Gekürzte Fassung erschienen in profil, Nr. 9/2015, 34 f.
Vor 45 Jahren, am 21. Februar 1970, wurde Österreich zum ersten Mal mit dem Nahostterror konfrontiert: An Bord eines AUA-Flugs explodierte eine Bombe. Die Notlandung gelang, aber am selben Tag ließ ein weiterer Anschlag eine Maschine der Swiss Air abstürzen.
Vor 45 Jahren, am 21. Februar 1970, wurde Österreich zum ersten Mal mit dem Nahostterror konfrontiert: An Bord eines AUA-Flugs explodierte eine Bombe. Die Notlandung gelang, aber am selben Tag ließ ein weiterer Anschlag eine Maschine der Swiss Air abstürzen.
Es ist
10.47 Uhr: Die AUA-Caravelle „Steiermark“ befindet sich nach Start in Frankfurt
am Main gerade einmal acht Minuten in der Luft und hat im Steigflug eine Höhe
von 3.000 m über dem Odenwald erreicht. 33 Passagieren und fünf
Besatzungsmitgliedern befinden sich an Bord – die Destination ist Wien. Was
dann geschieht, schildert die „Kronen Zeitung“ anderntags so: „Die Stewardessen
servierten Kaffee und Erfrischungen, als plötzlich eine heftige Explosion die
Maschine erschüttert. Einen Augenblick später leuchte das Schild ‚Bitte
anschnallen und nicht rauchen‘ auf. Der Kabinendruck hatte rapide nachgelassen,
die Passagiere klagten über Ohrenschmerzen“. Flugkapitän Herbert Till, damals
35 Jahre alt, meldete über den Bordlautsprecher, dass die Druckkabine defekt geworden sei und man deswegen nach
Frankfurt zurückkehre. Tatsächlich war im vorderen Frachtraum eine Bombe detoniert und hatte ein etwa 80 x
50 cm großes Loch in den Rumpfwand des Flugzeugs gerissen. Trotz des erheblichen
Schadens gelang es Till und seinem Ko-Pilot Walter Haslinger die „Steiermark“ notzulanden. Alle an Bord befindlichen
Personen kamen mit dem Schrecken davon. Durch das ruhige und besonnene Verhalten der Crew hatte es keine Panik gegeben - "lediglich eine Frau weinte und sagte immer wieder: 'Hoffentlich stürzen wir nicht ab'" ("Die Presse").
„Goodbye everybody“ – die
Tragödie von Würenlingen
Dieser 21.
Februar 1970 sollte trotzdem zu einem schwarzen Tag werden – denn, nur knapp zwei Stunden nach der
Explosion an Bord des AUA-Flugs stürzte die
Swiss Air Maschine „Basel Land“ in den Unterwald westlich von Würenlingen
(Schweizer Kanton Aargau). Alle 47 Insassen – 38 Passagiere und neun
Besatzungsmitglieder – fanden den Tod. Ausgelöst wurde die Katastrophe
ebenfalls durch eine Bombenexplosion. Diese hatte im Unterschied zum Vorfall an
Bord der „Steiermark“ verheerende Folgen gehabt: Im Frachtraum hatte sich ein Brandherd entwickelt, der sich durch rasch ausbreitete. Dichter Rauch nahm den Piloten die Sicht auf die Instrumente. Der letzte
verzweifelte Funkspruch an den Tower in Zürich-Kloten lautete: "Goodbye
everybody". Die Maschine ging schließlich in einer steilen Linkskurve in den Sturzflug über und raste mit 770 Stundenkilometer in den Wald. Der anschließende Feuerball von 30 Tonnen Kerosin ließ Passagiere und Flugzeug regelrecht verglühen.
