Donnerstag, 1. Oktober 2015

„Sorry guys, no gold“: US-Waffenlager in Österreich und das „Sonderprojekt“ Franz Olahs

Am 20. Jänner 1996 lud die US-Botschafterin Swanee Hunt eine Delegation zu einem Arbeitsessen in ihre Residenz. Sie eröffnete der Runde, dass von die CIA Waffenlager in Österreich angelegt hatte. Wenige Tage später übergab Hunt einen Karton mit 79 Kuverts an Innenminister Caspar Einem und meinte: „Sorry guys, no gold!“ Die Depots waren neben der Aufstellung von Widerstandsnetze (stay behind) waren Teil der geheimen Vorbereitungen auf den Ernstfall, den „Dritten Weltkrieg“. Vor dem Hintergrund des spannungsgeladenen frühen Kalten Krieges hatten sowohl die westlichen Alliierten, und hier vor allem die USA, als auch österreichische Entscheidungsträger Maßnahmen gegen eine Invasion des Warschauer Paktes bzw. gegen einen kommunistischen Putsch ergriffen.

Aus westlicher Sicht schienen die kommunistischen Machtübernahmen in der Tschechoslowakei und Ungarn (1947/1948), die Berlin-Blockade und der „große Bruch“ zwischen Tito und Stalin (1948), der Verlust des westlichen Atomwaffenmonopols (1949) sowie der Koreakrieg (1950-1953) eine eminente Bedrohung zu bestätigen. Im militärisch besetzten Österreich, wo die Machtblöcke unmittelbar aufeinandertrafen, sorgten ein angeblicher kommunistischer Putschversuch im Oktober 1950 und eine mögliche Teilung des Landes entlang der der Demarkationslinie ebenfalls für große Verunsicherung. Zwischen Herbst 1945 und 1951 rechnete sich der US-Generalstab überhaupt wenige Chancen aus, Westeuropa wirksam verteidigen zu können. So war auch in den sogenannten Pilgrim-Plänen „Able, Baker, Charlie und Dog“ vorgesehen, dass falls die Sowjetunion über Österreich und Jugoslawien nach Norditalien vorstoßen würde, die britischen und französischen Truppen sich nach West-Italien oder Triest zurückziehen sollten. Dort sollte die Front stabilisiert und ein Gegenangriff vorbereitet werden. Währenddessen sollten Guerilla- und Partisaneneinheiten in den besetzten Gebieten aktiv werden.
Funde von 1996 aus einem Depot in Eugendorf  (ausgestellt im Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum, alle Fotos: Autor)
 „stay behind“
Die beachtliche Rolle von Spezialkräften bzw. paramilitärischen Einheiten in den alliierten Kriegsplanungen sollte die Schwächen im konventionellen Bereich ausgleichen. Basierend auf den Erfahrungen mit dem antifaschistischen Widerstand, deutschen Kommandounternehmen und den ersten alliierten Spezialverbänden während des 2. Weltkriegs hatte sich eine neue Doktrin unkonventioneller Kriegsführung herausgebildet. Diese umfasste unter anderem Sabotage, Infiltration, Subversion, Enthauptungsschläge, Hinterhalte, „psychologische Operationen“ und Informationsgewinnung hinter feindlichen Linien. Nach 1945 neu aufgestellte Kräfte, aber auch antikommunistische Guerilla-, Exilanten- und Freiwilligenverbände wurden als integraler Bestandteil der westlichen Kriegsführung angesehen. Wie bereits erwähnt war zunächst ein Rückzug aus Kontinentaleuropa eingeplant – gefolgt von einer Phase des strategischen Luftkriegs bis hin zur Rückeroberung. Sowohl was die Verlangsamung des sowjetischen Vormarschs als auch die Vorbereitung der finalen Gegenoffensive anging, kam dem Guerilla- und Partisanenkrieg in den besetzten Gebieten eine entscheidende Bedeutung zu.

