Vor
55 Jahren erschütterte eine Welle von rechtsextremen Anschlägen Österreich. Nur
durch Zufall gab es keine Opfer zu beklagen. Dafür wurden einige der
symbolträchtigsten Institutionen der jungen Nachkriegsdemokratie getroffen:
Mehrmals die Rückfront Parlaments und das Republikdenkmal. Zu den Zielen
zählten auch ausländische Vertretungen. Hauptbezugspunkt der Attentäter war der
Südtirolkonflikt – aber ihre mehrmonatige Kampagne zielte auch auf die
Grundfesten der 2. Republik.
Es ist Sonntagabend,
30. April 1961: Um 22.45 Uhr erschüttert eine Detonation den Schmerlingplatz
zwischen Parlament und Palais Epstein. An der Rückseite des Republikdenkmals ist
ein Sprengsatz explodiert. Trümmer des Schaltkastens, von dem aus die
Scheinwerfer bei einer Festbeleuchtung des Denkmals mit Strom versorgt werden,
werden bis zu 50 Meter weit weggeschleudert. Fensterscheiben und zwei
Oberlichten im Parlament gehen zu Bruch. Das Republikdenkmal trägt nur geringe
Schäden davon. Dass es keine Toten oder Verletzten gab, ist dem Zufall
geschuldet: Der traditionelle Fackelzug am Vorabend des 1. Mai war wegen Regens
abgesagt worden – die Route der Kundgebung hätte am Explosionsherd
vorbeigeführt.
Drei Tage später tagt der Ministerrat: Innenminister Josef
Afritsch (SPÖ) informiert die Bundesregierung: „Wir haben erfahren, dass bei
der ganzen Bevölkerung größte Erregung besteht über diese Explosion. Wir werden
alles unternehmen, den Täter greifbar zu machen. Immerhin war in den letzten
Jahren Ruhe, und wir müssen das mit Bedauern zur Kenntnis nehmen.“
Bundeskanzler Alois Gorbach (ÖVP) meint: „Hoffentlich gelingt es möglichst
bald, der Täter habhaft zu werden.“ An dieser Stelle wirft Vizekanzler Bruno Pittermann
(SPÖ) eine Vermutung bezüglich des Tathintergrunds ein: „Es wird mit den
Anschlägen in Südtirol in Zusammenhang gebracht.“
Schäden am Republikdenkmal (re.) - Quelle: www.arbeiterzeitung.at |
Das Republikdenkmal heute (alle Fotos: Autor) |
Im
Schatten des Südtirolkonflikts
55 Jahre danach ist
der Anschlag auf das Republikdenkmal ungeklärt geblieben – aber Pittermann
dürfte wohl richtig gelegen sein. Der damals virulente Südtirolkonflikt hatte einen
Schatten auf die innenpolitische Lage in Österreich geworfen: Der Ende der
1950er Jahre gegründete „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) hatte sich der
Forderung nach Selbstbestimmung verschrieben. Um die Öffentlichkeit auf die
Probleme der deutschsprachigen Minderheit in Italien aufmerksam zu machen,
beging der BAS Anfang 1961 erste „demonstrative“ Bombenanschläge in Südtirol gegen
Rohbauten und Denkmäler. Schon bald steigerte sich die Aktivität. In der
„Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961 wurden alleine 37 Strommasten
gesprengt. Daraufhin wurden 24.000 Soldaten und 10.000 Carabinieri nach Südtirol verlegt. Es kam zu Massenverhaftungen und
Folterungen von BAS-Leuten.
In Österreich stieß
diese Entwicklung auf großes Echo: Vor allem auf deutschnationaler und rechtsextremer
Seite wurde der „Freiheitskampf“ in Südtirol zum cause célèbre. Und hier war nicht nur der italienische Zentralstaat
ein Feind, sondern auch die eigene Regierung, die man mit Gewalt zu mehr
Engagement nötigen wollte. Darüber hinaus war Südtirol war ein passende
Aufhänger für die Propagandierung eigener Inhalte und bündelte generelle
Unzufriedenheit mit den Verhältnissen: Denn gerade Anfang der 1960er Jahre kam
es in Österreich zu Prozessen gegen NS-Täter. Auf internationaler Ebene weckte
das Verfahren gegen Adolf Eichmann große Aufmerksamkeit (11. April – 15
Dezember 1961). Weiters gab tiefsitzende Ressentiments wegen der als
unrechtmäßig empfundenen „Entnazifierung“ Ende der 1940er Jahre. Gegenläufige
Tendenzen – wie die Rehabilitierungen von „Ehemaligen“ in den 1950er Jahren – wurden
dagegen ausgeblendet. Die noch ungefestigte österreichische Identität bei
gleichzeitiger Tabuisierung der NS-Vergangenheit wirkte überhaupt tief in die
Gesellschaft hinein.
