Es
war eine der größten Schlachten der modernen Geschichte: Nahe der
nordböhmischen Stadt Hradec Králové (Königgrätz) trafen am 3. Juli 1866 221.000
Preußen mit 702 Geschützen auf 215.000 Österreicher sowie 21.000 Sachsen mit
650 Geschützen. Von der Zahl der beteiligten Kräfte blieb das im gesamten 19.
Jahrhundert unübertroffen. Praktisch beendet wurde der insgesamt siebenwöchige
„Deutsche Krieg“ – zwischen Österreich, seinen süd- und mitteldeutschen
Verbündeten auf der einen Seite sowie Preußen und Italien auf der anderen Seite.
Heute, 150 Jahre später, gibt es viele Gründe, sich mit diesem epochalen Ereignis
auseinanderzusetzen und es in Erinnerung zu rufen.
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Schlacht von Königgrätz, Gemälde von Christian Sell (Quelle: Wikimedia Commons) |
Mit der Niederlage von
Königgrätz verlor das Habsburgerreich seine hegemoniale Stellung in
Zentraleuropa. Geschwächt musste es nicht nur innerlich den „Ausgleich“ mit
Ungarn suchen (1867), sondern seine außenpolitischen Ambitionen auf den
Balkanraum verlegen – mit weitreichenden Folgen bis zum Ausbruch des 1.
Weltkriegs (1914). Der 1815 gegründete „Deutsche Bund“ der „souveränen Fürsten
und freien Städte Deutschlands“ wurde aufgelöst. Preußen stieg zur Führungsmacht
auf und sollte noch während des Deutsch-Französischen-Kriegs (1870/71) die
Gründung des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918) vorantreiben. Österreich blieb
von dieser Entwicklung ausgeschlossen – was von den deutschsprachigen Teilen
der Monarchie als Trauma empfunden wurde. So rief der Dichter Franz Grillparzer
den „Siegern von 1866“ anklagend zu: „Ihr glaubt, ihr habt ein Reich geboren,
und habt doch nur ein Volk zerstört!“
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Reenactment der Schlacht von Königgrätz 2014 (alle Fotos: Autor) |
Der folgende
Artikel beschäftigt sich in erster Linie mit dem militärhistorischen Aspekt. Hier
war Königgrätz für die Nordarmee der
Kulminationspunkt eines Feldzugs, der von demütigenden und vor allem
verlustreichen Niederlagen gekennzeichnet war. Nachdem Preußen am 19. Juni 1866
den Krieg erklärt hatte, rechneten Beobachter fast einmütig mit einem Sieg der
kriegserfahrenen Kaiserlichen. Doch schon sehr bald wurden sie eines besseren
belehrt – der Deutsche Krieg machte Hannover, Hessen, Baden und Bayern zum
Schauplatz einiger kleinerer Gefechte zwischen preußischen Truppen und der
„Bundesarmee“, die von Truppen der deutschen Verbündeten Österreichs gebildet
wurde. Der von Preußen ohne Kriegserklärung überrumpelten sächsischen Armee
gelang der Anschluss an die Nordarmee in
Böhmen. Hier befand sich auch einer der beiden geografischen Schwerpunkte des Krieges
– in Norditalien kämpfte die österreichische Südarmee unter Erzherzog Albrecht gleichzeitig gegen Italien. Trotz
des Erfolgs bei Custozza am 24. Juni 1866 und des Seesiegs von Admiral Wilhelm
von Tegethoff bei Lissa am 20. Juli 1866 musste Österreich schließlich Venetien
abtreten.
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Nachstellung 2010 |
Blutiger
Auftakt
Am böhmischen
Kriegsschauplatz dagegen hatten die Ereignisse von Anfang an einen
katastrophalen Verlauf genommen: Als die preußischen Truppen getrennt in drei
Armeen Ende Juni 1866 durch das Riesengebirge einmarschierten, ließ man die Gelegenheit
aus, diese einzeln zu schlagen. Nicht nur das, die abkommandierten österreichischen
Armeekorps wurden in acht blutigen Gefechten besiegt. Fast jedes Mal war es den
mobiler agierenden Preußen gelungen, höhergelegenes Gelände rechtzeitig zu
besetzen und die folgenden Gegenangriffe abzuwehren. Lediglich bei Trautenau konnte
das VI. Korps unter Ludwig Gablenz am 27. Juni 1866 einen preußischen Verband
zum Rückzug zwingen. Schon im ersten Vorpostengefecht von Hühnerwasser (Kuřívody) am 26. Juni
1866 hatte sich eines überdeutlich gezeigt: Die preußische Seite war in Sachen
Feuerkraft überlegen. Während gerade einmal 50 Mann fielen, verlor das I.