Vorgesehen war, dass sich die Spezialstreitkräfte im Falle einer Invasion zunächst entweder vom Feind „überrollen“ lassen sollten („stay behind“) oder später „einsickern“ würden. Danach sollten diese Kräfte im Rücken der Front Kommunikations- und Infrastrukturnetze, Kommandostellen sowie Nachschublinien angreifen. Weiters ging es darum, „escape lines“ für alliierte Agenten, politisches Spitzenpersonal und VIPs, abgeschossene Piloten und Kriegsgefangene sowie Überläufer durch die sowjetischen Linien anzulegen. Außerdem sollten sie selbst als Ausbildner und Rekruteure lokaler Partisaneneinheiten fungieren oder – sofern diese bereits bestanden – diese unterstützen und anleiten. Und schließlich sollten die Spezialkräfte dazu beitragen, Regionen abseits der Vormarschlinien so lange wie möglich zu halten bzw. in ihren Einsatzräumen die Vorrausetzungen für eine alliierte Gegenoffensive zu schaffen. Zwecks praktischer Umsetzung wurde unter dem Codenamen „Easeful“ ab Dezember 1949 ein breit angelegtes Guerillaausbildungsprogramm gestartet – wofür seitens der US-Armee Waffen, Logistik, Instrukteure und Ausbildungsstätten zur Verfügung gestellt wurden. Auf diese Weise entstanden nach der NATO-Gründung (1949) in allen Mitgliedsländern der Allianz sowie in den neutralen Ländern Finnland, Schweden und der Schweiz entsprechende stay behind-Strukturen, die spätestens 1990/91 aufgelöst wurden. Während der konkrete Anlassfall, eine sowjetische Invasion, nie eintrat, wurden stay behind-Einheiten in einigen NATO-Mitgliedsländern wie Türkei und Griechenland im Inneren aktiv, meistens gegen linke oder kommunistische Oppositionelle. In Italien wird eine mögliche Involvierung in rechtsextremen Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre diskutiert („Gladio“).

„Aktion Wühlmaus“
Zwischen 1949 und 1954 waren in Österreich im Bereich der amerikanischen Besatzungszone, vereinzelt aber auch außerhalb der Zone, in der nördlichen Steiermark 79 Waffenlager angelegt worden. 65 dieser Depots wurden nach entsprechender Information durch US-Botschafterin Hunt 1996 im Rahmen der „Aktion Wühlmaus“ geöffnet: Vorwiegend in Holzkisten verstaut, fanden sich rund 300 Pistolen, 50 Panzerabwehrrohre, 250 Karabiner, 270 Maschinenpistolen, 65 Maschinengewehre, 20 Sonderwaffen, 2.700 Handgranaten, 230.000 Schuss Munition, 1.150 Panzerabwehrgranaten sowie 3.400 kg Sprengstoff. Im Bericht, den eine Regierungskommission zu Waffenlagern erstellte, wird hervorgehoben, dass in den meisten Lagern deutschsprachige Anleitungen zur Führung eines Guerillakrieges, Landescheinwerfer, „Welrod“-Schalldämpferpistolen und Jagdmesser sowie „reichlich“ Sprengstoff und Zubehör für Sabotageakte sichergestellt wurden: „Das lässt darauf schließen, dass die Lager – zumindest auch – für österreichische ‚Widerstandskämpfer‘ angelegt worden waren. Zur Unterstützung eines Guerillakrieges mit eventueller Unterstützung aus der Luft (Nachschub von Waffen und Ausrüstung).“ Das Material hätte insgesamt für bis zu 1.000 Mann gereicht.





