Am
20. Jänner 1996 lud die US-Botschafterin Swanee Hunt eine Delegation zu einem
Arbeitsessen in ihre Residenz. Sie eröffnete der Runde, dass von die CIA Waffenlager
in Österreich angelegt hatte. Wenige Tage später übergab Hunt einen Karton mit
79 Kuverts an Innenminister Caspar Einem und meinte: „Sorry guys, no gold!“ Die
Depots waren neben der Aufstellung von Widerstandsnetze (stay behind) waren
Teil der geheimen Vorbereitungen auf den Ernstfall, den „Dritten Weltkrieg“. Vor
dem Hintergrund des spannungsgeladenen frühen Kalten Krieges hatten sowohl die
westlichen Alliierten, und hier vor allem die USA, als auch österreichische
Entscheidungsträger Maßnahmen gegen eine Invasion des Warschauer Paktes bzw.
gegen einen kommunistischen Putsch ergriffen.
Aus westlicher Sicht
schienen die kommunistischen Machtübernahmen in der Tschechoslowakei und Ungarn
(1947/1948), die Berlin-Blockade und der „große Bruch“ zwischen Tito und Stalin
(1948), der Verlust des westlichen Atomwaffenmonopols (1949) sowie der
Koreakrieg (1950-1953) eine eminente Bedrohung zu bestätigen. Im militärisch
besetzten Österreich, wo die Machtblöcke unmittelbar aufeinandertrafen, sorgten
ein angeblicher kommunistischer Putschversuch im Oktober 1950 und eine mögliche
Teilung des Landes entlang der der Demarkationslinie ebenfalls für große
Verunsicherung. Zwischen Herbst 1945
und 1951 rechnete sich der US-Generalstab überhaupt wenige Chancen aus,
Westeuropa wirksam verteidigen zu können. So war auch in den sogenannten
Pilgrim-Plänen „Able, Baker, Charlie und Dog“ vorgesehen, dass falls die
Sowjetunion über Österreich und Jugoslawien nach Norditalien vorstoßen würde,
die britischen und französischen Truppen sich nach West-Italien oder Triest
zurückziehen sollten. Dort sollte die Front stabilisiert und ein Gegenangriff
vorbereitet werden. Währenddessen sollten Guerilla- und Partisaneneinheiten in
den besetzten Gebieten aktiv werden.
Funde von 1996 aus einem Depot in Eugendorf (ausgestellt im Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum, alle Fotos: Autor) |
Die beachtliche Rolle
von Spezialkräften bzw. paramilitärischen Einheiten in den alliierten
Kriegsplanungen sollte die Schwächen im konventionellen Bereich ausgleichen.
Basierend auf den Erfahrungen mit dem antifaschistischen Widerstand, deutschen
Kommandounternehmen und den ersten alliierten Spezialverbänden während des 2.
Weltkriegs hatte sich eine neue Doktrin unkonventioneller Kriegsführung
herausgebildet. Diese umfasste unter anderem Sabotage, Infiltration,
Subversion, Enthauptungsschläge, Hinterhalte, „psychologische Operationen“ und
Informationsgewinnung hinter feindlichen Linien. Nach 1945 neu aufgestellte
Kräfte, aber auch antikommunistische Guerilla-, Exilanten- und
Freiwilligenverbände wurden als integraler Bestandteil der westlichen Kriegsführung
angesehen. Wie bereits erwähnt war zunächst ein Rückzug aus Kontinentaleuropa
eingeplant – gefolgt von einer Phase des strategischen Luftkriegs bis hin zur
Rückeroberung. Sowohl was die Verlangsamung des sowjetischen Vormarschs als
auch die Vorbereitung der finalen Gegenoffensive anging, kam dem Guerilla- und
Partisanenkrieg in den besetzten Gebieten eine entscheidende Bedeutung zu.
