Die CIA installierte ab Ende der 1940er Jahre in
Österreich ein Widerstandnetz gegen die Rote Armee in Österreich – unter
tatkräftiger Mithilfe heimischer Politiker, Gewerkschafter und
Wehrmachtsveteranen.
Das kürzlich groß gefeierte
Jubiläum der friedlichen „Wende“ von 1989 sollte nicht darüber hinwegtäuschen,
dass der Kalte Krieg eine spannungsgeladene Zeit war. Vor allem die
Anfangsphase war eine „heiße“ Phase: Ende der 1940er Jahre hatten Kommunisten die
Macht in der Tschechoslowakei übernommen und Stalin blockierte den Zugang zu West-Berlin.
Zwischen 1950 und 1953 wütete der Koreakrieg. Nirgendwo fühlte man diese
Erschütterungen stärker als im militärisch besetzten Nachkriegsösterreich, wo
die Machtblöcke unmittelbar auf einander trafen. Hier befürchtete man eine
Teilung des Landes ebenso wie einen Putsch der KPÖ. Überhaupt schien eine
Invasion der Roten Armee unmittelbar bevorzustehen. Die Alliierten rechneten
sich für diesen Fall keine Chance aus, Westeuropa wirksam zu verteidigen. So
wollte man sich zunächst zurückziehen, um dann den Gegenschlag zu starten. Bis
es soweit war, würden Guerilla- und Partisaneneinheiten im Rücken der Front
aktiv werden. Diese sollten entweder zurückbleiben („stay behind“) oder später
einsickern. Ihr Auftrag: Aufklärung, Sabotage und Angriffe aus dem Hinterhalt.
Mehrere Tonnen Sprengstoff
Die CIA, selbst erst 1947
gegründet, überwachte den Aufbau dieser Spezial- und Guerillaeinheiten in Westeuropa
– sowohl in den NATO-Staaten als auch in neutralen Ländern wie Finnland,
Schweden und der Schweiz. In Italien trug die Struktur den Decknamen „Gladio“,
was seither zum geflügelten Wort für Staatsterror geworden ist. Denn die
Einheit sollte auch gegen den „inneren Feind“, die starke kommunistische
Partei, mobilisiert worden sein. So wurde bei einem Bombenattentat 1972
Sprengstoff aus einem „Gladio“-Depot verwendet.
Und Österreich? 1996 wurden
nach Information durch die USA 79 Waffenlager lokalisiert. Darin fanden sich
mehrere Tonnen Sprengstoff, Landescheinwerfer, Schalldämpferpistolen und
Jagdmesser – aber auch deutschsprachige Anleitungen für den Guerillakrieg. „Das
lässt darauf schließen, dass die Lager – zumindest auch – für österreichische
‚Widerstandskämpfer‘ angelegt worden waren. Zur Unterstützung eines
Guerillakrieges mit eventueller Unterstützung aus der Luft (Nachschub von
Waffen und Ausrüstung)“, heißt es im Bericht einer eigens eingerichteten
Regierungskommission. Angelegt wurden die Lager zwischen 1949 und 1954. Genauer
ließ sich die Funktion sowie eine mögliche österreichische Beteiligung damals nicht
bestimmen.
Operation Iceberg
Es gibt aber noch andere
Quellen: 2006 erschien „My Father, the Spy“ – ein sehr persönliches Buch des
Autors John F. Richardson über seinen Vater „Jocko“, der Ende der 1940er Jahre
CIA-Stationschef in Wien war. Darin ist auch Rede davon, dass die CIA
österreichische Funker rekrutierte und Funkgeräte an ausgewählten Punkten im Wienerwald
vergraben ließ. Selbst Kleidung wurde für den Ernstfall vorbereitet:
Bergstiefel, Rucksäcke und „Dirndl“ für die Frauen. Neue Dokumente, die im
Rahmen des War Crimes Disclosure Act freigegeben wurden, beziehen sich auf
dieses Unternehmen, das nun beim offiziellen Namen genannt werden kann:
Operation Iceberg. Ziel war es, Funker auszusuchen, diese zu trainieren und
dann gemeinsam mit anderen stay behind-Kärften an strategisch wichtigen Plätzen
in Ost-Österreich (in Wien und der sowjetisch besetzten Zone) zu platzieren.
