Montag, 26. August 2013

Otto Skorzeny: „Eine typische Landsknechtnatur“

Vor 70 Jahren befreiten deutsche Fallschirmjäger und SS-Leute den abgesetzten Diktator Benito Mussolini – berühmt wurde dadurch vor allem der Österreicher Otto Skorzeny. Neue Forschungen und Dokumente belegen: Der „gefährlichste Mann Europas“ war ein grandioser Aufschneider und im Kalten Krieg dennoch gefragt.

Otto Skorzeny (1948, Quelle: Wikimedia Commons)
Benito Mussolini machte einen gebrochenen Eindruck. Wenige Stunden zuvor hatte man ihn noch abgehalten, mit einem Rasierer Selbstmord zu begehen. Nun stand ihm plötzlich ein baumlanger SS-Mann einer tiefen Schmissnarbe vom Ohr zum Kinn gegenüber und sagte theatralisch: „Duce, der Führer schickt mich! Sie sind frei!“ Tief bewegt soll Mussolini den Offizier daraufhin umarmt und gesagt haben: „Ich habe es geahnt und nie daran gezweifelt, dass der Führer alles tun wird, um mich wieder herauszuholen!“ Es ist der 12. September 1943 – innerhalb von nur zehn Minuten hat ein deutsches Sonderkommando den abgesetzten Diktator aus seiner Haft befreit – „Unternehmen Eiche“ ist ein voller Erfolg und macht vor allem einen Mann weltberühmt: Den gebürtigen Wiener Otto Skorzeny. Der SS-Hauptsturmführer hat als erster Mussolinis „Gefängnis“, das Zimmer 201 des Hotels „Campo Imperatore“ auf dem Plateau des Gran Sasso nordöstlich von Rom betreten. Von da an versteht es Skorzeny geschickt, den Erfolg für sich zu vereinnahmen. Die NS-Propaganda stilisiert ihn zum „Mussolini-Befreier“, aber auch nach Kriegsende feiern ihn zahllose Bücher als „Commando Extraordinary“ und „gefährlichsten Mann Europas“. Letzterer Spitzname stammte vom britischen Autor Charles Whiting, dem Skorzenys unkonventionelle Methoden als passende Alternative zu Massenschlachten und nuklearer Vernichtung erschienen.

Heute noch sind Skorzeny-„Action Figuren“ begehrte Sammlerobjekte. Sogar im US-amerikanischen Comic „Atomicrobo“ hat Skorzeny 2008 als Superschurke Niederschlag gefunden. So viel ist klar: Die seltsame Faszination des Bösen, die seit Jahrzehnten vom „Narbengesicht“ ausgeht, hat seinen Krebstod 1975 überdauert. Dabei ist der Mythos rund um Skorzeny ein einziges Gebilde aus glatten Lügen und Übertreibungen – anhand neuer Dokumente aus dem Wiener Staatsarchiv und dem Nachlass von „Nazijäger“ Simon Wiesenthal geht „profil“ den Legenden auf den Grund. Deutlich wird daraus vor allem eines: Skorzeny war ein gnadenloser Opportunist, begabter Selbstdarsteller und zeitlebens bekennender Nazi. Aber darüber hinaus haben auch westliche Geheimdienste nach 1945 nicht davor zurückgeschreckt, sich seiner „Expertise“ zu bedienen. So machte Hitlers Kommandosoldat im spanischen Exil eine bemerkenswerte zweite Karriere: Als millionenschwerer Unternehmer, Waffenhändler und Memoirenautor – stets gut vernetzt mit anderen ehemaligen NS-Größen und internationalen Neofaschisten.