Denkmal am Absturzort in Würenlingen (Quelle: Wikimedia Commons) |
Passagiere
und Crew der „Steiermark“ hatten dagegen großes Glück: Wäre die in einem Postsack
versteckte Bombe nicht an der äußeren Wand, sondern in der Mitte des
Frachtraums gelegen, dann wäre ein Absturz womöglich nicht zu vermeiden
gewesen. Pilot Till gab gegenüber der „AZ“ an: „Je höher das Flugzeug steigt,
umso größer wird der Druckunterschied zwischen Innenraum und Außenwelt. Dadurch
wäre auch das Leck im Rumpf des Flugzeugs größer geworden, da die Druckwelle
bei der Explosion stärker gewesen wäre. In einem solchen Fall hätten auch alle
Bemühungen, das Flugzeug zum Landen zu bringen, nichts genützt. Die Caravelle
wäre unweigerlich in die Tiefe gezogen worden.“
Die zufällige Lage des Bombenpakets in der Nähe der Außenbeplankung und die Abschirmung zum Flugzeugsinneren durch dichte Zeitungsbündel waren verantwortlich dafür, dass sich die Explosion nicht ähnlich fatal wie bei der Swiss Air auswirkte. Ein weiterer glücklicher Umstand war, dass die schwer beschädigte "Steiermark" noch nicht die normale Flughöhe von 8.000 m erreicht hatte, als der Höhenmesser die Explosion auslöste - andernfalls wäre es zu der von Till beschriebenen Implosion gekommen.
Die zufällige Lage des Bombenpakets in der Nähe der Außenbeplankung und die Abschirmung zum Flugzeugsinneren durch dichte Zeitungsbündel waren verantwortlich dafür, dass sich die Explosion nicht ähnlich fatal wie bei der Swiss Air auswirkte. Ein weiterer glücklicher Umstand war, dass die schwer beschädigte "Steiermark" noch nicht die normale Flughöhe von 8.000 m erreicht hatte, als der Höhenmesser die Explosion auslöste - andernfalls wäre es zu der von Till beschriebenen Implosion gekommen.
Erkenntnisse aus den
Ermittlungsakten
Die
Ermittlungen in der Schweiz und der BRD ergaben bald, dass es sich um den bis
dahin schwersten Terroranschlag gegen die Zivilluftfahrt handelte: Ein Kommando
der PFLP-GC (Volksfront zur Befreiung Palästinas, Generalkommando) hatte die Bomben
in Radioapparaten eingebaut – mit einem Höhenmesser des Typs Altimeter 50 M als
Auslöser. Anschließend wurden diese in zwei Paketen in Frankfurt am Main bzw. in
München aufgegeben – als Luftpost nach Israel. Doch weil die El-Al am 21. Februar
1970 nicht flog, wurde die Paketpost kurzerhand umgeleitet und gelangte so
durch die damals lückenhaften Kontrollen jeweils an Bord der Maschinen „Steiermark“
bzw. „Basel Land“.
Im
Schlussbericht der Sicherungsgruppe Bonn-Bad Godesberg, der im Wiener
Staatsarchiv in Kopie vorliegt, heißt es dazu: „Es ist wahrscheinlich, dass der
Anschlag nicht der Maschine der österreichischen Luftfahrtgesellschaft AUA,
sondern einem Linienflug der israelischen Luftfahrtgesellschaft El-Al gegolten
hat. Diese Maschine flog laut Flugplan Februar 1970 als einziges israelisches
Flugzeug an Samstagen (21.2.1970) von Frankfurt/M. nach Tel Aviv. Die Tatsache,
dass aus postökonomischen Gründen mit diesem Flugzeug keine Pakete befördert
wurden, blieb Außenstehenden, zu denen auch die Tatverdächtigen zu rechnen
sind, verborgen.“ Genauso verhielt es sich im Falle der Swiss Air – das für
Israel bestimmte Postgut, in dem sich das Bombenpaket befanden, hätte
ursprünglich mit einer El-Al-Maschine befördert werden sollen, stellten die
Ermittler fest: „Der planmäßige Flug fiel am 21. 2. 1970 aus. Die Post wurde
daher auf die SWISS AIR-Maschine SR 551 umdirigiert und in Zürich in das später
abgestürzte Flugzeug verladen.“ Bei dem Zwischentransport der Fracht
München-Zürich war noch nichts passiert, „da die Innenräume der Maschine auf
Bodendruck gehalten wurden und die SR 551 auf dem Flug von München nicht die
Höhe erreicht, in der bei der später abgestürzten SR 330 die Detonation
erfolgte“.
