Georg „Jörg“ Klotz
gilt bis heute als einer der umstrittensten Köpfe der Südtiroler
Freiheitsbestrebungen. Der gelernte Schmied und Weltkriegsveteran war einer der
wenigen im BAS mit militärischer Ausbildung. Nach der „Feuernacht“ von 1961,
einer Sabotageaktion gegen Strommasten, entzog sich Klotz der Verhaftung durch
Flucht nach Österreich. Wie alle Südtiroler Flüchtlinge erhielt er Asyl –
allerdings mit der Auflage, sich jeder politischen Tätigkeit zu enthalten.
Klotz versuchte aber weiterhin Widerstandsaktionen gegen den italienischen
Staat zu organisieren. Nach dem Vorfall mit den OAS-Leuten und freimütigen
Interviews erging Ende Mai 1964 ein Aufenthaltsverbot für das gesamte
Bundesgebiet. Klotz und sein wichtigster Mitstreiter Luis Amplatz durften Wien
nicht verlassen. Am 22. August 1964 verschwanden die beiden in einem Leihwagen
nach Westen.
Der Versuch, in
Italien „einzusickern“ endete tragisch: Als Klotz und Amplatz die Nacht vom 6.
auf den 7. September 1964 in einer Heuhütte in Saltaus am Passeier verbrachten,
schoss ihr Begleiter Christian Kerbler auf sie – Amplatz starb an Ort und
Stelle, Klotz konnte schwer verletzt zurück über die Grenze entkommen. Kerbler
war ein Spitzel des italienischen Militärgeheimdiensts SISMI gewesen. In einem
Verschlussakt des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten heißt es,
Kerbler habe „durch Abgabe von 3 Schüssen auf den schlafenden Louis Amplatz
diesen ermordet und ihn (Klotz) durch Abgabe von 3 Schüssen, von denen einer
sein Ziel verfehlt habe, zu ermorden versucht […]. Während der Abgabe der
Schüsse habe Christian Kerbler mit einer Taschenlampe den Georg Klotz
abgeleuchtet. Georg Klotz wies nach seiner Rückkehr nach Österreich tatsächlich
2 Verwundungen auf, und zwar einen Steckschuss in die Brust und einen
Streifschuss an der Oberlippe.“
Nach der Entlassung
aus dem Krankenhaus Wörgl wurde Klotz in Schubhaft genommen – vor der
Überstellung nach Wien kam es zu ernsten Kompetenzstreitigkeiten wie aus einem Dokument
im Staatsarchiv hervorgeht: Sicherheitsorgane vor Ort lehnten die Herausgabe
von Klotz ab, „da sie vom Bezirkshauptmann und dem Sicherheitsdirektor strikten
Auftrag haben, jede Entfernung […] unter allen Umständen zu verhindern. Es muss
damit gerechnet werden, dass die diensthabenden Exekutivorgane von ihrer Waffe
Gebrauch machen.“ Erst nach Rücksprache mit höheren Dienststellen wurde Klotz
ausgehändigt.
Zurück in Wien wurde
der Südtiroler erneut strengen Auflagen unterworfen und hatte alle Handlungen
unterlassen, „die geeignet sind, die öffentlichen Interessen der Republik
Österreich zu schädigen“. Zurückgezogen wohnte Klotz in einer ärmlichen Kammer
in einem Altbau in der Wiener Innenstadt (Riemergasse Nr. 10) – den Schützenhut
und einen Säbel über dem Bett befestigt. Verbittert schrieb er am 30. Mai 1965
an Bundeskanzler Josef Klaus: „Ich will doch nichts anderes, als dass meine
engere Heimat wieder dort zurückkommt, von wo sie mit Gewalt und gegen jedes
Recht abgetrennt wurde, […]. In jedem anderen Land werden Leute, die sich
dieser Sache annehmen unterstützt und genießen jede Förderung und Ansehen,
während ich hier wie ein Verbrecher behandelt werde.“
Riemergasse Nr. 10: Bleibe von G. Klotz in Wien (Foto: Autor) |
1965 wandte sich der
Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer an den damaligen Außenminister Bruno
Kreisky. Klotz sei „bedenklich krank“: „Wenn er in einem Krankenhaus in Wien
oder auch nur in einem außerhalb des Landes Tirol sterben sollte, wird man
einen Helden geschaffen haben, der in der Fremde geblieben ist.“ Um dies zu verhindern,
schlug Wallnöfer vor, Klotz in Tirol eine „ordentliche Existenzgrundlage“ zu
schaffen. Kreisky hielt das für eine „menschlich gute Lösung“: „Ich bitte Sie
aber schon, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, dass Sie Herrn Klotz die
Situation klarmachen und von ihm die Zusage verlangen, dass er in Zukunft an
keinerlei Gewaltaktionen oder Plänen teilnimmt oder dazu aufmuntert.“ Klotz
machte eine entsprechende Zusage, nahm aber die angebotene Wohnung und
Arbeitsmöglichkeit nicht an. Erneut kam es nach mehreren Interviews und
Aufrufen von ihm über einen „Freiheitssender“ zur Konfrontation mit den
Behörden. Ein Emissär warnte Landeshauptmann Wallnöfer, dass die
„Verhandlungsbereitschaft Italiens“ beeinträchtigt werde, wenn man die „neue
Welle der Aktivität der Terroristen“ nicht unterbinde. Dem „verantwortungslosen
Verhalten der Extremisten“ müsse „energisch“ entgegengetreten werden. Klotz
wurde erneut in Schubhaft genommen – doch der Versuch, ihn in Deutschland
unterzubringen scheiterte. Man wurde das Problem Klotz nicht los.