Gerd
Honsiks „Werwölfe“
Der Anschlag auf das
Republikdenkmal war insofern nur der Auftakt für eine mehrmonatige
Terrorkampagne, die von verschiedenen Akteuren vorangetrieben wurde. Die
meisten Aktionen gingen auf das Konto des „Werwolf“ – einer Kleingruppe um den
damals 20jährigen Gerd Honsik. Bis heute ist er eine der zentralen
Führungspersonen der Neonazi-Szene und verurteilter Holocaust-Leugner. 1961 war
Honsik ein Schulabbrecher aus zerrütteten Verhältnissen: Der Vater war 1944 in Italien gefallen – angeblich wurde der Mutter die Witwen-
und Waisenrente versagt. „Seit dieser Zeit besteht in mir der Hass gegen diese derzeitige
österreichische Marionettenregierung“, bekundete Honsik gegenüber der
Staatspolizei. Sein ganzes Bestreben, sei darauf gerichtet gewesen, „das
bestehende österreichische Staatsgefüge mit meinen, wenn auch bescheidenen
Kräften zu vernichten zu trachten“. Laut Aussage eines Mitbeteiligten sprach
Honsik immer wieder davon, „irgendwelche Aktionen“ zu unternehmen, „um die
österreichischen Politiker zu zwingen, in der Außenpolitik einen härteren Kurs [gegenüber
Italien] einzuschlagen und auch vor Gewalttaten nicht zurückzuschrecken“.
Neben Günther
Pfeifer, Rainer Burghardt und Peter Melzer war noch ein weiteres notorisch
bekanntes Mitglied der rechtsextremen Szene involviert: Der 1941 geborene
Günther Kümel hatte ähnlich wie Honsik früh seinen Vater verloren. Die „sehr
national“ eingestellte Mutter dekorierte sogar den Weihnachtsbaum mit Bäckerei
in Runenform. Kümel war ab 1956/57 Mitglied im „Bund Heimattreuer Jugend“ und
wechselte nach dessen Auflösung zum „Ring Freiheitlicher Jugend“. 1961
inskribierte er an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät. Vier
Jahre später, am 31. März 1965, schlug Kümel dann während der Demonstration
gegen den deutschnationalen Hochschulprofessor Taras Borodajkweycz den Antifaschisten
Ernst Kirchweger nieder. Dieser starb an den Verletzungen – das erste
politische Todesopfer der Zweiten Republik. Kümel zog es danach vor, im Ausland
unterzutauchen – allerdings taucht sein Name seit 2000 wieder in einschlägigen
Foren auf.
1961 unternahmen
Honsiks „Werwölfe“ fast ein halbes Jahr lang kleinere Sprengstoff- und
Schussattentate gegen symbolisch wichtige Einrichtungen: Mehrmals wurden
selbstgefertigte Sprengkörper zur Detonation gebracht – und zwar vor der
italienischen Botschaft (28. Mai), vor dem Büro der Fluggesellschaft Alitalia
(25. Juli), vor dem Parlament (in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli), vor der
US-amerikanischen Botschaft (17. August) und der Rückfront des
Parlamentsgebäudes (ebenfalls 17. August). Weiters wurden am 8. Oktober bzw. in
der Nacht vom 27. auf den 28. November auf die Fassade der italienischen
Botschaft sowie erneut auf die Parlaments-Rückfront mehrere Revolver- und
Pistolenschüsse abgegeben. Einer der Täter hatte jeweils aus dem fahrenden Auto
gefeuert.
