Auf Twitter oder
Youtube-Videos aus dem Nahen Osten sind in den letzten Monaten immer öfter Bilder
des österreichischen Steyr AUG (Armeeuniversalgewehr) aufgetaucht – vor allem
im Bürgerkriegsland Jemen sind mittlerweile große Mengen am Markt, sodass die
Waffe inzwischen so billig zu haben ist wie eine Kalaschnikow. Wie das Steyr
AUG in den Jemen gelangt ist, lässt sich einfach erklären: 1980 waren 50.000.
Stück und 30.000 Maschinenpistolen für rund 500 Millionen Schilling von
Österreich nach Saudi-Arabien exportiert worden. Nun warf die saudische
Luftwaffe diese Waffen über dem Gebiet verbündeter Kräfte ab, die im
Bürgerkrieg gegen die Houthi-Rebellen und die Truppen des ehemaligen
jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh kämpfen. Darüber hinaus wurde
kürzlich bekannt, dass zwischen 2006 und 2015 285.379 Granaten, 16.128 Panzerminen
und 399 Gewehre aus Österreich an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert
wurden – auch zwar auch nachdem Truppen der VAE an der Niederschlagung des
Aufstands im benachbarten Bahrain (2011) beteiligt waren. Dass
österreichische Waffen heute wieder vermehrt in Kriegsgebieten auftauchen,
erinnert an eine unheilvolle Periode in der Geschichte der 2. Republik.
In den
1970er und 1980er Jahre führten vor allem staatliche Unternehmen zahlreiche
Waffenexporte durch, die schließlich 1985-1993 in den sogenannten
Noricum-Skandal mündeten. Auslöser waren illegale Waffengeschäfte mit Irak und Iran
während des 1. Golfkriegs (1980-1988). Geliefert hatte die Noricum
Maschinenhandels GmbH – eine Tochterfirma der VOEST-Alpine, damals das
Schwergewicht der Verstaatlichten Industrie. Das Geschäft umfasste insgesamt 353
Noricum-Haubitzen, Munition und Zubehör. Damit verstieß man gegen das
Kriegsmaterialexportgesetz. Dieses untersagte den Waffenverkauf an
kriegsführende Staaten. Nachdem die Geschäfte Ende der 1980er Jahre öffentlich
wurden, stellte sich die Frage nach der Verantwortung. Diese wurde im Rahmen
eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und mehrerer Prozesse gegen
Manager und Ex-Politiker geklärt.
Exportschlager Steyr AUG, hier in Australien (Quelle: Wikimedia Commons) |
Die Ursachen des
Noricum-Skandals liegen tief: Ab Mitte der 1970er Jahre geriet Österreich in
eine Wirtschaftskrise. Der Ölpreisschock von 1973/74 hatte die Energiepreise
verteuert. Das traf den Stahl- und Eisenbereich – die Schwergewichte der
Verstaatlichten Industrie. Die darin zusammengefassten Betriebe zählten in den
1970er Jahren etwa 125.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Das waren rund 20
Prozent der Industriebeschäftigten. Im Winter 1980/81 sollte die
Arbeitslosenzahl erstmals die symbolische Marke von 100.000 Personen
überschreiten.
In dieser Situation
wurde der „Kampf um Vollbeschäftigung“ zur „staatspolitischen Leitlinie“. So
urteilt der Kreisky-Biograph Wolfgang Petritsch. Schon 1990 gab der Präsident
des Österreichischen Gewerkschaftsbund, Anton Benya, als Zeuge im
Noricum-Verfahren an: „Die Regierung war daran interessiert, ganz gleich, ob
das bei der VOEST-Alpine oder bei privaten Firmen war: Beschäftigung!
