge zurückgezogen“
Als am 6. Mai 1945 der Befehl erteilt wurde, zwei Tage später die Waffen niederzulegen, zog sich Skorzeny mit seinen engsten Mitarbeitern in die Berge zurück, „um abzuwarten“: „Meine Truppen befanden sich in kleinen Einheiten aufgeteilt in den nahe liegenden Tälern und warteten auf meine letzten Befehle.“ In seinen Erinnerungen behauptet Skorzeny überlegt zu haben, Selbstmord zu begehen oder sich abzusetzen: „Viele unserer Kameraden suchten in den letzten Kämpfen den Tod oder setzten ihrem Leben freiwillig ein Ende. Ich hätte auch – und zwar ganz leicht – an Bord einer JU 88 ins neutrale Ausland fliegen können. Aber ich weigerte mich, mein Land, meine Familie und meine Kameraden im Stich zu lassen.“
Der Ödensee hat seine Geheimnisse bewahrt (Foto: Autor)
Skorzeny entschloss sich schließlich, den amerikanischen Divisionsstab in Salzburg zu benachrichtigen. Er schlug vor, Offiziere und Mannschaften des SKA würden sich gemeinschaftlich ergeben. Doch als amerikanische und französische Offiziere am 10. Mai 1945 Annaberg aufklärten, zeigten sie kein Interesse und verließen den Ort wieder, ohne Instruktionen zu geben. Als zwei Tage später wieder US-Soldaten nach Annaberg kamen, kündigte Skorzeny erneut seine Kapitulation an und bat um einen Jeep, der ihn ins Hauptquartier der 3. US-Division in Salzburg bringen sollte. Erst am 16. Mai 1945 war es soweit: Skorzeny, sein Adjutant Radl und ein Übersetzer wurden bei einer Brücke in Annaberg abgeholt und ins Divisionshauptquartier gefahren. Doch dort hatte jedoch noch nie jemand von Skorzeny gehört, und er wurde weitergereicht. Als er schließlich bei einem Bataillonsstab in Werfen gerade auf einer Karte zeigen wollte, wo sich die verschiedenen SKA-Gruppen befanden, wurden plötzlich Fenster und Türen aufgerissen: „Ein Dutzend MPs wurden auf mich gerichtet, und der Dolmetscher bat mich, meine Pistole auszuhändigen, was ich tat. […] Dann wurde ich gefilzt und nackt ausgezogen. Meine Mussolini-Uhr wurde gestohlen; ich ließ sie mir zurückerstatten, und dann verschwand sie endgültig.“ Während für Skorzeny so eine längere Zeit in Kriegsgefangenschaft begann, hatten Teile des SKA nichts von der Kapitulation mitbekommen. Angehörige eines „vergessenen“ Detachements in der Nähe von Innsbruck erinnerten einen Betrachter bald an prähistorische Höhlenmenschen: Rund um eine Feuerstelle zusammengekauert lauschten sie wie BDM-Mädchen Hölderlin- und Weinheber-Passagen vortrugen und bedienten sich laufend aus einem Lager voller Brandwein- und Champagnerflaschen. Es dauerte bis Juni 1945, ehe alle Versprengten aufgegriffen waren.