österreichische Korps fünf Mal so viele Männer. Hauptgrund hierfür: Mit dem Zündnadelgewehr
verfügten die preußischen Infanteristen über einen modernen Hinterlader mit dem
theoretisch zehn bis zwölf Schüsse pro Minute möglich waren. Damit war die
Feuergeschwindigkeit drei- bis fünfmal schneller als beim österreichischen Lorenzgewehr
– einem Vorderlader, der im Stehen durch den Lauf geladen werden musste. Eine
entsprechende waffentechnische Modernisierung war zuletzt 1865 durch die
parlamentarische Armeeaufwand-Kontrollkommission verschoben worden – mit dem
Hinweis, kein ausgeglichenes Budget zur Verfügung zu haben.
Noch verschlimmert
wurde dieser Nachteil durch die „Stoßtaktik“ der österreichischen Infanterie –
damit sind Frontalangriffe in massierten Kolonnen gemeint, die den Sinn hatten,
das feindliche Feuer so schnell wie möglich zu durchlaufen, um in den Nahkampf
mit Bajonett und Gewehrkolben überzutreten. Was im Deutsch-Dänischen Krieg
(1864) gegen einen ebenfalls mit Vorderladern bewaffneten Feind noch
einigermaßen gut funktioniert hatte, war nun glatter Selbstmord. Das lässt sich
an den Verlustzahlen erahnen: Bei Trautenau fielen 3,6-mal so viele Österreicher
wie Preußen (4 787 zu 1 338) und bei Náchod fünfmal so viele (5 719 zu 1 122,
zahlenmäßig die höchsten Verluste vor Königgrätz). Beim Nachtgefecht von Podol
betrug das Verlustverhältnis gar 8 zu 1 (1 048 zu 130), schreibt Peter Aumüller
2004 in „Truppendienst“. Dass die Preußen auch über modernere Geschütze
verfügten, fiel dagegen nicht so ins Gewicht, weil die Mannschaften in der
Bedienung teilweise noch unsicher waren. Aber darüber hinaus wurde man
österreichischerseits noch von ganz spezifischen Problemen geplagt wie der
babylonischen Sprachverwirrung innerhalb der multinationalen Armee. Zum
Beispiel kämpften die Truppen in Podol so lange geordnet, bis ihnen die
Offiziere aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit die Befehle nicht mehr per Handzeichen vermitteln konnten. Insofern ist die Bezeichnung „Österreicher“ natürlich eine unscharfe
Verkürzung – unter den kaiserlichen Fahnen kämpften neben Deutschsprachigen weiters
Italiener, Kroaten, Slowaken, Slowenen, Polen, Rumänen, Serben, Slowaken,
Tschechen, Ukrainer sowie Ungarn. Nicht nur die Ereignisse vor 150 Jahren
sollten daher im Kontext gemeinsamer mittel- und osteuropäischer Geschichte
begriffen werden.
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Schlachtfeldfunde im "Kriegsmuseum 1866" bei Chlum |
Entscheidung
bei Königgrätz
Nirgendwo sollte
das Missverhältnis bei den Opferzahlen so offensichtlich zutage treten wie in
Königgrätz: Entlang einer Kampflinie von 10,5 Kilometer betrugen die Verluste an
Toten, Verwundeten und Vermissten auf österreichischer Seite pro Meter drei
Mann und pro hundert Meter 11 Offiziere. Oder anders ausgedrückt: 5.658 Mann
wurden getötet, 7.410 vermisst, 7.574 verwundet und 22.170 gefangen genommen.
