Norbert Burger (1929-1992)
war eine Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene in Österreich. Der begeisterte
Burschenschafter gründete 1953 den Ring Freiheitlicher Studenten, studierte
Rechtswissenschaften und brachte es zum Universitätsassistenten in Innsbruck.
In den 1960er Jahren war Burger tief in den Südtirolterrorismus verstrickt. Von
ihm rekrutierte junge Attentäter gingen 1961 auf den sogenannten
„Kinderkreuzzug“, um den Terror nach Italien zu tragen. Die mitgeführten
Molotowcocktails explodierten aber teilweise vorzeitig und verletzten einen der
Aktivsten schwer. Später soll Burger in tödliche Attentate gegen italienische
Züge und Bahnhöfe verwickelt gewesen sein. Seiner politischen Karriere tat dies
keinen Abbruch: 1967 gründete Burger die Nationaldemokratische Partei (NDP),
deren Programm im Wesentlichen mit dem Zielen der NSDAP übereinstimmte, wie der
Verfassungsgerichtshof später feststellte. Bis zur behördlichen Auflösung 1988
war die NDP ein zentrales Sammelbecken der Rechten.
Aus einem kürzlich
freigegebenen Dokument (Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik) ergibt sich ein neues Detail zu Burgers Rolle in Südtirol – im Rahmen einer
Vernehmung nach seiner Verhaftung in Klagenfurt (1961) gab er an, im Jahr davor
die USA vor möglicher Sabotage gegen NATO-Stützpunkte in
Südtirol gewarnt zu haben: Von der Sowjetunion gesteuerte Agenten hätten zu
entsprechenden Aktionen aufgestachelt. Um diese Botschaft zu überbringen,
kontaktierte Burger den in Spanien lebenden Otto Skorzeny: Dieser hatte im
Zweiten Weltkrieg Spezialkräfte der SS befehligt und war bis zu seinem Tod 1975
in Waffenhandel und Geheimdienstaktivitäten verstrickt.
Im Verhör, das am 22.
September 1961 stattfand, gab Burger an: „Es wurde mir von meinen Südtiroler
Freunden bekannt, dass sich Russland für die Südtiroler Sache zu interessieren
beginnt und zwei Südtiroler – es kann auch schon im Herbst 1959 gewesen sein –
von aus der Sowjetunion stammenden Leuten angeworben wurden, sich in der UdSSR
auf einer Agentenschule ausbilden zu lassen und diesem Angebot auch
nachgekommen seien. Wie mir mitgeteilt wurde, sei ihnen dort auch das Angebot
gemacht worden, jede Menge Sprengstoff zu bekommen, unter der Voraussetzung,
dass ein Teil dieses Sprengstoffes zur Sprengung der im Bau befindlichen
amerikanischen Raketenbasen (in Südtirol) verwendet werden. Ich selbst kenne
die Leute nicht, die wie mir mitgeteilt wurde von diesem Angebot Gebrauch
machten, doch stammte diese Nachricht aus für mich absolut zuverlässiger
Quelle. Ich sah in diesem Tatbestand eine große Gefahr und habe die Südtiroler
auf das Ausdrücklichste von der Annahme gewarnt. Auch sie selbst waren als
überwiegend tief religiöse Menschen grundsätzlich nicht bereit, dieses östliche
Angebot anzunehmen, ersuchten mich, ob ich ihnen nicht irgendwelche Quellen für
Sprengstoff eruieren könnte, was ich auch tatsächlich versucht habe, jedoch
ohne Erfolg. […] Bezüglich der amerikanischen Raketenbasen in Südtirol, […],
habe ich den Versuch unternommen, der mir auch geglückt ist, mit entsprechenden
amerikanischen Stellen Kontakt aufzunehmen. Ich beschritt dabei den Weg, dass
ich die Bekanntschaft des in Madrid lebenden Oberst a. D. Skorzeny suchte und
dieser mir schließlich auch gestattete, ihn in Madrid zu besuchen. Ich habe
mich deswegen an ihn gewendet, weil mir aus verschiedenen Zeitungsmeldungen
bekannt war, dass er zu den Amerikanern gute Beziehungen unterhalte. Ich las
davon, dass er vor den in Spanien stationierten amerikanischen Offizieren am
Unabhängigkeitstag die Festrede gehalten hat, was mich seine Person für mein
Vorhaben besonders geeignet erscheinen ließ. Ich suchte Skorzeny im Juli v. J.
auf, trug ihm mein Anliegen vor und machte mich dieser mit einem gew.[issen]
David Right bekannt, der, so viel mir mitgeteilt wurde, ein führender Mann in
der Abwehr sein soll. Ich selbst wurde ihm nicht unter meinem richtigen Namen
vorgestellt, um nicht in Zukunft vom amerikanischen Nachrichtendienst behelligt
zu werden. Das Gespräch mit Herrn Right dauerte über vier Stunden […].“ Burger
zufolge erklärte der amerikanische Geheimdienstler, „dass er meinen
Ausführungen durchaus Glauben schenke und einen entsprechenden Bericht an
seinen Chef weiterleiten würde. Wie ich später erfuhr, wurden die in Bau
befindlichen Raketenbasen angebl. nicht fertig gebaut, sollte mein Gespräch in
Madrid mit beigetragen haben, so würde ich mich darüber freuen.“
Ein Memorandum der CIA vom
25. Jänner
1962 bestätigt, dass Skorzeny und Burger tatsächlich miteinander in Verbindung
waren: “Skorzeny in 1960 was in contact with the Austrian terrorist groups
operating in the Tyrol through Dr. Norbert Burger, an Austrian right-wing
leader with alleged contact with the French ultras.”