Aktiv werden sollten sie erst nach Ausbruch von Kampfhandlungen bzw. nachdem
sie die Front „überrollt“ hatte. Dann sollten die Agenten in die versteckten Funkgeräte
bergen, um damit Informationen durchzugeben – bezüglich „militärischer,
politischer und wirtschaftlicher Ziele“. Was sie nicht tun sollten, war, sich
an Sabotage- oder Widerstandsakten zu beteiligen.
Augen und Ohren der Alliierten im Kriegsfall
Anfang der 1950er Jahre
zählten zu Operation Iceberg insgesamt sechs österreichische Funker, die ihre
Ausbildung Großteils abgeschlossen hatten und instruiert waren. Wie aus einem
CIA-Dokument von 1953 hervorgeht, erwartete man von ihnen im Kriegsfall das
Beschaffen/Durchgeben von Informationen – bezüglich von Truppen- und
Materialbewegungen, Maßnahmen der Besatzungsbehörden sowie Aufklärung von
Bombenschäden in Wien und Wiener Neustadt. Die sechs Agenten für „Operation
Iceberg“ waren fast durchwegs Wehrmachtsveteranen und von daher mit der Handhabung
eines Funkgeräts vertraut. Vom Alter her waren sie bunt gemischt, der älteste
46 und der jüngste 23 Jahre alt. Einer der Funker war Tierarzt in einem Dorf
südwestlich von Wien – für die CIA war das perfekt als zivile Tarnung geeignet.
Aufgrund seiner Erfahrung als Funker bei der Heeresgruppe Süd war der frühere
Unteroffizier nach Meinung seiner Betreuer allerdings nicht leicht unter
Kontrolle zu halten. Ein weiterer Agent, ein damals 32jähriger Elektriker und
KPÖ-Funktionär, sollte vor allem das Personal, die Organisation und die
Vorhaben der Kommunisten aufklären. Seine Homosexualität wurde jedoch als
potentielles Sicherheitsrisiko angesehen, weil der Agent dadurch „erpressbar“
sei. Ein stiller, introvertierter Typ wiederum war der 26jährige
Medizinstudent, den man für Operation Iceberg rekrutiert hatte: Streng
katholische Erziehung und „bürgerliche Moral“ hatten ihn zu einem überzeugten
Antikommunisten gemacht. Die übrigen drei Agenten waren ein technischer
Zeichner, ein Betriebsaufseher und passenderweise ein Verkäufer von
Radioapparaten. Falls die Rote Armee tatsächlich nach Westen vorgestoßen wäre,
wären diese Freiwilligen quasi die „Augen“ und „Ohren“ der Alliierten gewesen.
Alleine schon dadurch, dass sie sich mit der CIA einließen, riskierten sie
viel.
Unterstützung durch SS-Geheimdienstoffizier Höttl
Aus den umfangreichen
Unterlagen zu „Operation Iceberg“ geht hervor, dass die CIA große
Schwierigkeiten hatte, geeignetes Personal zu finden. Vielleicht war auch das
der Grund, dass man offenbar auf einen alten Bekannten zurückgriff: Wilhelm
Höttl, Schulgründer in Bad Aussee und vormals SS-Geheimdienstoffizier. Er steht
wie kein anderer für die unheilige Allianz zwischen westlichen Diensten und
Ex-Nazis im Zeichen des Kampfes gegen den Kommunismus. Schon 1948/49 installierten
für das CIC, den Geheimdienst der US-Armee, zwei Spionage-Netzwerke. Unter
anderem wurde eine Gruppe ungarischer Emigranten im Toten Gebirge im
Partisanenkampf gedrillt. 1996 gab Hött an, dass er auch Funker für das stay behind-Programm vermittelt hatte: „Da
sollte also nur der Kontakt hergestellt werden mit verlässlichen Patrioten,
österreichischen, die dann auch tatsächlich gegen die Besatzungsmacht
gearbeitet hätten.“
Codename GRCROOND
In Westösterreich – Salzburg
und Tirol – zog die CIA noch ein viel breiter dimensioniertes stay behind-Netz
hoch. Alle Aktivitäten liefen unter der sperrigen Bezeichnung GRCROOND. Es ging
darum, Waffen- und Ausrüstungslager anzulegen sowie passendes Personal zu rekrutieren
– damit die geheimen Strukturen im Ernstfall jederzeit einsatzbereit gewesen
wären. Auch wollte man eine „Flucht- und Evakuierungsroute“ von Ost- nach
Westösterreich anlegen, deren Zubringer bis an die ungarische sowie
tschechische Grenze heranreichten. VIPs, aber auch abgeschossene Piloten,
Agenten oder Überläufer sollten so in Sicherheit gebracht werden.