Beschäftigung, Beschäftigung für die Menschen.“
Die Stahlkrise und
der damit verbundene Nachfrageeinbruch legten die Strukturschwächen einzelner
VOEST-Standorte offen. Da Massenentlassungen nicht in Frage kamen, wählte man
eine andere Strategie: Den Einstieg in neue Bereiche und Technologien. Darunter
Waffenproduktion. Am 1. September 1979 wurde ein eigener Geschäftsbereich, die
„Wehrtechnik“, installiert. Als Verkaufsschiene diente hierfür die Firma
„Noricum “, die man im steirischen Liezen aufbaute. Von dem kanadischen
Ingenieur Gerald Bull erwarb die VOEST für zwei Millionen Dollar die Lizenz
zur Erzeugung des Gun Howitzer Noricum
– kurz GHN-45. Hierbei handelte es sich angeblich um „das beste Geschütz der
Welt“– die sowohl mit konventioneller Munition als auch mit taktischen
Nuklearwaffen bestückt werden konnte. Die Reichweite von 39 km übertraf
sämtliche Konkurrenzprodukte. Mit einer Spezialmunition ließ sich diese sogar
auf 45 km steigern.
Bundeskanzler Bruno
Kreisky erkannte das Risiko. Allerdings waren die Wehrtechnik-Befürworter
innerhalb der SPÖ-Führungsriege in der Mehrzahl. Das „grüne Licht“ seitens der
Politik bildete später das Hauptargument in der Verteidigung der angeklagten
Manager. Bei der Wehrtechnik sei „überhaupt kein Politiker dagegen“ gewesen,
„vom Betriebsrat bis zur Regierung“, gab etwa Noricum-Prokurist Anton Elmer an:
„Wenn ich jetzt höre, Kreisky war dagegen, dann möchte ich ein Zitat
wiedergeben, was er wirklich zum Schluss gesagt hat: ‚Okay, macht’s es, aber
macht’s es unter der Tuchent.“ Kreisky bezeichnete dieses Zitat, das ihm Elmer
in den Mund legte, als „Verleumdung“.
Waffenindustrie
als Wirtschaftsfaktor
Gerald Bull (ganz li.) 1964 in Kanada - der Techniker wurde 1990 unter ungeklärten Umständen in Brüssel ermordet (Quelle: Wikimedia Commons/WordClerk) |
Anfang der 1980er
Jahre war Rüstungsproduktion in Österreich grundsätzlich nichts Neues. Nach
1945 war die Waffenproduktion aufgegeben worden – bis mit der Neugründung des
Bundesheers 1955 auch wieder Kriegswaffen erzeugt wurden. Zu Beginn der 1970er
Jahre waren aber nur mehr zwei Betriebe stärker in diesem Feld tätig: Die
Steyr-Daimler-Puch AG und die Hirtenberger Patronenfabrik. 1975 exportierte
Österreich gerade einmal Kriegsmaterial im Ausmaß von 0,8 Prozent seiner
Exporte. 1979, nachdem die VOEST-Alpine das Engagement massiv ausgeweitet
hatte, sollten es bereits 1,2 Prozent sein. Mitte der 1980er Jahre waren rund
15.000 Arbeitsplätze von der Waffenproduktion abhängig.
Die Branche wurde
mehrheitlich von Unternehmen der Verstaatlichten dominiert. Ende der 1980er
Jahre entfielen bereits 86 Prozent des Umsatzes auf die VOEST-Alpine mit ihren Tochtergesellschaften
– der Noricum Maschinenhandels GmbH, der Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen-
und Metallwarenfabrik AG, den Österreichischen Schiffswerften AG
Linz-Korneuburg, der Ennstaler Metallwerke GmbH und der Vereinigten
Edelstahlwerke AG (VEW). Ein weiterer gewichtiger Faktor war die
eisenverarbeitende Steyr-Daimler-Puch AG, Anfang der 1980er Jahre das
drittgrößte Industrieunternehmen Österreichs und mehrheitlich im Besitz der
Staatsbank Creditanstalt. Daneben traten folgende Mitspieler auf: Glock, Voere,
die Südsteirische Metallindustrie, Dynamit-Nobel, die Swarovski-Werke und die
ÖAF-Gräf & Stift AG. Insgesamt gesehen entwickelte sich die österreichische
Waffenindustrie rückläufig: Nach dem Boomjahr 1978 mit 7,8 Milliarden Schilling
waren es 1984 nur mehr knapp vier Milliarden Schilling Umsatz. Hauptgründe
dafür waren die Übersättigung des Marktes in Westeuropa und Schwierigkeiten
beim Export in Entwicklungsländer.