Skorzenys Aktivitäten wurden auch in seinem Geburtsland Österreich verfolgt – das ergibt sich aus einem umfangreichen Dossier der Staatspolizei. Nach Kriegsende waren hier zwei Verfahren gegen Skorzeny anhängig: Ersteres hatte ein 1950 von der Gesandtschaft der CSSR gestelltes Auslieferungsbegehren zur Grundlage  – Skorzeny wurde für Verbrechen deutscher Soldaten beim Rückzug durch die Tschechoslowakei verantwortlich gemacht. In Österreich selbst wurde ihm aktive Beteiligung an der Pogromnacht vom 10. November 1938 vorgeworfen, in deren Verlauf Skorzeny mit einer SS-Truppe zwei Synagogen in Wien-Landstraße angezündet haben soll. Trotzdem unternahm man keinen Versuch, seiner habhaft zu werden. So wurde 1952 ein Auslieferungsansuchen an Spanien „wegen des politischen Charakters der Straftat und des Mangels eines Auslieferungsverkehres mit Spanien vom Bundesministerium für Justiz nicht in Erwägung gezogen“. Einerseits gab es Hinweise, dass Skorzeny von Spanien aus „mit deutschen und österreichischen nationalsozialistischen Kreisen in Verbindung stehe“ – andererseits wurde gleich wieder insofern abgewiegelt, „dass Skorzeny keine politischen Ambitionen habe und seine Tätigkeiten auf rein geschäftlicher Basis liegen“.

Jedenfalls wurden beide Verfahren 1958 eingestellt – damit war der Weg frei, Skorzeny einen österreichischen Pass auszustellen, um den er sich schon jahrelang bemüht hatte. In einer Information für Innenminister Oskar Helmer fasste ein hoher Staatspolizist das Für und Wider in dieser Frage so zusammen: „Ich neige eher der Ansicht zu, dass Skorzeny, eine typische Landsknechtnatur, wohl zur Durchführung von Husarenstücken eine besondere Eignung hat, jedoch Fähigkeiten für politische Konzeption und Organisation nicht besitzt. Bezüglich seines Charakters wäre noch zu sagen, dass er sich um die Familie seines Bruders, der zweifellos nur deshalb nach Russland verschleppt worden ist, weil er den Namen Skorzeny trägt, überhaupt nicht kümmert.“[1] Gegen die Pass-Ausstellung würden allenfalls „optische Gründe“ sprechen: „Es erscheint nicht sehr wünschenswert, wenn Skorzeny, der immerhin von einem gewissen Nimbus umgeben ist, und dessen Persönlichkeit immer mit gewissen Gerüchten verbunden sein wird, die Möglichkeit gegeben wird, mit einem österreichischen Pass in aller Welt herumzuziehen.“ 1959 wurde schließlich zugestimmt, nachdem „Versagungsgründe“ nicht mehr vorlagen.  Skorzeny sei „ohne Zweifel noch im politischen Sinne tätig, insoferne als er gewisse Beziehungen unterhält, die es angezeigt erscheinen lassen, ihn nicht ganz aus dem Auge zu verlieren“, so die Staatspolizei. Im Herbst 1962 schrieb man Skorzeny aufgrund neuer Vorwürfe wieder zur Verhaftung aus, weshalb ein Antrag auf Passverlängerung 1964 abgelehnt wurde. Zerknirscht musste man in Wien feststellen, dass Skorzeny dennoch – aus welchen Quellen auch immer – ein gültiges österreichisches Reisedokument benutzt hatte, um 1965 Südafrika zu besuchen, was dort ein peinliches Nachspiel im Parlament hatte.