Aus einer Auflistung von 1957
geht hervor, wie viele geheime Waffen- und Ausrüstungslager angelegt wurden: 12
(1951), 14 (1952), 3 (1953) und 35 (1954). Die Depots wurden teils in alpinen
Geländen – am Hochschwab, im Sengsengebirge, am Pötschen- und Phyrnpass
angelegt – und darüber hinaus unter anderem in der Nähe von Lambach, Ried im
Innkreis, am Traun- und Attersee, Bad Hofgastein und südlich von Steyr. Ein
Vergleich mit einer Auflistung jener Waffendepots, die 1996 vom Bundesheer
geräumt wurden, zeigt zahlreiche Übereinstimmungen. Damals hatte sich gezeigt,
dass die Waffen und Sprengmittel „ungewöhnlich tief“ vergraben gewesen waren –
so tief, dass es bei Schneelage und Frost kaum möglich gewesen werde, diese
händisch zu bergen. „Dies spricht gegen eine sorgfältige Planung bzw.
Durchführung der Aktion“, schloss der Untersuchungsbericht.
Ein Status-Report von Ende
1958 listet insgesamt 18 verschiedene GRCROOND-Agenten auf. Der jüngste war 30,
der älteste 59 Jahre alt. Es handelte sich um eine bunt gemischte Truppe: Zwei
Ski-Lehrer, ein Arzt, ein Automobilhändler, ein Assistent eines
Rechtsprofessors, ein Englisch-Lehrer, ein Chauffeur, ein Handelsreisender, ein
Verkäufer, ein Elektriker, ein Handelschul-Lehrer, ein Lagerverwalter, zwei
Beamte, ein Vorarbeiter sowie drei lokale ÖVP-Politiker. Vor allem letztere
waren für die CIA interessant: Der damals 40jährige Agent „GRREPAIR-7“
beispielsweise war Gemeindesekretär, Vorsitzender des örtlichen
Veteranenverbands und Versicherungsvertreter. Im Falle einer kommunistischen
Machtübernahme würde man ihn wahrscheinlich als „Volksfeind“ politisch
entmachten und verhaften, erwartete die CIA. Im Kriegsfalle sollte er so
schnell als möglich all jene rekrutieren, die ihm für eine Verwendung tauglich
erschienen. Anschließend würde es darum gehen, Luftnachschub oder abgesetzte
Spezialkommandos in Empfang zu nehmen. Vor allem aber würden der Agent und
seine Truppe auf genaue Anweisungen warten – und sofern befohlen – auch
Sabotageakte durchführen.
„Widerstandsgruppen aufgebaut“
Am undurchsichtigsten in all
diesen geheimdienstlichen Manövern und Planspielen ist die Rolle der
österreichischen Politik: Als 1996 die US-Waffenlager bekannt wurden, meldete
sich ein Zeitzeuge zu Wort – der 2014 verstorbene Widerstandskämpfer und
Verleger, Fritz Molden. Als Sekretär von Außenminister Karl Gruber war er
damals in die Vorgänge eingeweiht. Molden zufolge wurde bereits 1946 „im
engsten Kreis“ besprochen worden, was für den Fall der Errichtung des Eisernen
Vorhangs innerhalb Österreichs zu tun sei. Fast ein Jahr habe es dann gedauert,
bis die Alliierten davon überzeugt werden konnten, dass es notwendig wäre, für
diesen Fall auch Waffenlager anzulegen. So sei man daran gegangen,
„Widerstandsgruppen“ aufzubauen – in Ministerien, Gewerkschaften und
Wirtschaft.
Konkret entstand im
Gewerkschaftsapparat Anfang der 1950er Jahre eine „systematische
Abwehrorganisation“. Vorangetrieben wurde dieses „Sonderprojekt“ von dem
Vorsitzenden der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter und späteren
Innenminister Franz Olah (1910-2009). Dieser war im Oktober 1950 an der
Auflösung einer Streikbewegung gegen das 4. Lohn- und Preisabkommen beteiligt gewesen.
Die Ereignisse waren von der SPÖ-ÖVP-Regierung als Putschversuch der KPÖ
interpretiert worden. Um für den „Fall einer neuerlichen Machtprobe mit den
Kommunisten“ gerüstet zu sein, wurde laut Olah mit dem Aufbau einer
„systematischen Abwehrorganisation“ begonnen. Dieses „Sonderprojekt“ lief
zwecks Tarnung unter einem eigens gegründeten Verein namens Österreichsicher
Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein (ÖWSGV), über den Fahrzeuge und
Räumlichkeiten angemietet wurden.