Die betroffene Rückfront des Parlaments in der Reichsratsstraße |
Diese Taktik hatte man sich offenbar von der Organisation de l’armée secrète (OAS) abgeschaut. 1961/62 kämpfte
diese für ein französisches Algerien – unter anderem verbreiteten die Delta Kommandos der OAS Terror, indem
sie aus Autos völlig wahllos das Feuer auf arabische Passanten eröffneten. Die
Ereignisse in Wien verliefen dagegen unblutig und entbehrten nicht einer
gewissen Komik – wie aus Schilderungen Honsiks bei einer Einvernahme
hervorgeht. So heißt es beispielsweise zum Attentat am 8. Oktober 1961: „Wir
fuhren mit meinem Wagen in die Magazinstraße und starb mir der Motor dort ab.
Da der Wagen trotz Anschieben nicht ansprang, ließen wir ihn vorerst in der
Magazinstraße stehen und gingen zu dem Würstelmann auf dem Rennweg, wo wir uns
‚Heiße‘ kauften. Nach einer Weile gingen wir wieder zum Wagen und setzten uns
hin. […] Es gelang uns, den Wagen anzuschieben und sprang der Motor an. […]
Während ich bei der Botschaft vorbeifuhr, gab mein Bekannter glaublich fünf
Schüsse ab.“ Ein anderes Mal hielt Honsik ein Sprengstoffpaket mit brennender
Lunte „zu lange“ fest. Die Folge waren Schmauchspuren im Gesicht und
Brandwunden an der Hand und am rechten Fuß. Und im Falle des Alitalia-Anschlags
sollte die Zünd-Flamme nicht ausreichen, um die Pappkartonwand des
Sprengkörpers zu durchbrennen.
Die Alitalia befindet sich heute noch am Kärntner Ring |
„Regierung
durch Waffengewalt zurückzwingen“
Mehrmals wurden an
den Tatorten Plakate mit Parolen zurückgelassen – vor der italienischen
Botschaft wurde zum Beispiel ein mit Blockbuchstaben beschriebener
Packpapierbogen gefunden: „Wir brauchen keine Regierung, die ihre Zeit damit
totschlägt, sich vom Freiheitskampf in Südtirol zu distanzieren. […]
Selbstbestimmung ist für das deutsche Volk gerade genug. Jetzt erst recht.“ Die
jungen Rechtsterroristen versuchten auch bewusst, die Medien für ihre Sache
einzuspannen. Einmal verständigten sie einen Redakteur der Zeitung „Express“
von der Hinterlegung eines Sprengkörpers, woraufhin sich dieser samt Fotograf
rechtzeitig am Tatort einfand. Außerdem schaltete sich Honsik am 22. Dezember
1961 persönlich in die lebhafte öffentliche Debatte ein, indem er ein mit „Der
Werwolf“ gezeichnetes Schreiben an den damaligen Kurier-Chefredakteur Hugo
Portisch schickte. Unter anderem stand darin herausfordernd zu lesen: „Ich, der
ich für sieben der in der letzten Zeit verübten gewaltsamen Demonstrationsakte
verantwortlich bin, erkläre, dass ich bereit bin, mich der Staatspolizei zu
stellen. Ich, der ich bekenne, in mühevoller, gefährlicher Arbeit eine
bewaffnete Organisation aufgebaut zu haben mit dem Ziel die österreichische
Regierung durch Waffengewalt auf den Weg der unverfälschten Demokratie
zurückzuzwingen, den sie noch nie beschritten hat, bin bereit, dieses
Bekenntnis vor jedem beliebigen Forum zu wiederholen.“
Honsik sollte zu
einem solchen Schritt keine Gelegenheit mehr haben: Der Staatspolizei war
schließlich der entscheidende Durchbruch gelungen. Und zwar hatten die
Attentäter nach der Schussabgabe beim Parlament einen Karton mit der
Aufschrift: „Die deutschen Burschenschaften werden kämpfen!“ liegengelassen.
Daran war ein Couleurband der „Markomannia“ aufgeklebt gewesen. Der Hersteller
konnte ausfindig gemacht, und diese Spur führte schließlich Ende Dezember 1961 zur
Festnahme von Honsik und seiner Mittäter. Am 30. Mai 1962 wurden die Urteile
gefällt: Honsik erhielt eine vierjährige Haftstrafe, sein „Adjutant“ Melzer
kassierte zwei Jahre. Kümel und Burghardt wurden zu je 10 Monaten Arrest
verurteilt, Pfeiffer zu sechs Monaten.