Der 1908 geborene Skorzeny stammte aus einem „national“ gesinnten Wiener Elternhaus. Als Maschinenbaustudent war er allenfalls für Trinkfestigkeit und leidenschaftliches Mensurfechten bekannt. Politisch war er ein Nazi der ersten Stunde: Schon 1932 trat Skorzeny der österreichischen NSDAP und zwei Jahre später der SS bei. In den Wirren des „Anschlusses“ 1938 war er an der Festnahme von Bundespräsident Wilhelm Miklas beteiligt. Doch Skorzenys Karriere geriet nie in Fahrt – er brachte es gerade mal zum Kraftfahroffizier. Es war seiner persönlichen Bekanntschaft zu Ernst Kaltenbrunner, Stellvertreter von SS-Reichsführer Heinrich Himmler, zu verdanken, dass Skorzeny 1943 eine Chance erhielt, sich zu profilieren – er baute für die Auslandsabteilung des Sicherheitsdiensts (SD) einen Verband für Spezialoperationen auf, mit dem die SS den Sondereinheiten von Wehrmacht und Luftwaffe Konkurrenz machen wollte. Die Stunde der Bewährung kam im Sommer 1943 – der rasche Vormarsch der Alliierten in Süditalien hatte zur Absetzung und Verhaftung Mussolinis geführt. Der neuen Regierung unter Marschall Pietro Bagdolio blieb aber nur die bedingungslose Kapitulation. Hitler reagierte auf diesen „Verrat“ umgehend: Weite Teile Italiens wurden besetzt, um das Abfallen von der „Achse“ zu verhindern. Davor hatte Hitler bereits die Befreiung Mussolinis angeordnet, was kein leichtes Unterfangen war, denn dieser war „spurlos“ verschwunden.

Die Suche nach dem Duce wurde von Skorzeny vor Ort geleitet. Nach fünf Wochen gab es eine heiße Spur – die Gestapo in Rom hatte ein Telefongespräch abgehört, dass schließen ließ, Mussolini werde im Hotel „Campo Imperatore“ in den fast 3.000 m hohen Abruzzen festgehalten. Nirgendswo zeigte sich Skorzenys Talent, sich in den Vordergrund zu drängen, deutlicher als beim folgenden „Unternehmen Eiche“: Der „Mussolini-Befreier“ sollte eigentlich nur als „Beobachter“ teilnehmen. Er und seine 17 SS-Männer hatten nur die Aufgabe, die Landezone zu sichern, während die Ausführung des Handstreichs hochspezialisierten Fallschirmjägern der Luftwaffe vorbehalten war. Doch unvorhergesehener Weise landete ausgerechnet der Lastensegler mit Skorzeny an Bord als erster auf dem Plateau des Gran Sasso. Ohne Befehle zu geben oder seine Waffe zu ziehen, rannte Skorzeny gegen alle Absprachen einfach Richtung Hotel drauf los. Beinahe hätte ihn eine eineinhalb Meter hohe Mauer an der Vorderseite auch schon wieder gestoppt – nur unter Schwierigkeiten gelang es den alles andere als fitten SS-Leuten das Hindernis dann doch zu überwinden. Die italienischen Wachmannschaften hätten die isolierten Angreifer leicht ausschalten können. Stunden zuvor waren sie vor einer Befreiungsaktion gewarnt worden. Trotzdem hielt die Mehrzahl der Bewacher, darunter der Kommandant, Siesta. Als diese abrupt gestört wurde, sahen die Italiener ihre Lage als verloren an. Laut neuen Erkenntnissen war es der Regierung Bagdolio ohnehin nur recht, das „Problem“ Mussolini auf diese Weise loszuwerden.  
 
Hotel Camp Imperatore heute (RaBoe/Wikipedia)
So gab es auch keine eigentliche Kampfhandlung – nur ein einziger Schuss wurde abgefeuert und der aus Versehen. Nachdem Skorzeny den Duce lokalisiert hatte, wich er ihm nicht mehr von der Seite – dokumentiert wurde das alles von einem Korrespondenten und einem Fotografen, die man auf Skorzenys Veranlassung hatte mitnehmen müssen. Als Mussolini dann in einem Kleinflugzeug ausgeflogen wurde, zwängte sich der massige Hauptsturmführer mit hinein – nur dem Geschick des Piloten war es zu verdanken, dass die Maschine wegen des Übergewichts nicht gleich zerschellte. So dreist diese Aktion war, Skorzeny wollte den Duce um jeden Preis persönlich an Hitler übergeben und so allen Ruhm für sich und die SS einheimsen. Und diese Rechnung ging auf, nicht zuletzt weil der Propagandaapparat von Joseph Goebbels eine kühne Heldengeschichte bitter nötig hatte.