Gar nicht harmlos: Der Österreichsiche Wander-, Sport-
und Geselligkeitsverein
Zentrales Element war auch
hier der Aufbau eines Funk-Netzes zur Koordination. Spezialgruppen wurden aber
auch in der Handhabung von Schusswaffen, Plastiksprengstoff und
Selbstverteidigung ausgebildet. In der Wiener Liebhartsgasse befand sich ein
Depot mit italienischen Karabinern, Pistolen, Tränengasbomben, Feldstechern.
Weitere „zwei oder drei“ große Waffenlager wurden im Westen, außerhalb der sowjetischen
Zone eingerichtet. Eines davon dürfte 1996 lokalisiert worden sein – in
Weichselboden/Höll nahe Mariazell. Es war das umfangreichste der geräumten
Depots.
Als Olah 1969 vor Gericht
gefragt wurde, woher die Angehörigen des „Sonderprojekts“ ihre Kenntnisse
hatten, antwortete er: „Sie waren im Krieg. Aber ihre Kenntnisse wurden von
Fachleute in Ausbildungslagern aufgefrischt, sie wurden ja eigens geschult.“ Die
Finanzierung (einer Aussage zufolge zwischen acht und zehn Millionen Schilling)
wurde höchstwahrscheinlich über die CIA bzw. die antikommunistische American
Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO) bereitgestellt. Insgesamt, so Olah später,
seien „wohl ein paar tausend Österreicher mit unseren Vorbereitungen in Kontakt
gekommen“. Der eigentliche Apparat bestand jedoch nur aus ein paar Dutzend
Leuten, „meist Gewerkschafts- oder SPÖ-Funktionäre aus den Bundesländern;
einige von ihnen sind später Mandatare geworden“. Einen Vergleich mit dem
republikanischen Schutzbund der Zwischenkriegszeit ließ Olah nicht gelten:
„Nein, nein! Das einzige was geprobt worden ist und geübt worden ist, war der
Funk. Für den haben wir die Leute geschult. Wir haben sie auch für den
Waffengebrauch eingeschult. Sagen wir, für den ersten Schreck. Zur Verteidigung
vielleicht von wichtigen Gebäuden, Amtsgebäuden, Gewerkschaftsgebäuden,
Regierungsgebäuden usw. Wo die Exekutive sagen wir, nicht hätte eingreifen
können.“
Franz Olah – Agent „GRDAGGER 1“
1953 hatte die CIA das stay
behind-Programm evaluiert und war zum Schluss gekommen, dass man den Fokus von
„Gruppen“-Operationen weg auf einzelne „Hauptagenten“ verschieben müsse. Diese
sollten gut ausgewählt und zu Agentenführern ausgebildet werden. Sobald die
Invasion der Roten Armee erfolgt sei, würden diese dann Sabotage-Teams,
Guerilla- und Nachrichteneinheiten sowie Flucht- und Evakuierungsnetze
organisieren. Einer dieser „Hauptagenten“ war Olah, dessen Deckname „GRDAGGER
1“ lautete. Olah war von besonderem Wert für die CIA, weil er schon über eine
größere Gruppe verfügte. Dieses Potential wollte man für Guerilla- und
Sabotageakivitäten in der sowjetischen Zone und zwar am Hochschwab und im
Greinerwald, nutzbar machen. Das Risiko, Mitglieder einer politisch
orientierten Organisation, paramilitärisch auszubilden, war der CIA bewusst.
Allerdings vertraute man Olahs Truppe: Weil diese gute Beziehungen zu mächtigen
Regierungskreise habe und antikommunistisch orientiert sei. Und weil der
gewerkschaftliche Hintergrund von „GRDAGGER“ eine gute Tarnung für die geheimen
Aktivitäten darstellte.
Um die Schlagkraft zu
erhöhen, führte die CIA beispielsweise im August 1955 zwei Kurse, durch – einer
12 Tage lang und eine dreitägige Auffrischungseinheit. „GRDAGGER 1 war
beeindruckt von der Durchführung des Kurses, den Fähigkeiten des
CIA-Lehrpersonals und den Kompetenzen, die die Schüler während seines
eintägigen Besuchs an den Tag legten“, notierte die CIA zufrieden. Zu diesem
Zeitpunkt bestand die „GRDAGGER-Organisation“ aus 20 Personen, von der sich die
CIA gute Chancen ausrechnete, ein „Kern“ für Guerillakriegsführung zu sein:
„Wir schätzen, dass die GRDAGGER-Organisation innerhalb von sechs Monaten,
nachdem der Krieg ausgebrochen ist, auf 250 Mann angewachsen sein wird.