Die preußischen Verluste dagegen waren leicht: 1.929 Tote, 276 Vermisste und 6.948
Verwundete. Aber es ist nicht so, dass der Ausgang der Schlacht bereits fix festgestanden
wäre. Nach dem ersten Schock hatte man auf österreichischer Seite ein paar
Lehren gezogen: Man wollte den Feind diesmal von seiner eigenen Medizin „kosten“
lassen – und zwar indem man ihn in konzentriertes Abwehrfeuer zwang. Zu diesem
Zweck hatten sich die zehn Korps sowie fünf Kavalleriedivisionen der Nordarmee sowie der sächsische
Truppenteil auf hügeligem Gelände zehn Kilometer nordwestlich der Festung
Königgrätz aufgestellt. Im Zentrum wurde eine „große Batterie“ von 160
Geschützen und dahinter massive Reserven – zwei Infanteriekorps und Kavallerie
– positioniert. Sobald der Feind sturmreif geschossen wäre, würde man zur Gegenoffensive
übergehen.
Das war der Plan,
den sich der Oberkommandierende, Ludwig Ritter von Benedek, zurechtgelegt
hatte. Der damals 62 jährige Feldzeugmeister verdankte seinen Posten der
Tatsache, dass er sich 1859 im Krieg gegen Frankreich und Italien als einziger
mit Ruhm bedeckt hatte. Mit dem neuen Kommando war Benedek aber von Beginn an überfordert
– immer wieder bekannte er, in Böhmen ein „Fremdling“ zu sein und war von Zweifeln
gepeinigt. Unter dem Eindruck der vorangegangenen Niederlagen telegrafierte
Benedek am 1. Juli 1866 an den kaiserlichen Hof: „Bitte Eure Majestät dringend,
um jeden Preis Frieden zu schließen. Katastrophe der Armee unvermeidlich.” Die
Antwort lautete: „Einen Frieden zu schließen unmöglich. Ich befehle – wenn
unausweichlich – den Rückzug. Hat eine Schlacht stattgefunden?“
Diesen letzten
Satz soll der verunsicherte Benedek als Befehl aufgefasst haben. Auch seine unmittelbaren
Untergebenen – der Leiter der Operationskanzlei Gideon von Krismanic und
Stabschef Alfred Henikstein – waren alles andere als gewiefte Strategen. Aber nichts
verdeutlicht die Führungsschwäche deutlicher als Benedeks Verhalten beim
„Kriegsrat“ am 2. Juli 1866 unmittelbar vor der Schlacht. Alle hohen Ränge waren
versammelt, aber der Feldzeugmeister schärfte ihnen lediglich ein, in Sachen
Disziplin die Zügel nicht schleifen zu lassen. Man würde die erschöpfte Armee
einige Tage rasten lassen. Als dann Leopold von Edelsheim, mit 40 Jahren der
jüngste General, anmerkte, dass man wohl spätestens am folgenden Morgen angegriffen
würde, kanzelte ihn Benedek ab: „Wo haben Sie denn das Prophezeien gelernt?" und "Junge Leute pflegen immer Ansichten zu haben.“
Somit ist es auch nicht überraschend, dass die einzelnen Korpskommandanten über
ihre zugedachte Rolle nicht Bescheid wussten. Das gab dem als Defensivschlacht
geplanten Waffengang bald eine neue Richtung.
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Ludwig von Benedek (Quelle: Wikimedia Commons) |
Von
der Defensiv- zur Offensivschlacht
Im Laufe des
Vormittags an jenem 3. Juli 1866 hatten sich die Dinge zunächst gut entwickelt:
Die frontal angreifende 1. preußische Armee hatte das Flüsschen Bistritz
überquert, war dann aber im Feuer der österreichischen Kanonen liegen
geblieben. Auch der rechte Flügel – die Elbarmee
– kam wegen des übervorsichtigen Kommandanten kaum voran. In dieser Situation
glaubten die Generäle Anton Mollinary und Karl Thun-Hohenstein ihre Stunde
gekommen. Ihr II. bzw. IV. Armeekorps bildete eigentlich den rechten
österreichischen Flügel. Dieser sollte die 2. preußische Armee, die sich noch
im Anmarsch auf das Schlachtfeld befand, abwehren. Doch die Krise des Feindes
im Zentrum legte es nahe, in die Offensive überzugehen und den zermürbten Feind
in der Flanke zu packen. Dazu musste aber erst der Swiepwald erobert werden,
den die preußische 7. Division besetzt hatte. In der Folge entspann sich eine der
blutigsten Episoden der Schlacht – insgesamt traten 39 österreichische
Bataillone an, um 14 preußische zu vertreiben.