Die Fassade der italienischen Botschaft am Rennweg wurde beschossen |
„Methoden
der illegalen Nazis“
Der Staatsanwalt
hatte zuvor gemahnt, die Taten würden an die „Methoden der illegalen
Nazibewegung vor dem Jahre 1938“ erinnern. Und zwar war zwischen 1933 und 1938 mit
Terroranschlägen ein Klima der Unsicherheit erzeugt worden, um so die braune Machtübernahme
in Österreich vorzubereiten. Das Jahr 1961 dagegen war zumindest unblutig
verlaufen – aber die Attentate versetzten die Zweite Republik gehörig in Unruhe.
Ein Teil des Meinungsspektrums konstatierte infolge der Ereignisse: „Der
nazistische Ungeist, […], ist also keineswegs überwunden und vergessen; noch
immer sind faschistische Übeltäter am Werk, und nur die Polizei hindert sie
daran, statt gegen die Toten weiter gegen die Lebenden vorzugehen“ („Arbeiter-Zeitung“,
25. November 1961). Andererseits wurden die Anschläge auch gerne als Taten von
„Nazilausbuben“ bagatellisiert. Nach der Verhaftung von Honsik und seines
Anhangs war beispielsweise in der „Kronen Zeitung“ zu lesen: „Wie sich nun
zeigt, hat die Affäre keine echten politischen Akzente. Es handelt sich
lediglich um die Aktionen krankhaft geltungsbedürftiger junger Leute.“ Das Hin-
und Her bewog sogar den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Oswald
Peterlunger, sich einzuschalten. Er sei der Ansicht, „dass in diesem
Zusammenhange nicht mehr von Lausbubenstreichen gesprochen werden kann und
darf“. Gleichzeitig solle aus „vereinzelten Handlungen“ keine „Hysterie“
erzeugt werden. Die Exekutive habe bewiesen, „mit subversiven Elementen oder
Vereinigungen fertig zu werden“: So verwerflich die Taten einzelner seien, so
könne von einer „ernsten Gefahr seitens faschistischer Elemente“ nicht
gesprochen werden: „Österreich ist seit 1945 eines der ruhigsten und
innenpolitisch ausgeglichendsten Länder in Europa.“ Und: „Wenn es den
politischen Parteien seit dem Jahre 1945 zum Teile nicht gelungen ist, die
Jugend, die immerhin schwerste Erlebnisse hinter sich hat, richtig
anzusprechen, so geht dies nicht auf Konto der Polizei und Sicherheitsbehörden.“
Wie bereits erwähnt,
ereigneten sich abgesehen von den Anschlägen der Honsik-Gruppe im „heißen Jahr“
1961 noch zahlreiche weitere rechtsterroristische Taten in Wien: Die Explosion
eines Böllers an der Einfahrt zur Rathausgarage (28. Mai) sowie einer Brandbombe
vor einem italienischen Eissalon in der Alserstraße (13. September), die
Detonation eines Sprengkörpers unter dem geparkten Auto eines Scala-Tenors auf
Gastspiel in Wien (ebenfalls 13. September) sowie ein missglückter Molotow-Cocktail-Anschlag
auf die Wohnung eines Staatsanwalts (20. November).
Neonazis
intervenieren in Südtirol
Darüber hinaus
intervenierten österreichische und deutsche Neofaschisten direkt im
Südtirolkonflikt: Angestiftet vom Innsbrucker Universitätsdozenten Norbert
Burger unternahmen im September 1961 vier österreichische und drei deutsche
Studenten in mehreren italienischen Städten Anschläge mit Molotow-Cocktails.