Otto Skorzeny, Benito Mussolini General Gueli mit deutschen Fallschirmjägern und SS-Leuten auf dem Weg zum Flugzeug (Bundesarchiv, Toni Schneiders, Wikimedia Commons)

Während der Ardennenoffensive im Dezember 1944, dem letzten deutschen Vorstoß im Westen, sollten Skorzenys Kommandos in US-Uniformen hinter der feindlichen Front Verwirrung stiften. Doch das „Unternehmen Greif“ wurde zum Desaster: Nur wenige Jeep-Besatzungen gelang es überhaupt durchzudringen, und die meisten flogen sofort auf. Dafür kursierten auf alliierter Seite die wildesten Gerüchte: Skorzeny sei bereits in Paris, um einen Anschlag auf den Oberkommandierenden Eisenhower zu unternehmen. Tatsächlich war Skorzenys Kampfgruppe kurzerhand konventionell eingesetzt worden – ihr militärisch völlig inkompetenter Führer „verheizte“ die Truppe jedoch in einem Frontalangriff.

Im Rahmen der großen Kundgebung, die anläßlich des Erntedanktages 1943 im Berliner Sportpalast stattfand, wurden drei Männer mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes ausgezeichnet (Quelle: Bundesarchiv, Wikimedia Commons)

Die letzten Kriegstage 1945 verbrachte der nunmehrige Obersturmbannführer Skorzeny im Salzkammergut. Mitgebracht in die „Alpenfestung“, eines der letzten Rückzugsgebiete des Dritten Reichs, hatte er eine große Menge Goldes, fünf Millionen Reichsmark sowie Wertpapiere. Dieser „Schatz“ blieb verschwunden – während ihn manche immer noch auf dem Grund des Toplitzsees oder des Ödensees vermuten, sehen andere darin die Quelle des späteren beträchtlichen Reichtums Skorzenys.

Den US-Truppen stellte sich Skorzeny schließlich am 15. Mai 1945 – zunächst wurde er von einem Militärtribunal in München-Dachau als Kriegsverbrecher angeklagt. Im September 1947 sprach man ihn aber frei als ein britischer Offizier bestätigte, dass auch alliierte Spezialeinheiten sich in feindlichen Uniformen getarnt hatten. Bevor weitere Ermittlungen durch deutsche Behörden beginnen konnten, gelang Skorzeny 1948 die Flucht aus einem Internierungslager in Darmstadt. Unter falschem Namen und mit blondierten Haaren versteckte er sich eine Zeit lang in Bayern, ehe er im Februar 1950 seine Zelte in Madrid aufschlug. Francos faschistisches Spanien bot damals einer Kolonie von 16.000 flüchtigen Nazis Unterschlupf, und Skorzeny war einer der prominentesten Köpfe.

Nach der Scheidung von seiner ersten Frau hatte er die Nichte des ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar von Schacht geheiratet. Deren Geschick als Geschäftsfrau war für den unternehmerischen Erfolg Skorzenys mitverantwortlich: Von seinem Büro „Export – Import – kaufmännische Transaktionen“ in der Calle Montera aus vermittelte er deutschen Firmen lukrative Deals beim Ausbau des spanischen Eisenbahnnetzes. Ab 1966 vertrat er die Interessen des berüchtigten Rüstungskonzerns „Merex“. Skorzeny ermöglichte aufgrund seiner Beziehungen Waffenexporte zu den bolivianischen und peruanischen Militärregierungen. Aber auch ein österreichisches Schwergewicht profitierte: 1961 wurde bekannt, dass Skorzeny jahrelang geheim als VOEST-Generalvertreter in Spanien und Lateinamerika fungierte – der daraus resultierende Skandal dürfte mit ein Anstoß für die Wiederaufnahme von Ermittlungen gewesen sein.