Vorgesehen war, dass
sich die Spezialstreitkräfte im Falle einer Invasion zunächst entweder vom
Feind „überrollen“ lassen sollten („stay behind“) oder später „einsickern“
würden. Danach sollten diese Kräfte im Rücken der Front Kommunikations- und
Infrastrukturnetze, Kommandostellen sowie Nachschublinien angreifen. Weiters
ging es darum, „escape lines“ für alliierte Agenten, politisches
Spitzenpersonal und VIPs, abgeschossene Piloten und Kriegsgefangene sowie
Überläufer durch die sowjetischen Linien anzulegen. Außerdem sollten sie selbst
als Ausbildner und Rekruteure lokaler Partisaneneinheiten fungieren oder – sofern
diese bereits bestanden – diese unterstützen und anleiten. Und schließlich
sollten die Spezialkräfte dazu beitragen, Regionen abseits der Vormarschlinien
so lange wie möglich zu halten bzw. in ihren Einsatzräumen die Vorrausetzungen
für eine alliierte Gegenoffensive zu schaffen. Zwecks praktischer Umsetzung
wurde unter dem Codenamen „Easeful“ ab Dezember 1949 ein breit angelegtes
Guerillaausbildungsprogramm gestartet – wofür seitens der US-Armee Waffen,
Logistik, Instrukteure und Ausbildungsstätten zur Verfügung gestellt wurden. Auf
diese Weise entstanden nach der NATO-Gründung (1949) in allen Mitgliedsländern
der Allianz sowie in den neutralen Ländern Finnland, Schweden und der Schweiz
entsprechende stay behind-Strukturen, die spätestens 1990/91 aufgelöst wurden. Während
der konkrete Anlassfall, eine sowjetische Invasion, nie eintrat, wurden stay
behind-Einheiten in einigen NATO-Mitgliedsländern wie Türkei und Griechenland
im Inneren aktiv, meistens gegen linke oder kommunistische Oppositionelle. In Italien
wird eine mögliche Involvierung in rechtsextremen Terrorismus der 1970er und
1980er Jahre diskutiert („Gladio“).
„Aktion
Wühlmaus“
Zwischen 1949 und
1954 waren in Österreich im Bereich der amerikanischen Besatzungszone,
vereinzelt aber auch außerhalb der Zone, in der nördlichen Steiermark 79
Waffenlager angelegt worden. 65 dieser Depots wurden nach entsprechender
Information durch US-Botschafterin Hunt 1996 im Rahmen der „Aktion Wühlmaus“
geöffnet: Vorwiegend in Holzkisten verstaut, fanden sich rund 300 Pistolen, 50
Panzerabwehrrohre, 250 Karabiner, 270 Maschinenpistolen, 65 Maschinengewehre,
20 Sonderwaffen, 2.700 Handgranaten, 230.000 Schuss Munition, 1.150
Panzerabwehrgranaten sowie 3.400 kg Sprengstoff. Im Bericht, den eine
Regierungskommission zu Waffenlagern erstellte, wird hervorgehoben, dass in den
meisten Lagern deutschsprachige Anleitungen zur Führung eines Guerillakrieges,
Landescheinwerfer, „Welrod“-Schalldämpferpistolen und Jagdmesser sowie
„reichlich“ Sprengstoff und Zubehör für Sabotageakte sichergestellt wurden:
„Das lässt darauf schließen, dass die Lager – zumindest auch – für
österreichische ‚Widerstandskämpfer‘ angelegt worden waren. Zur Unterstützung
eines Guerillakrieges mit eventueller Unterstützung aus der Luft (Nachschub von
Waffen und Ausrüstung).“ Das Material hätte insgesamt für bis zu 1.000 Mann
gereicht.
Genauer ließen sich
die Funktion, aber auch eine mögliche österreichische Beteiligung, nicht
bestimmen, da sich die von den USA zur Verfügung gestellten Dokumente auf
Inhalt und Lage der Depots beschränkten – die an der Regierungskommission
beteiligten Historiker konnten somit in ihrem Beitrag zum Abschlussbericht nur
festhalten, dass die Anlage der Waffenlager „mit den konkreten amerikanischen
Plänen eines Rückzugs aus Österreich im Falle einer direkten Konfrontation“
korrelierte. Im Zuge der öffentlichen Debatte hierzu meldete sich ein Zeitzeuge
zu Wort, der ehemalige Widerstandskämpfer, Verleger und Sekretär des damaligen
Außenministers Karl Gruber, Fritz Molden (1924-2014). Ihm zufolge sei bereits
1946 „im engsten Kreis“ der Regierung besprochen worden, was für den Fall der
Errichtung des Eisernen Vorhangs innerhalb Österreichs zu tun sei. Fast ein
Jahr habe es dann gedauert, bis die Alliierten davon überzeugt werden konnten,
dass es notwendig wäre, für diesen Fall auch Waffenlager anzulegen. So sei man
daran gegangen, „Widerstandsgruppen“ aufzubauen – in Ministerien,
Gewerkschaften und Wirtschaft. Die Initiative sei also nicht von den USA,
sondern – „streng geheim“ – von der österreichischen Regierung ausgegangen.