Eine weitere Gruppe beschädigte einen Strommast und beschoss einen
Militärposten im Passeiertal. In der Wiener Bundesregierung läuteten deswegen
die Alarmglocken. In der Sitzung des Ministerrats vom 12. September 1961 mahnte
Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ): „Ich bin überzeugt, dass der Radikalismus
nicht nachlassen wird, wenn die Verhandlungen wieder evasiv geführt werden,
wird er wieder wachsen. Die Nachrichten sagen, dass die Verhörmethoden sich
sehr verschärft haben. […] Die Täte der letzten Terrorakte sind zum Teil aus
Österreich gekommen. […] In Südtirol ist es ein öffentliches Geheimnis, dass
eine Schießerei in Passei von einer Gruppe durchgeführt wurde, die sich nach
Österreich zurückgezogen hat; natürlich sind alle Gruppen in der Sache
verwickelt. Ehemalige Nazi, Kommunisten und alle, die Unruhe haben wollen.“
Brisanterweise waren die
Burger-Leute Ende 1959 von einem Ex-Untergebenen des Befehlshabers der
SS-Spezialverbände, Otto Skorzeny, im Zillertal in der Handhabung von
Sprengstoff ausgebildet worden. Skorzeny befand sich bis zum seinem Tod 1975 im
franquistischen Spanien und war eine Anlaufstelle für Rechtsextremisten, darunter
auch für Burger. Justizminister Christian Broda (SPÖ) klärte den Ministerrat
auf: „Die Verbindungen von Burger gehen bis zu Skorzeny in Madrid. […] Skorzeny
hat dann Burger weitergewiesen zu deutschen oder belgischen Quellen von
Sprengstoffmaterial. Darüber haben die deutschen Behörden seit Monaten Kenntnis
gehabt. Uns haben sie im August in Kenntnis gesetzt. Jetzt bekommen wir
Niederschriften, die aus dem April stammen.“ Als Konsequenz wurde im Dezember
1961 die Burschenschaft „Olympia“, der Burger und einige der verhafteten
Attentäter angehört hatten, vom Innenministerium aufgelöst (1973 sollte sich
die Verbindung neu konstituieren). Burger floh zwischenzeitlich in die BRD und
wurde 1967 gemeinsam mit 14 weiteren Angeklagten von einem Linzer
Geschworenengericht freigesprochen. Ein Jahr später fasste er dann doch acht
Monate aus. Man setzte ihn prompt auf freien Fuß, weil er die Strafe in der
Untersuchungshaft bereits verbüßt hatte.
Neue
Betätigungsfelder
In Südtirol hatte
sich die Gewalt im Verlauf der 1960er gesteigert: Zwischen 1961 und 1967
starben 15 italienische Militärs, Polizisten und Zöllner. Weiters kamen zwei
Zivilisten sowie vier Aktivisten ums Leben. In Österreich kam es im Gegenzug
1961 (Sprengung des Andreas Hofer-Denkmals in Innsbruck) und 1963 (zwei Bombenattentate
in Ebensee) zu Vergeltungsschlägen italienischer Neofaschisten. Ebenso wenig zu
Ende war der Terror einheimischer Extremisten: Um 04.51 Uhr früh am 20. August
1966, vor 50 Jahren, detonierte eine 10kg-Bombe vor dem Alitalia-Büro am Kärntner
Ring, das schon 1961 ein Ziel gewesen war. Das Geschäftsportal wurde
zertrümmert. Die Druckwelle riss die Fensterstühle der umliegenden Häuser
heraus und richtete noch in der tiefer gelegenen Opernpassage Verwüstungen an.
Nur durch Zufall gab es keine Opfer zu beklagen – zum Zeitpunkt der Explosion
war ein starker Gewitterregen niedergegangen, der Passanten anderswo zum
Unterstellen zwang. Schon bald wurden die Täter ausgeforscht: Hannes Falk und
Emanuel Kubart. Nach Aussage des letzteren wollten sie mit dem Anschlag gegen
damals laufende Geheimverhandlungen zwischen Österreich und Italien
protestieren.
Nachdem der Südtirolkonflikt
1969 schließlich auf diplomatischen Weg entschärft werden konnte, suchte sich der
Rechtsextremismus neue Betätigungsfelder: Burger gründete 1967 die
Nationaldemokratische Partei (NDP), um die sich zahlreiche Klein- und
Wehrsportgruppen scharrten. In den 1980er Jahren waren Exponenten aus diesem
Umfeld in eine Serie antisemitisch motivierter Bombenanschläge verwickelt. In
den 1990er Jahren folgten dann der Briefbombenterror und das Attentat in
Oberwart (1995) – mit vier Todesopfern bis heute der blutigste
rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der 2. Republik. Hier dürfte
mit Franz Fuchs ein Einzeltäter am Werk gewesen sein. Auch heute sendet die
Szene deutliche Lebenszeichen aus: So wurde 2013 in Oberösterreich ein
kriminelles Neonazi-Netzwerk zerschlagen („Objekt 21“). Zuletzt ist die Zahl
der rechtsextrem und rassistisch motivierten Straftaten stark gestiegen. 2015
wurden insgesamt wurden 1.156 Fälle registriert, 54 Prozent mehr als noch im
Vorjahr.