Was die Situation in Südtirol
für die USA so speziell machte, war die neuralgische Lage in Westeuropa
zwischen den Schlüssel-NATO-Staaten Italien und Westdeutschland. Vor allem
Italien war ein „Eckpfeiler“ im Mittelmeerraum. Darüber hinaus bildete der
Südtiroler Grenzabschnitt zu Tirol und Kärnten im Norden eine Außengrenze der
westlichen Allianz gegenüber dem neutralen Österreich, dem „weichen Bauch im
NATO-Leib“. Mit dem angrenzenden Jugoslawien befand sich weiters der
kommunistische Machtblock in unmittelbarer Nähe. Dieser strategischen Bedeutung
Südtirols trug die NATO insofern Rechnung, indem sie zahlreiche Basen
einrichtete. In der Nähe von Brixen, auf der Hochfläche von Natz-Schabs, befand
sich seit dem Ende des 2. Weltkriegs ein US-Stützpunkt. Ab 1979, nach dem
Nachrüstungsbeschluss, wurden in den dortigen unterirdischen Bunkern atomare
Lance-Raketen deponiert. Im weiteren Umkreis befanden sich zudem wichtige
NATO-Stützpunkte wie die Aviano Air Base (Atomwaffenlager) und das alliierte
Streitkräfte-Kommando für Südeuropa (LANDSOUTH in Verona).
Ein „Mitmischen“ im Südtirolkonflikt bot dem Osten daher die Möglichkeit,
einen „dauerhaften Krisenherd inmitten des Westens zu schüren“ (Michaela
Koller-Seizmaier). Unglücklicherweise ist die Aktenlage zur Frühphase des
Konflikts spärlich. Angeblich soll der Aktivist Georg Klotz 1960 sogar überlegt
haben, in der sowjetischen Botschaft in Wien direkt Hilfe einzuholen, wie sich
seine Tochter Eva erinnerte: „Er habe dann gesagt, ‚Nein mit den Kommunisten mich
verbünden, das kann ich nicht als Tiroler, als wertkonservativer Mensch nicht
tun’. Und so ist er dann nicht hineingegangen.“ 1967/68 soll sich dann der
tschechoslowakische Geheimdienst an Klotz „herangemacht“ haben: „Ich kann mich
ganz genau an den Typen erinnern. Wir waren mit unserem Vater in Absam im Exil
in Nordtirol. Da ist dieser Robert aus Tschechien gekommen, der meinen Vater
überzeugen wollte, man müsse zuerst eine Bank ausrauben, in Südtirol, um zu
Geld zu kommen, dann müsse man einige italienische Kasernen stürmen.“ Zu dieser
frühen Involvierung von Ost-Geheimdiensten existiert auch ein Dokument in den
Beständen der Stiftung Bruno Kreisky Archiv. Der westdeutsche Journalist
Herbert Lucht teilte dem damaligen Außenminister Kreisky 1963 brieflich mit:
„Interessant mag vielleicht noch sein, dass Mittelsmänner der Sowjetischen
Botschaft in Wien 1960 bereits, vor der ersten ‚Terrorwelle’ also, an die
‚Bumser’ herangetreten sein und ihnen finanzielle und auch materielle
Unterstützung unter der Bedingung zugesagt haben sollen, dass sie ihre
‚Aktionen’ auch auf die in Südtirol befindlichen NATO-Basen ausdehnten. Sie
hätten diese Forderung abgelehnt und seither die Feindschaft der Kommunisten
gegen sich, die im ‚Südtiroler Freiheitskampf’ als dem einzigen ‚nicht ihre
schmutzigen Finger hätten’.“
Das Südtirol-„Problem“ hatte das
Potential, sowohl zwischen wichtigen NATO-Ländern, als auch
zwischen Italien und dem neutralen Österreich Keile zu treiben. So musste die
instabile Lage in Südtirol zwangsläufig für Unruhe sorgen: Dem
ORF-Korrespondenten Franz Kössler erzählte ein US-Geheimdienstmitarbeiter, der
in den 1960er Jahren beim militärischen Abschirmdienst der NATO in Verona
stationiert war, dass er nach der „Feuernacht“ (1961) beauftragt wurde, zwei in
Südtirol eingedrungene sowjetische Agenten zu kontrollieren: Den USA sei es um
den in einem Konfliktfall für die NATO äußerst wichtigen Nachschubweg über den
Brenner gegangen. Außerdem wurde ein Terrorangriff auf Natz-Schabs befürchtet.
Doch der Alarm sei nach einigen Monaten wieder abgeblasen worden. Das neue
Dokument zu Burger ist insofern ein weiterer Puzzlestein, um die Bedeutung des
Südtirolkonflikts im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg besser zu verstehen.