 Genauer ließen sich die Funktion, aber auch eine mögliche österreichische Beteiligung, nicht bestimmen, da sich die von den USA zur Verfügung gestellten Dokumente auf Inhalt und Lage der Depots beschränkten – die an der Regierungskommission beteiligten Historiker konnten somit in ihrem Beitrag zum Abschlussbericht nur festhalten, dass die Anlage der Waffenlager „mit den konkreten amerikanischen Plänen eines Rückzugs aus Österreich im Falle einer direkten Konfrontation“ korrelierte. Im Zuge der öffentlichen Debatte hierzu meldete sich ein Zeitzeuge zu Wort, der ehemalige Widerstandskämpfer, Verleger und Sekretär des damaligen Außenministers Karl Gruber, Fritz Molden (1924-2014). Ihm zufolge sei bereits 1946 „im engsten Kreis“ der Regierung besprochen worden, was für den Fall der Errichtung des Eisernen Vorhangs innerhalb Österreichs zu tun sei. Fast ein Jahr habe es dann gedauert, bis die Alliierten davon überzeugt werden konnten, dass es notwendig wäre, für diesen Fall auch Waffenlager anzulegen. So sei man daran gegangen, „Widerstandsgruppen“ aufzubauen – in Ministerien, Gewerkschaften und Wirtschaft. Die Initiative sei also nicht von den USA, sondern – „streng geheim“ – von der österreichischen Regierung ausgegangen.
Fotos von der Bergung 1996 (ausggestellt im Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum)
2006 erschien „My Father, the Spy: An Investigative Memoir“ – ein Buch des Autor John F. Richardson über seinen Vater, der Ende der 1940er Jahre CIA-Stationschef in Wien war. Darin wird auch die praktische Umsetzung des stay behind-Programms erwähnt: Demnach rekrutierte die CIA österreichische Funker und ließ Funkgeräte an ausgewählten Punkten innerhalb der sowjetischen Zone vergraben. CIA-Dokumente zu dieser Operation Iceberg wurden im Rahmen des War Crimes Disclosure Act freigegeben: Demnach wurden zwischen 1948 zehn Verstecke in Westösterreich, vor allem im Wienerwald, angelegt, in denen sich Funkgeräte, codierte „signal plans“ und Generatoren befanden. Aus diesen geheimen Depots sollten stay behind-Agenten ihre Ausrüstung beziehen, um im Kriegsfall mit den Alliierten Kontakt aufzunehmen und Informationen durchzugeben – bezüglich militärischer, politischer und wirtschaftlicher Ziele. Aktiv werden sollten sie erst nach Ausbruch von Kampfhandlungen bzw. nachdem sie die Front „überrollt“ hatte.
Der Codename GRCGROOND bezeichnete alle stay behind-Operationen in Österreich. Ziel war (1.) bereits bestehende und potentielle paramilitärische Kapazitäten weiter auszubauen. Damit waren in erster Linie Gewerkschafts-Einheiten gemeint, die auf Zentral- und Ost-Österreich verteilt waren. Hier kann es nur das „Sonderprojekt“ gemeint sein, das im Anschluss behandelt wird. Im Fokus befanden sich weiters (2.) „indigene“ Gruppen, in abgelegenen, schwer zugänglichen Landstrichen in Salzburg-Tirol sowie (3.) Einzelpersonen, die über das gesamte Bundesgebiet verstreut waren. Für diese verschiedenen Kräfte sollten brauchbare Operationsbasen für den Kriegsfall mit der Roten Armee gefunden werden. Weiters ging es darum, eine „Flucht- und Evakuierungsroute“ von Ost- nach Westösterreich anzulegen, deren Zubringer bis an die ungarische sowie tschechoslowakische Grenze heranreichen sollten. Ebenso sollten Kuriere entlang dieses Weges Nachrichten hinein und hinausbringen.
Aus einer Auflistung von 1957 geht hervor, wie viele geheime Waffen- und Ausrüstungslager bis dahin angelegt worden waren: 12 (1951), 14 (1952), 3 (1953) und 35 (1954). Die Depots wurden teils im alpinen Geländen – am Hochschwab, im Sengsengebirge, am Pötschen- und Phyrnpass angelegt – und darüber hinaus unter anderem in der Nähe von Lambach, Ried im Innkreis, am Traun- und Attersee, Bad Hofgastein oder südlich von Steyr. Ein Vergleich mit einer Auflistung jener Waffendepots, die 1996 vom Bundesheer geräumt wurden, zeigt zahlreiche Übereinstimmungen. Das stay behind-Programm blieb auch nach Unterzeichnung des Staatsvertrags aktiv: 1955 wurden insgesamt 12 Sabotage- und 10 „air-receiption“-Lager angelegt (die Ausrüstung in letzteren Depots dürfte dazu gedient haben, Landeplätze für Luftnachschub zu markieren).