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Denkmal beim Swiepwald |
Der offizielle Bericht des k. k.
Generalstabsbüros von 1868 beschreibt, wie das der Brigade des Oberst Karl Poekh
beinahe gelungen wäre: „Da wurden plötzlich auf einer waldbedeckten Anhöhe in
der rechten Flanke preußische Massen bemerkbar, welche ein mörderisches Feuer
auf die tiefer befindliche Brigade eröffneten. Der Brigadier und alle
Stabsoffiziere – bis auf einen – fielen.“ Als es nach Stunden gelungen war, das
Gehölz zum Großteil unter Kontrolle zu bringen, traf ein Befehl Benedeks ein:
Trotz hartnäckiger Proteste Mollinarys wurden die Korps wieder in die Ausgangsstellung
zurückbefohlen. Auch im Zentrum verweigerte der Feldzeugmeister hartnäckig den Offensivbefehl
und beließ es beim passiven Zuwarten – bis es Untergebene auch in diesem
Abschnitt nicht mehr aushielten. Im Glauben, der allgemeine Vormarsch würde bald
beginnen, drangen zwei Regimenter „mit aller Bravour“ auf den gegnerisch
besetzten Holawald vor, mussten aber nach schweren Verlusten umkehren.
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Denkmal des 8. Jägerbataillons im Swiepwald |
„Plauschens
net so dumm!“
Die ausgebluteten
Truppen am rechten Flügel waren nach dem Hin- und Her jedenfalls zu
demoralisiert, um die 2. preußische Armee noch aufhalten zu können. Deren
Spitze, die Gardedivision, brachte es zustande, gegen 14.45 Uhr schnell bis ins
Herz der österreichischen Aufstellung, dem Dorf Chlum, vorzudringen. Benedek
schnaubte einen Stabsoffizier, der ihm die verhängnisvolle Meldung brachte,
noch an: „Plauschens net so dumm!“ Aber dann wollte er doch selbst nach dem
Rechten sehen. Prompt gerieten er und seine Suite zuerst unter preußischen
Beschuss, dann in „friendly fire“.
Mehrere Offiziere, darunter der Sohn des Flügeladjutanten des Kaisers und
Erzherzog Wilhelm wurden getötet oder verwundet. An einer anderen Stelle nahe
Chlum ließ Hauptmann von der Groeben seine acht Geschütze wenden und bis auf 200
Schritte an den Dorfrand heranfahren, um die vordringenden Preußen zu
beschießen – „doch das feindliche Schnellfeuer richtete unter der Mannschaft
und Bespannung solche Verheerungen an (in diesem Momente fielen Hauptmann v. d.
Groeben, 1 Officier, 52 Mann und 68 Pferde), dass die Batterie nur 10 Schüsse
machen und nur 1 Geschütz fortgebracht werden konnte; 7 blieben kampfunfähig
stehen und gingen verloren“, so der Generalstabsbüro-Bericht. Unter den
zahllosen Erinnerungsstätten, die in den darauffolgenden Jahrzehnten auf dem
Schlachtfeld errichtet wurde, sticht als größtes jenes für die „Batterie der
Toten“ hervor. Aber nicht weit entfernt schoss auch die Fußbatterie Nr. 7/XII
unter Hauptmann Josef Kuhn bis zum letzten Augenblick – und geriet in
Vergessenheit.
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Die Batterie der Toten, Monumentalgemälde von V. Sochor (Ausschnitt, Heeresgeschichtliches Museum, Wien) |
Das Schlachtenglück
hatte sich nun endgültig gewendet Um Chlum und das benachbarte Rozběřice zurückzuerobern
traten die Reserven – das VI. und I. Korps – an. Dem Wiener Hausregiment Deutschmeister gelang es, Rosberitz (Rozběřice) wieder in Besitz zu nehmen. Auf preußischer Seite mischte sich der damals 19jährige
Paul Hindenburg (später Oberbefehlshaber im 1. Weltkrieg und Reichspräsident)
ins Handgemenge. In „Aus meinem Leben“ (1920) schilderte er die Erlebnisse so:
„Von Kampf in geordneten Verbänden ist keine Rede mehr. Jeder sticht und
schießt um sich, so viel er kann. Prinz Anton von Hohenzollern vom 1.