GRDAGGER besteht aus Angehörigen einer SPÖ-nahen Gewerkschaft mit 40.000
Mitgliedern, von denen viele als potentielle Rekruten für Widerstandsgruppen im
Kriegsfall angesehen werden können.“
Neutralität kein Hindernis
Die Unterzeichnung des
Staatsvertrags bedeutete keineswegs das Ende für die geheimen Aktivitäten im
„neutralen“ Österreich: 1955 war geplant, insgesamt 12 Sabotage- und 10
„air-receiption“-Lager angelegt (die Ausrüstung in letzteren Depots dürfte dazu
gedient haben, Landeplätze für Luftnachschub zu markieren). Infolge der sich
„ändernden Situation“ wurden die Leitlinien von GRCROOND geändert: Trotz der
nunmehr angenommenen Unwahrscheinlichkeit eines kommunistischen Putschs wurden
die vorhandenen Aktivposten weiter geführt. „Sowjetische Aggression“ war immer
noch im Bereich des Möglichen. Allerdings wollte die CIA die Verantwortung für Sabotagemaßnahmen
im Kriegsfall zunehmend an österreichische Kräfte abtreten. Damit war in erster
Linie Olahs Truppe gemeint.
Spuren verwischt
Bedauerlicherweise existieren
dazu in österreichischen Archiven keine vergleichbaren Unterlagen: Olah hatte
seine Spuren penibel verwischt. Schon in den 1960er Jahre wurden alle Akten zum
„Sonderprojekt“ durch den Reißwolf geschickt. Der ehemals mächtige Olah hatte
sich zu diesem Zeitpunkt selbst ins Aus manövriert – unter anderem wegen
eigenmächtiger Verwendung von Gewerkschaftsgeldern musste er 1964 zurücktreten
und wurde fünf Jahre später zu einer Haftstrafe verurteilt. „Sonderprojekt“
bzw. ÖWSGV wiederum waren erst 1967 endgültig aufgelöst worden – wie Olah
betonte, war zwar die „unmittelbare Bedrohung“ weggefallen, „dann aber kamen
das Jahr 1956 und der sowjetische Einmarsch in Ungarn, der jenes Gefühl der
Sicherheit doch als ein sehr brüchiges und möglicherweise trügerisches entlarvte.
Deswegen lösten wir unsere Vorsorgeeinrichtungen erst allmählich auf.“ Der
ÖWSGV sei reorganisiert und in einzelnen anderen Teilen z.B. auf dem Gebiet des
Funkwesens aufgebaut und erweitert worden. Alles Weitere liegt immer noch im
Dunklen. Als 1996 die US-Waffenlager geräumt wurden, hielt sich Olah bedeckt –
die aufgefundenen Depots seien „für die Exekutive gedacht gewesen.“ Mehr wollte
er nicht sagen: „Es gibt gewisse Dinge in einem Staat, über die redet man
überhaupt nicht redet. Auch nachher nicht.“
Ob und wenn ja in welcher
Form die österreichische Beteiligung an stay behind weiterging, darüber könnten
CIA-Dokumente Aufschluss geben, die heute noch unter Verschluss gehalten
werden. Erwiesen ist nun allerdings wie substantiell das an sich neutrale Nachkriegsösterreich
ins westliche Lager eingebunden war – und in welchem Ausmaß sich heimische
Politiker und Freiwillige für die US-Kriegspläne engagierten. In den
NATO-Ländern blieb stay behind bis 1990/91 aktiv. Die sowjetische Invasion, auf
die man sich so intensiv vorbereitet hatte, war nie erfolgt. Mit Sicherheit war
das für alle Beteiligten das Beste – so hatte etwa beispielsweise die Stasi-Funkaufklärung
die westdeutschen stay behind-Agenten längst im Visier, wodurch sie im
Kriegsfall rasch „ausgeschaltet“ worden wären. Wenn vom österreichischen
Ableger etwas geblieben ist, dann vielleicht ein paar rostige Relikte im
Wienerwald.
Hinweis: erschienen in „Die
Zukunft“, Nr. 2/2015, 30-33.