Ein Informant berichtete Simon Wiesenthal, dass Skorzeny in Irland, wo dieser eine große Farm besaß, für „nationale“ österreichische Unternehmen lobbyierte. Wiesenthal behielt Sorkzenys Aktivitäten überhaupt im Auge: Er charakterisierte ihn als „Abenteurer, der gerne von sich reden hört und der die Flamme seines ständig verblassenden Ruhmes schürt“. Skorzeny habe sich nicht damit begnügt, „im trüben Nachkriegswasser Profite zu fischen, sondern hat eher den Ehrgeiz, wieder eine politische Rolle zu spielen, ein Schirmherr der SS in aller Welt zu sein und vor allem als Heldenstar in den Zeitungen zu erscheinen.“ Die Geschäftemacherei könnte ein „Steigbügel“ für eine künftige politische Rolle Skorzenys bei neonazistischen Parteien sein, befürchtete Wiesenthal: „Von Zeit zu Zeit macht er einen Sprung nach Deutschland, um Kameraden zu besuchen oder um mit der neuen Nazipartei, der SRP Besprechungen zu führen.“ Die SRP wurde 1956 verboten, was möglichen politischen Karriereplänen einen Strich durch die Rechung machte.

Als der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) 2011 sein Archiv zu Skorzeny öffnete, wurde offenbar, aus welch dunklen Kanälen dieser damals Gewinn schöpfte: 1954 wurde beispielweise gemeldet, Skorzeny stehe an der Spitze einer Organisation, „die mit dem illegalen Verkauf von Uran beschäftigt ist, das schon vor Kriegsende produziert wurde und noch im Frühjahr 1953 im Schwarzwald lagerte“. Im Bild war man auch über die Skorzenys Waffenschiebereien von Madrid aus in den Nahen Osten: „In Damaskus und Beirut beschäftigt er Zwischenhändler. Waffen für Algerien werden über Ägypten geleitet.“ So machte Skorzeny Kasse: Ein „enormes Privatkonto“ sei bei der Commerz- und Kreditbank in Frankfurt am Main eingerichtet.

Skorzeny war aber nicht nur umtriebiger Geschäftsmann, sondern widmete sich auch geheimdienstlichen Angelegenheiten: Die CIA heuerte ihn 1953 an, um den Polizeiapparat des ägyptischen Präsidenten Nasser aufzubauen. Dafür rekrutierte Skorzeny selbst etwa 100 weitere deutsche Berater, darunter den „Deportationsspezialisten“ Alois Brunner, der sich gerühmt hatte, Wien „judenfrei“ gemacht zu haben. Die Einblicke, die Skorzeny in Kairo gewann, dürften entscheidend für sein wohl überraschendstes Engagement gewesen sein – Ende der 1950er warb ihn der israelische Mossad an. Man wollte über den Nazi an einen der Sicherheitsoffiziere des ägyptischen Raketenprogramms herankommen. Eine Reihe von Forschern und Experten fiel dann mysteriösen Bombenanschlägen und anderen Aktionen zum Opfer, bis Ägypten das Rüstungsvorhaben aufgab.