Garderegiment bricht schwerverwundet zusammen. […] Dessen goldene Uhr wird mir
überbracht, damit diese nicht etwa feindlichen Plünderern in die Hände fällt.
Bald laufen wir Gefahr, abgeschnitten zu werden. Aus einer in unseren Rücken
führenden Seitengasse tönen österreichische Hornsignale, hört man die dumpfer
als die unserigen klingenden Trommeln des Feindes. Wir müssen, auch in der
Front hart bedrängt, zurück. Ein brennendes Strohdach, das auf die Straße
herabstürzt und sie mit Flammen und dichtem Qualm absperrt, rettet uns.“
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Deutschmeister-Denkmal in Rosberitz |
Nach
diesem Anfangserfolg mussten die Österreicher allerdings über eine steile
Anhöhe nach Chlum vordringen. Das Ergebnis war ein wahres Massaker: Die
preußischen Gardisten feuerten aus der Deckung eines Querhohlwegs und zwei
Geschützbatterien schossen Kartätschen in die Flanken der Sturmkolonnen.
Innerhalb von weniger als einer Stunde verlor das VI. Korps 125 Offiziere und
6.000 Mann. Das I. Korps büßte innerhalb von 20 Minuten sowie auf dem Rückweg
von 20.00 Mann gar 279 Offiziere, 10.000 Mann und 23 Geschütze ein.
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Denkmal für das I. Korps auf der Höhe von Chlum |
„Die Hölle tut sich auf“
In der
Novelle „Eine Sommerschlacht“ (1887) beschrieb der Veteran und Schriftsteller Detlev von Liliencron diese apokalyptischen Kämpfe: "Und die
Hölle tut sich bei uns auf. Mit wundervollem Mut, mit prächtigem Vorwärts, weit
die Offiziere voran, und wenn sie fallen, springen andere vor, so dringt's her
gegen uns. Aber der Feind kann nichts machen gegen unser Blitzfeuer. Er muß
zurück. Verwundete schwanken auf uns zu. Da kommt
der Hauptmann wieder. Er drückt mir die Hand. Und ein Funkelfeuer wirft sein
Auge in mein Herz. Ich weiß, was er will: ‚Auf!' schreit er, und vorwärts,
glühend er voran, mit Marsch, Marsch auf den Feind. Wir sind an der Mauer.
Hinaus! Hinab! Mann gegen Mann. Ein langer österreichischer Jäger hebt mich am
Kragen hoch und will mich wie einen Hasen abfangen. Aber: 'Ha!' faucht es neben
mir durch die Nase, und Cziczan 'flutscht' ihm das aufgepflanzte Seitengewehr
durch die Rippen. Einen Augenblick schau' ich mich um: der alte Sergeant steht
neben mir. 'Ha!' schnaubt er durch die Nase. Seine Augen rollen. Er ist der
einzige, der auch in diesem Augenblick nicht einen Knopf, nicht den Kragen
geöffnet hat."
„Marsch!