Waffenverkauf war
für ein neutrales Land wie Österreich nicht unproblematisch – aus
ethisch-moralischen, aber vor allem aus rechtlichen Gründen. So verbot der §
320 des Strafgesetzbuchs unerlaubte Waffenexporte als „Neutralitätsgefährdung“.
Weiters war nach §1 des 1977 beschlossenen Kriegsmaterialgesetzes die Ein-,
Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial bewilligungspflichtig. 1982 wurde das
Gesetz novelliert: Exporte durften nicht bewilligt werden, wenn es in dem
Bestimmungsland zu Menschenrechtsverletzungen kam. Auch Kriegsgefahr,
bewaffnete Konflikte und gefährliche Spannungen wurden als Exporthindernisse
festgelegt.
Die Anwendung des
Gesetzes war jedoch schwierig – es untersagte praktisch den
Rüstungsgüter-Verkauf „an Staaten, die das Zeug auch wirklich verwenden“. So
drückte es der damalige Nationalratspräsident Leopold Gratz aus. Übertretungen
wurden geradezu herausgefordert. Der
„Noricum“-Untersuchungsausschuss erkannte im Nachinhein ein weiteres
„Spannungsfeld“: „Dem Sinn des Gesetzes standen wirtschaftliche Überlegungen
auf bzw. von Seiten der Verstaatlichten Industrie, Arbeitsplätze zu sichern und
positiv zu bilanzieren, gegenüber.“ So überrascht es auch nicht, dass zwischen
1978 und 1982 in 873 Fällen positiv entschieden wurde. Nur in 28 Fällen legte
sich das Bundeskanzleramt quer; das Außenministerium in 25 Fällen und das
Innenministerium in vier Fällen.
Letztendlich stand
die österreichische Waffenproduktion spätestens in den 1980er Jahren vor einer
Grundsatzentscheidung: Den Waffenhandel zu liberalisieren – und damit auch an
Diktatoren und kriegsführende Länder zu liefern. Oder die Waffenproduktion
weitgehend einzustellen. Man verblieb beim status quo. So wurde der Konflikt
zwischen restriktiven Bestimmungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten auf die
lange Bank geschoben. Und dies sollte schließlich in den Noricum-Skandal
münden.
Exporte
in Diktaturen
Im Juni 1977
besuchte Kenneth Kaunda, Präsident von Sambia, Österreich. Unter vier Augen
erzählte er Kreisky, dass ein „Überfall“ auf den afrikanischen Staat erwartet
werde. Er sei deshalb an österreichischen Waffen interessiert. Konkrete
Verhandlungen wollte man aber erst beginnen, nachdem Kaunda Gelegenheit hatte,
sich von den Waffen in der „Praxis“ zu überzeugen. Handelsminister Josef Staribacher
verständigte „sofort“ Verteidigungsminister Otto Rösch, „dass am Montag eine
Demonstration in der Heereskraftfahrschule Baden erfolgen soll“. Als Rösch „mit
Recht“ einwandte, dass wenig Zeit zur Vorbereitung gegeben sei, waren Kreisky
und Außenminister Willibald Pahr der Meinung, „das Militär müsste sowieso
scheinbar in ständiger Alarmbereitschaft sein und [es] könnte überhaupt kein
Problem darstellen, eine solche Veranstaltung zu organisieren“.
Überliefert ist
diese Episode im Tagebuch von Staribacher. Verdeutlicht wird eines: Weil der
Markt in Europa gesättigt war, war die sogenannte „Dritte Welt“ wichtigster
Handelspartner für die österreichische Waffenindustrie. Zahlreiche Geschäfte
waren problematisch: 1976 schickte die Patronenfabrik Hirtenberger zehn
Millionen Zündhütchen nach Chile. Dort herrscht seit drei Jahren die Junta von
Augusto Pinochet. Als „Neutralitätsbruch“ befunden wurde dagegen 1977 ein
Export von „Sportgewehren“ und Munition an Syrien. Die Causa führte zum
Rücktritt von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf.