2006 erschien „My
Father, the Spy: An Investigative Memoir“ – ein Buch des Autor John F.
Richardson über seinen Vater, der Ende der 1940er Jahre CIA-Stationschef in
Wien war. Darin wird auch die praktische Umsetzung des stay behind-Programms
erwähnt: Demnach rekrutierte die CIA österreichische Funker und ließ Funkgeräte
an ausgewählten Punkten innerhalb der sowjetischen Zone vergraben. CIA-Dokumente
zu dieser Operation Iceberg wurden im Rahmen des War Crimes Disclosure Act
freigegeben: Demnach wurden zwischen 1948 zehn Verstecke in Westösterreich, vor
allem im Wienerwald, angelegt, in denen sich Funkgeräte, codierte „signal
plans“ und Generatoren befanden. Aus diesen geheimen Depots sollten stay
behind-Agenten ihre Ausrüstung beziehen, um im Kriegsfall mit den Alliierten
Kontakt aufzunehmen und Informationen durchzugeben – bezüglich militärischer,
politischer und wirtschaftlicher Ziele. Aktiv werden sollten sie erst nach
Ausbruch von Kampfhandlungen bzw. nachdem sie die Front „überrollt“ hatte.
Fotos von der Bergung 1996 (ausggestellt im Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum) |
Der Codename GRCGROOND
bezeichnete alle stay behind-Operationen in Österreich. Ziel war (1.) bereits
bestehende und potentielle paramilitärische Kapazitäten weiter auszubauen.
Damit waren in erster Linie Gewerkschafts-Einheiten gemeint, die auf Zentral-
und Ost-Österreich verteilt waren. Hier kann es nur das „Sonderprojekt“ gemeint
sein, das im Anschluss behandelt wird. Im Fokus befanden sich weiters (2.) „indigene“
Gruppen, in abgelegenen, schwer zugänglichen Landstrichen in Salzburg-Tirol
sowie (3.) Einzelpersonen, die über das gesamte Bundesgebiet verstreut waren.
Für diese verschiedenen Kräfte sollten brauchbare Operationsbasen für den
Kriegsfall mit der Roten Armee gefunden werden. Weiters ging es darum, eine
„Flucht- und Evakuierungsroute“ von Ost- nach Westösterreich anzulegen, deren
Zubringer bis an die ungarische sowie tschechoslowakische Grenze heranreichen
sollten. Ebenso sollten Kuriere entlang dieses Weges Nachrichten hinein und
hinausbringen.
Aus einer Auflistung
von 1957 geht hervor, wie viele geheime Waffen- und Ausrüstungslager bis dahin
angelegt worden waren: 12 (1951), 14 (1952), 3 (1953) und 35 (1954). Die Depots
wurden teils im alpinen Geländen – am Hochschwab, im Sengsengebirge, am
Pötschen- und Phyrnpass angelegt – und darüber hinaus unter anderem in der Nähe
von Lambach, Ried im Innkreis, am Traun- und Attersee, Bad Hofgastein oder
südlich von Steyr. Ein Vergleich mit einer Auflistung jener Waffendepots, die
1996 vom Bundesheer geräumt wurden, zeigt zahlreiche Übereinstimmungen. Das
stay behind-Programm blieb auch nach Unterzeichnung des Staatsvertrags aktiv:
1955 wurden insgesamt 12 Sabotage- und 10 „air-receiption“-Lager angelegt (die
Ausrüstung in letzteren Depots dürfte dazu gedient haben, Landeplätze für
Luftnachschub zu markieren).