Marsch! Hurra!“
Benedek war
währenddessen nicht greifbar, sondern irrte auf dem Schachtfeld umher. Gegen 16
Uhr passierte er ein Kürassierregiment und rief es zur Ordnung: „Um Gottes
Willen, meine Herren! Dort ist der Feind! Dorthin die Front!“ In diesem Moment
sauste eine Granate herbei und tötete den kommandierenden Oberst – dessen Leichnam
blieb aber mit dem Stiefel im Steigbügel hängen und wurde vom Pferd
mitgeschleift. Entsetzt schrie Benedek, man solle das Tier aufhalten, aber
weitere Granattreffer ließen die Kürassiere auseinanderstoben. Der Feldzeugmeister
sah darin Ungehorsam und schloss sich kurz darauf tief deprimiert dem allgemeinen
Rückzug an. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Elbarmee
auch Benedeks linken Flügel eingedrückt und damit die Niederlage
vervollständigt. Es gelang nur mehr, die Verfolgung durch die preußische
Kavallerie mit einem Gegenangriff zu stoppen. In der Ebene zwischen Stresetitz (Střezetice) und Langenhof (Dlouhé Dvory) prallten jeweils 5.000 Mann in einem der letzten großen Reitergefechte
aufeinander. Mittendrin war der Kürassierleutnant Ernst Graf Wurmbrand: „Es war
der schönste Tag meines Lebens, selbst wenn es der letzte gewesen wäre. […] In
der Nähe der preußischen Ulanen kommandiere ich: ‚Marsch! Marsch! Hurra!‘ und
so ritt ich direkt auf die feindliche Mitte zu, ein Wald von Lanzen starrte mir
entgegen. Ich durchritt ein paar Offiziere, die vor der Front ritten, und
sprang dann gleich in die Mitte des feindlichen Ulanenregiments hinein. Einem
Ulanen rechts von mir spaltete ich den Schädel, er sank vom Pferd, mein Pallasch
war aber zu stark in seinen Schädel eingedrungen, ich konnte ihn nicht gleich
wieder herausziehen, und das war mein Verhängnis. Denn alle Ulanen stachen nach
mir, zum Glück daneben, aber einer, […], erwischte mich und stach mir in die
rechte Halsseite. Der Stich war gut und heftig, mir wurde sofort schwarz vor
Augen, und ich fiel vom Pferd herunter.“
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Wurmbrands Helm mit deutlichen Kampfspuren im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien |
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Gefecht zwischen österreichischen Ulanen und preußischen Kürassieren (Gemälde 1883, Quelle: Wikimedia Commons) |
Hätten die Preußen an diesem
Punkt nicht Halt gemacht, hätten sie die Nordarmee
wohl völlig vernichtet – denn mit dem Fluss Elbe befand sich ein großes
Hindernis im Rücken von Benedeks Stellung. Das Gerücht, die Preußen wären ihnen
tatsächlich auf den Fersen, verbreitete aber so viel Panik unter den
Fliehenden, dass es beim Übergang noch zahlreiche weitere Opfer gab.
Das
„Aufräumen“ nach der Schlacht
Der Horror des
Schlachtfelds wird aus Erlebnisberichten der örtlichen bäuerlichen Bevölkerung
deutlich. Einer, den man zum „Aufräumen“ zwang, berichtete, wie die Toten im
Swiepwald beiseite schaffte: „Im Wald wurde gewöhnlich eine Grube nur einen
‚Stich‘ tief, 30 bis 50 cm, ausgehoben und hier wurden die Leichen eingebettet
und mit der aufgeschütteten Erde etwas zugedeckt. Wo es der Boden erlaubte, zum
Beispiel an breiteren Wegen im Wald oder an kahlen Stellen ohne Bestand, dann
in den Feldern wurden die Gruben einen Meter oder tiefer gegraben, und es
wurden stets mehrere Leichen in ein Grab gebettet, ab und zu bis 100. Die
Leichen lagen überwiegend mit Mänteln bekleidet, nur die beraubten Leichen
waren entkleidet. Es geschah so, dass der beim Beerdigen Wache haltende Preuße
anordnete, die Leute sollten den Leichen die Mäntel ausziehen, da sie diese gut
gebrauchen können.“ Ein anderer Bauer wurde mit seinen Knechten hinzugezogen,
um zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Tage vergangen und die
Körper in „ziemliche Zersetzung“ geraten: „So ließ er von zu Hause ein Pferd
und eine Kette holen, und als das Pferd gebracht wurde, umschlang dem toten
Schützen die Kette um beide Beine und zog ihn auf diese Weise aus dem Wald in
einen tiefen Graben am unteren (nördlichen) und östlichen Waldteil. In diesen
mehr als 200 m langen Graben wurden [je] zwei Tote unten und einer oben
gebettet.“
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"Ein Ruhmesblatt der österreichischen Artillerie" - Gemälde v. 1897 im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien) |
„Die
Piefkes kommen!“
Der Deutsche Krieg
zog sich nach Königgrätz noch mehrere Wochen bis zum Vorfrieden von Nikolsburg
am 26. Juli 1866 hin. Größere Kampfhandlungen gab es abgesehen von einigen
Kleingefechten nicht mehr. Für die preußische Armee war diese Phase allerdings
die verlustreichste: 4.529 Soldaten starben auf dem weiteren Vormarsch an der
Cholera – mehr als durch österreichische Kugeln (insgesamt 4.070).