1980 putschte in
Bolivien das Militär. Dabei kamen 17 ausgelieferte Steyr-„Kürassier“-Jagdpanzer
zum Einsatz. 17 ausgelieferte Panzer kamen im Rahmen des sogenannten
Kokain-Putschs von Oberst Luis Garcia Meza im Juni 1980 zum Einsatz, um den
letzten Widerstand der Bergarbeiter in Oruro, La Paz und Santa Cruz
niederzuschlagen. Noch bevor die zweite „Kürassier“-Tranche unterwegs war,
wurde die Exportgenehmigung zurückgezogen. Dafür bildete die Firma Hirtenberger
seit August 1980 21 bolivianische Armeetechniker in der Munitionserzeugung aus.
„Das is so a Art Entwicklungshilfe“, erklärte der Hirtenberger-Generaldirektor
Herbert Hadwinger. Den „Kürassier“-Export vermittelt hatte ausgerechnet der
nach Bolivien geflohene NS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie. Er kassierte dafür
eine monatliche Aufwandspauschale von 800 US-Dollar und Provisionen.
1978, auf dem
Höhepunkt eines Grenzkonflikts zwischen Chile und Argentinien, lieferte
Steyr-Daimler-Puch für 800 Millionen Schilling „Kürassier“-Panzer nach
Argentinien. Als Chile daraufhin ebenfalls Panzer beziehen wollte, verlangte
Kreisky eine schriftliche Garantie. Nämlich, dass „diese Geräte nicht für
Auseinandersetzungen im Inneren verwendet werden“. Das geplante Chile-Geschäft
spaltete die SPÖ: 1980 demonstrierten Tausende vor dem Bundeskanzleramt.
Am 20. August 1980
informierte Kreisky den Ministerrat. Er stellte klar, dass nichts gegen die
Lieferung sprechen würde, allenfalls „politische Gründe“. Anschließend forderte
Kreisky die versammelten Minister auf, ihre Meinung zu äußeren. Verteidigungsminister
Rösch sprach „ein deutliches Ja zu den Lieferungen aus“, weil er auch das
Bundesheer betroffen sah. Innenminister Erwin Lanc dagegen betonte:
„Sozialistische Vertrauensleute fragen rund heraus: Was ist in uns gefahren?“ Kreisky
unterbrach ihn an dieser Stelle. Es gäbe eben verschiedene Einstellungen auch
in der Arbeiterschaft“. Zu einem „klaren Nein“ bekannte sich Justizminister
Christian Broda. Auch Wissenschaftsministerin Herta Firnberg erklärte sich
„außer Stand, dem Geschäft zuzustimmen“. Damit platzte der Deal. Aber die
österreichische Linie blieb widersprüchlich. Bereits 1981 wurde ein weiteres
umstrittenes Geschäft genehmigt: 108 „Kürassier“ wurden erneut an Argentinien
verkauft, wo ebenfalls eine brutale Junta an der Macht war. Kreisky kam nicht
umsonst zum Schluss: „Der Export von Waffen ist das schlechteste Geschäft, das
es gibt. Warum? Wenn nämlich diese Waffen verschlissen und gebraucht werden,
dürfen wir sie nicht liefern. Und wenn sie nicht gebraucht werden, verrotten
sie in irgendwelchen Magazinen.“
Der
Noricum-Skandal
Zwischen dem 2. und
5. Oktober 1980 war Kreisky auf Staatsbesuch – und zwar in Jordanien. Auf einer
Pressekonferenz meinte er, dass er prinzipiell nicht über Waffenexporte
verhandle. Das sei Sache der jeweiligen Firmen. Wenige Monate später, am 8.
Februar 1981 schlossen die VOEST-Alpine und das jordanischen Verteidigungsministerium
einen Vertrag ab. Es ging um die Lieferung von 200 Noricum-Haubitzen. Erst
später wird sich herausstellen, dass ein Großteil gleich direkt in den Irak
gebracht wurde. Diktator Saddam Hussein hatte 1980 seinen Nachbarn Iran
angegriffen. Dieser wiederum wollte ebenfalls Haubitzen beziehen, weil sich
diese für den Stellungskrieg eigneten. Es soll massive Drohungen in Richtung
Wien gegeben haben. Weil direkte Lieferungen verboten waren, blieb nur der
Umweg über ein Drittland. Als Scheinadressat sprang Muammar al-Gaddafis Libyen
ein. 1984 kaufte sein Regime für 10 Milliarden Schilling 200 Noricum-Haubitzen.