Kreisky: „Illusion der
Terroristen zerstören“
Der
Doppelanschlag und vor allem die vielen Toten in Würenlingen bedeuteten Anfang
der 1970er Jahre einen großen Schock: Mit einem Mal war der Nahostkonflikt
bedrohlich näher gerückt. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden umgehend verschärft,
wie die „Presse“ berichtete: „In Wien hat Polizeipräsident Holaubek angeordnet,
dass alle israelischen und arabischen Vertretungen, Flugbüros und sonstige
gefährdete Objekte von der Zentralstreife des Wiener Sicherheitsbüros in die
Überwachung einbezogen werden.“ Im Fokus der „Sicherheitsoffensive“ befand sich
insbesondere der Flughafen Wien-Schwechat: „Diese Maßnahmen sehen unter anderem
vor, dass alle startenden und landenden Maschinen der nahöstlichen
Fluggesellschaften von Funkwagen mit schwerbewaffneten Polizisten von und zur
Piste geleitet werden. Außerdem werden die Zufahrtsstraßen zum Schwechater
Flughafen und das Gebäude im Süden des Flugplatzes verschärft überwacht.“ Hinsichtlich
einer politischen Reaktion Österreichs meinte der damalige Oppositionsführer
Bruno Kreisky: „Ich kann mir denken, dass man sich den Schweizern anschließt,
sofern es nicht Überlegungen gibt, dass sich Österreich nicht in den
Vordergrund schieben sollte. Aber man muss die Illusion der Terroristen
zerstören, mit solchen Methoden die Staaten in die Knie zwingen zu können.“
Strafverfolgung gescheitert
Verantwortlich
für die Anschläge war eine der damals berüchtigtsten palästinensischen
Terrorgruppen: Die PLFP-GC. Gegründet 1963 von Achmed Jibril hatte sich die Organisation nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 der kommunistisch orientierten PLFP angeschlossen. Diese hatte weltweite
Aufmerksamkeit auf sich gezogen, indem sie ab Ende der1960er Jahre damit begann,
westliche Passagierflugzeuge zu entführen. Schon 1968 spaltete sich Jibril wieder ab. Seine PLFP-GC ging daraufhin einen
Schritt weiter: Am 18. Februar 1969 feuerten vier Attentäter 62 Schüsse auf eine
El-Al-Maschine auf dem Flugfeld des Züricher Flughafens Kloten. Der Co-Pilot
kam dabei ums Leben, während einer der Terroristen von einem israelischen Sicherheitsmann
erschossen wurde.
Im Falle
der Bombenexplosionen an Bord der AUA und Swiss-Flüge entkamen die Attentäter:
Der damals 29jährige Sufian Kaddoumi und
der 43jährige Badawi Mousa Jawher konnten sich rechtzeitig nach Jordanien
absetzen. Zwei Helfer wurden in der BRD festgenommen, aber im Juni 1970 in den Nahen Osten abgeschoben. Kaddoumi, laut den Ermittlern der „Kopf“ des Unternehmens, hatte
zwischen Anfang Jänner 1961 bis Jänner 1962 in der Wiener Porzellangasse als
Untermieter gewohnt und sich gute Deutschkenntnisse angeeignet. Angeblich war
er schon damals als „politischer Fanatiker“ aufgefallen. Für die Tat musste
sich Kaddoumi nie verantworten – laut der Staatsanwaltschaft Frankfurt, die in
der BRD noch immer ein Strafverfahren führt, soll er 1996 im Alter von 55
Jahren gestorben sein.
"Hjacker Sunday", 6. September 1970: Die PLFP entführte mehrere internationale Flüge nach Jordanien, darunter eine Swiss Air-Maschine (Quelle: Wikimedia Commons) |