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Die Cholera war tödlicher - Denkmal für preußische Opfer der Krankheit in Poysdorf (NÖ). |
Ein
demütigender Einmarsch in der Residenzstadt Wien blieb Kaiser Franz Josef II.
erspart – die Preußen hielten ihre Parade dafür am 31. Juli 1866 in Gänserndorf
ab. Dabei soll der Kapellmeister Johann Gottfried Piefke mit imposantem
Schnurr- und Backenbart so großen Eindruck auf die Zuschauer gemacht haben,
dass diese riefen: „Die Piefkes kommen!“ Weniger amüsant war die Aufarbeitung
der Verantwortung für die vollständige Niederlage. Vor allem Benedek wurde hier
zum bequemen Sündenbock: Der oberste Militärjustizsenat verhängte gegen ihn und
einige Offiziere eine kriegsgerichtliche Untersuchung, die jedoch auf Befehl
des Kaisers eingestellt wurde. Es wurde Benedek jedoch das Versprechen
abverlangt, über die Umstände der Niederlage für immer zu schweigen. Als
gebrochener Mann starb er 1881 in seiner Grazer Villa.
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Das "Piefke-Denkmal" erinnert seit 2009 an die Begebenheit in Gänserndorf (Quelle: Wikimedia Commons) |
„Fliegendes
Korps“
In vielerlei
Hinsicht war der Deutsche Krieg einer der ersten modernen Konflikte: Zum ersten
Mal spielten Eisenbahnen beim Truppentransport eine wesentliche Rolle. Die aufwändige
logistische Planung dahinter hätte sich freilich für die preußische Seite fast
ins Gegenteil verkehrt, weil die Nachschubzüge zum Teil erst eintrafen, als die
Schlacht von Königgrätz schon gewonnen war. Auch ersetzte der Telegraf zum Teil
die vorindustrielle Kommunikation über Meldereiter. Die Leitungen wurden aber
auch bereits von Spionen zur Nachrichtengewinnung „angezapft“. Und es gab sogar
Überlegungen, eine Guerilla im Rücken der preußischen Front aufzubauen. Hauptmann
von Vivenot schlug Benedek vor, aus dem gesamten Forstpersonal Böhmen und
Mährens ein „Fliegendes Korps“ aufzustellen. Mit Gewehren, Säbeln, Sensen und
Dreschflegeln ausgestattet sollte es kleinere preußische Abteilungen aus dem
Hinterhalt angreifen, Verkehrswege sabotieren und Kuriere abgefangen. Der am
22. Juli 1866 vereinbarte Waffenstillstand sollte der Umsetzung dieses Plans in
die Quere kommen.
Es bleibt beim "Gradaus"
In einem Punkt erwies man sich auch später lernresistent: Als
1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, zeigten die österreichischen Militärs immer
noch dieselbe Fixierung auf schlecht unterstützte Frontalangriffe. Wie der
US-amerikanische Militärhistoriker Geoffrey Wawro in „A mad Catastrophe“ (2014)
schreibt, war die österreichische Tradition des „Gradaus“ seit dem Musketenzeitalter praktisch unverändert geblieben
– ungeachtet moderner Erfindungen wie Maschinengewehr und schnellfeuernder
Artillerie. Das war der Hauptgrund dafür, warum man in den ersten
Herbstschlachten in Galizien enorme Verluste von rund 500.000 Gefallenen,
Vermissten und Gefangenen erlitt – wovon sich die Armee nie mehr erholen
sollte. Letztendlich war es die Niederlage von Königgrätz, die wesentlich dazu
beitrug, dass sich die europäische Geschichte so verhängnisvoll entwickelte – auch
wenn dies nicht linear geschah, ist man geneigt, dem Historiker Wilhelm
Schüssler zuzustimmen: Ohne Königgrätz „dürfte eine Erscheinung wie Hitler kaum
zu erklären sein.“
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Denkmal für die "Batterie der Toten"bei Chlum |