Tatsächlich geliefert wurde in den Iran. 1986 musste nach Kriegsspannungen
zwischen Libyen und den USA ein Stopp verhängt werden. Mittels falscher Papiere
für lateinamerikanische und osteuropäische Staaten schaffte es die VOEST aber,
bis 1987 140 Noricum-Haubitzen und 80.000 Granaten an den Iran zu liefern.
Der Skandal blieb
nicht aus: Erste Hinweise darauf, dass die Noricum den Iran belieferte,
recherchierte im Juli 1985 der Botschafter in Athen, Herbert Amry. Er sandte vier
Fernschreiben an Regierungsstellen und warnte. Kurze Zeit später erlitt Amry
einen Herzinfarkt. Am 30. August 1985 verschafften sich dann zwei Journalisten
im jugoslawischen Hafen Kardeljevo Zugang zu einem für Libyen bestimmten
Noricum-Container. Die darin enthaltene Bedienungsanleitung, war aber nicht in
Arabisch, sondern in Persisch abgefasst. Erste Ermittlungen durch die
Staatsanwaltschaft wurden noch eingestellt. Doch Enthüllungen eines
„Kronzeugen“, des Verstaatlichten-Managers Gernot Preschern, brachten 1987
wieder Bewegung in die Sache. Es folgten ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuss, ein Verfahren gegen 18 Manager und 1993 schließlich der
„Politikerprozess“.
Innenpolitisch war
die Causa Noricum ein Symptom des politischen und wirtschaftlichen
Krisenjahrzehnts nach 1980 und trug mit dazu bei, dass Österreich den
zweifelhaften Beinamen „Republik der Skandale“ erhielt: Der Skandal um den Bau
des AKH (1980), die internationale Isolation Österreichs durch die
Bundespräsidentschaftskandidatur Kurt Waldheims (1986), der „Wein-Skandal“
(1985), Wohnbauskandale (1982, 1989) oder der „Lucona-Skandal“ erschütterten
das Vertrauen in die etablierten Parteien und förderten die Hinwendung zu
rechtspopulistischen Politikangeboten. Der Verlust der absoluten Mehrheit 1983
bedeutete das Ende der sozialdemokratischen Hegemonie, die mit dem Wahlsieg von
1970 begonnen hatte. Die Parteienlandschaft sollte sich 1986 durch den
erstmaligen Einzug der Grünen Alternative und den Aufstieg der FPÖ unter Jörg
Haider überhaupt grundlegend verändern.
Hierzu hatte neben
den Korruptionsskandalen auch der Niedergang der Verstaatlichten beigetragen:
Anfang der 1990erJahre wurde die ÖIAG einer Privatisierungswelle unterworfen. Vollständig
abgeschlossen wurde diese de facto 2005. Anfang 2015 hielt die Staatsholding
unter anderem noch 52,85 Prozent an der Post AG, 31,50 Prozent an der OMV und
28,42 Prozent an der Telekom Austria. Schon 1998 sollten nur noch 50.000
Arbeitnehmer im Rahmen der ÖIAG beschäftigt sein. Zum Vergleich: Noch 1980
waren in den 6.846 Industrieunternehmen der Verstaatlichten insgesamt 630.000
Menschen beschäftigt – 22 Prozent aller Arbeitnehmer in ganz Österreich, die 30
Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschafteten. Im Fall der VOEST-Alpine
war der ÖIAG-Eigentumsanteil bis 2004 auf 2,25 Prozent zusammengeschrumpft.
Ende August 2005 wurden die verbliebenen Anteile vollständig abgegeben; seither
befindet sich die nunmehrige „voestalpine“ in privatem Besitz.
Und die
Waffenproduktion? Anfang der 2000er Jahre gab es hier gerade ein paar hundert
Beschäftigte. Die jährlichen Exporte schrumpften von ehemals bis zu 500
Millionen Euro auf ein Zehntel. Trotzdem gilt Österreich immer noch als eine
„Heimat großer Waffen“ – wenn man an die Hersteller Glock oder Steyr Mannlicher
denkt. Einer von vielen typisch österreichischen Widersprüchen.
Die 1982 entwickelte Glock 17 gilt als "America's Gun" (Quelle: Wikimedia Commons/Sprenger) |