Das „Sonderprojekt“ Franz Olahs
Die Initiative zum wichtigsten stay behind-Netz war von österreichischen Entscheidungsträgern aus dem Regierungs- und Gewerkschaftsapparat ausgegangen – während die Finanzierung (einer Aussage zufolge zwischen acht und zehn Millionen Schilling) höchstwahrscheinlich über die CIA bzw. die antikommunistische American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO) bereitgestellt wurde. Die treibende Kraft war der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter und spätere Innenminister Franz Olah (1910-2009). Dieser war im Oktober 1950 an der Auflösung einer Streikbewegung gegen das 4. Lohn- und Preisabkommen beteiligt gewesen. Die Ereignisse waren von der SPÖ-ÖVP-Regierung als Putschversuch der Kommunistischen Partei (KPÖ) interpretiert worden. Um für den „Fall einer neuerlichen Machtprobe mit den Kommunisten“ gerüstet zu sein, wurde laut Olah mit dem Aufbau einer „systematischen Abwehrorganisation“ begonnen. Dieses sogenannte „Sonderprojekt“ lief zwecks Tarnung unter einem eigens gegründeten Verein namens Österreichsicher Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein (ÖWSGV), über den Fahrzeuge und Räumlichkeiten angemietet wurden. Die Geschichte des „Sonderprojekts“ lässt sich schwer rekonstruieren, weil Olah laut eigener Angabe im Keller des Gewerkschaftsgebäudes in der Wiener Ebendorfer Straße gelagerte Unterlagen vernichten ließ: „Dort lagen alle Korrespondenzen seit 1945 und anderes. Meinen Mitarbeiter sagte ich: Alles was ihr glaubt, dass es unnötig ist, dreht’s durch den Papierwolf. Ich selbst war bei der Vernichtung nicht dabei. Aber später habe ich gesehen: Es war ein riesiger Berg von Papierschnitzeln.“

Auszug aus den Statuten des ÖWSGV (1952)
Wie Olah in seinen Erinnerungen betont, war das zentrale Element des „Sonderprojekts“ der Aufbau eines Funknetzes. So wurden in allen Bundesländern (mit Ausnahme von Vorarlberg) in den Hauptstädten Funkgeräte installiert – in Niederösterreich auch in Wiener Neustadt, St. Pölten und Krems. Das stellte die Koordination der verschiedenen ÖWSGV-Gruppen sicher – diese waren nicht nur mobil, sondern auch schlagkräftig: „Wir hatten Jeeps, Geländefahrzeuge, Landrover, Motorräder und andere Fahrzeuge. Es erfolgte auch die Ausbildung von Spezialgruppen nicht nur in modernen, leicht zu handhabenden Schusswaffen (Schnellfeuerwaffen), in modernem Sprengstoff (Plastiksprengstoff) sowie in der Ausbildung von Judogruppen.“ Als Olah 1969 vor Gericht gefragt wurde, woher die Angehörigen des „Sonderprojekts“ ihre Kenntnisse hatten, antwortete er: „Sie waren im Krieg. Aber ihre Kenntnisse wurden von Fachleute in Ausbildungslagern aufgefrischt, sie wurden ja eigens geschult.“
Als Vereinsadresse wurde ein Gemeindebau in Wien-Penzing angegeben
In der Wiener Liebhartsgasse befand sich ein Depot, weitere Waffenlager wurden im Westen, außerhalb der sowjetischen Zone, eingerichtet: „Die eigentlichen großen Lager (zwei oder drei) von Waffen aller Art waren unter Doppelsperre. Ich hatte die Möglichkeit, mit einer zweiten Person gemeinsam erforderlichenfalls davon Gebrauch zu machen. […] Im Salzburgerischen, in Golling, lagerte die Winterausrüstung für eine komplette Kompanie. Ein Angestellter der Stadt Wien, ein ausgebildeter Waffenmeister, war freigestellt, um unsere Ausrüstung in Schuss zu halten – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Olah selbst hatte in einem Stahlschrank in seinem Büro „einen kleinen Vorrat an Waffen bis hin zu Maschinenpistolen, um uns im Notfall den Weg freizumachen“. Außerdem verfügte man über eine „große Zahl“ von Tränengasbomben, „deren Einsatz wäre bei Unruhen am Anfang viel wirksamer und auch viel vernünftiger gewesen als sofort zu schießen“. Mehrere Regierungsmitglieder – Innenminister Oskar Helmer, Gewerkschaftsbundpräsident Johann Böhm und Bundespräsident Adolf Schärf – sollen laut Olah über das Sonderprojekt informiert gewesen sein, „allerdings ohne Kenntnis der Details der Organisation“. Insgesamt, so Olah, seien „wohl ein paar tausend Österreicher mit unseren Vorbereitungen in Kontakt gekommen“. Der eigentliche Apparat bestand jedoch nur aus ein paar Dutzend Leuten, „meist Gewerkschafts- oder SPÖ-Funktionäre aus den Bundesländern; einige von ihnen sind später Mandatare geworden“. Einen Vergleich mit dem republikanischen Schutzbund der Zwischenkriegszeit ließ Olah nicht gelten: „Nein, nein! Das einzige was geprobt worden ist und geübt worden ist, war der Funk. Für den haben wir die Leute geschult. Wir haben sie auch für den Waffengebrauch eingeschult. Sagen wir, für den ersten Schreck. Zur Verteidigung vielleicht von wichtigen Gebäuden, Amtsgebäuden, Gewerkschaftsgebäuden, Regierungsgebäuden usw. Wo die Exekutive sagen wir, nicht hätte eingreifen können.“