Das
„Sonderprojekt“ Franz Olahs
Die Initiative zum wichtigsten
stay behind-Netz war von österreichischen Entscheidungsträgern aus dem Regierungs-
und Gewerkschaftsapparat ausgegangen – während die Finanzierung (einer Aussage
zufolge zwischen acht und zehn Millionen Schilling) höchstwahrscheinlich über
die CIA bzw. die antikommunistische American Federation of Labor and Congress
of Industrial Organizations (AFL-CIO) bereitgestellt wurde. Die treibende Kraft
war der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter und
spätere Innenminister Franz Olah (1910-2009). Dieser war im Oktober 1950 an der
Auflösung einer Streikbewegung gegen das 4. Lohn- und Preisabkommen beteiligt
gewesen. Die Ereignisse waren von der SPÖ-ÖVP-Regierung als Putschversuch der
Kommunistischen Partei (KPÖ) interpretiert worden. Um für den „Fall einer
neuerlichen Machtprobe mit den Kommunisten“ gerüstet zu sein, wurde laut Olah
mit dem Aufbau einer „systematischen Abwehrorganisation“ begonnen. Dieses sogenannte
„Sonderprojekt“ lief zwecks Tarnung unter einem eigens gegründeten Verein
namens Österreichsicher Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein (ÖWSGV), über
den Fahrzeuge und Räumlichkeiten angemietet wurden. Die Geschichte des
„Sonderprojekts“ lässt sich schwer rekonstruieren, weil Olah laut eigener
Angabe im Keller des Gewerkschaftsgebäudes in der Wiener Ebendorfer Straße
gelagerte Unterlagen vernichten ließ: „Dort lagen alle Korrespondenzen seit
1945 und anderes. Meinen Mitarbeiter sagte ich: Alles was ihr glaubt, dass es
unnötig ist, dreht’s durch den Papierwolf. Ich selbst war bei der Vernichtung
nicht dabei. Aber später habe ich gesehen: Es war ein riesiger Berg von Papierschnitzeln.“
Auszug aus den Statuten des ÖWSGV (1952) |
Wie Olah in seinen
Erinnerungen betont, war das zentrale Element des „Sonderprojekts“ der Aufbau
eines Funknetzes. So wurden in allen Bundesländern (mit Ausnahme von
Vorarlberg) in den Hauptstädten Funkgeräte installiert – in Niederösterreich
auch in Wiener Neustadt, St. Pölten und Krems. Das stellte die Koordination der
verschiedenen ÖWSGV-Gruppen sicher – diese waren nicht nur mobil, sondern auch
schlagkräftig: „Wir hatten Jeeps, Geländefahrzeuge, Landrover, Motorräder und
andere Fahrzeuge. Es erfolgte auch die Ausbildung von Spezialgruppen nicht nur
in modernen, leicht zu handhabenden Schusswaffen (Schnellfeuerwaffen), in
modernem Sprengstoff (Plastiksprengstoff) sowie in der Ausbildung von
Judogruppen.“ Als Olah 1969 vor Gericht gefragt wurde, woher die Angehörigen
des „Sonderprojekts“ ihre Kenntnisse hatten, antwortete er: „Sie waren im
Krieg. Aber ihre Kenntnisse wurden von Fachleute in Ausbildungslagern
aufgefrischt, sie wurden ja eigens geschult.“
Als Vereinsadresse wurde ein Gemeindebau in Wien-Penzing angegeben |
In der Wiener
Liebhartsgasse befand sich ein Depot, weitere Waffenlager wurden im Westen,
außerhalb der sowjetischen Zone, eingerichtet: „Die eigentlichen großen Lager
(zwei oder drei) von Waffen aller Art waren unter Doppelsperre. Ich hatte die
Möglichkeit, mit einer zweiten Person gemeinsam erforderlichenfalls davon
Gebrauch zu machen. […] Im Salzburgerischen, in Golling, lagerte die
Winterausrüstung für eine komplette Kompanie. Ein Angestellter der Stadt Wien,
ein ausgebildeter Waffenmeister, war freigestellt, um unsere Ausrüstung in Schuss
zu halten – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Olah selbst hatte in einem
Stahlschrank in seinem Büro „einen kleinen Vorrat an Waffen bis hin zu
Maschinenpistolen, um uns im Notfall den Weg freizumachen“. Außerdem verfügte
man über eine „große Zahl“ von Tränengasbomben, „deren Einsatz wäre bei Unruhen
am Anfang viel wirksamer und auch viel vernünftiger gewesen als sofort zu
schießen“. Mehrere
Regierungsmitglieder – Innenminister Oskar Helmer, Gewerkschaftsbundpräsident
Johann Böhm und Bundespräsident Adolf Schärf – sollen laut Olah über das
Sonderprojekt informiert gewesen sein, „allerdings ohne Kenntnis der Details
der Organisation“. Insgesamt, so Olah, seien „wohl ein paar tausend