Die Mission des SKA (lt. Bericht über Vernehmung von Hauptsturmführer Walter Grig, 1946, Quelle: foia.cia.gov)
Erschießungen im Öderntal
Das Kontingent von Obersturmführer Herbert Schürmann, das sich in das Öderntal hinter Bad Mitterndorf zurückgezogen hatte, ergab sich am 13. Mai 1945. Die Zivilistin Lydia Stadler wurde als Kurier zum Hauptquartier in der Albrechtshütte geschickt. In den umliegenden Almhütten und der Rechenstube sowie in Zelten auf den Almwiesen hatten die SKA-Leute Quartier bezogen. Schürrmann willigte ein, bis um 14 Uhr mit drei vollbeladenen Lkws nach Bad Aussee abzufahren, wo die 44 Männer und 4 Frauen entwaffnet wurden. Offenbar hatten zuvor noch Exekutionen stattgefunden. Die damals 19jährige Stadler sah auf dem Weg zur Albrechtshütte mehrere Leichen: „Die Menschen hat man erschossen, weil sie weg wollten. Das war für mich ein unheimlicher Schock.“ Auf den Feldern lagen Fallschirme herum, teilweise auch geöffnet. Die notleidenden Zivilisten in Bad Mitterndorf nutzten das zurückgelassene Kriegsmaterial. Bis in die 1960er Jahre wurden aus dem Stoff der Fallschirme Jacken, Hosen, Röcke, Bettzeug und Tischtücher hergestellt. Die SS-Männer wiederum kehrten noch 1945 als Kriegsgefangene zum Holzfällen nach Bad Mitterndorf zurück. Das betreffende Waldstück wird bis heute „SS-Schlag“ genannt. Die Albrechtshütte ist erst kürzlich vom ehemaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein gepachtet und erneuert worden.

„Politisch kurzsichtig bis zum Punkt der Naivität“
Skorzeny hatte bis zuletzt mit dem Gedanken gespielt, das SKA den Westalliierten für eine mögliche Verwendung gegen die Rote Armee anzudienen. Das geht auch aus einem Verhörbericht des US-Armeegeheimdiensts CIC von Ende Mai 1945 hervor: „Skorzeny rechnet ernsthaft mit der Möglichkeit eines Konflikts zwischen dem westlichen Block und dem Kommunismus. Diese Überlegung stand ursprünglich hinter seiner freiwilligen Aufgabe in der Hoffnung, man würde ihm einen aktiven Part in diesem Unternehmen geben. Wegen seiner österreichischen Abstammung ist er klarsichtig und anpassungsfähig, aber politisch kurzsichtig bis zum Punkt der Naivität.“
Auszug aus Verhör Skorzenys durch das CIC, 23. 5. 1945 (Quelle: foia.cia.gov)
Nach dem Gang in die Kriegsgefangenschaft wurde Skorzeny von einem Militärtribunal in München-Dachau als Kriegsverbrecher angeklagt. Im September 1947 sprach man ihn aber frei als ein britischer Offizier bestätigte, dass sich auch alliierte Spezialeinheiten in feindlichen Uniformen getarnt hatten. Bevor weitere Ermittlungen beginnen konnten, gelang Skorzeny 1948 die Flucht aus einem Internierungslager in Darmstadt. Unter falschem Namen und mit blondierten Haaren versteckte er sich eine Zeit lang in Bayern, ehe er im Februar 1950 seine Zelte in Madrid aufschlug. Francos faschistisches Spanien bot damals einer Kolonie von flüchtigen Nazis Unterschlupf, Skorzeny war einer der prominentesten Köpfe. Er betätigte sich als Konsulent, Waffenhändler und Informant verschiedener Geheimdienste. Besonders eifrig strickte Skorzeny an seiner eigenen Legende. Am 6. Juli 1975 verstarb er schließlich 67jährig – die Urne mit seiner Asche wurde im Familiengrab am Döblinger Friedhof beigesetzt.

Literatur:
Perry Biddiscombe, The SS Hunter Battailions. The Hidden History oft the Nazi Resistance Movement 1944-45, Stroud 2006.
Christian Huemer, Mitterndorf hing an den Fallschirmen, in: Kleine Zeitung, 20. 4. 2005, 20.
Otto Skorzeny, Meine Kommandounternehmen, München 1976.
Ian Sayer, Douglas Botting, Nazi Gold, London 1984.
Gerhard Zauner, Verschollene Schätze im Salzkammergut. Die Suche nach dem geheimnisumwitterten Nazi-Gold, Graz-Stuttgart 2003.
Neue Hütte, alte Probleme für Ex-Minister, in: News, Nr. 47/2013, 20.
Spione, Schwindler, Schatzsucher. Kriegsende im Ausseerland 1945, Bad Aussee 2014.