Ausschnitt aus Ausbildungsmanual zur Bedienung eines RS1-Funkgeräts, das von stay behind-Netzwerken verwendet wurde
Bezüglich der Hintermänner des „Sonderprojekts“ hielt sich Olah zeitlebens bedeckt – Befehle wollte er „von niemanden“ erhalten haben: „Aber kein Zweifel – die USA waren unsere stärkste Stütze, ja, unser Verbündeter. […] Was uns verband war das gemeinsame Interesse, einer gewaltsamen Machtergreifung der Sowjets oder deren Handlanger jeden nur möglichen Widerstand entgegenzusetzen.“ Olah gab an, er habe noch 1963 „zwei Millionen Schilling von den Geldgebern des Sonderprojekts erhalten und versprochen, keine Namen zu nennen“. Die Truppe blieb auch nach 1955 bestehen. Wie Olah betonte, war zwar die „unmittelbare Bedrohung“ weggefallen, „dann aber kamen das Jahr 1956 und der sowjetische Einmarsch in Ungarn, der jenes Gefühl der Sicherheit doch als ein sehr brüchiges und möglicherweise trügerisches entlarvte. Deswegen lösten wir unsere Vorsorgeeinrichtungen erst allmählich auf.“ Der ÖWSGV sei reorganisiert und in einzelnen anderen Teilen z.B. auf dem Gebiet des Funkwesens aufgebaut und erweitert worden: „Durch die Anschaffung von modernen Funkgeräten, deren Reichweite größer war und die in verschiedenen Gegenden Österreichs in gegen Witterung schützender Verpackung an unbegangenen Stellen ins Erdreich vergraben wurden.“ Die endgültige Liquidierung erfolgte erst im Jahr 1967 – im Gefolge von Olahs Rücktritt als Innenminister und seinem Ausschluss aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der SPÖ (1964).

Im Rückblick bezeichnete Olah „alle Vermutungen über Zusammenhänge mit ähnlichen Organisationen im Ausland (z.B. „Gladio“)“ als „Märchen“. Auch mit den 1996 gefundenen Waffenlagern habe seine Organisation „nichts zu tun“ gehabt. Tatsächlich war im Zuge von „Aktion Wühlmaus“ ein Lager besonders aufgefallen: Es befand sich in Weichselboden-Höll, einem idyllischen Talschluss am nördlichen Rand des Hochschwab. Die darin verborgenen Waffen hätten für eine ganze Kompanie gereicht – inklusive 30.000 Schuss Munition, 450 kg Plastiksprengstoff und Sanitätsmaterial einschließlich Morphiumspritzen. Werner F., damals Gendarmeriepostenkommandant in Mariazell, erinnert sich noch genau an die Bergung: „Weichselboden-Höll ist ein streng behütetes Jagd- und Wasserschutzgebiet. Dort hat der Erzherzog Johann gejagt, und später ging es in den Besitz der Grafen von Meran über. In einem Nebengebäude der Jagdhütte, der Brunnsteiner Keusche, direkt unter dem Fußboden war das Waffenlager, ohne dass jemand etwas davon gewusst hätte. Die haben damals unter strenger Geheimhaltung Tag und Nacht gearbeitet. Ich selbst habe den Bagger in der Hütte graben gesehen. Draußen haben die Hirsche geröhrt, denn es war mitten zur Brunftzeit. Und den arroganten Kerl vom Innenministerium, der die Leitung hatte, sehe ich immer noch vor mir herumlaufen.“

Weichselboden-Höll
HINWEIS: Exponate und Dokumente zum ÖWSGV sind in der neugestalteten Ausstellung des Salzburger Wehrgeschichtlichen Museums zu sehen (Kaserne Schwarzenberg, www.wehrgeschichte-salzburg.at)

Siehe dazu auch: Thomas Riegler, Das Geheimnis des Mühlbachberges, in: Datum Nr.10/2015, 40-44.