Skorzeny verstand es bestens, auf der Klaviatur des Kalten Krieges zu spielen. Im Kampf gegen die kommunistische Bedrohung galt für die USA und ihre Alliierten der Grundsatz: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“  Er sei überzeugt, dass es wieder zum Krieg komme, meinte Skorzeny in einem Interview: „Ich weiß schon heute, dass man mich und meine Freude (von der Waffen-SS) dann brauchen wird.“ 2011 enthüllte ein Dokumentenfund Details eines Plans, den Skorzeny 1950/51 an den Militärberater von Kanzler Konrad Adenauer, Hans Speidel, herantrug: Die Aufstellung einer Geheimarmee aus ehemaligen Waffen SS-Männern sowie Veteranen von Luftwaffe und Kriegsmarine in Spanien und Nordafrika. Aus dieser „Festung“ heraus sollte der Widerstand im Falle einer sowjetischen Invasion Westeuropas fortgesetzt werden. Denn Skorzeny schätzte, die Horden der „asiatischen Bolschewiken“ würden innerhalb von nur acht Tagen am Atlantik stehen. Speidel ging auf das Angebot nicht ein. Auch der ehemalige Waffen SS-General Paul Hausser, den Skorzeny einspannen wollte, durchschaute den Kameraden und beschrieb ihn als „charakterlosen und geltungsbedürftigen Menschen“.

Die Mythenbildung um Skorzeny erlebte in den Nachkriegsjahren einen weiteren Schub. Er selbst strickte seine Legende am eifrigsten: 1952 erschienen zwei Memoirenbände „Lebe gefährlich“ und „Wir kämpften, wir verloren“, die bis heute die Sicht auf den „Mussolini-Befreier“ mitprägen. Bis zu seinem Lebensende gab er unzählige Interviews und wurde nie müde zu betonen, dass er „dasselbe genauso heute noch einmal tun würde“. Darüber hinaus stilisierten verschiedene Experten, Skorzeny zum Kopf von geheimnisumwobenen Nazi-Fluchthilfeorganisationen wie „ODESSA“ und „Spinne“, die nie existierten. Aber auch die Stasi streute eifrig Gerüchte, um so den Westen als Hort des Nazismus zu diskreditieren. 1962 erschien in Ost-Berlin die Broschüre „Die Jagd nach dem Narbengesicht“ – aus der Feder des als Journalisten getarnten Stasi-Majors Julius Mader. Behauptungen daraus wurden von der Wiener Justiz für neue Ermittlungen gegen Skorzeny aufgegriffen. Wiesenthal dagegen bestätigte 1992, „keine Informationen“ bezüglich einer Rolle von Skorzeny in ODESSA zu haben.

Wie aufgeladen die „Marke“ Skorzeny durch solche Mythologisierungen letztendlich war, legt ein Informationsschreiben der österreichischen Botschaft in Madrid nahe: 1967 hatten italienische Behörden erklärt, Südtirol-Terroristen würden einen Stützpunkt in Spanien unterhalten. In Betracht kommende Kreise, darunter Skorzeny und sein Anhang, seien zu überwachen. Dem Obersturmbannführer a.D. traute man alles zu. Entsprechende Ermittlungen ergaben aber nichts.

Am 6. Juli 1975 verstarb Skorzeny 67jährig – die Beisetzung der Asche im Familiengrab in Döbling am 16. Juli 1975 war ein Schauspiel der besonderen Art: Einige hundert Trauergäste hatten sich eingefunden, darunter die ehemaligen Luftwaffenoffiziere Hans Ulrich Rudel und Walter Dahl. Letzterer überbrachte die „letzten Grüße der ehemaligen deutsche Waffen-SS“. Die Burschenschaft „Markomannia“, der Skorzeny angehört hatte, stand Spalier, während die Trauergemeinde abschließend „Wenn alle untreu werden“ anstimmte – das „Treuelied“ der SS. Auch danach nutzten rechtsextreme Kleingruppen das Grab immer wieder als Bühne, um auf sich aufmerksam zu machen – so etwa die „Aktion Neue Rechte“ (ANR). Bei einer Gelegenheit 1979 wurde der damalige ANR-Mann Gottfried Küssel „belehrt, dass die Aufstellung einer ev. von ihm in Aussicht genommenen ‚Ehrenwache‘ behördlich untersagt ist, was Küssel nur unwillig zur Kenntnis nahm“.



[1] Alfred Skorzeny war 1948 zu zwanzig Jahren Arbeitslager verurteilt worden und wurde 1955 vorzeitig entlassen.