Österreicher mit unseren Vorbereitungen in Kontakt gekommen“. Der eigentliche
Apparat bestand jedoch nur aus ein paar Dutzend Leuten, „meist Gewerkschafts-
oder SPÖ-Funktionäre aus den Bundesländern; einige von ihnen sind später
Mandatare geworden“. Einen Vergleich mit dem republikanischen Schutzbund der
Zwischenkriegszeit ließ Olah nicht gelten: „Nein, nein! Das einzige was geprobt
worden ist und geübt worden ist, war der Funk. Für den haben wir die Leute
geschult. Wir haben sie auch für den Waffengebrauch eingeschult. Sagen wir, für
den ersten Schreck. Zur Verteidigung vielleicht von wichtigen Gebäuden,
Amtsgebäuden, Gewerkschaftsgebäuden, Regierungsgebäuden usw. Wo die Exekutive
sagen wir, nicht hätte eingreifen können.“
Bezüglich der
Hintermänner des „Sonderprojekts“ hielt sich Olah zeitlebens bedeckt – Befehle
wollte er „von niemanden“ erhalten haben: „Aber kein Zweifel – die USA waren
unsere stärkste Stütze, ja, unser Verbündeter. […] Was uns verband war das
gemeinsame Interesse, einer gewaltsamen Machtergreifung der Sowjets oder deren
Handlanger jeden nur möglichen Widerstand entgegenzusetzen.“ Olah gab an, er
habe noch 1963 „zwei Millionen Schilling von den Geldgebern des Sonderprojekts
erhalten und versprochen, keine Namen zu nennen“. Die Truppe blieb auch nach
1955 bestehen. Wie Olah betonte, war zwar die „unmittelbare Bedrohung“
weggefallen, „dann aber kamen das Jahr 1956 und der sowjetische Einmarsch in
Ungarn, der jenes Gefühl der Sicherheit doch als ein sehr brüchiges und
möglicherweise trügerisches entlarvte. Deswegen lösten wir unsere
Vorsorgeeinrichtungen erst allmählich auf.“ Der ÖWSGV sei reorganisiert und in
einzelnen anderen Teilen z.B. auf dem Gebiet des Funkwesens aufgebaut und
erweitert worden: „Durch die Anschaffung von modernen Funkgeräten, deren
Reichweite größer war und die in verschiedenen Gegenden Österreichs in gegen
Witterung schützender Verpackung an unbegangenen Stellen ins Erdreich vergraben
wurden.“ Die endgültige Liquidierung erfolgte erst im Jahr 1967 – im Gefolge
von Olahs Rücktritt als Innenminister und seinem Ausschluss aus dem Österreichischen
Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der SPÖ (1964).
Ausschnitt aus Ausbildungsmanual zur Bedienung eines RS1-Funkgeräts, das von stay behind-Netzwerken verwendet wurde |
Im Rückblick
bezeichnete Olah „alle Vermutungen über Zusammenhänge mit ähnlichen
Organisationen im Ausland (z.B. „Gladio“)“ als „Märchen“. Auch mit den 1996
gefundenen Waffenlagern habe seine Organisation „nichts zu tun“ gehabt. Tatsächlich
war im Zuge von „Aktion Wühlmaus“ ein Lager besonders aufgefallen: Es befand
sich in Weichselboden-Höll, einem idyllischen Talschluss am nördlichen Rand des
Hochschwab. Die darin verborgenen Waffen hätten für eine ganze Kompanie
gereicht – inklusive 30.000 Schuss Munition, 450 kg Plastiksprengstoff und
Sanitätsmaterial einschließlich Morphiumspritzen. Werner F., damals
Gendarmeriepostenkommandant in Mariazell, erinnert sich noch genau an die
Bergung: „Weichselboden-Höll ist ein streng behütetes Jagd- und
Wasserschutzgebiet. Dort hat der Erzherzog Johann gejagt, und später ging es in
den Besitz der Grafen von Meran über. In einem Nebengebäude der Jagdhütte, der
Brunnsteiner Keusche, direkt unter dem Fußboden war das Waffenlager, ohne dass
jemand etwas davon gewusst hätte. Die haben damals unter strenger Geheimhaltung
Tag und Nacht gearbeitet. Ich selbst habe den Bagger in der Hütte graben
gesehen. Draußen haben die Hirsche geröhrt, denn es war mitten zur Brunftzeit.
Und den arroganten Kerl vom Innenministerium, der die Leitung hatte, sehe ich
immer noch vor mir herumlaufen.“
Weichselboden-Höll |
HINWEIS: Exponate und
Dokumente zum ÖWSGV sind in der neugestalteten Ausstellung des Salzburger
Wehrgeschichtlichen Museums zu sehen (Kaserne Schwarzenberg, www.wehrgeschichte-salzburg.at)
Siehe dazu auch: Thomas Riegler, Das Geheimnis des Mühlbachberges, in: Datum Nr.10/2015, 40-44.
Siehe dazu auch: Thomas Riegler, Das Geheimnis des Mühlbachberges, in: Datum Nr.10/2015, 40-44.